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Veröffentlicht am 27.04.2024

Manod und die Insel

Die Tage des Wals
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Es ist das Jahr 1938, Manod lebt mit ihrer jüngeren Schwester Llinos und ihrem Vater auf einer kleinen Insel vor der walisischen Küste. Das Leben auf dem kleinen Eiland ist einsam, hart, geprägt von Abgeschiedenheit ...

Es ist das Jahr 1938, Manod lebt mit ihrer jüngeren Schwester Llinos und ihrem Vater auf einer kleinen Insel vor der walisischen Küste. Das Leben auf dem kleinen Eiland ist einsam, hart, geprägt von Abgeschiedenheit und dem täglichen Überleben mit Fischerei und etwas Tierhaltung.

Die ohnehin geringe Inselbevölkerung im niedrigen zweistelligen Bereich dezimiert sich kontinuierlich. Junge Männer suchen ihr Glück und bessere Lebensbedingungen oft auf dem nahe gelegenen Festland. Mit 18 Jahren ist für Manod in diesem Umfeld ihr Weg als Frau scheinbar vorbestimmt, heiraten, Kinder bekommen, früh Witwe werden, weil das Meer den Mann genommen hat, völlig ausgelaugt bereits unter 30. Die intelligente junge Frau spürt jedoch, dass sie etwas anderes möchte, lernen, sich entwickeln, unabhängig sein.

Als die Forscher Joan und Edward auf die Insel kommen, bringen sie nicht nur das Leben auf der Insel aus der gewohnten Routine. Gerade der Kontakt zur selbständigen Joan zeigt Manod andere Perspektiven und Lebensweisen als Frau auf, die für sie neue Hoffnungen auf ein anderes Leben jenseits der Insel Gestalt annehmen lassen.

Neben Manods persönlicher Entwicklung gelingt es der Autorin sehr sensibel und authentisch die Gemeinschaft der Inselbewohner:innen zu porträtieren, ihr Leben mit nur sporadischen Informationen vom Festland und nah an der Natur, das gerade deshalb auch hart ist und vom Respekt vor den Naturgewalten, allen voran dem Meer, geprägt ist. Mit Joan und Edward thematisiert sie, ob und in wie weit der Blick mit dem die Forschung abgeschiedene autochthone Gemeinschaften vor der walisischen Küste untersucht hat von Respekt und Augenhöhe gelenkt war.

Die Sprache ist karg und poetisch zugleich. An einigen Stellen erinnert sie mich an Annie Ernaux, was vermutlich kein Zufall ist. Denn wie erfasst man ein karges, einfaches (Arbeits-)Leben, dass von so viel Härte und Entbehrung geprägt ist, angemessen? Es sind die schlichten, kraftvollen Sätze, die dieses Leben auch sprachlich einfangen und ein Gefühl dafür vermitteln. Was bei Ernaux das entbehrungsreiche Arbeiterleben in der französischen Provinz ist, ist bei O‘Connor das Leben auf einer walisischen Insel.

Die Tage des Wals ist ein ruhiger Roman mit einer wundervollen, reifen Sprache, die in ihrer kargen Poesie die Lebensrealität Manods und der Inselbewohner authentisch einzufangen weiß.

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Veröffentlicht am 23.04.2024

Die Chronologie eines Skandals in der Verlagswelt im Twitterzeitalter

Yellowface
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Athena hat alles was June sich immer erträumt hat. Mit Mitte 20 ist sie ein Star der Literaturszene, weiblich, divers, talentiert, gut aussehend. June hingegen ist eine vollkommen durchschnittliche weiße ...

Athena hat alles was June sich immer erträumt hat. Mit Mitte 20 ist sie ein Star der Literaturszene, weiblich, divers, talentiert, gut aussehend. June hingegen ist eine vollkommen durchschnittliche weiße Amerikanerin und erfolglose Autorin. Durch das gemeinsame Studium verbindet die beiden eine lose Freundschaft, und als Athena unglücklich beim Essen erstickt, ist June dabei. Ohne viel nachzudenken, schnappt sie sich Athenas neuestes Manuskript…

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Yellowface mit Schuld, kultureller Aneignung, Rassismus, Cancel Culture, der Rolle sozialer Medien in diesem Kontext und der hart umgekämpften Verlagswelt.

So interessant wie die Darstellung der Verlagswelt und auch die des Twitter und Social Media - Mobs waren, hatte der Roman für mich doch einige Längen. Viele Motive wiederholen sich und auch June entwickelt sich als Charakter nicht weiter, wird immer wieder in ihre Haltung zwischen Neid, Reue, Erfolgssucht hineingeschrieben und verharrt und verzweifelt dort. Zum Teil war der Charakter für mich inkonsistent, wenn einerseits das Schreiben als größte Passion herausgestellt wird und andererseits jedoch der Erfolg und die Anerkennung vollkommen im Vordergrund stehen - um jeden Preis.

Insgesamt lässt mich Yellowface etwas ratlos zurück. Es ist stilistisch gut geschrieben, gibt interessante Einblicke in die Verlagswelt und regt zum Nachdenken über Cancel Culture und die Rolle von Social Media an. Doch gleichzeitig bleibt es seltsam blass dabei, ohne echte Botschaft oder Charakterentwicklung und zeigt einige Längen. Für mich hallt Yellowface dadurch nur wenig nach und reiht sich in solide Unterhaltungsliteratur ein. Nach dem Hype um den Roman, habe ich etwas mehr erwartet.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Ein echter Allrounder für die Küche aus dem Ofen für Anfänger und Profis gleichermaßen

Al forno - Ofenfrische Gerichte
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In Al Forno - Ofenfrische Gerichte nimmt uns Stefano Cavado mit an seinen Ofen und teilt mit uns süße und herzhafte Gerichte, die tatsächlich für jede Gelegenheit taugen.

Der Titel verspricht hier nicht ...

In Al Forno - Ofenfrische Gerichte nimmt uns Stefano Cavado mit an seinen Ofen und teilt mit uns süße und herzhafte Gerichte, die tatsächlich für jede Gelegenheit taugen.

Der Titel verspricht hier nicht zu viel, denn mit den verschiedenen Schwerpunktkapiteln lassen sich grundsätzlich ganze Mahlzeiten von Vorspeise über Hauptspeise bis zur Nachspeise zaubern. Jedes Kapitel und die Rezepte darin können jedoch genauso für sich stehen, seien es die kleinen Leckerbissen, Vorspeisen, Einzelgerichte, Kuchen/Torten oder die Kekse. Ganz besonders gefällt mir jedoch das ganze Kapitel zum Brotbacken. Wie auch die übrigen Rezepte sind diese eine sehr gelungene Mischung aus traditionellen, lokalen Gerichten (hier Schüttelbrot) bis hin zu originelleren Rezepten wie Schwarzbeer-Marmorbrot oder Kastenbrot alla Pizzaiola, das tatsächlich die Küche in einen wunderbaren Pizzaduft eintaucht. Jedes Gericht wird mit einer kurzen Einführung des Autors zur Herkunft, Eignung und seinem persönlichen Bezug dazu vorgestellt. Meine bisherigen Versuche waren gelungen, mit Mengen, Zutaten und Beschreibung, habe ich mich gut mitgenommen gefühlt.

Neben den kulinarischen Köstlichkeiten ist zum einen das Kapitel - Wissenswertes - direkt zu Beginn erwähnenswert, denn hier finden auch bisher nicht versierte Bäcker:innen und Kochkünstler:innen alles notwendige Wissen zu Utensilien über Mehltypen bis hin zu den verschiedenen Heizarten. Zum anderen muss das Layout, die Fotoqualität und die hochwertige Haptik des Buchs betont werden. Es ist bereits ein Genuss das Buch in die Hand zu nehmen und sich beim Blättern inspirieren zu lassen. Damit eignet es sich auch wunderbar als Geschenk - im Zweifelsfall auch an sich selbst 😉.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Eine sizilianisch-deutsche Familiengeschichte, bitter-süß und stimmungsvoll erzählt

Nostalgia Siciliana
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Ein plötzlicher Anruf aus Sizilien, das Tita nach dem Tod ihres Vaters 26 Jahre nicht besucht hat, stellt ihr Leben von einem auf den anderen Tag auf den Kopf. Nach dem Tod ihres Onkels erbt sie anteilig ...

Ein plötzlicher Anruf aus Sizilien, das Tita nach dem Tod ihres Vaters 26 Jahre nicht besucht hat, stellt ihr Leben von einem auf den anderen Tag auf den Kopf. Nach dem Tod ihres Onkels erbt sie anteilig das alte Familienanwesen in Ragusa, auf dem nicht nur ihr verstorbener Vater aufgewachsen ist, sondern mit dem auch sie ein Gefühl von Heimat und wundervolle Sommer mit ihrer sizilianischen Familie verbindet. Der ungeplante Besuch aufgrund der Erbangelegenheiten wird für Tita eine Reise in eine zum Teil verdrängte Vergangenheit und gleichzeitig näher zu ihrem Vater, aber auch zu sich selbst.

Die Handlung begleitet neben Tita in der Gegenwart auf einer weiten Zeitebene Titas Vater Gianni beim Aufwachsen in den Nachkriegsjahren im ländlichen Sizilien. Neben der wundervollen Flora und Fauna, der köstlichen Küche, Sonne und einem Leben mit der Natur steht auch Armut und soziale Ungleichheit, die die Lebenswege vorbestimmen. Die Suche nach anderen Lebenschancen führt Gianni schließlich als Gastarbeiter nach Deutschland. Einfühlsam und authentisch werden im Roman so zum einen die Motive Giannis, aber auch die schwierigen Bedingungen für Gastarbeitende in der Bundesrepublik erzählt.

Patricia di Stefano zeichnet Sizilien als Insel der Gegensätze bittersüß, mit Licht und Schatten und beweist einen sensiblen Blick für das Sowohl als Auch, das unser Leben durchzieht. So mischt sich auch unter die Sehnsucht nach und Leichtigkeit Siziliens, Entbehrung und große Herausforderungen, die mit dem Leben im sonnigen Süden verbunden sind, was jedoch nicht minder auf das neue Leben Giannis in Deutschland zutrifft, mit steter Sehnsucht nach seiner Heimat. Auch hier zeigt die Autorin Licht und Schatten, in all seinen Schattierungen auf.

Neben der gelungenen Sprache, die mich immer wieder unmittelbar die Handlung erleben und zum Teil fast fühlen und schmecken hat lassen, ist dies für mich die größte Stärke dieses wundervollen Familienromans. Zur Authentizität tragen zudem die italienischen Einschübe und Redewendungen bei, die auch ohne Sprachkenntnisse jederzeit zu verstehen sind. Eine unbedingte Leseempfehlung von mir, und für das perfekte Leseerlebnis mit Soundtrack und Rezepten der Autorin! https://nostalgiasiciliana.de/playlist.html

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Veröffentlicht am 16.04.2024

Ein sehr persönlicher Reisebericht mit viel Kulinarik, Historie und Lebensart Italiens

Die Spaghetti-vongole-Tagebücher
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Den Titel auf ein Gericht zu reduzieren, ist eine wahre Untertreibung für den vielfältigen kulinarischen Inhalt dieses Buchs. Und auch bei der Kulinarik ist nicht Schluss, denn in den Spaghetti Vongole ...

Den Titel auf ein Gericht zu reduzieren, ist eine wahre Untertreibung für den vielfältigen kulinarischen Inhalt dieses Buchs. Und auch bei der Kulinarik ist nicht Schluss, denn in den Spaghetti Vongole Tagebüchern, gibt Autor Stefan Maiwald ebenso interessante und unterhaltsame Einblicke in die italienische Geschichte, Kultur und Lebensart.

Der Autor nimmt uns mit in seine Vorbereitungen für sein großes Geburtstagsmahl bei dem es in erster Linie darum geht seine kritischen Schwiegereltern zu überzeugen. Für den Anspruch der besten, authentischsten Küche, Rezepten, Zutaten und Inspiration reist er dafür von Conegliano nach Triest.

Dabei erfahren wir nicht nur viel über die Region und unglaublich leckere Rezepte. In den Einschüben - Am Wegesrand - gibt der Autor auch immer wieder Einblicke und Informationen zur Herkunft von Rezepten, italienischen Eigenarten, oder auch Mussolinis Verhältnis zur Pasta.

Der Schreibstil ist sehr flüssig und einnehmend, man hat fast das Gefühl vom Autor direkt angesprochen und mitgenommen zu werden auf seine Reise und Begegnungen.

Unbedingt erwähnenswert ist auch, dass das ganze Buch nicht nur inhaltlich ein Genuss ist, auch Layout, das Cover und seine Haptik, überzeugen auf ganzer Linie.

Die Spaghetti Vongole Tagebücher sind ein kurzweiliger Leseurlaub in Italien, bei dem man ganz in die Region eintauchen kann, dabei viel über das italienische Kochen und Verhältnis zum Essen ebenso wie die Lebensart und Kultur erfährt und direkt etwas Leckeres zaubern möchte - bei mir ist es das Tiramisu.

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