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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.08.2018

Leider etwas enttäuscht

Vox
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Eine Welt, in der Frauen nur 100 Wörter am Tag sprechen dürfen – was ist das für eine Welt? Wie kann es dazu kommen? Diese Fragen waren es, die mich dazu verleitet haben, ebenfalls mal in diesen Roman ...

Eine Welt, in der Frauen nur 100 Wörter am Tag sprechen dürfen – was ist das für eine Welt? Wie kann es dazu kommen? Diese Fragen waren es, die mich dazu verleitet haben, ebenfalls mal in diesen Roman zu schauen, der gerade in aller Munde ist. Und vielleicht war es genau dieser Hype ums Buch, der meine Erwartungen etwas zu hochgeschraubt hat, denn ich wurde leider beim Lesen etwas enttäuscht.

Aber erstmal zu den positiven Punkten: Antworten auf meine Ausgangsfragen habe ich gefunden und war erschrocken darüber, wie einfach gerade die Antwort auf „Wie kann es dazu kommen?“ ausfiel – und wie realistisch. Die Welt, die Autorin Christina Dalcher hier erschaffen hat, ist unserer nicht besonders fern, genau genommen kann es jederzeit so kommen, wenn wir nicht aufpassen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Jean, eine Mutter von vier Kindern und natürlich – wie alle Frauen – mit dem Wortzähler ausgestattet, der genau darauf achtet, dass sie auch ja die 100 Wörter am Tag nicht überschreitet. Es ist ein irgendwie beklemmendes Gefühl, ihr durch die Geschichte zu folgen, denn wir bekommen mit, wie oft sie sich zurückhalten, zensieren muss, wie oft sie wegen ihrer begrenzten Wortzahl nicht die Mutter sein kann, die sie sein möchte. Ich bin Jean gerne durch ihr Leben gefolgt, habe ihren Geheimnissen gelauscht und die Welt aus ihren Augen gesehen, aber…

Ja und hier kommt das Aber: Jean schweift sehr oft in die Vergangenheit ab, erinnert sich an frühere Geschehnisse, was einerseits richtig und wichtig ist, weil wir so erfahren, wie es überhaupt zu dieser neuen Gesellschaft kommen konnte, die wir da präsentiert bekommen – andererseits aber nicht immer relevant für die Geschichte ist und somit für mich die Spannung gebremst hat.

Das Thema Spannung ist auch mein größter Kritikpunkt, denn für mich blieb das Buch bis auf das letzte Drittel leider relativ zäh. Im letzten Drittel tauchte dann nochmal eine überraschende Wendung auf, die mir richtig gut gefiel (und ich aus Spoiler-Gründen gerade nicht nennen kann), die ich mir aber für das erste Drittel des Buchs gewünscht hätte.

Somit bleibt für mich leider nur das Fazit, dass es ein durchaus spannendes und nachdenklich stimmendes Szenario ist, das Christine Dalcher hier entwirft, jedoch die Umsetzung für mich aufgrund fehlender Spannung nicht ganz gelungen ist.

Veröffentlicht am 17.08.2018

Gute Unterhaltung mit spannendem Zukunfsszenario

Cat & Cole 1: Die letzte Generation
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Eine Welt, in der jeder über ein Panel im eigenen Körper perfektioniert wird. In der Makel, Krankheiten, körperliche Einschränkungen nicht nur gelöscht, sondern ins Gegenteil verkehrt werden können: zu ...

Eine Welt, in der jeder über ein Panel im eigenen Körper perfektioniert wird. In der Makel, Krankheiten, körperliche Einschränkungen nicht nur gelöscht, sondern ins Gegenteil verkehrt werden können: zu übermenschlicher Sehkraft, Stärke usw. Ein spannendes Ausgangsszenario, das sich Autorin Emily Suvada da für ihre Dystopie ausgedacht hat. Und je tiefer man in die Geschichte von „Cat & Cole: Die letzte Generation“ eintaucht, desto realistischer erscheint einem, dass dieses Szenario irgendwann mal eintreffen könnte.
Denn wenn Emily Suvada eins beherrscht, dann ist es Recherche: Komplexe technische und biologische Vorgänge bindet sie so mühelos in die Geschichte ein, dass man einfach daran glauben MUSS, dass so etwas irgendwann einmal möglich ist. Mir persönlich war das teilweise allerdings etwas zu komplex und die Verwendung vieler buchspezifischer Fachtermini ließ mich manches Mal etwas verwirrt zurück. Dennoch verlor die Geschichte dadurch nicht an Spannung, auch wenn sie für mich erst gegen Mitte des Buches wirklich anzog und die Geschichte zum Pageturner wurde.
Mit Protagonistin Cat hat die Autorin einen sympathischen Charakter erschaffen, mit dem man sich schon nach den ersten Seiten identifizieren kann. Auch die anderen Charaktere fügen sich gut in die Geschichte ein, machen teils überraschende Wandlungen durch und tragen zu Plot und Spannung bei, ohne dabei jedoch blass oder nur dem Zweck dienlich zu wirken.
Mir hat „Cat & Cole: Die letzte Generation“ gut gefallen, auch wenn ich mir schon am Anfang mehr Spannung gewünscht hätte. Trotzdem war es für mich ein sehr unterhaltsames Buch, das ich gerne gelesen habe und dessen Ende mich neugierig zurücklässt, so dass ich schon gespannt auf den nächsten Teil warte!

Veröffentlicht am 30.05.2018

Grandios, turbulent, fulminant

Kleine Feuer überall
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Man muss diese Autorin einfach bewundern. Celeste Ng versteht ihr Handwerk und hat mit "Kleine Feuer überall" genau das wieder einmal bewiesen. Mit einem wunderschönen, einnehmenden Schreibstil nimmt sie ...

Man muss diese Autorin einfach bewundern. Celeste Ng versteht ihr Handwerk und hat mit "Kleine Feuer überall" genau das wieder einmal bewiesen. Mit einem wunderschönen, einnehmenden Schreibstil nimmt sie uns mit nach Shaker Heights, eine Kleinstadt mir vielen Regeln und vielen Verboten, um das perfekte Idyll zu schaffen - nur leider ist in diesem Idyll nichts so perfekt wie es scheint.

Mühelos gelingt es Ng zwischen den Perspektiven der 6-köpfigen Familie Richardson, ihren Mietern Mia und Pearl und zahlreichen Nebencharakteren hin und her zu wechseln, ohne den Leser dabei auch nur ein einziges Mal zu verlieren. Dabei wirft sie durch das grandios beschriebene Setting nicht nur Gesellschafts-, sondern durch die Figurenkonstellation auch Generationenfragen auf und umreißt anschaulich und ohne Wertung Themen wie Adoption, Abtreibung und Leihmutterschaft.
Dass hier keine Wertung stattfindet, gelingt Ng insbesondere dadurch, dass es keinen herausragenden Sympathieträger unter den Figuren gibt; als Leser steht man allen Figuren dank ihrer ausgeprägten Stärken und Schwächen im Laufe der Geschichte unterm Strich neutral gegenüber und kann sich deshalb ein eigenes Urteil über die angesprochenen Themen bilden.

Doch nicht nur Schreibstil, Figuren und Setting können überzeugen, auch der Aufbau der Geschichte, die eigentlich mit dem Ende beginnt, zeugt von wahrer Kunst und macht einfach Spaß zu lesen. Ng schafft es, über die 380 Seiten hinweg konstant die Spannung aufrecht zu erhalten, denn man MUSS einfach wissen, was es mit den kleinen Feuern auf sich hat und wie am Ende alles zusammenhängt.

Der Titel des Buchs ist sehr gut gewählt, auch das Cover kann ich im Nachhinein als gelungen bezeichnen, obwohl ich es vor dem Lesen als zu schlicht für den Titel empfunden hatte.

Insgesamt ein grandioses, wunderbar zu lesendes Buch mit turbulentem Ende, das ich insbesondere Fans von "Ein plötzlicher Todesfall" von J. K. Rowling empfehlen kann.

Veröffentlicht am 24.05.2018

Anständigkeit, Tugend und Moral

Die Herzen der Männer
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Um schon mal das Fazit vorweg zu nehmen: "Die Herzen der Männer" hat mich mitgerissen. Man begleitet die Charaktere durch ihr ganzes Leben und hat am Ende das Gefühl, sie wirklich zu kennen und das Leben ...

Um schon mal das Fazit vorweg zu nehmen: "Die Herzen der Männer" hat mich mitgerissen. Man begleitet die Charaktere durch ihr ganzes Leben und hat am Ende das Gefühl, sie wirklich zu kennen und das Leben mit ihnen gemeinsam gelebt zu haben. Nickolas Butler hat einen tollen Schreibstil, der einen in diese faszinierende Pfadfinder-Welt führt und einen am Ende wünschen lässt, man wäre selbst mal Pfadfinder gewesen.

Aber jetzt mal von Anfang an: Das Buch ist in 4 Teile geteilt, in jedem neuen Teil findet ein Zeitsprung statt und die Perspektive wechselt. Was jedoch immer erhalten bleibt ist der Protagonist Nelson, der im 1. Teil noch ein Kind, später dann ein alter Mann ist, für den eines aber immer wichtig war: Pfadfinder sein. Allzeit bereit. Wir erleben seinen Kampf gegen die überlegenen anderen Jungs im Pfadfinderlager, erleben mit, wie er schließlich Campführer wird und auch noch als alter Mann versucht, die Kids im Lager zu den besten Männern zu machen, die sie sein können.

Nelson ist es auch, der die interessanteste und schönste Charakterentwicklung durchmacht, auch wenn wir im Buch noch andere Figuren sehr genau kennenlernen und auch diese über einen großen Zeitraum hinweg bei ihrer Entwicklung beobachten können. Nickolas Butler gelingt es hierbei sehr gut, eine stetige subtile Spannung aufzubauen, denn die Charaktere wachsen einem so schnell ans Herz, dass man unbedingt erfahren möchte, wie es mit ihnen weitergeht.

Obwohl es in dem Buch sehr stark auch darum geht, das beste aus sich herauszuholen, hat es nie den Beigeschmack der heute so proklamierten "Selbstoptimierung". Durch das Setting im Pfadfinderlager geht es vielmehr um gute, alte Tugenden, um Anständigkeit, Tradition und Moral. Dabei kommt es aber nie altbacken oder belehrend daher, sondern bleibt modern und regt zum Nachdenken über die eigenen Werte an.

Mich hat das Buch sehr berührt und gerade das Ende hat für richtig Gänsehaut gesorgt. Trotzdem kann ich letzten Endes nicht 5 Sterne vergeben, da der Titel des Buchs doch etwas andere Erwartungen geschürt hat. Denn in "Die Herzen der Männer" bekommt man weniger einen Einblick in die Herzen als vielmehr in die Denkweise und den Moralkodex der Männer.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Drei Geschichten meisterhaft verwoben

Der Zopf
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Normalerweise schreibe ich in meinen Rezensionen nichts über das Cover, aber hier muss ich es einfach tun: Die Farben harmonieren hier so schön, gold, schwarz und beige sind so klug gewählt und ...

Normalerweise schreibe ich in meinen Rezensionen nichts über das Cover, aber hier muss ich es einfach tun: Die Farben harmonieren hier so schön, gold, schwarz und beige sind so klug gewählt und wirken so elegant, man möchte es die ganze Zeit anschauen! Es wird auf jeden Fall ein Schmuckstück in meinem Regal werden.

Nun aber zum Inhalt: Autorin Laetitia Colombani hat nicht nur einen wunderbaren Namen, sondern auch einen wunderbaren Schreibstil. Es dauert nur wenige Seiten, dann ist man mitten im Geschehen, bangt um und fiebert mit Smita, Guilia und Sarah, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnte. Trotz der drei wechselnden Perspektiven mit so verschiedenen Szenarien schafft es die Autorin, dass man sich als Leser gar nicht richtig entscheiden kann, welche Geschichte gerade am spannendsten ist. Das Einfinden in die jeweils anderen Perspektiven gelingt dabei jedes Mal mühelos, ohne lästiges "was war da nochmal gerade passiert?".
Fasziniert hat mich auch, dass Laetitia Colombani jeder der drei Frauen eine eigene Stimme gegeben hat. Auch ohne die Überschriften hätte man als Leser leicht erkannt, um welche der drei Protagonistinnen es gerade geht. Ebenfalls meisterhaft beherrscht die Autorin letzte Sätze: die Kapitelenden sind jeweils so auf den Punkt gebracht spannend, dass man die nächste Seite einfach umblättern MUSS, weil man unbedingt wissen will, wie es weitergeht.

Die Geschichten der drei Frauen plätschern niemals einfach so dahin, immer passiert etwas, immer lässt subtile Spannung Seite um Seite umdrehen, bis man verwundert feststellt, dass man schon am Ende ist. Ich war glücklich und traurig, dass es das Ende war: Glücklich, weil ich mir einen anderen Ausgang im Kopf ausgemalt hatte und froh war, dass ich überrascht wurde, und traurig, weil ich die Geschichte und Smita, Giulia und Sarah schon wieder verlassen musste. Gern hätte ich noch ein bisschen in diesen drei Welten verweilt und insbesondere mehr über Smitas Kultur und das Leben in Indien erfahren.

Mein Fazit: Laetitia Colombani verwebt in "Der Zopf" drei Geschichten so meisterhaft miteinander, dass der Titel des Buchs eine doppelte Bedeutung bekommt. Absolute Leseempfehlung!