Cover-Bild Vagina
24,95
inkl. MwSt
  • Verlag: Rowohlt
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 448
  • Ersterscheinung: 02.05.2013
  • ISBN: 9783498073756
Naomi Wolf

Vagina

Eine Geschichte der Weiblichkeit
Barbara Imgrund (Übersetzer), Gabriele Gockel (Übersetzer), Karola Bartsch (Übersetzer)

Warum überhaupt ein Buch über die Vagina? Ich habe mich immer für die weibliche Sexualität interessiert. Die Art, wie eine Kultur auf die Vagina blickt — sei es respektvoll oder verächtlich, fürsorglich oder geringschätzig —, steht stellvertretend dafür, wie in der betreffenden Zeit und an dem betreffenden Ort auf die Frau schlechthin geblickt wird. Am Anfang dieser Reise ging ich davon aus, dass ich eine ganze Menge über uns Frauen lernen würde, und zwar als Lustobjekte ebenso wie als Mitglieder der Gesellschaft.
Ist die Vagina eine Pforte zur Erleuchtung, wie sie es für die Praktizierenden des indischen Tantra war? Oder ein 'goldener Lotus', wie es die Philosophie des Tao behauptete? Oder eine Art 'Prüfstelle' für die weibliche Reife, ein Organ, das die Frauen von den Mädchen unterscheidet, wie Sigmund Freud glaubte? Oder das, als was sie die zeitgenössische Massenpornografie zeigt: eine 'scharfe', aber im Grunde austauschbare Körperöffnung und jedermann zugänglich, der einen Internetanschluss besitzt?
Ich begann zu erkennen, dass es in Wahrheit um etwas geht, über das nur selten gesprochen wird: um eine tiefgreifende Verbindung zwischen Gehirn und Vagina. Im Keim war dieses Buch als historische und kulturelle Reise angelegt, doch es wurde rasch eine sehr persönliche und notwendige Entdeckungsreise daraus. Ich musste die Wahrheit über die Vagina herausfinden, denn mir war durch Zufall ein Einblick in eine Dimension vergönnt, die ich noch nie an ihr wahrgenommen hatte.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2019

Vielfältiger Überblick über Geschichte, Literatur, Physiologie und Psychologie

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Naomi Wolf ist eine amerikanische Journalistin. Manchem ist vielleicht bereits ihr Buch "The Beauty Myth/Mythos Schönheit" bekannt.

Zu Beginn erläutert die Autorin die großen Unterschiede im Körperbau ...

Naomi Wolf ist eine amerikanische Journalistin. Manchem ist vielleicht bereits ihr Buch "The Beauty Myth/Mythos Schönheit" bekannt.

Zu Beginn erläutert die Autorin die großen Unterschiede im Körperbau von Frauen:
«Jede Frau ist anders innerviert. Bei einigen Frauen verzweigen sich die Nerven mehr in die Vagina, bei anderen mehr in die Klitoris. Bei manchen wird hauptsächlich der Damm versorgt oder der Muttermund, also der Eingang des Gebärmutterhalses. Das ist der Grund für die großen Unterschiede in der weiblichen Erregbarkeit.»

Daher könnten Männer sich nicht darauf verlassen, was bei der letzten Partnerin im Bett "funktioniert" habe, vielmehr müssten sie sich ganz neu einlassen und die Reaktionen der jetzigen Freundin entdecken. Oft sei es nicht die "Schuld" der Frau, dass sie keinen vaginalen Orgasmus bekomme, sondern es liege am Körperbau.

Sie misst dem Stresspegel der Frau eine große Bedeutung für die Qualität des Orgasmus zu:
"Um den transzendentalen Zustand zu erreichen, der das weibliche Gehirn in den Orgasmus katapultiert, muss frau sich absolut sicher fühlen – sicher vor schlechtem Stress, und zwar durch das Wissen, dass sie in besagten Trancezustand in Gegenwart eines anderen Menschen eintritt, der sie beschützen wird, wenn das nötig sein sollte, und sie nicht in Gefahr bringt oder in eine Situation, die sich ihrer Kontrolle entzieht."

Im zweiten Abschnitt schreibt Wolf über die soziale Kontrolle der weiblichen Sexualität. Über verbale Herabwürdigung, Vergewaltigung und Trauma zu lesen, fand ich emotional sehr anstrengend.
Sie schlägt einen Bogen von den uralten Göttinnenreligionen mit heiliger Hochzeit und Tempelprostitution über Scham und Hexenverbrennung im Mittelalter zur letzten Jahrhundertwende, als viele Künstlerinnen über sexuelle Befreiung schrieben oder malten. Sehr interessant war auch die Darstellung der Vagina in der Bluesmusik.
Als positives Beispiel nennt sie ebenfalls verschiedene östliche Epochen, in denen die Vagina als allerheiligster Ort im Universum galt, und als Himmelstor oder Blütenteich bezeichnet worden sei.

Im dritten Abschnitt berichtet die Autorin über die heutige Zeit und wie Pornografie, die Verküpfung von Sex und Gewalt sowie die Nutzung eines Vibrators zu Desensibilisierung und Abstumpfung führe.
Während in pornografischen Schriften der vikorianischen Zeit noch sehr liebevoll und zärtlich über die Vagina geschrieben worden sei, gleiche die Vagina heute Junkfood:
"Dieser Slang legt nahe, dass westlich geprägte junge Männer von heute Vaginas nicht wie früher mit dunkler Magie und auch nicht mit ihren eher boshaft beleidigenden Assoziationen gleichsetzen; stattdessen evozieren die meisten Begriffe minderwertige Junkfood-Massenware und sind nicht gerade von emotionaler Wucht."

Im letzten Abschnitt widmet sich die Autorin der Frage, wie man "die Göttin zurückholen" könne. So bezeichnet sie die Aktivierung der Entspannungsreaktion der Frau. Sie besucht einen Tantra-Workshop und einen Therapeuten für Vaginalmassage.
Ihre Vorschläge für Männer klingen allzu simpel, aber es ist genau das, was ich mir von einem Partner wünschen würde:
"Schau ihr in die Augen."
"Streichle sie."
"Höre ihr zu und rede mit ihr."
"Schenke ihr Schutz, Zeit und Zärtlichkeit."

Fazit: Das Buch bietet einen guten Überblick über das Thema, ist aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Ich fühle mich in dem bestätigt, was ich intuitiv gefühlt habe - dass Zeitdruck und emotionaler Stress destruktiv sind und dass Überstimulierung durch einen Vibrator oder Pornografie desensibilisiert.
Störend fand ich, dass die Autorin bei einem Interview Suggestivfragen gestellt hat. Die Schilderung der Göttinenkultur und der heiligen Hochzeit war nicht korrekt eingeordnet. Die Vermählung eines Herrschers mit der Göttin in Gestalt der Priesterin ist schon der erste Schritt hin zur patriarchalen monotheistischen Religion gewesen. Die Interpretation der Schlangen in der Hand der minoischen Göttin als Penisse ist falsch. Schlangen symbolisieren üblicherweise Tod und Wiederauferstehung.
Sie schreibt mehrfach von der Aktivierung des ANS (des autonomen Nervensystems), was missverständlich ist. Sie meinte sicher die Aktivierung des Parasympatikus für die Entspannungsreaktion.

Mich als Single ließ das Buch aber auch etwas ratlos zurück, weil die Autorin von Transzendenz und gesteigerter Kreativität nach dem Orgasmus schwärmt. Gerade weil ich keinen Partner habe, habe ich genug Zeit und Energie, kreativ zu sein. Und Transzendenz lässt sich auch über andere Wege erreichen.
Darüberhinaus hat Naomi Wolf im Buch Marnia Robinson und ihre Texte über Dopamin erwähnt, nicht jedoch, dass diese explizit empfiehlt auf Orgasmen zu verzichten. Das Dopamin-High und der abschließende Absturz würde die Gefühle durcheinanderbringen und eher zu Unruhe und Unzufriedenheit in der Beziehung führen. Die Karezza-Technik dagegen schaffe mehr Verbundenheit und langfristig stabile Partnerschaften (ganz interessant dazu sind z.B. als Einstieg die Artikel der Autorin Marnia Robinson auf Huffington Post).