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Veröffentlicht am 22.04.2024

Kein Vergleich mit "Die Firma"

Die Entführung
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REZENSION – Wir erinnern uns: Nach seinem Romandebüt „Die Jury“ aus dem Jahr 1989 gelang dem amerikanischen Schriftsteller John Grisham (69) zwei Jahre später mit seinem Thriller „Die Firma“, erfolgreich ...

REZENSION – Wir erinnern uns: Nach seinem Romandebüt „Die Jury“ aus dem Jahr 1989 gelang dem amerikanischen Schriftsteller John Grisham (69) zwei Jahre später mit seinem Thriller „Die Firma“, erfolgreich verfilmt 1993 mit Tom Cruise, bereits der internationale Durchbruch und machte ihn zum Bestseller-Autor, so dass er noch im selben Jahr seinen Beruf als Rechtsanwalt aufgeben konnte. Fast im Jahresrhythmus veröffentlichte er daraufhin weitere Justizthriller, mit denen er eine Gesamtauflage von 275 Millionen Exemplaren erreichte, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden. Im Februar erschien nun beim Heyne Verlag Grishams neuer Roman „Die Entführung“, der sowohl im englischsprachigen Markt als auch bei uns als „große Fortsetzung des Weltbestsellers »Die Firma«“ angekündigt wurde und 15 Jahre später spielt.
Der Rechtsanwalt Mitch McDeere, der seine damalige Anwaltsfirma - lediglich eine Fassade und Geldwaschanlage für die Mafia - hatte auffliegen lassen, ist nach Jahren der Flucht inzwischen Partner bei der weltweit größten Anwaltskanzlei in Manhattan mit Filialen in vielen Ländern. Glaubte sich der junge Familienvater nach so langer Zeit in Sicherheit, werden er und seine Frau erneut Zielscheibe des Verbrechens: Mitch übernimmt das Mandat eines großen türkischen Unternehmens, dem die libysche Regierung unter Diktator Muammar al-Gaddafi nach dem Bau einer Autobahnbrücke in der Wüste vier Millionen Dollar schuldig bleibt. Um sich vom Bauprojekt ein genaues Bild zu verschaffen, reist er mit der in der Londoner Filiale angestellten Rechtsanwältin Giovanna, Tochter des römischen Filialleiters Luca, nach Libyen. Nach einer Lebensmittelvergiftung kommt Mitch ins Krankenhaus, weshalb Giovanna allein, allerdings mit bewaffneter Begleitung, zur Brücke fährt. Auf dem Weg dorthin werden die Begleiter von Terroristen getötet und Giovanna entführt. Die anonym bleibenden Entführer fordern von der Anwaltskanzlei hundert Millionen Dollar Lösegeld.
So weit, so gut. Doch warum dieser neue Band unbedingt als Fortsetzung zum Bestseller „Die Firma“ angenommen werden soll, wissen wohl nur der Autor und seine Verlage. Denn außer einigen für die Handlung des aktuellen Romans völlig unwichtigen Bezügen zum einstigen Bestseller hat „Die Entführung“ überhaupt nichts mit diesem zu tun. Lediglich die Protagonisten Mitch McDeere und seine Ehefrau treten hier erneut auf. Doch da die Handlung des neuen Romans im Kern absolut nichts mit der des alten zu tun hat, auch die Charaktere der Protagonisten in keiner Weise weiter ausgeprägt werden, darf man „Die Entführung“ getrost als eigenständigen Roman und die Verlagsaussage „große Fortsetzung“ als reine Werbung ansehen. Hoffte man vielleicht, damit an den früheren Erfolg der 1990er Jahre anknüpfen zu können, dürfte sich dieser „Trick“ bei den Lesern eher negativ auswirken, da man bei einem Vergleich unweigerlich vom Ergebnis enttäuscht sein muss.
„Die Entführung“ ist kein von Grisham gewohnter Justizthriller, da es hier nicht um juristische Tricks zur Lösung eines Rechtsstreits geht. Andererseits ist der Roman aber auch kein echter Politthriller, da die politisch-globalen Zusammenhänge, die sich bezüglich des Gaddafi-Regimes, der labilen Situation in Libyen und - daraus folgend - der politischen Abhängigkeiten und Konfliktsituation westlicher Länder, im Roman nur oberflächlich angerissen werden. Es bleibt somit ein reiner Spannungsroman, der durch einige brutale Szenen angereichert ist. Doch selbst die Spannung bleibt teilweise auf der Strecke, der Roman wirkt gelegentlich langatmig und die Handlung löst sich durch ihr völlig überraschungsfreies Ende letztlich in Wohlgefallen auf. Grisham hätte seinen Roman besser um 150 Seiten zu einer Erzählung kürzen sollen. Der einstige Welterfolg seiner „Firma“ dürfte ihm bei der „Entführung“ sicherlich versagt bleiben.

Veröffentlicht am 05.04.2024

Literarisch und historisch interessant

Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt
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REZENSION – Seit etwa zehn Jahren befasst sich die Literaturwissenschaftlerin Nicole Henneberg mit Werk und Leben der zeitlebens um ihren Erfolg gebrachten und zu Unrecht vergessenen jüdischen Schriftstellerin ...

REZENSION – Seit etwa zehn Jahren befasst sich die Literaturwissenschaftlerin Nicole Henneberg mit Werk und Leben der zeitlebens um ihren Erfolg gebrachten und zu Unrecht vergessenen jüdischen Schriftstellerin Gabriele Tergit (1894 bis 1982), die in jungen Jahren in Berlin als Gerichtsreporterin bekannt war. Mit der kommentierten Neuausgabe des satirischen Romans „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ (erstveröffentlicht 1932) ließ uns Henneberg im Jahr 2016 die Berliner Schriftstellerin wiederentdecken. Nach weiteren Neuausgaben wie Tergits Erinnerungen „Etwas Seltenes überhaupt“ (2018) oder ihres inzwischen zum Bestseller gewordenen zweiten Romans „Effingers“ (2019) sowie der Erstausgabe des dritten Tergit-Romans „So war's eben“ (2021) war Hennebergs Veröffentlichung einer ersten umfassenden Biografie „Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt“, erschienen im Februar beim Verlag Schöffling & Co, nicht nur folgerichtig, sondern sogar notwendig, um der literarischen Gesamtleistung Gabriele Tergits erstmals umfänglich gerecht zu werden.
Nach intensiver Recherche und Sichtung von fast 50 Materialkästen im Deutschen Literaturarchiv Marbach mit umfangreicher Korrespondenz Tergits, Originalmanuskripten und wieder verworfenen Texten bringt uns Henneberg auf 400 Seiten einschließlich eines 30-seitigen Anhangs mit Quellen-, Literatur- und Namensverzeichnissen nicht nur das Leben Gabriele Tergits näher, sondern schildert auch eindrücklich deren in Flucht, Emigration, lebenslänglicher Heimatlosigkeit und fehlender Anerkennung als Schriftstellerin begründete Verzweiflung und letztlich auch Resignation.
Noch zu Kaisers Zeiten in einem Berliner Fabrikantenhaushalt geboren, arbeitete Elise Hirschmann ab 1924 unter dem Pseudonym Gabriele Tergit als Journalistin und heiratete 1928 den jüdischen Architekten Heinz Reifenberg (1894 bis 1968), Nachkomme wohlhabender Fabrikanten- und Bankiersfamilien. Deren Leben und Lebensumfeld bildete später die Grundlage ihrer stark autobiografisch geprägten Werke. Nach der Machtergreifung der Nazis konnte sich Tergit im November 1933 nur knapp ihrer Verhaftung entziehen und nach Prag entkommen. Noch im selben Jahr emigrierte sie mit ihrem Mann widerwillig nach Palästina, das für die deutsche Bildungsbürgerin kein „gelobtes Land“ war, und zog 1938 nach London, wo sie bis zu ihrem Tod (1982) lebte, nur schlecht als Journalistin und Schriftstellerin arbeiten konnte, vor allem aber viele Jahre als Sekretär (Geschäftsführerin) des Exil-PEN aktiv war, des Verbands deutschsprachiger Autoren im Ausland. Henneberg: „Die Mitglieder des Clubs bildeten ihren Freundeskreis und ersetzten zumindest ein bisschen das, was sie durch die Vertreibung verloren hatte.“
In der Nachkriegszeit besuchte Gabriele Tergit mehrmals ihre alte Heimatstadt („Der erste Zug nach Berlin“, 2000/2023), wurde aber häufig durch antisemitistische Äußerungen verschreckt. Tergit: „Hitler schwebt immer noch wie ein dunkler Geist über Deutschland.“ Dennoch versuchte sie wiederholt, als Schriftstellerin in Deutschland Anerkennung zu finden, war dies doch trotz jahrelangen Exils ihre Heimat geblieben: „Mein Leben in Berlin, das hat mich lebenslänglich geprägt.“ Doch ihr endlich veröffentlichter Roman „Effingers“ kam 1951 zur Unzeit und wurde kaum beachtet. Henneberg: „Nur wenige Buchhändler nahmen ihn überhaupt in ihr Sortiment, und die Menschen wollten von einer jüdischen Familie nichts lesen.“ Von einer Berliner Kulturdezernentin musste Tergit sich sogar sagen lassen: „Wer sind Sie überhaupt? Habe den Namen noch nie gehört.“
Auch 20 Jahre später bleibt trotz positiver Resonanz auf die Neuausgabe ihres Käsebier-Romans die erhoffte Anerkennung aus. Als sie 1977 einem Verlag das Manuskript ihres dritten Romans „So war's eben“ über die Blütezeit jüdischen Lebens anbietet, dem Deutschland viele Geistesgrößen und Mäzene verdankte, lehnt dieser eine Veröffentlichung ab: Dies sei ein „Buch für Insider, aber das werden nicht mehr sehr viele sein“. So kam es, dass dieser dritte Roman Tergits erst ein Jahr nach ihrem Tod nur in gekürzter Fassung und endlich 40 Jahre später (2021) durch Tergit-Expertin Nicole Henneberg in seiner originalen Fassung veröffentlicht wurde.
Mit den Neu- und Erstausgaben der Werke Gabriele Tergits, vor allem aber jetzt mit ihrer akribisch erarbeiteten, literarisch und historisch interessanten Tergit-Biografie hat Nicole Henneberg die jüdische Schriftstellerin nicht nur der Vergessenheit entrissen, sondern ihr das verdiente literarische Denkmal gesetzt. Wer Tergits Bücher inzwischen kennt, kommt um diese Biografie nicht herum, trägt sie doch viel zum besseren Verständnis ihrer Romane bei. Wer ihre Bücher noch nicht kennt, wird nun zweifellos zum Lesen ihrer Werke animiert. Die Biografie „Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt“ ist also in jedem Fall eine unbedingt empfehlenswerte und zweifellos lohnende Lektüre.

Veröffentlicht am 24.03.2024

Eindrucksvoll packender Psychothriller

Hundswut
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REZENSION – Erst nachdem Daniel Alvarenga (37) die Dreharbeiten seines nach eigenem Script selbst produzierten Kinofilms „Hundswut“ abgeschlossen hatte, schrieb er als „Buch zum Film“ seinen gleichnamigen ...

REZENSION – Erst nachdem Daniel Alvarenga (37) die Dreharbeiten seines nach eigenem Script selbst produzierten Kinofilms „Hundswut“ abgeschlossen hatte, schrieb er als „Buch zum Film“ seinen gleichnamigen Roman, der im Februar als sein literarisches Debüt im Verlag HarperCollins erschien. Dies war eine gute Entscheidung. Denn während der Film wohl nur in bayerischen Kinos läuft, ist sein packender Psychothriller nun überall zu lesen. Nur seien allzu zart besaitete Leser gewarnt!
Der seit seiner Jugend in Bayern wohnende Autor schildert einen fiktiven Vorfall aus dem Jahr 1932 in einem kleinen Bergdorf in der tiefsten bayerischen Provinz. Man lebt dort, als sei die Zeit irgendwann stehen geblieben. Mit der Großstadt München will man nichts zu tun haben und schon gar nichts von dem wissen, was die Nazis dort neuerdings treiben. Alles bleibt im Dorf und wird von Bürgermeister Bernhard „Hartl“ Aichinger und Großbauer Georg Steiner geregelt. Dies gilt auch, als eines Tages vier Kinder bestialisch ermordet und zerfleischt im Wald gefunden werden. Eine Meldung nach München kommt für den Bürgermeister nicht in Frage: „Bevor i dene wos meld und dann oan vo dene Nazis im Dorf hob, regel i's liaber selber.“ So beginnt er seine Ermittlung, unterstützt von Großbauer Steiner, Landgendarm Xaver und Gastwirt Lugg.
Anfangs glauben die Dörfler noch, ein Wolf könne für die grausame Bluttat verantwortlich sein. Die Dorfälteste setzt im Waschhaus das Gerücht in die Welt, es sei ein Werwolf: „Wenn di a kranker Wolf beißt, und due überlebst as, dann host du die Hundswuat a. Dann bist du verfluacht und musst wia a Wolf lebm.“ Doch weder einen Wolf noch einen Werwolf, sondern einen Menschen hält der Bürgermeister für den Mörder: „Mir wissn olle ganz genau, das des koa Wolf war! Aa koa tollwütiger! A Wolf jagt, wenn er Hunger hod! A Wolf zerfetzt ned vier Kinder und lassts dann im Wald verrecken. Und a Wolf vergeht si aa ned an am junga Madl, bevor ers umbringt. … Des war koa Viech, des war a Mensch!“
Schon bald gibt es weitere Mordfälle gleicher Brutalität. Ein Mörder muss schnell gefunden werden, um das Dorf zu beruhigen. Als Verdächtigen machen Bürgermeister und Großbauer den ohnehin schon von allen Dörflern misstrauisch beäugten Einsiedler Joseph Köhler aus, der seit dem Tod seines Sohnes und später auch seiner Frau schwermütig ist und mit Tochter Mitzi einsam am Wald wohnt. Man verschleppt ihn in den Bierkeller des Wirtshauses, um ihm den Prozess zu machen. Obwohl Köhler standhaft seine Unschuld beteuert, sind sich die Dörfler schnell einig, den Schuldigen gefunden zu haben. „Nichts hielt eine Gemeinschaft so effektiv zusammen wie der gemeinsame Hass auf jemand anderen.“ Als aber alle Versuche scheitern, Köhler zu einem Geständnis zu bewegen, meint Dorfpfarrer Hias Lechner in ihm einen vom Teufel besessenen Hexer zu erkennen, und zieht den aus dem Mittelalter berüchtigten „Hexenhammer“ zu Rate. Köhler soll nach Kirchenrecht als Werwolf angeklagt und verurteilt werden. Die Stimmung im Dorf nimmt nun eine bedrohliche Wendung: Der Wahn erfasst auch die eigentlich vernünftigen Bewohner und die Gewalt setzt sich durch. Als der Fall für das Dorf endlich abgeschlossen ist, geht das normale Leben weiter, als habe sich niemand schuldig gemacht, „weil es das immer tat, weil es das musste“.
In drastischen Bildern schildert Alvarenga sehr plastisch und authentisch den allmählichen, durch haltlose Gerüchte angefeuerten Gesinnungswandel unter den einfachen, meist ungebildeten Dorfbewohnern, wie sie sich in ihrer Bigotterie vom Pfarrer leicht beeinflussen und zum Äußersten treiben lassen. Sehr glaubhaft, in ihrer Düsternis ungemein realistisch und lebendig wirkt die erschreckende Handlung nicht zuletzt durch die drastischen Dialoge in bayerischer Mundart. Die wirklichkeitsnahe Schilderung macht in ihrer erschütternden Brutalität auch vor den grausamsten Szenen nicht Halt, wovon mancher Leser sich vielleicht abgestoßen fühlen kann. Doch andererseits ist es gerade diese Direktheit in der szenischen Darstellung sowie die psychologisch tiefgreifende Charakterisierung der Personen, wodurch Daniel Alvarengas Debütroman „Hundswut“ so eindrucksvoll ist, seine Leser so fasziniert und packt.

Veröffentlicht am 20.03.2024

Entspannende Feierabend-Lektüre

Allmen und Herr Weynfeldt
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REZENSION – Mit „Allmen und Herr Weynfeldt“ erschien im März beim Diogenes Verlag bereits der siebte Band der beliebten Krimireihe des Schweizer Schriftstellers Martin Suter (76), die 2011 mit „Allmen ...

REZENSION – Mit „Allmen und Herr Weynfeldt“ erschien im März beim Diogenes Verlag bereits der siebte Band der beliebten Krimireihe des Schweizer Schriftstellers Martin Suter (76), die 2011 mit „Allmen und die Libellen“ begann und deren erste drei Bände mit Heino Ferch für das Fernsehen verfilmt wurden.
Schon der Name Johann Friedrich von Allmen, mit dem sich der über 40-jährige Hans Fritz von Allmen gern vorstellt, um dann in gespielter Bescheidenheit anzufügen „Allmen reicht“, zeigt das Motiv „Mehr Schein als Sein“ des kunstverständigen und belesenen Hochstaplers, der seiner Umwelt den längst verlorenen Reichtum weiterhin erfolgreich vorgaukelt. Trotz Zwangsverkaufs seiner Villa lässt er sich in deren Gartenhaus mit umgebautem Treibhaus unverändert von dem ihm ergebenen Diener Carlos und dessen Ehefrau Maria als Haushälterin umsorgen. „Reichtum misst man nicht daran, wie viel Geld man hat, sondern daran, wie viel Geld man ausgibt“, ist Allmens Motto. Zur notwendigen Auffrischung der Haushaltskasse übernimmt Allmen – „Ich bin kein Detektiv. Ich bin eher ein Künstler.“ – mit seiner Firma Allmen International Inquiries hin und wieder lukrative Aufträge zur Auffindung gestohlener Kunstobjekte. Gleichberechtigter Partner ist Carlos, der seinem auf zu großem Fuß lebenden Patron immer mal ein paar Geldscheine „zur Festigung seiner Kreditwürdigkeit“ zustecken muss. Doch letztlich ist Maria als Finanzchefin des Unternehmens diejenige Person dieses ungewöhnlichen Trios, die sämtliche Fäden in der Hand hält und als einzige zur rechten Zeit die richtige Idee hat.
Eines Abends trifft Allmen in einer Bar einen kultivierten Herrn ähnlichen Alters – den Kunstsachverständigen und Sammler Adrian Weynfeldt. Als dieser Tage später bemerkt, dass in seiner Wohnung ein Bild fehlt, beauftragt er Allmen mit der Suche. Anfangs schließt Weynfeldt seinen engeren Bekanntenkreis, mit dem er sich statt wie üblich im Restaurant nur wenige Tage zuvor erstmals in seiner Wohnung im Obergeschoss eines Bankhauses getroffen hat, als Tatverdächtige grundsätzlich aus. Bevor die Kunstbuchhändlerin Karin Winter, die diesem Kreis angehört, Allmen etwas Wichtiges mitteilen kann, kommt sie bei einem Treppensturz zu Tode. Jetzt sind alle verdächtig. Allmen hat seinen ersten Mordfall.
Im neuen Krimi lässt Suter die Figur des Adrian Weynfeldt wieder aufleben, Hauptfigur aus dessen bereits 2008, also noch vor dem Allmen-Krimis veröffentlichten und 2010 verfilmten Roman „Der letzte Weynfeldt“. Amüsant zu lesen ist nun das Zusammenspiel dieser beiden Protagonisten – Weynfeldt tatsächlich reich, Allmen nur scheinbar. Um dieses „Spiel“, das Allmen einiges abverlangt, geht es eigentlich im Roman, während die Suche nach dem Gemälde zur Rahmenhandlung verblasst.
Dennoch kann der neue Band nicht so recht überzeugen: Wieder und wieder erfahren wir von den Eigenarten des scheinreichen Lebemannes, die doch inzwischen bestens bekannt sind. Es fehlt das Neue, das Überraschende. Mag auch das Auftreten der früheren Romanfigur Adrian Weynfeldt im Allmen-Krimi vielleicht überraschen, ist aber auch über diese Figur in „Der letzte Weynfeldt“ schon alles gesagt, so dass es im neuen Allmen-Band, in dem Suter sogar Weynfeldts Freundin Lorena und den mittellosen Kunstsammler Rolf Strasser erneut auftreten lässt, bei bereits Bekanntem bleibt.
Bei Suter nichts Neues? „Allmen und Herr Weynfeldt“ ist wie die früheren Bände mit leichter Hand locker geschrieben, doch intellektuell nicht gerade überfordernd. Der Roman genügt als entspannende Feierabend-Lektüre. Man muss also schon ein bedingungsloser Fan des Autors und seiner Krimis sein, um dem siebten Band etwas Besonderes abgewinnen zu können.

Veröffentlicht am 07.03.2024

Pflichtlektüre für alle Simmel-Kritiker

»Mich wundert, dass ich so fröhlich bin« Johannes Mario Simmel – die Biografie
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REZENSION – Es ist der Autorin Claudia Graf-Grossmann als Verdienst anzurechnen, anlässlich des 100. Geburtstags des österreichischen Schriftstellers Johannes Mario Simmel (1924-2009) endlich eine eigentlich ...

REZENSION – Es ist der Autorin Claudia Graf-Grossmann als Verdienst anzurechnen, anlässlich des 100. Geburtstags des österreichischen Schriftstellers Johannes Mario Simmel (1924-2009) endlich eine eigentlich längst überfällige Biografie über den zu Lebzeiten von Kritikern so geschmähten, beim Publikum umso beliebteren Bestseller-Autor veröffentlicht zu haben. In ihrem Band „Johannes Mario Simmel. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“, der im vertrauten Layout aller Simmel-Romane im März beim Droemer Verlag erschien, lässt die Biografin neben den Resultaten ihrer Archiv-Recherche auch Verwandte, Freunde, Weggefährten und Geschäftspartner zu Wort kommen. Diese Biografie ist nicht nur eine willkommene Neuerscheinung für die vielen Simmel-Fans, sondern muss gerade den zahlreichen Kritikern des Schriftstellers als Pflichtlektüre empfohlen werden.
Denn im Ergebnis wird deutlich, dass Simmel, einer der populärsten deutschsprachigen Schriftsteller, keineswegs ein Autor seichter Trivialliteratur war, sondern – geprägt durch Weltkrieg, Nazi-Regime und sein persönliches Schicksal als Halbjude, der sogar als Jugendlicher aus Eigenschutz seinen jüdischen Vater verleugnen musste – ein ernsthafter Chronist seiner Zeit, der sich um die Zukunft sorgte und mit seinen Werken vor Gefahren für Staat und Gesellschaft warnte. Oft war Simmel mit seinen Ansichten der Zeit voraus, stellt die Autorin fest: „Drei Jahre bevor der Club of Rome gegründet und eine erste Konferenz über die Zukunftsfragen der Menschheit organisiert wird, spricht Simmel diese Themen bereits an [Bevölkerungsentwicklung und drohender Atomkrieg sind Themen seines Romans „Lieb Vaterland magst ruhig sein“] und beweist einmal mehr seinen fast prophetischen Sinn für drängende Zeitfragen.“ So nimmt der Schriftsteller oft Themen vorweg, die erst Jahre oder Jahrzehnte später zum Mainstream werden, erkennt die Biografin. Simmel will warnen und aufklären, formuliert oft dramatisch zugespitzt und bewusst bedrohlich. „Er weiß, dass er mit Grautönen und Relativierungen weniger Beachtung findet als mit radikalem Schwarz-Weiß-Denken.“ Dennoch hat der Autor als langjährig erfahrener Illustrierten-Reporter Themen und Handlungsorte immer sorgfältig recherchiert: Bis zu 250 000 D-Mark investierte Simmel in die Recherche zu einem Roman und spannte dazu auch sein international aufgebautes Netzwerk aus Freunden und Bekannten ein.
Gerade seine Art, gesellschaftspolitische Themen wie „Krieg, Umweltzerstörung, Verletzung der Menschenrechte, Ausländerfeindlichkeit oder Exzesse des Kapitalismus“ mit „philosophischen Überlegungen und Gedankengängen“ in romantische oder leidenschaftliche Liebesgeschichten zu „verpacken“, wie es die Autorin formuliert, was Kritikern oft Anlass zum Verriss seiner Bücher gab, machte Simmels Romane für die Nachkriegsgesellschaft leicht lesbar: „Die Liebesgeschichte mildert nicht nur das häufig sperrige Thema seiner Romane, lockert die Handlung auf und sorgt für die nötige Prise Menschlichkeit. Sie gibt auch Hoffnung, denn für Mario bedeutet Liebe stets Zukunft und Glauben an eine bessere Welt.“
Darin gleicht Simmel seinem Vorbild Hans Fallada, der ebenfalls soziale Missstände seiner Zeit in Romanen aufgriff, damals gemieden und heute als Chronist jener Zeit geschätzt wird. Erst spät, man ist versucht zu sagen „viel zu spät“, erfährt Bestseller-Autor Simmel nach Erscheinen seines Romans „Mit den Clowns kamen die Tränen“ (1987) und vor allem seines letzten Werks „Liebe ist die letzte Brücke“ (1999) endlich verdientes Lob seitens der Kritiker. Sogar Marcel Reich-Ranicki kommt nicht umhin, Simmels „fabelhaften Blick für Themen, Probleme und Motive“ zu würdigen.
Claudia Graf-Grossmann hat es mit ihrer nach Themen gegliederten Biografie geschafft, Johannes Mario Simmel aus der vermeintlichen „Schmuddelecke“ der Trivialliteratur herauszuholen und seine wahre Persönlichkeit als ernsthaften, kritischen Chronisten zu offenbaren. „Wenn unsere Regierung fortfährt, derart unmoralisch zu handeln“, sagte Simmel bereits vor drei Jahrzehnten im Wahljahr 1994, „arbeitet sie Nazis und Rechtsextremen direkt in die Hände. Dann wird sie bei der Wahl die Quittung bekommen, von Protestwählern und sehr vielen Nichtwählern.“