Cover-Bild Irgendwo in diesem Dunkel
14,00
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT Taschenbuch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 28.01.2020
  • ISBN: 9783499274497
Natascha Wodin

Irgendwo in diesem Dunkel

Nach dem großen Erfolg von «Sie kam aus Mariupol», dem Buch über die Mutter, begibt Natascha Wodin sich auf Spurensuche nach ihrem Vater. Erzählt wird die Zeit, als die ältere seiner beiden Töchter sechzehn ist. Sie lebt beim Vater abseits in den «Häusern» am Fluss, unter Verschleppten und Entwurzelten. Dabei möchte sie so gern zu den Deutschen gehören, möchte Ursula oder Susanne heißen und träumt von einem Handwerker, den sie heiraten könnte, um ihrer russischen Herkunft zu entkommen. Aber der seit je gefürchtete Vater sperrt sie ein. In einem Taftkleid der Mutter flieht sie in die Schutzlosigkeit der Straße …

Eine ungeheuerliche Geschichte der Ort- und Obdachlosigkeiten – verfasst in Natascha Wodins klarer, sachlicher und doch von Emotion und Poesie getragener Sprache, die ihresgleichen sucht.

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Eine junge Frau auf der Suche nach Zugehörigkeit

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Natascha Wodin ist das Kind russischer Zwangsarbeiter, die im Krieg nach Deutschland verschleppt wurden.
In ihrem autobiografischen Roman “Sie kam aus Mariupol” hat die Autorin bereits über ihre Mutter ...

Natascha Wodin ist das Kind russischer Zwangsarbeiter, die im Krieg nach Deutschland verschleppt wurden.
In ihrem autobiografischen Roman “Sie kam aus Mariupol” hat die Autorin bereits über ihre Mutter und deren Freitod geschrieben. In “Irgendwo in diesem Dunkel” steht der Vater im Zentrum der Geschichte.

Wodin schreibt über ihre Kindheit in den Häusern der ehemaligen Zwangsarbeiter. Die “Häuser” ist ein abwertender Begriff der Deutschen. Mit denen aus den »Häusern« gab man sich nicht nicht ab. Sie durften nicht ins Schwimmbad, da man sie für dreckig hielt und glaubte, sie würde Krankheiten einschleppen:

»Ich wusste nicht, woran die Frau an der Kasse mich erkannt hatte, aber die Bewohner der Häuser konnten ihre Herkunft nicht verbergen, ihr Äußeres, ihr Verhalten, ihre Art mentaler Geruch gaben sie immer und überall sofort preis.«

In der katholischen Schule kam sie sich ebenso fremd vor:

»Das Nichtdeutschsein war eine Verdammnis auf Erden. Das Nichtkatholischsein war die Verdammnis in Ewigkeit, weil nur die Katholiken in den Himmel kamen.«

Schlicht und schnörkellos und doch eindringlich erzählt Wodin in der Ich-Form von ihrer ersten Verliebtheit und wie der deutsche Junge sie als “Russenlusche” beschimpft. Sie schreibt davon, wie es ist, nicht dazuzugehören, niemanden um Hilfe bitten zu können, keinen Platz für sich zu haben. Als Jugendliche läuft sie von zu Hause weg, schläft in Schuppen, wird vergewaltigt und treibt ihr Kind selbst ab.

Wodin beschreibt das Zusammenleben mit ihrem strengen Vater, der aus seinem Leben in der Sowjetunion stets ein Geheimnis gemacht hat. Einst hatte sie ihm den Tod gewünscht und nun begegnet sie ihm im Altenheim wieder, halb blind und hilflos. Für ihren Vater ist sie immer noch Übersetzerin, denn die einzigen deutschen Wörter, die er nach 50 Jahren gelernt hatte, sind “brauche” und “brauche nix”.

Welche Freude, als ihr das erste Mal Interesse und Respekt entgegengebracht wird und sie nicht die Andere ist.

Eine berührende Geschichte über das Erwachsenwerden einer jungen Frau in den 60ern, die uns das Schicksal der Millionen von Zwangsarbeitern und ihren Familien in Deutschland näherbringt.