Isor und Lucien - ein kluges, feinfühliges Stück über das Leben und die Freundschaft
Die junge Isor ist in jeglicher Hinsicht anders als ihre Eltern und die Gesellschaft es von ihr erwarten. Am auffälligsten ist, dass sie nie spricht, dazu kommt ihr Zorn und ihre Wutausbrüche, ihre seltsame ...
Die junge Isor ist in jeglicher Hinsicht anders als ihre Eltern und die Gesellschaft es von ihr erwarten. Am auffälligsten ist, dass sie nie spricht, dazu kommt ihr Zorn und ihre Wutausbrüche, ihre seltsame Begeisterung für Tierdokus. Nach vielen Jahren ärztlicher Abklärung haben die Eltern kapituliert, und sind bereit Isor so zu nehmen, wie sie ist und doch gleichzeitig überzeugt, dass sie nie ein normales Leben wird führen können. Als sie eines Tages wegen eines Wasserschadens den Nachmittag bei ihrem alten Nachbarn Lucien verbringt und diesem viele weitere folgen, ändert sich jedoch für Isor, Lucien und auch ihre Eltern alles.
Unglaublich feinsinnig ergründet die Autorin was die beschriebene Situation für die Protagonist*innen bedeutet, die Zweifel, Kämpfe, Sorgen und Verzweiflung der Eltern, mit Isor und untereinander, die ablehnende Haltung, das Unverständnis und die daraus resultierende Entfremdung von Bekannten, Familie und Freunden, Isors innere und äußere Kämpfe in einem Leben und einer Gesellschaft, die nicht für ihre Bedürfnisse gemacht ist. Dem gegenüber steht zugleich die besondere Verbindung zweier Menschen, die tief in das Innere des Gegenübers schauen können und sich ganz ohne Worte begegnen, verstehen und lieben.
Der Roman ist in drei gut komponierte Teile gegliedert. Während im ersten Teil die ersten Lebensjahre Isors und darin die Perspektiven von Mutter und Vater in einer Art gedanklichem Zwiegespräch im Mittelpunkt stehen, lernen wir im zweiten Teil Lucien und seinen Blick auf Isor und auch die Eltern kennen. Im dritten Kapitel werden schließlich verschiedene Blickwinkel gelungen zusammengeführt.
Hunger und Zorn ist ein ausgesprochen reifes, lebenskluges und weises Buch, aus dem viel Empathie für Menschen in besonderen Lebenslagen und Verständnis für gesellschaftliche Ausgrenzung spricht. Dies verwundert nur deshalb als die Autorin selbst erst 23 Jahre alt ist. Mich hat dies sehr überrascht und lässt mich mit großer Freude und Erwartung auf ihr weiteres Werk als Schriftstellerin blicken!