Cover-Bild Der Hase mit den Bernsteinaugen
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15,90
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 408
  • Ersterscheinung: 01.12.2014
  • ISBN: 9783423143653
Edmund de Waal

Der Hase mit den Bernsteinaugen

Schmuckausgabe
Brigitte Hilzensauer (Übersetzer)

Die erweiterte Schmuckausgabe im Taschenbuch

Japanische Miniatur-Schnitzereien aus Holz und Elfenbein – 264 Netsuke – liegen in der Vitrine des britischen Töpfers Edmund de Waal, Nachkomme der jüdischen Familie Ephrussi aus Odessa. Wie sie dorthin kamen, erzählt dieses Erinnerungsbuch. Vom Paris der Belle Époque gelangte die Sammlung ins Wien des Fin de Siècle, aus Tokio in den 1950er- Jahren schließlich nach London. Die Ephrussis, einst an Einfluss und Reichtum den Rothschilds ebenbürtig, erlebten mit dem »Anschluss« 1938 den Niedergang – ihr gesamtes Vermögen fiel der »Arisierung« zum Opfer. Nur die Netsuke wurden – jede einzeln – in der Schürze des Dienstmädchens Anna gerettet.

Eine Familienchronik, in der sich europäische Geschichte der letzten hundertfünfzig Jahre spiegelt, eine Wunderkammer, eine brillant geschriebene Erkundung über Besitz und Verlust, über das Leben der Dinge und die Fortdauer der Erinnerung.

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Veröffentlicht am 01.02.2023

Die Reise zu den Netsukes

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"Ich weiß nicht mehr, ist es ein Buch über meine Familie, über Erinnerungen, über mich, oder immer noch ein Buch über kleine japanische Sachen?" (S. 387)

Das fragt sich der Autor, als er auf seiner Reise ...

"Ich weiß nicht mehr, ist es ein Buch über meine Familie, über Erinnerungen, über mich, oder immer noch ein Buch über kleine japanische Sachen?" (S. 387)

Das fragt sich der Autor, als er auf seiner Reise in die Vergangenheit endlich in Odessa ankommt. Dort hat seine Familiengeschichte ihren Ausgang genommen. Edmund de Wall ist ein Spross der weit verzweigten und einstmals unfassbar reichen Familie Ephrussi. Als er von seinem in Japan lebenden Großonkel Iggie eine Sammlung Netsuke [ sprich: ˈnɛt͡ske] erbt, ist dies der Anlass für eine zwei Jahre dauernde Recherche.

De Wall erzählt seine Familiengeschichte anhand der Netsuke (kleine geschnitzte Figuren aus z.B. Elfenbein oder Holz), deren Reise er nachzuzeichnen versucht. In Paris gelangten sie in den Besitz der Familie und wurden als Hochzeitsgeschenk für die Urgroßeltern des Autors nach Wien geschickt; über Tokio kamen sie schließlich nach London.

Das hört sich zunächst etwas trocken an, aber die Geschichte der Familie Ephrussi hat mich packt. Der Autor ist Künstler (Keramiker und seit 2004 Professor für Keramik an der University of Westminster in London) und hat dadurch eine ganz besondere Sicht auf die Dinge. Seine Beschreibungen von Architektur und Kunst, die Analyse von Gesellschaft und Politik haben einen ganz besonderen Stil. Er schreibt so, wie er den Schreibstil seines Onkel Charles benennt, den ersten Besitzer der Netsuke: akademisch, deskriptiv und poetisch (S. 71). Das macht die Geschichte gleichzeitig klug, spannend, interessant und sehr lesenswert: Den Aufstieg und die Vernichtung der jüdischen Bankiersfamilie. Die Zerstörung von Lebenswerken, "das systematische Auslöschen von Geschichten, das Auseinanderreißen von Menschen und ihren Besitztümern, dann von Menschen und ihren Familien, ihrer Umgebung." (S. 393f.)

Mir war nicht klar, mit welcher Geschwindigkeit die Nationalsozialisten im März 1938 in Wien die Regierungsgeschäfte an sich gerissen haben. Innerhalb von Stunden änderte sich das Leben der Juden in Österreich. Das bringt de Wall eindrucksvoll zu Papier. Er bleibt dabei zurückhaltend, er ist Beobachter und verliert sich nicht in Gefühlsduselei oder Anklagen. Er benennt die Tatsachen und dennoch trifft er den richtigen Ton, um das Entsetzen auf die Leser zu übertragen. Und wäre nicht Anna mit ihrer Schürze gewesen, wären auch die 264 kleinen Figuren in die Fänge der neuen Machthaber gelangt.

Ein Buch mit Sogwirkung, das ich wahnsinnig gerne gelesen habe. Die vielen Abbildungen verhelfen der Familiengeschichte zu großer Lebendigkeit und bereichern das Buch sehr.

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Veröffentlicht am 31.03.2017

empfehlenswert

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264 Netsuke. Japanische Miniatur- Schnitzereien aus Holz und Elfenbein, hergestellt, um zu lernen, was In- sich- kehren bedeutet, liegen in einer alten Vitrine des britischen Keramiktöpfers Edmund de Waal, ...

264 Netsuke. Japanische Miniatur- Schnitzereien aus Holz und Elfenbein, hergestellt, um zu lernen, was In- sich- kehren bedeutet, liegen in einer alten Vitrine des britischen Keramiktöpfers Edmund de Waal, Nachkomme der jüdischen Bankiersfamilie Ephrussi (neu angenomme Schreibweise), nachdem sie aus Odessa weggingen. Wie diese kleinen Kostbarkeiten in die Vitrine de Waals kamen, erzählt die berührende und aufwühlende Familiengeschichte.

Edmund de Waal zeigt, mithilfe seiner 264 Netsuke, das große Familienpanorama seiner Familie.
Die Rückreise zu den Ahnen beginnt bei Charles Ephrussi, der am 24. Dezember 1849 in Odessa geboren wurde, und am 30. September 1905 in Paris starb.
Charles Ephrussi war für Marcel Proust im Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ das Vorbild für den Protagonisten des Swann.
Als weiterer Autor wird Rainer Maria Rilke genannt, zu dem Elisabeth Ephrussi eine enge Brieffreundschaft verband.
Die Familie Ephrussi erwarb ihr riesiges Vermögen durch Getreideexporte und als international fungierendes Finanzunternehmen. Die Ephrussis wurden in einem Atemzug aufgrund ihres Reichtums mit der Familie Rothschild genannt. In Wien erbauten sie an der Ringstraße ein Palais, welches an Protz und Reichtum kaum zu überbieten war.
Die Familienmitglieder Ephrussi lebten in der ganzen Welt verteilt. Dadurch hatten sie auch hervorragende Familien- und Geschäftsbeziehungen weltweit.
Bis auf die Zeit des 1. Weltkrieges ging alles bis die 1930er, seinen normalen und geschäftigen Gang. Der größte Part der Familienchronik spielt in Wien.
Nachdem das kaiserlich- königliche Österreich fiel, gelang es den meisten Familienmitgliedern in nicht besetzte Länder zu flüchten.
Zum Schluß stellt sich Edmund de Waal die Frage: Darf man so in den Leben der Familie herumstöbern? Wären sie damit einverstanden gewesen? Hätten sie ihrer Lebensgeschichten zugestimmt?

Die Netsuke kamen über Japan nach Paris, wo sie einige Zeit verbrachten. Charles Ephrussi verschenkte sie als Hochzeitsgeschenk innerhalb der Familie in den Palais nach Wien, wo sie die längste Zeit in einer wunderschönen Vitrine als Spielzeug für die Kinder des Hauses fungierten. Als die Gestapo das Palais für sich in Anspruch rettete die Haushälterin Anna die Netsuke vor ihnen. Täglich sie einige von ihnen in ihrer Schürze, und versteckte sie in ihrer Matratze. Nach dem 2. Weltkrieg gelangten die Netsuke in einen kleinen Koffer nach Großbritannien. Von dort wieder zurück nach Japan, ihrem Heimatland. Zuletzt beschenkte ein Onkel Edmund de Waal mit den Netsuken. So kamen sie nach Großbritannien zurück, und werden weiterhin aufgrund ihrer Grazilität und besonderer Schönheit in einer Vitrine ausgelegt, bestaunt.

Mich hat das Buch mitleiden, und in eine Welt ziehen lassen, die sich kaum vorstellen lässt. Ein wenig schwierig fand ich jedoch die Beschreibungen der kunsthistorischen Darstellungen als auch die architektonischen Besonderheiten nachzuvollziehen.
Dennoch:
Ich kann es nur empfehlen.