Cover-Bild Morandus
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Edition Faust
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 12.05.2021
  • ISBN: 9783945400890
Matthias Zimmer

Morandus

Roman
„Die Vergangenheit vergeht nicht. Sie bleibt des Menschen Wegbegleiter, manchmal auch sein Fluch.“ -

Das Fundament eines Lebens liegt in den Leben anderer wie ein Ziegel einer Mauer, niemals frei. Wer bin ich im Geflecht der Geschichten, ist die Frage, die dem Buch „Morandus“ von Matthias Zimmer vorangestellt ist.

Der Protagonist des Romans, der aus dem Vorharz stammende Bauunternehmer Ernst Funk, ist nach dem Krieg nach Kanada ausgewandert und hat dort eine Familie gegründet. Die Zeit der Jugend – die Erinnerungen an seine erste Liebe, an den Krieg – war begraben, er hatte sich in Kanada neu erfunden, eine makellose Existenz aufgebaut.
Doch eines Tages rührt sein Freund und langjähriger Gesprächspartner Landau an diesem Konstrukt, als er ihn im Zuge einer wissenschaftlichen Studie über deutsche Auswanderer befragt. So kommt etwas ans Licht, was längst der Vergessenheit anheimgefallen war, und der so gut befestigte Stein löst sich aus der Mauer, bringt etwas ins Rollen, das nicht nur das Leben von Funk von Grund auf ändern sollte. Als über 60-Jähriger reist er erstmals an die Orte eines Geschehens, das seit mehr als vierzig Jahren auf ihm lastet.

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Veröffentlicht am 11.02.2022

Lesenswerter Debütroman über den Umgang mit Erinnerungen

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REZENSION – Mit seinem Roman „Morandus“, bereits 2021 in der Edition Faust erschienen, ist dem Autor Matthias Zimmer (60), der sich als Politikwissenschaftler, Hochschullehrer und langjähriger Bundestagsabgeordneter ...

REZENSION – Mit seinem Roman „Morandus“, bereits 2021 in der Edition Faust erschienen, ist dem Autor Matthias Zimmer (60), der sich als Politikwissenschaftler, Hochschullehrer und langjähriger Bundestagsabgeordneter bislang auf politische Sachbücher beschränkt hatte, ein beeindruckendes erzählerisches Debüt gelungen. Dieses für ihn riskante Wagnis ging er nach eigener Aussage deshalb ein, „dass man manche Dinge erzählen muss, weil sie für eine wissenschaftliche Arbeit zu kompliziert sind“. Das Risiko hat sich gelohnt: Sein Roman, hauptsächlich die Schilderung eines Gesprächs zweier alt gewordener Freunde, gleicht einem ruhigen Kammerspiel. Doch obwohl die Handlung ohne Dramatik auskommt, baut sich in diesem klugen Gespräch und somit im Roman eine Spannung auf, die fasziniert und eine Unterbrechung der Lektüre fast verbietet.
Protagonist des Romans ist der 60-jährige deutsche Bauunternehmer Ernst Fuchs, der wenige Jahre nach Kriegsende aus dem heimatlichen Harz nach Kanada ausgewandert ist, um ein „neues Leben“ anzufangen. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie seines langjährigen Freundes Landau, der als Jude frühzeitig seine Heimatstadt Wien verlassen musste, erzählt Funk aus seinen Kinder- und Jugendjahren, über seinen vom Nationalsozialismus begeisterten Vater und seine katholische Mutter, seine nach anfänglicher Jungvolk-Begeisterung aufkommenden Zweifel, hervorgerufen durch seinen aus dem Elsass stammenden Priester Birrenbach, der Funk nach dem Heiligen seines Geburtstages „Morandus“ nennt und den Gymnasiasten in die französische Literatur und Sprache einführt. Als der 14-Jährige in den Sommerferien Birrenbachs französische Nichte Michelle kennenlernt und sich zwei Jahre später in sie verliebt, erkennt er den Unsinn der Nazi-Propaganda über den angeblichen Erzfeind Frankreich. Mit diesen Zweifeln wird Funk als 19-jähriger Abiturient zum Kriegsdienst eingezogen und in der Normandie, Michelles Heimat, eingesetzt, wo er sich häufig mit ihr trifft.
„Ob man vor seiner Vergangenheit fliehen kann? Konnte man ein anderer werden, sich neu definieren? Alles beiseite räumen und von vorne anfangen?“ Für Autor Matthias Zimmer ist Funks Auswanderung nach Kanada eine Flucht vor sich selbst, eine Verdrängung des Erlebten: „Es lebt sich einfacher in einer Lüge. Es lebt sich einfacher in Täuschung und Verdrängung.“ So scheint Funks Leben in Jugendjahren recht problemlos verlaufen zu sein, wie wir anfangs aus seinem Bericht hören. Erst später, nach intensiver Beschäftigung mit seinen Erinnerungen, kommt er zur Erkenntnis: „Ich muss mich auch diesem Teil meiner Geschichte stellen, sonst bleibt sie unvollständig.“ Jetzt erzählt Funk endlich, was er verdrängen und vergessen wollte, als könne er es dadurch ungeschehen machen. Auch Funks Freund Landau stellt als Historiker fest: „Ich bin meine Vergangenheit. Ich bestehe in und aus meiner Erinnerung.“ Erst nachdem Funk seine Erinnerungen akzeptiert, seine Vergangenheit im Gespräch mit Landau verarbeitet hat, ist es ihm möglich, noch einmal nach Deutschland und Frankreich zu reisen, um die Orte früheren Geschehens zu besuchen und seine Vergangenheit abzuschließen.
„Morandus“ ist ein lebendig und stilistisch hervorragend geschriebener, in gewisser Weise spannender Roman, der sich leicht lesen lässt. Dennoch behandelt das Buch ein ernstes Thema, das nicht ohne Grund vor allem die Jugend in den 1960er und 1970er Jahren zu teils heftigen Auseinandersetzungen mit Vätern und Großvätern trieb: Wo warst du damals? Hast du dich schuldig gemacht? Viele Väter haben damals geschwiegen – aus Scham, aus Verzweiflung, aus Hilfslosigkeit, um zu verdrängen, zu vergessen.
Autor Matthias Zimmer gelingt es mit seinem lesenswerten Romandebüt, diese nur scheinbar veralteten, doch für jeden Menschen wichtige Frage nach dem Umgang mit der eigenen Vergangenheit im Gespräch zweier alter Freunde auf beeindruckende Weise zeitgemäß und empathisch zu behandeln – mit der stets gültigen Erkenntnis: „Die Vergangenheit vergeht nicht. Sie bleibt des Menschen Wegbegleiter, manchmal auch sein Fluch.“ Aufgelockert wird das ernste Thema des Romans durch die einfühlsame Geschichte einer einst durch Krieg tragisch unvollendeten Liebe, die fast vier Jahrzehnte später auf überraschende Weise doch noch eine romantische und glückliche Wendung erfährt. Erst jetzt ist Ernst Funk mit sich im Reinen und kann wirklich ein neues Leben beginnen.