Konstantinos Kavafis verbringt drei Tage in Paris. Der 34-Jährige ist noch nicht der bahnbrechende Dichter, der er einmal sein wird. Voller Selbstzweifel und Ambitionen ringt er um seine künstlerische Befreiung. Muss man nicht dichten wie ein Duellant, der das Leben herausfordert? Währenddessen geht Griechenland gedemütigt aus dem Krieg mit der Türkei hervor, Frankreich wird durch die Dreyfus-Affäre erschüttert, und Kavafis’ Familie erlebt den wirtschaftlichen Niedergang. – Ersi Sotiropoulos zeichnet das Bild des pulsieren den Paris des Fin de Siècle und beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen Kunst, Leben und Erotik – den Ursprung der Schaffenskraft.
Die Geschichte spielt in Paris im Juni 1897. Konstantinos ist unser Protagonist, der drei Tage in Paris verbringt, da ist noch nicht der erfolgreiche Dichter, der er einmal sein wird. Er ringt voller ...
Die Geschichte spielt in Paris im Juni 1897. Konstantinos ist unser Protagonist, der drei Tage in Paris verbringt, da ist noch nicht der erfolgreiche Dichter, der er einmal sein wird. Er ringt voller Selbstzweifel um seine künstlerische Befreiung. Er verbringt die Zeit in Paris mit seinem Bruder John, der Gedichte schreibt. Die Welt befindet sich im gesellschaftlichen Wandel und Konstantinos ist homosexuell und hat verborgene Sehnsüchte, die er nur in seiner Fantasie auslebt.
Ich fand die Geschichte richtig spannend. Am Anfang hat mich der Inhalt nicht so gefesselt, aber mit ein wenig Geduld, bekommt man eine sehr gelungene Geschichte mit viel Tiefgang. Deshalb vergebe ich sehr gerne 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.
Sie wälzten sich auf fleckigen Laken. Münder, Lider, Haut, ein Stöhnen. Verschämt trieb es sie wieder auseinander, auf die Straße, gesenkten Blickes emsig davoneilend. Darüber musste Konstantinos ...
Paris 1897
Sie wälzten sich auf fleckigen Laken. Münder, Lider, Haut, ein Stöhnen. Verschämt trieb es sie wieder auseinander, auf die Straße, gesenkten Blickes emsig davoneilend. Darüber musste Konstantinos schreiben. Er entsann sich der Gestalt eines jungen Mannes, ein Lehrling, damals in Konstantinopel. Seine nackte, unbehaarte Brust über dem Amboss. Prasselnde Funken um ihn herum, das Gesicht heroisch beleuchtet. Er hätte ihm einen Lorbeerkranz aufgesetzt. Er würde über ihn schreiben, wenn er nicht so voller Selbstzweifel wäre, die ihn seiner Kreativität berauben. Seine lächerlichen, hochtrabenden Wortfügungen auf Papier. Dieses provinzielle Alexandria schwächte sein fragiles Nervenkostüm.
Nun waren Konstantinos und sein Bruder John in Paris angekommen. John schrieb auch Gedichte. Hatte sich der Bombardierung und dem Brand von Alexandria angenommen. Ihre kosmopolitische Familie wurzelte in ganz Europa. Trotz dem Bankrott nach dem Tod des Vaters waren sie in England und Frankreich gerne gesehen. Schon am Abend trafen sie auf Mardares, ein kleiner, dicker Mann mit blonden Engelslocken und feistem Lachen, der zahlreichen Klatsch und Tratsch zum Besten gab. Er war der Handlanger des großen Dichters Moréas, der größten Einfluss auf die schreibende Nachkommenschaft hatte. Konstantinos hatte ihm zwei seiner Verse geschickt, um ein Urteil einzuholen, doch Moréas hatte ihm noch nicht geantwortet und war nach Griechenland abgereist. John unterhielt sich gerade mit Mardares über die Dreyfus-Affäre. Sie habe die Kraft, das Land zu spalten, gab Mardares vehement von sich, der Wichtigtuer ging ihm langsam auf die Nerven.
Fazit: Ersi Sotiropoulos, die Lyrik und Prosa schreibt, hat den griechischen Dichter Konstantinos Kavafis portraitiert. Sie beschreibt die drei Tage, die der 34-jährige mit einem seiner Brüder in Paris verbrachte. Es war die Zeit der Jahrhundertwende, des kulturellen Aufbruchs, der Industrialisierung und des gesellschaftlichen Wandels. Um die Gegend des Montmartre sammelten sich etliche Künstler, Marcel Proust, Toulouse-Lautrec, Emile Zola, die sich gegenseitig inspirierten und prägten. Die Erzählstimme der Autorin ist so reich an Worten, dass sie einen ganzen Kosmos erschaffen und mich in diese Zeit katapultiert hat. Konstantinos ist am Anfang seiner Schaffensphase. Er hat bisher wenige nicht besonders gute Verse geschrieben. In Alexandria bedient er eine kleine Redaktion mit Texten. Er hat ein leicht reizbares, empfindsames Gemüt voller Selbstzweifel, die ihn pessimistisch stimmen. Er leidet unter seiner Homosexualität, die er einzig in seiner Fantasie auslebt und sich danach schämt. Die Stimmung im Paris Ende des neunzehnten Jahrhunderts ist aufgeladen, sinnlich, erotisch, trägt eine Welle der Syphilis voran. Die Bourgeoisie spuckt auf die Arbeiter. In vielen dunklen Ecken herrscht anonymes Treiben. Die Art, eine Szenerie zu erschaffen, erinnert mich an Raphaela Edelbauers „Die Inkommensurablen“. Die Autorin hat mich in eine pralle, befremdende, verstörende Welt eingeladen und ich habe dankend angenommen.