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Veröffentlicht am 23.11.2023

Verlust, Natur, Einsamkeit, Liebe, Verrat: Ein Buch zum Abtauchen in eine andere Welt

Das Hotel am Fuße des Vulkans
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Wie viel kann ein einzelner Mensch ertragen? Und wie findet man wieder zu sich selbst und Vertrauen in das Leben und die Liebe, wenn man alles verloren hat? Irene muss dies mit Ende 20 herausfinden. Auf ...

Wie viel kann ein einzelner Mensch ertragen? Und wie findet man wieder zu sich selbst und Vertrauen in das Leben und die Liebe, wenn man alles verloren hat? Irene muss dies mit Ende 20 herausfinden. Auf ihrer Suche nach dem Leben und sich selbst verschlägt es sie an einen magischen Ort in Mittelamerika.

Das Hotel am Fuße des Vulkans wird zu Irenes neuem Lebensmittelpunkt und mit ihm, die BewohnerInnen des Dorfes, die Gäste und nicht zuletzt Flora und Fauna des magischen Ortes. Die Beschreibungen der Natur und des Ortes sind wunderbar gelungen, sodass vor dem inneren Auge ein kleines Paradies in Mittelamerika auftaucht und man sich fast mittendrin in der Handlung fühlt. An diesem Ort spürt man fast wie Irenes Lebensgeister wieder erweckt werden, doch auch neue Trauer, Enttäuschung und Rückschläge begegnen ihr auf dem neuen Lebensabschnitt. Neben Irenes werden die Geschichten von weiteren BewohnerInnen und auch Gästen erzählt, ebenso wie Herausforderungen, die das Leben in der Abgeschiedenheit bedeutet, insbesondere auch für die autochthone Bevölkerung. Besonders hat mir gefallen, wie sensibel das Aufeinandertreffen von einheimischer Kultur und der Zugereister mit allen Facetten beschrieben wurde.

Der Stil ist unglaublich leichtfüßig und kurzweilig, sodass die fast 500 Seiten wie im Flug vergehen. Etwas getrübt wurde mein Leseerlebnis durch einige kleinere Logikfehler insbesondere im Mittelteil. Gerade weil die Sprache so wunderbar bildlich ist, fällt schnell auf, wenn beispielsweise ein Kleid plötzlich zur Bluse wird.

Insgesamt ein wundervolles Buch zum Abtauchen in eine andere Welt, zum Mitleiden und Mitfreuen, wie eine Frau nach schweren Schicksalsschlägen wieder zu sich selbst findet.

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Veröffentlicht am 23.11.2023

Ein warmherziger, spannender und stimmungsvoller Roman um ein Familiengeheimnis zur Weihnachtszeit

24 Wege nach Hause
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Petra ist Anfang 30 und hat fast alles in ihrem Leben verloren, was ihr einmal wichtig war. Nach dem Tod ihrer geliebten Schwester Alice ist ihr nur noch ihre Nichte Charlie geblieben, für die sie nun ...

Petra ist Anfang 30 und hat fast alles in ihrem Leben verloren, was ihr einmal wichtig war. Nach dem Tod ihrer geliebten Schwester Alice ist ihr nur noch ihre Nichte Charlie geblieben, für die sie nun allein verantwortlich ist. Job weg, Wohnung weg, die eigene Trauer um die Schwester und eine 12 Jährige, die nicht weiß wohin mit ihren Gefühlen angesichts des unbeschreiblichen Verlusts der Mutter. In einer Nacht und Nebel Aktion entschließt sich Petra Stockholm und ihr altes Leben zu verlassen und mit Charlie im Südschwedischen Schonen, im fiktiven Dorf Nyponviken neu anzufangen. Dort haben ihre Eltern ihr ein mysteriöses Ferienhaus hinterlassen, von deren Existenz Petra erst kürzlich durch Alice, kurz vor ihrem Tod erfahren hat. Das Ferienhaus entpuppt sich als Wohnung auf einer alten Hofstelle mit Gärtnerei, Café und Apfelplantage. Die Eigentümer begegnen den beiden Neuankömmlingen mit gemischten Gefühlen. Der Kontrast des Hoflebens und pittoresken Dorfes im Vergleich zu Stockholm könnte nicht größer sein. Werden Petra und Charlie hier ein Zuhause finden? Ein ganz besonderer Adventskalender ohne Absender findet sich vor Petras Tür und lädt sie ein den Ort und dabei auch sich selbst und ein Familiengeheimnis zu finden.

Ich mochte die Beschreibungen der stimmungsvollen Weihnachtsdekorationen und winterlichen Landschaft sehr. Auch die Stimmungen, Geheimnisse, Vorbehalte, beginnenden Freundschaften auf dem Hof waren unglaublich warmherzig beschrieben. Neben der Beziehung zwischen Petra und Charlie, die sich erst in ihrer neuen kleinen Familie und mit dem großen Verlust von Mutter und Schwester zurechtfinden müssen, sind da die übrigen HofbewohnerInnen und auch noch Petras Exfreund, der plötzlich in Nyponviken auftaucht. Alleine diese Konstellationen und ihre Entwicklungen haben mich in die Geschichte gezogen. Daneben gibt es noch den Spannungsbogen um den Adventskalender und die jung verstorbene Künstlerin Lilly. Bis zum Schluss war für mich nicht absehbar, wie sich die Geschichte auflösen wird.

Für mich war 24 Wege nach Hause eine unglaublich warmherzige Einstimmung auf die Weihnachtszeit mit unerwarteter Spannung um ein Familiengeheimnis und dem Eintauchen in Südschwedens traumhafte Landschaft. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 18.11.2023

Die Poesie des Alltags

Lieder aller Lebenslagen
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Lieder aller Lebenslagen ist weniger ein Roman, als viel mehr ein poetisches Buch für die Seele. Stine Pilgaard gibt uns darin episodenhafte Einblicke in das Leben und Zusammenleben der BewohnerInnen in ...

Lieder aller Lebenslagen ist weniger ein Roman, als viel mehr ein poetisches Buch für die Seele. Stine Pilgaard gibt uns darin episodenhafte Einblicke in das Leben und Zusammenleben der BewohnerInnen in einem Genossenschaftshaus in Aarhus. Dabei wechseln sich immer wieder Fließxtext, Lieder und kurze Horoskope (da die Ich-Erzählerin als Broterwerb Horoskope schreibt), ab. Eine warmherzige Melancholie durchzieht die Zeilen und nicht nur die Lieder erinnern immer wieder an Poesie, die in und zwischen so vielen Zeilen steckt in diesem Buch.

Über die Lieder und die Recherche zu deren Inhalt, die die Ich-Erzählerin für die HausbewohnerInnen für verschiedene Gelegenheiten schreibt, werden nach und nach Ausschnitte aus dem Leben der NachbarInnen, aber auch immer wieder dem eigenen Leben der Ich-Erzählerin offenbart. Besonders gefallen haben mir die immer wieder sehr emanzipierten Sichtweisen der Ich-Erzählerin, und, dass auch diese auf seltsam poetische Weise in den Text eingeflossen sind.

Das Lesegefühl war für mich ein bisschen wie Kurzgeschichten, die jedoch immer wieder auch lose Bezug aufeinander nehmen.

Lieder aller Lebenslagen ist ein ruhiges Buch, auf die poetische Sprache muss man sich einlassen können und wird dann sicher viel Freude daran haben und auch beim Wiederlesen noch Neues entdecken.

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Veröffentlicht am 12.11.2023

Eine satirische Kulturvermittlerin für das deutsche Amtswesen

Da bin ick nicht zuständig, Mausi
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Mürrisch, faul, unfreundlich… und sicher noch viele weitere Attribute werden bemüht um deutsche Beamte zu bezeichnen. Mit diesen Vorurteilen spielt Conny from the Block und macht daraus eine durchaus unterhaltsame ...

Mürrisch, faul, unfreundlich… und sicher noch viele weitere Attribute werden bemüht um deutsche Beamte zu bezeichnen. Mit diesen Vorurteilen spielt Conny from the Block und macht daraus eine durchaus unterhaltsame Lektüre. Ich kannte Conny from the Block zuvor nicht, und bin auch ohne Vorwissen gut in das Buch gestartet. Im Mittelpunkt steht natürlich Conny, Mitte 40, Sachbearbeiterin in einer Berliner Behörde. Dazu gesellt sich ihr buntes Kollegium, an dem beispielhaft herausgearbeitet wird, welche unterschiedliche Motivation Menschen als Mitarbeitende zum Amt bringt. Und so haben wir Teil an Büroklatsch, lernen den Nutzen von Umlaufmappen als Schutzschilde und den Amtsalltag mit seinen Höhen und Tiefen in überspitzter Form, kennen. Nebenbei erfahren wir auch einiges aus Connys Single Alltag in Neukölln, lernen u.a. ihre Nachbarn Gül kennen, von der sie uns auch ein paar leckere Rezepte verrät.

Hinter all der Comedy stecken jedoch auch ernste und wichtige Themen, wie interkulturelle Kompetenz in Behörden sowie Ost- und Westerfahrungen bei Mitarbeitenden, die geschickt in der Erzählung vermittelt werden.

Der Stil ist durchweg sehr leicht und flüssig, immer wieder mit Berlinerisch, was das Leseerlebnis zusätzlich authentisch wirken lässt. Etwas zu viel und flach war mir, trotzt Comedy, manchmal der Stereotype von schmachtenden Frauen, die vermeintlich alles um sie herum vergessen, sobald ein für sie attraktiver Mann vor ihnen steht.

Conny spielt mit Vorurteilen auf beiden Seiten, klärt auf und schafft es so mit ihrer Erzählung Empathie für die spezielle Spezies Beamte zu wecken, und damit zwischen Amt und BürgerInnen zu vermitteln. Insgesamt eine kurzweilige und amüsante Lektüre für zwischendurch, die das Phänomen Amt ein bisschen besser zu verstehen hilft.

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Veröffentlicht am 10.11.2023

Ein literarisches Wimmelbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts zwischen Hanse und Provinz

Unsereins
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Der kleinste Staat im Deutschen Reich, oder doch eher der zweitkleinste, aber das klingt nicht gut… In feiner Sprache entwirft Inger Maria Mahlke ein Sittengemälde der Stadt Manns und der Buddenbrooks ...

Der kleinste Staat im Deutschen Reich, oder doch eher der zweitkleinste, aber das klingt nicht gut… In feiner Sprache entwirft Inger Maria Mahlke ein Sittengemälde der Stadt Manns und der Buddenbrooks im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Stil ist leichtfüßig, detailreich, bildlich hat man Holstentor und Trave vor sich und taucht ein in das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner um die Jahrhundertwende. Etwas mehr als anderthalb Jahrzehnte begleiten wir im Buch Lohndiener, Senatoren, Hausmädchen, Köchinnen, Ratsdiener, Dichter etc. und solche die es werden wollen, die angesehensten Familien der Stadt und die, die so gerne dazugehören würden. Die Themen, die die ProtagonistInnen umtreibt sind dabei mal ganz lebensweltlich, mal pragmatisch, mal politisch. Interessant fand ich besonders die Darstellung der politischen Sphäre, das Repräsentationssystem im deutschen Reich, die Sozialistengesetze etc.

Der Stil ist zwar detailreich jedoch sehr deskriptiv, wenig deutend, was sicher auch durch die 3. Person bedingt ist. Dadurch erscheint zwar Lübeck vor dem inneren Auge realitätsnah auf, die Figuren blieben für mich hingegen leider emotional etwas blass. Wirkliche Nähe konnte ich nicht aufbauen. Am ehesten fühlte sich das Lesen für mich wie ein literarisches Wimmelbild an, auf dem immer Neues, neue Details erkennbar werden. Das hat durchaus seinen Reiz, jedoch auf knapp 500 Seiten auch gewisse Längen.

Bei aller Detailverliebtheit ergeben sich an einigen Stellen leider logische Dissonanzen, so wird beispielsweise ein Mantel, dessen Ausziehen bis ins Detail beschrieben wird, beim Anziehen später plötzlich zur Jacke.

Gewöhnungsbedürftig war für mich die Mischung des Schauplatzes um die Jahrhundertwende, der mit viel Mühe um Authentizität beschrieben wird, mit gelegentlichen Analogien und Bildern aus der Moderne. Da fliegt ein Regentropfen wie eine Drohne, oder es wird ein moderner Algorithmus an anderer Stelle als Vergleichsperspektive bemüht. Das ist sicher Geschmackssache, für mich fühlte es sich jedoch nicht ganz stimmig an.

Insgesamt ein interessanter, detailreicher Einblick in das Lübeck um die Jahrhundertwende und seine Ständegesellschaft mit all ihren Freuden und Sorgen, für mich jedoch mit kleinen Schwächen im Leseerlebnis.

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