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Veröffentlicht am 27.05.2025

Die Galionsfigur

Die Frauen von Cornwall
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Der Debütroman der berühmten Rebecca-Autorin Daphne du Maurier! Wegen das malerischen, wirklich wunderschönen Covers und des Titels hatte ich allerdings von Die Frauen von Cornwall etwas Anderes erwartet. ...

Der Debütroman der berühmten Rebecca-Autorin Daphne du Maurier! Wegen das malerischen, wirklich wunderschönen Covers und des Titels hatte ich allerdings von Die Frauen von Cornwall etwas Anderes erwartet.

Gelesen habe ich eine eher düstere Familiensaga über vier Generationen, wobei es durchaus nicht hauptsächlich um die Frauen der Familie Coombe geht. Janet Coombe und ihrem ungestümen Sohn Joseph gehören die ersten beiden Kapitel, die auch den größeren Teil dieses Romans ausmachen. Janets Enkel und dessen Tochter schließen dann den Reigen der Generationen. Die Coombs besitzen eine kleine Werft und ein Handelssegelschiff an der Südküste von Cornwall. Alle Familienmitglieder sind eng mit ihrer kleinen Heimatstadt Plyn verbunden und lieben das Meer und die Küste.

Im Alter von 24 Jahren veröffentlichte du Maurier diese Saga, in der eigentlich alle Zutaten vorhanden sind: Die erste Generation, die in Gestalt von Janet, einer wortwörtlichen Galionsfigur, alle weiteren Generationen beeinflusst; ein intriganter Verwandter, unglückliche Lieben, Leidenschaft, Tod, eine Prise Schauerroman (Gothic novel) und das alles vor einer grandiosen Kulisse.

Leider konnte mich dieses Debüt aber nicht überzeugen. Ich habe es durchaus gerne gelesen, aber immer im Bewusstsein, wer die Autorin ist. Es gibt einige Längen im Roman, Wiederholungen und ein Ungleichgewicht zwischen den Charakteren, die mir nicht immer ganz ausgereift erschienen. Ich konnte ihr Handeln und ihre charakterlichen Veränderungen häufig nicht nachvollziehen. Die intensiven Gefühle zwischen Janet und ihrem Sohn Joseph waren in den ersten zwei Kapiteln ein sehr zentrales Element, mit dem ich jedoch nicht so viel anfangen konnte. Das passte nicht so recht zum Rest des Romans.

Insgesamt ein Generationenroman, den man mit anderen Erwartungen gut lesen kann und der viel von der Schönheit Cornwalls einfängt. Aber ein Debüt, das noch nicht voll zeigt, was die Autorin später konnte. Es gibt zahlreiche Elemente, die z.B. in Rebecca wieder auftauchen und dort wesentlich stimmiger eingebracht werden.

Leider trägt auch der aktuelle Titel dazu bei, den Roman in eine bestimmte Ecke zu drängen, denn der Originaltitel The Loving Spirit, in früheren Ausgaben mit Der Geist von Plyn übersetzt, trifft den Kern des Buches wesentlich besser.

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Veröffentlicht am 27.05.2025

Über 6.000 Kilometer quer durch Asien

Verbotene Reise
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Die Schweizerin Ella Maillart (1903-1997) hat eine wahnsinnig interessante Biografie: Sie war Olympiateilnehmerin, Seglerin, Skifahrerin, Hockeyspielerin, Stuntfrau, Modell und Reisejournalistin und Fotografin. ...

Die Schweizerin Ella Maillart (1903-1997) hat eine wahnsinnig interessante Biografie: Sie war Olympiateilnehmerin, Seglerin, Skifahrerin, Hockeyspielerin, Stuntfrau, Modell und Reisejournalistin und Fotografin. Von ihrer siebenmonatigen Reise von Peking aus durch entlegene Gebiete in China bis nach Srinagar in Kashmir handelt diese Reisebeschreibung. Ihr Begleiter, obwohl beide lieber als Alleinreisende unterwegs waren, auf dieser über 6.000 km langen Tour war Peter Fleming, ein britischer Reisejournalist und der Bruder von Bond-Erfinder Ian Fleming. Das Team aus Eton-Schüler und Schulabbrecherin funktionierte offenbar prächtig. "Ich hatte dabei Peters glänzende Intelligenz schätzen gelernt, seine Fähigkeit, alles zu essen und überall zu schlafen [...] seine Abscheu gegen jegliche Entstellung der Tatsachen und die angeborene Sachlichkeit, mit der er sie darstellte [...] Ich wusste auch, dass Fleming weder unter meinem Falschsingen noch unter meiner primitiven Kochkunst leiden würde. [...] Und Peter klärte mich darüber auf, dass seine affektierte Stimme, sein nöliger Oxforder Akzent seinen letzten Reisegefährten fast wahnsinnig gemacht hätten." (S. 23)


In ihrem Reisebericht schildert sie, eher dokumentarisch, jede Etappe der Reise, die sich anhand einer kleinen Karte im Buch mitverfolgen läßt. Manchmal war es etwas ermüdend und tempoarm, aber immer interessant. Die politischen Verwicklungen waren sehr konfus und ich habe nicht alles nachrecherchiert. Interessante Personen und Ereignisse haben jedoch meine Neugierde geweckt und daher weiß ich jetzt z.B. über die sogenannte Citroën-Expediton(en) Bescheid. Wir erfahren, mit welchen Verkehrsmitteln (von Zug bis Esel war alles dabei) die beiden unterwegs waren, was gegessen und getrunken wurde und (manchmal wollte man es gar nicht wissen) wo es herkam bzw. wie es gemacht wurde. Maillart schildert die unterschiedlichen Landschaften und deren Bewohner*innen, ihre Lebensweise und die Probleme der Regionen und die bürokratischen Hürden, die die Reisenden immer wieder zur schieren Verzweiflung getrieben haben.

Ich habe mir so viele Post-its gesetzt, dass ich gar nicht alles erwähnen kann. Eine zweifellos sehr interessante Lektüre, die aber etwas Zeit braucht. Am Ende sind einige Bilder von dieser Reise abgedruckt, die Maillart gemacht hat.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die Reise, die Maillart einige Jahre später mit ihrer Landsmännin Annemarie Schwarzenbach nach Afghanistan unternimmt. Ebenfalls eine Reisejournalistin und Fotografien mit einer spannenden Biografie.

In diesem Jahr hat der Exekutivrat der UNESCO der Aufnahme der Nachlässe der Schweizer Schriftstellerinnen Annemarie Schwarzenbach und Ella Maillart in das Register des Weltdokumentenerbes zugestimmt.

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Veröffentlicht am 19.05.2025

Roadtrip mit Mutter und Plastiktüte

Eurotrash
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"Eine Geschichte, in der absolut gar nichts passiert, außer daß sich eine alte Frau ab und zu mit ihrem Sohn streitet." (S. 195). Das könne doch nun wirklich niemanden interessieren, meint Frau Kracht, ...

"Eine Geschichte, in der absolut gar nichts passiert, außer daß sich eine alte Frau ab und zu mit ihrem Sohn streitet." (S. 195). Das könne doch nun wirklich niemanden interessieren, meint Frau Kracht, die Mutter des Ich-Erzählers Christian, der mit Daniel Kehlmann verwechselt wird und der seine exzentrische, leicht demente Mutter aus der Nervenanstalt Winterthur in Zürich in einer Kurzschlusshandlung in ein Taxi verfrachtet, um mit ihr eine völlig ungeplante Reise zu unternehmen. Bevor die Reise richtig beginnt, wird noch ein kleines Vermögen Bargeld abgehoben, das fortan in einer Plastiktüte mitgeschleppt wird. Zwischendurch ergeht sich der Ich-Erzähler immer wieder in Anfechtungen gegen seine Familie, deren NS-Vergangenheit, gegen die Schweiz und vielerlei andere und anderes. Dabei hätte er seine Überspanntheit bereits vor langer Zeit abgelegt, nämlich damals mit Erscheinen seines Romans "Faserland": "Ich hatte mich nämlich mit fünfundzwanzig entschlossen, einen Roman in der Ichform zu schreiben, erinnerte ich mich, bei dem ich mir selbst und dem Leser vorgaukeln würde, ich käme aus gutem Hause, wäre wohlstandsverwahrlost und hätte etwas von einem autistischen Snob." (S. 62) Das ist immer noch so, es wird vom Haus in Kampen auf Sylt (Fast-Nachbar: Axel Springer), der Villa in Cap Ferrat (Nachbar: Somerset Maugham), dem Appartement in Mayfair, dem Château am Genfer See und weiteren Immobilien gesprochen. Natürlich ist das alles völlig überzogen, ebenso wie die offen zur Schau getragene Affinität zu bzw. Abscheu vor bestimmten Luxus-Marken. Durchwoben wird dies zudem von Geschichten, die Christian seiner Mutter erzählt, die ebenfalls hoch skurril sind, die er aber noch zusätzlich mit einem noch skurrileren, erfundenen Ende versieht, z.B. die Geschichte der Gebrüder Schlumpf. (Irre!). Und was absolut unglaubwürdig klingt, aber so passiert ist: Mary Watson und ihr Baby sind 1881 auf der Flucht vor Ureinwohnern in einem aufgeschnittenen, eisernen Schiffswassertank, in dem Seegurken gekocht wurden, verdurstet. Diese Story bringt sogar die von Medikamenten und Alkohol benebelte Frau Kracht wieder zu Bewusstsein.

Zwischen diesen Geschichten wird der Stomabeutel gewechselt, das Geld verteidigt und man bleibt mit einer Gondel hängen, alles auf 208 Seiten. Also, davon, dass absolut gar nichts passieren würde in diesem Roman, kann man wirklich nicht sprechen.

Ein Buch, das auf der obersten Ebene ziemlich wirr und überzogen wirkt, das aber in der Schicht darunter Kritik übt, an Gesellschaft, Politik und Vergangenheit. Ich kann mir vorstellen, dass der "kunstvolle" Text nicht allen gefällt, mir hat er wirklich Spaß gemacht und ich habe ständig den Kopf geschüttelt, über Christian, seine Mutter und alles andere auch.

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Veröffentlicht am 07.05.2025

Weltliteratur vor Ort

Schauplätze der Weltliteratur
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Orte und Landschaften, die uns in der Literatur begegnen, sind häufig mehr als bloßer Hintergrund für die Handlung. Mit solchen literarischen Landschaften und Schauplätzen, die sich auf reale Orte beziehen, ...

Orte und Landschaften, die uns in der Literatur begegnen, sind häufig mehr als bloßer Hintergrund für die Handlung. Mit solchen literarischen Landschaften und Schauplätzen, die sich auf reale Orte beziehen, beschäftigt sich dieses Buch. Eingeteilt in vier Abschnitte, reisen wir in 73 Romanen rund um die Welt. Einige Orte werden wir mehrfach besuchen und begeben uns so auch auf Zeitreisen zu "unterschiedlichen Visionen derselben Stadt" (S. 13). Mit Jane Austens "Anne Elliot (1817) starten wir im englischen Bath, bis wir nach 241 Seiten mit Irene Solàs "Singe ich, tanzen die Berge" (2019) in den katalanischen Pyrenäen landen. Nach einem informativen Vorwort werden in kleinen Essays die Besonderheiten der Landschaft oder des Ortes im jeweiligen Roman vorgestellt. Abbildungen einer Buchausgabe, der Autorin oder des Autors, Karten, Fotos und zeitgenössische Gemälde bereichern die Beiträge. Diese sind jeweils von einer Expertin oder einem Experten verfasst, wie uns das Autor*innenverzeichnis verrät.

Die meisten Essays haben mir sehr gut gefallen und machen absolut Lust, sich näher mit den Werken zu beschäftigen, die ich noch nicht kenne. Auf Bücher, die ich schon gelesen habe, haben die Artikel teilweise ein neues Licht geworfen, einen neuen Aspekt betont. Am spannendsten sind natürlich die Essays, die sich auf ein Buch beziehen, das ich gelesen habe und dessen Handlungsort ich auch schon besucht habe, z.B. Bath, Yorkshire Moors, London, die schottischen Highland, New York, Fowey u.a. Viele Post-Its markieren, was ich irgendwann nochmal lesen möchte, z.B. "Arturo Insel" von Elsa Morante (1957) oder "Das Haus an der Cloudstreet" von Tim Winton (1991). Einige wenige der vorgestellten Bücher wurden noch nicht ins Deutsche übersetzt, es gibt aber immer mindestens eine englische Übersetzung.

Insgesamt ist das Buch ein kleiner Leckerbissen für Literaturfans. Neben den informativen Essays leistet auch die Bebilderung einen wichtigen Beitrag, um das Herausragende von Landschaft oder Ort zu betonen. Übrigens ist das Buch eine wunderschöne Ergänzung zu "Wonderlands" von 2020, in welchem auf die gleiche Art und Weise fiktive Ort aus dem Genre der fantastischen Literatur vorgestellt werden.

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Veröffentlicht am 03.05.2025

Ein Buch ohne Abgründe

Beinahe Alaska
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Wer Abgründe sucht, wird sie an der Oberfläche kaum finden. "Die Abgründe bleiben in den Menschen. Man wird sie bloß spüren." (S. 9). Die Eindrücke und Gedanken einer Expeditionskreuzfahrtteilnehmerin, ...

Wer Abgründe sucht, wird sie an der Oberfläche kaum finden. "Die Abgründe bleiben in den Menschen. Man wird sie bloß spüren." (S. 9). Die Eindrücke und Gedanken einer Expeditionskreuzfahrtteilnehmerin, die mit inneren Dämonen zu kämpfen hat, kommt ohne Katastrophen aus. So heißt es im Prolog. Und tatsächlich schippern wir gemeinsam und gemächlich mit der namenlosen Mittvierzigerin aus Berlin Richtung Alaska und es passiert weder eine Eisbergkollision noch ein Orka-Angriff. Da ist das Ausgebuhtwerden, weil man die Abfahrtzeit der Gruppe falsch im Kopf hatte, bereits eines der größeren Desaster. Der Auftrag, eine Fotostrecke über die Reise von Grönland nach Alaska anzufertigen, wird zu einer Reise über die Kameralinse hinaus.

Mit scharfem Blick beschreibt die Ich-Erzählerin Mitreisende aller Couleur und spart nicht mit Sarkasmus, wenn es um die wetterfesten Freizeit-Polarforscher geht. Die Berlinerin kommt aber auch mit ganz reizendenden Menschen in Kontakt, so dem älteren Herrn Mücke.

Es gibt viel kluge Sätze, die einen nachdenklich machen. Erwähnungen von Begebenheiten, die man gleich googeln muss und viele Anspielungen auf Filme, Bücher etc. Auch die Beschreibung der Landschaft gefällt mir, obwohl alles in einem recht knappen Stil gehalten ist.

Ungefähr nach der Hälfte es Buches tritt ein, was der Titel schon vorwegnimmt, dass es eben nicht nach Alaska geht. Die Natur hat ihren eigenen Willen. Und so werden Dörfer der First Peoples und der Nachfahren von Siedlern aus Norwegen Richtung Süden angesteuert und das ist teilweise kein schöner Anblick. Verdeutlicht wird, was wir der Natur, den Lebewesen und Bewohnern dieser Regionen angetan haben und immer noch antun. Insgesamt wird klar, dort haben wir nichts suchen. Wir müssen nicht überall hin, überall gewesen sein, nur weil es möglich ist.

Trotz dieser kritischen Punkte hat das Buch für mich auch einen nicht unerheblichen Unterhaltswert und hält den grellen Funktionsjackenträger*innen humorvoll den Spiegel vor. Eine klare Leseempfehlung für die 186 Seiten ohne Katastrophen.

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