Komplex und düster
Mit dem Auftakt ihrer Chroniken führt uns Sarah Skitschak erneut ins Kronland, in dem sich eine Rebellion manifestiert hat, deren Ausmaß ebenso gewaltig ist wie Flis Schicksal.
Nach einem missglückten ...
Mit dem Auftakt ihrer Chroniken führt uns Sarah Skitschak erneut ins Kronland, in dem sich eine Rebellion manifestiert hat, deren Ausmaß ebenso gewaltig ist wie Flis Schicksal.
Nach einem missglückten Diebstahl ist Flordelis Vanyeridis – eigentlich berüchtigt für ihre Präzision und ihr geschwindes Abtauchen – auf der Flucht vor den Häschern der als gnadenlos geltenden zirkonischen Fürstin Bele Mortrenna. In einem Wegehaus wird sie von einem der Söldner aufgegriffen und raubt ihm mehr aus Reflex als aus Absicht sein Lebensglück. Um ihre Schuld wettzumachen, begibt sie sich mit dem Pechvogel auf die Suche nach jener, die ihre Tat ungeschehen machen kann. Doch die vermeintliche Juwelendiebin und ihr Begleiter geraten erst in einen blutigen Konflikt mit den gnadenlosen Soldaten der Fürstin und dann in die Hände der Rebellen. Und allein wegen dem, was Flordelis ist, wird sie von diesen gehasst. Ob ihr dreihunderteinundsechzig jähriges Leben in einer kalten Krypta endet?
Lysander Marell hätte sich an das Protokoll halten, nicht vom Gelernten abweichen und seine Neugier, die fast schon Faszination ist, im Zaum halten sollen. Stattdessen wollte er die Gejagte ohne Gewalt zurück in das Reich der Zirkonen geleiten, wollte mehr über die Chrysoberyllfrau erfahren. Nun wurde er binnen weniger Stunden zweimal beinahe getötet, hat einen Stiefel verloren und verbringt mit aller Wahrscheinlichkeit die letzten Augenblicke auf Irden in einem nassen, schimmeligen, behelfsmäßigen Gefängnis mit jener wortkargen Ewigen, die sein Glück gestohlen hat.
Obgleich sich die Handlung nur auf knapp einen Tag erstreckt und es mehrere Hürden für das erzwungene Duo gibt, ist ein Großteil der Handlung mit Überlegungen und Gedanken gefüllt. Wie diese ergründen wir auch die Ereignisse durch ausschweifende, detailreiche Schachtelsätze, was stellenweise nicht nur zu Längen führt, sondern auch zu Verwirrung. Sarahs Stil ist kein leichter, eine Mischung aus schwülstigen, nahezu poetischen und derben Worten. Trotz der düsteren Stimmung, Unzufriedenheit und einer gewissen Melancholie, drohender Gefahr, verschiedener AngreiferInnen und Mystik empfand ich die Geschichte insgesamt als eher sacht und langsam erzählt, vor allem, da die Monologe der Kopfgeldjägerin viel Raum einnehmen und ablenken.
Besonders interessant waren die Informationen über den Bruch des Kronlands, die Schöpfermythen, die uns den vornehmlichen Glauben und die Entstehung der „Arten“ näherbringen, sowie Sagen über die Körperlosen und die Präsenz von Mo. Aber auch Flordelis, in der ein besonders fordernder, animalischer, sie zu Einsamkeit verdammender Seelendurst schlummert, auf der Schuld lastet und deren größter Wunsch Freiheit ist, einer, der seit ihrer Begegnung mit Marell in immer weitere Ferne zu rücken scheint, fesselt und fasziniert. Im fortschreitenden Verlauf kristallisiert sich langsam heraus, von welch gewaltigem Fluch Flis befallen ist, doch bis es so weit ist, dass sich das ganze Ausmaß ihres Loses offenbart, sind es die kleinen Gesten, leise aufblitzende Sehnsüchte, stumme Verletzlichkeit, die uns verraten, dass sich hinter der abweisenden, präzisen und kalten Fassade so viel mehr verbirgt.
Im Vergleich zur Chrysoberyll nahm Lysander zwar eine weniger präsent ausgearbeitete Position ein, nichtsdestotrotz ist der neugierige Söldner mit Humor und Offenheit bestückt, mit Loyalität und Kampfeswillen. Mit einem unerwarteten Geheimnis.
Kam es zu Gesprächen zwischen den beiden, waren diese häufig unterhaltsam und direkt, warfen durch ausweichende Antworten aber gleichzeitig noch mehr Fragen auf.
Denn warum verdingt sich Flordelis als Juwelendiebin und welcher Mission ging sie nach, bevor es zu dem verpatzten Diebstahl und der Begegnung mit dem Söldner kam? Was verbindet einen augenscheinlich rechtschaffenen jungen Mann mit jemandem wie Mo? Selbst die Bedeutung des Titels vom Auftakt der „Kronland-Chroniken“ bleibt – größtenteils – nur eine Ahnung. Dinge, die bis zu Band 2 beschäftigen werden.
Am Ende ihrer gemeinsamen Reise angekommen, umgeben von verbotener Magery, Zaubern, die nicht ohne Gegenleistung funktionieren, setzt Sarah nochmal auf Wendungen und Details, gewährt uns Einblicke in innerste Konflikte …
LeserInnen, die anspruchsvolle Fantasy mögen, in der harsche, komplexe Gegebenheiten, politische Unruhen sowie Kämpfe zugegen und persönliche Befindlichkeiten der Erzählenden über den gesamten Verlauf verstreut sind, Verständnis erst langsam eintreten kann, werden in „Ein Schwert aus Rabenblut“ Stück für Stück eine eindrucksvolle Welt inklusive facettenreicher Charaktere und geheimnisumwobener Mystik ergründen.