Cover-Bild Ab jetzt ist Ruhe
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15,00
inkl. MwSt
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 22.08.2013
  • ISBN: 9783596191963
Marion Brasch

Ab jetzt ist Ruhe

Roman meiner fabelhaften Familie

Marion Braschs Roman »Ab jetzt ist Ruhe« mit einem Nachwort von Alexander Osang

»Man kann das verschwundene Land hassen und gleichzeitig vermissen, wenn man das Buch liest«, schreibt Alexander Osang über Marion Braschs Roman, der 2012 zum ersten Mal erschien und für Aufsehen sorgte. Es ist die »große Erzählung einer untergegangenen Welt« namens DDR, die zu zahlreichen Diskussionen, Filmen und Theaterproduktionen rund um die Familie Brasch geführt hat.
Marion Braschs Vater war stellvertretender Kulturminister der DDR, die Brüder, darunter Thomas Brasch, wurden als Schriftsteller, Dramatiker und Schauspieler bekannt. Mit überraschender Leichtigkeit erzählt die »kleine Schwester« die dramatischen Ereignisse in ihrer Familie.

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.07.2020

Ausgezeichnet geschriebener Blick in eine DDR-Familie

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„Ab jetzt ist Ruhe“ hat mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen, was an dem so lebendigen und gelungenen Schreibstil liegt. Ich hatte beim Lesen fast das Gefühl, bei Braschs im Wohnzimmer zu sitzen. ...

„Ab jetzt ist Ruhe“ hat mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen, was an dem so lebendigen und gelungenen Schreibstil liegt. Ich hatte beim Lesen fast das Gefühl, bei Braschs im Wohnzimmer zu sitzen. Marion Brasch erweckt ihre Familiengeschichte, ihre Eltern und Geschwister wirklich zum Leben. Ich muß gestehen, daß ich vor dem Buch noch nie von der Familie gehört habe, so daß ich recht unbedarft an die Geschichte heranging.
Der erste Teil des Buches findet während Marion Braschs Kindheit statt und der Familienverband spielt hier eine sehr starke Rolle. Ich fand gerade die Geschichten der Eltern faszinierend. Beide wurden während der Nazizeit von ihren jüdischen Eltern nach England geschickt, der Vater wurde im Laufe der Jahre zum überzeugten Kommunisten und ging nach dem Krieg in die DDR; seine Frau folgte ihm mit recht wenig Begeisterung und fühlte sich in dem bedrückenden, einengenden Land nie wohl. Diese Dynamik zwischen den Eltern und auch das Festhalten des Vaters an der herrschenden Ideologie, obwohl er deren dunkle Seiten immer wieder am eigenen Leib erlebt, sind ausgesprochen interessant. Die Lebenswege der Eltern sind so ungewöhnlich, so vielseitig und in vielem auch sehr tragisch. Auch kurze Rückblicke auf die Großeltern lesen sich spannend – gelebte Zeitgeschichte!

Ein Teil der Tragik ist das Verhältnis zu den drei Söhnen, Marion Braschs Brüdern, die sich alle gegen das System DDR wenden, obwohl sie das Land DDR durchaus lieben. Wenn der Vater den eigenen Sohn anzeigt und das Verhältnis des Vaters zu seinen Söhnen einem ständigen Auf und Ab unterliegt, weil er seine Söhne zwar liebt, aber diese Gefühle seiner Ideologie unterordnet, dann ist das tief berührend, oft schmerzhaft, gerade auch, wenn man dann den Lebensweg dieser drei Söhne betrachtet, die alle drei Alkohol- und teilweise Drogenmissbrauch betrieben und früh starben. Wir erfahren diese Konflikte durch Marion Braschs Augen, die all dies anfänglich als Kind wahrnimmt und uns deshalb auch entsprechend vage und oft unvollständig berichtet, manches klingt fast harmlos, weil sie als Kind die ganze Wucht nicht erfassen konnte. Das ist einerseits eine authentische Herangehensweise, andererseits fehlten mir dadurch einige Aspekte, war mir manches zu vage. Doch gelingt es der Autorin durchaus, uns tief in die Familiendynamik hineinzuführen und uns den Schmerz, das Unausgesprochene, den Konflikt zwischen Politik und familiärer Zuneigung spüren zu lassen. Das habe ich selten so gut gelesen. Die innerfamiliären Momente sind die stärksten Stellen dieses Buches.

Der Schreibstil ist, wie erwähnt, ansprechend, wechselt gekonnt zwischen Tragik und Humor; sogar in eigentlich herzzereißenden Situationen lockert eine trockene Bemerkung die Szene oft auf. Diese Familie wirkt eben so lebendig, weil wir sie in all ihren Facetten erleben. Das Buch liest sich leicht, fast wie im Plauderton, so, wie Marion Brasch ihre Geschichte vielleicht an einem Abend einigen Freunden erzählen würde. Ein wenig irritierend fand ich ihre Angewohnheit, Namen zu vermeiden. Das klappt bei den Brüdern (die hier nur als jüngster, mittlerer und ältester Bruder auftreten) gut, wirkt sonst aber oft verkrampft. So spielt die Ausbürgerung Biermanns eine durchaus wichtige Rolle, er wird aber beharrlich als „Sänger mit dem Schnurrbart“ bezeichnet, wie auch sonst Personen oft nur als „Gitarrist mit der großen Nase“, „Schauspielerin mit der kindlichen Stimme“ etc. bezeichnet werden. Auch Filme werden nie beim Namen genannt und das führt dort zu etwas verkrampften Formulierungen, z.B. wenn Katharina Thalbach davon berichtet, daß sie eine Rolle in „Die Blechtrommel“ gespielt hat, und sich das im Buch dann so liest: „Die Freundin meines Bruder (…) erzählte (…) mir von dem Film, in dem sie eine Hauptrolle gespielt hatte und der jetzt einen Preis nach dem anderen gewann. Der Preis erzählt die Geschichte (…). Der Junge hieß Oskar, genauso wie der Preis, für den der Film nominiert werden sollte.“ Ich weiß nicht, ob Marion Brasch um jeden Preis Namedropping vermeiden wollte oder es ihr darum ging, ihre kindliche Sichtweise zu schildern (obwohl sie bei vielen diesen Szenen schon längt erwachsen ist) oder ob es einen anderen Grund hatte, aber mir gingen diese Vermeidung von Namen und die damit einhergehenden umständlichen Formulierungen ein wenig auf die Nerven.

Während die erste Hälfte des Buches mich absolut gebannt hat, gab es in der zweiten Hälfte doch mehrere für mich langatmige Passagen. Die Autorin will auch ihre Geschichte erzählen, das ist verständlich, aber ihre Geschichte ist nicht sonderlich interessant, da sie sich nicht viel von denen anderer junger Leute unterscheidet. Erste Wohnung, Trampurlaube, Parties, Liebeleien – das wirkt im Vergleich zur faszinierenden Familiendynamik blass, oberflächlich und eben auch langatmig, insbesondere weil sie solche banalen Szenen minutiös berichtet. Auch ihre diversen Männergeschichten werden recht uninspiriert heruntererzählt, die jeweiligen Männer bleiben konturlos und tragen überhaupt nichts zur Geschichte bei. Da hätte ich mir viel mehr Raum für die Schilderung der Familienverhältnisse gewünscht, die an der Stelle ein wenig zurücktreten. Immer, wenn die Autorin zu Vater und Brüdern zurückkehrt, gewinnt das Buch die alte Eindringlichkeit zurück.

Bei einer Fokussierung auf diese Thematik wäre das Buch für mich ein 5-Sterne-Buch mit Sternchen geworden, denn die Autorin hat die ungemein interessante Thematik gekonnt umgesetzt. Aber auch so war es trotz einiger Längen eines der erfreulichsten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe und das mir in herrlichem Schreibstil viele Informationen über das Leben einer solchen Familie, die Generations- und Ideologiekonflikte in der DDR gegeben hat.

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