Wütendes Highlight!
Wie gehen Frauen damit um, wenn sie wütend sind? Häufig anders, als Männer, da die Verarbeitung von Wut bei Frauen patriarchal geprägt ist. Genauso geht es der Protagonistin Britt in „Verdammt wütend“ ...
Wie gehen Frauen damit um, wenn sie wütend sind? Häufig anders, als Männer, da die Verarbeitung von Wut bei Frauen patriarchal geprägt ist. Genauso geht es der Protagonistin Britt in „Verdammt wütend“ von Linn Strømsborg (deutsche Übersetzung von Karoline Hippe). Mich hat das Buch total überzeugt und gleichzeitig wütend gemacht.
„Frau zu sein bedeutet, als Hure bezeichnet zu werden, wenn du mit zu vielen Leuten schläfst, Frau zu sein bedeutet, sexy genug zu sein, dass alle mit dir schlafen wollen, Frau zu sein bedeutet, getötet zu werden, wenn du nicht still hältst und die Klappe hältst, Frau zu sein bedeutet, die Klappe zu halten, wenn du eigentlich schreien möchtest, Frau zu sein bedeutet, dass dir nicht geglaubt wird, Frau zu sein bedeutet, Schuld zu haben, Frau zu sein bedeutet, mit den Schlüsseln zwischen den Fingern nach Hause zu gehen, keinen zu kurzen Rock zu tragen, nicht zu lange Haare zu haben (…)“ (S.13)
Darum geht es: Für Britt steht die Familie immer im Vordergrund. Sie ist Mitte vierzig, länger verheiratet und hat gemeinsam mit ihrem Mann eine Tochter. Allerdings merkt Britt immer mehr: irgendetwas stimmt nicht - sie ist verdammt wütend. Sie versucht, ihre Wut zu unterdrücken, sie herunterzuschlucken, bis es dann - beim Familienurlaub mit Freund*innen - reicht! Britt lässt ihre Wut heraus, doch die einzige, die sie verstehen zu scheint, ist ihre Bekannte Niko. Gemeinsam flüchten sie aus der wutgeladenen Situation und Britt beginnt, ihr Leben und ihre Wut ziemlich deutlich zu hinterfragen.
„Ich bin wütend, weil mir niemand zuhört. Ich bin wütend, weil ich nicht sage, was ich denke. Ich bin wütend, weil ich nie wieder jung sein werde. Ich bin wütend, weil ich nicht alt werden will, aber ich bin auch wütend, weil ich Angst habe, nicht alt werden zu dürfen. Ich bin wütend, weil ich mit Espen verheiratet bin. Ich bin wütend, weil ich so enttäuscht bin. Ich bin wütend, weil das Leben so ungerecht ist.“ (S.185)
Was soll ich sagen - das Buch hat mich komplett abgeholt. Auch wenn die Protagonistin mir alterstechnisch nicht entspricht, konnte ich mich sehr gut in ihre Wut hineinversetzen. Es tat weh, zu lesen, wie es ihr geht, aber auch, zu lesen, wie andere mit ihr umgegangen sind. Und vor allem: wie oft mit Frauen umgegangen wird, die wütend sind, es aber nicht seien dürfen. Der Roman hat mir ein großes Gefühl der Sichtbarkeit gegeben und in einem nicht all zu großem Umfang gezeigt, was Wut mit uns macht und: das die Wut einen Platz verdient.
Lest das Buch, wenn ihr oft wütend seid, oder werdet es durch dieses Buch! Gebt der Wut den Platz, den sie braucht, um sichtbar zu sein - sie ist nicht grundlos da. Grandioses Highlight!