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Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannend, bewegend, wunderschön -ein Meisterwerk!

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
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Kurzmeinung:
Ein spannender Krimi und ein Buch über Liebe, Freundschaft und das Schreiben. Die Seiten fliegen nur so dahin und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Großartige Sprache!


Klappentext:
Es ...

Kurzmeinung:
Ein spannender Krimi und ein Buch über Liebe, Freundschaft und das Schreiben. Die Seiten fliegen nur so dahin und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Großartige Sprache!


Klappentext:
Es ist der Aufmacher jeder Nachrichtensendung. Im Garten des hochangesehenen Schriftstellers Harry Quebert wurde eine Leiche entdeckt. Und in einer Ledertasche direkt daneben: das Originalmanuskript des Romans, mit dem er berühmt wurde. Als sich herausstellt, dass es sich bei der Leiche um die sterblichen Überreste der vor 33 Jahren verschollenen Nola handelt und Quebert auch noch zugibt, ein Verhältnis mit ihr gehabt zu haben, ist der Skandal perfekt. Quebert wird verhaftet und des Mordes angeklagt. Der einzige, der noch zu ihm hält, ist sein ehemaliger Schüler und Freund Marcus Goldman, inzwischen selbst ein erfolgreicher Schriftsteller. Überzeugt von der Unschuld seines Mentors - und auf der Suche nach einer Inspiration für seinen nächsten Roman - fährt Goldman nach Aurora und beginnt auf eigene Faust im Fall Nola zu ermitteln ...


Zum Buch:
Der Protagonist Marcus Goldman ist ein gefeierter Schriftsteller, dessen erster Roman gleich ein großer Erfolg wurde. 2 Jahre genoss er ein Leben in Saus und Braus und gab sich ganz seinem Ruhm hin, ohne eine weitere Seite zu schreiben. Als ihm klar wird, dass es so nicht weitergehen kann, muss Marcus jedoch feststellen, dass er an der "Schriftstellerkrankheit" leidet. Es fehlt ihm an Inspiration und so beschließt er, seinen alten Freund und Mentor Harry Quebert aufzusuchen. Dieser steckt jedoch in ernsthaften Schwierigkeiten. In seinem Garten wird die Leiche von Nola Kellergan entdeckt, einem beliebten Mädchen aus Aurora, welches vor 33 Jahren verschwunden ist. Quebert muss ins Gefängnis und es sieht nicht gut für ihn aus. Marcus Goldman ist schockiert und will seinem Freund beistehen. Er beginnt, selbst Nachforschungen anzustellen und ermittelt nach anfänglichen Schwierigkeiten bald zusammen mit dem ermittelndem Polizisten der State Police, Sergeant Gahalowood. Gemeinsam rollen sie den alten Fall noch mal auf und befragen alle Personen, die in Nolas Leben eine Rolle gespielt haben. Dabei machen sie bald schockierende Erkenntnisse und nichts ist, wie es zunächst scheint.

Das Buch ist hauptsächlich aus Sicht von Markus Goldman geschrieben. Allerdings gibt es auch immer Zeitsprünge in die Zeit von vor 33 Jahren. Dann schildert die jeweilige von Goldman befragte Person ihre Sicht der Geschehnisse im Jahr 1975. Der Leser sieht die Vergangenheit dadurch aus verschiedenen Blickwinkeln, was sehr spannend ist. Auch kann man so gut die Motive und Gedanken der verschiedenen Personen nachvollziehen und die Charaktere werden einem sehr greifbar und nah. Schon bald fühlt man sich, als wäre man gut bekannt mit den Einwohnern Auroras.

Das Buch ist in 3 Teile gegliedert:

Die Schriftstellerkrankheit (acht Monate vor Erscheinen des Buches)
Die Genesung der Schriftsteller (Das Schreiben des Buchs)
Das Paradies der Schriftsteller (Erscheinen des Buchs)

Die Kapitelnummerierung beginnt mit No.33 bis man sich langsam zu Kapitel 0 vorarbeitet. Schon allein diese absteigende Nummerierung erzeugt Spannung, da man sich im wahrsten Sinne des Wortes an "Stunde Null" heranarbeitet. Außerdem beginnt jedes Kapitel mit einer Lektion übers Schreiben von Harry an Marcus. Das waren teilweise wirklich wunderschöne Zitate.

„Lernen Sie Ihre Niederlagen zu lieben, Marcus. Denn an ihnen werden Sie wachsen. Es werden Ihre Niederlagen sein, die Ihre Siege so köstlich machen.“


Meinung:
Wow, was für ein Buch. Der Plot und der wunderschöne Schreibstil haben mich wirklich restlos begeistern können. Die Zeitsprünge und die verschiedenen Perspektiven sind gelungen umgesetzt und an keiner Stelle verwirrend.

Die Charaktere sind alle sehr fein gezeichnet und absolut glaubwürdig. Nach und nach werden sie liebevoll eingeführt und man erfährt immer mehr über sie und bekommt ein immer klareres Bild von den Einwohnern des kleinen Städtchen Aurora.
Auch die Stimmung zu der Zeit ist gut eingefangen. Man fühlt sich, als wäre man selbst mitten drin in dieser amerikanischen Kleinstadt im Jahr 1975.

Die Lektionen von Harry am Anfang jedes Kapitels fand ich sehr schön und teilweise sehr inspirierend.

Am meisten beeindruckt hat mich aber der wunderschöne Schreibstil. Er ist recht einfach und gut zu lesen, aber trotzdem elegant und schön. Das Buch ist ein Krimi, der vollkommen ohne übertriebene Gewaltdarstellung und Blutdurst auskommt. Spannungserzeugend sind nicht wie sonst oft wilde Verfolgungen und Katz und Maus spiel mit dem Täter, sondern wirklich die Geschichte und die Ermittlungsarbeit selbst. Dieses Buch ist ganz anderes als andere Krimis, die ich sonst gelesen habe und hat mich schwer begeistert.
Das Stilmittel der Zeitsprünge ist gekonnt eingesetzt und erzeugt zusätzlich Spannung. Nach und nach entfaltet sich die wahre Geschichte vor dem Leser und immer wenn man glaubt, eine Ahnung zu haben und langsam zu verstehen, kommt alles doch noch einmalganz anders, als man dachte.

Hier ein kleines Beispiel für die wahrlich geniale Konstruktion der Handlung:
Harry Quebert ist als Autor berühmt geworden mit dem Buch "Der Ursprung des Übels" in dem es um eine verbotene Liebe zwischen einem weißen Mann und einer schwarzen Frau geht. In Dickers Buch sind Auszüge aus dem (fiktiven) Buch "Der Ursprung des Übels" abgedruckt. Man liest die Passagen, darüber, ob den Liebe falsch sein kann und warum man sich Vorschriften von der Gesellschaft machen lassen kann, wenn was man fühlt so echt und rein ist. Und als Leser jubelt man und stimmt aus vollem Herzen zu. Wie engstirnig und gar albern, eine Liebe zu verpönen, nur weil die Liebenden verschiedene Hautfarben haben.
Und dann liest man die selben Passagen noch einmal, mit dem Hintergrundwissen, dass es eigentlich um die verbotene Liebe zwischen dem 33-jährigen Harry Quebert und der 15-jährigen Nola geht. Und dann sieht die Sache schon ganz anders aus.
Ich fand es unglaublich spannend zu sehen, was allein diese kleinen Passagen mit mir gemacht haben. Wie ich es je nach Hintergrundwissen anders wahrgenommen und bewertet habe. Für mich ein wahrer Kunstgriff.

Fazit:
Eindeutig eines meiner Highlights 2016. Das Buch hat mich wirklich begeistern können.
Es ist einfach alles stimmig in diesem Roman -die Atmosphäre, die Charaktere, die Handlung mit den vielen überraschenden Wendungen. Verpackt ist dieser spannende Krimi in eine wunderschöne, fließende Sprache. Und die Themen sind die, die wohl jeden von uns bewegen -Liebe, Freundschaft und Vertrauen.
Die Geschichte ist gut konstruiert uns spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Die Erarbeitung der Geschehnisse ist plausibel und man fiebert richtig mit.
Nebenbei bekommt man auch spannende Einblicke in die Arbeit der Schriftsteller und auch des Verlagswesen, was ich auch sehr interessant fand.
Eine absolute Leseempfehlung, auch für Leser, die sonst eher Krimi- Muffel sind.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eindrückliches Psychogramm einer Familie

Was ich euch nicht erzählte
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Kurzmeinung:
Ein spannender Familienroman, der sehr eindrücklich das Psychogramm einer auf den ersten Blick ganz normalen Familie zeichnet. Doch jedes Familienmitglied hat seine kleinen Geheimnisse und ...

Kurzmeinung:
Ein spannender Familienroman, der sehr eindrücklich das Psychogramm einer auf den ersten Blick ganz normalen Familie zeichnet. Doch jedes Familienmitglied hat seine kleinen Geheimnisse und so komm es nach jahrelangem Anstauen von kleinen Missverständnissen und Lügen zur Katastrophe. Erzählt in einer klaren Sprache und sehr beklemmender Atmosphäre.


Klappentext:

"Lydia ist tot." Der erste Satz, ein Schlag, eine Katastrophe. Am Morgen des 3. Mai 1977 erscheint sie nicht zum Frühstück. Am folgenden Tag findet die Polizei Lydias Leiche. Mord oder Selbstmord?
Die Lieblingstochter von James und Marilyn Lee war ein ruhiges, strebsames und intelligentes Mädchen. Für den älteren Bruder Nathan steht fest, dass der gutaussehende Jack an Lydias Tod Schuld hat. Marilyn, die ehrgeizige Mutter, geht manisch auf Spurensuche. James, Sohn chinesischer Einwanderer, bricht vor Trauer um die Tochter das Herz. Allein die stille Hannah ahnt etwas von den Problemen der großen Schwester. Was bedeutet es, sein Leben in die Hand zu nehmen? Welche Kraft hat all das Ungesagte, das Menschen oft in einem privaten Abgrund gefangen hält? Nur der Leser erfährt am Ende, was sich in jener Nacht wirklich ereignet hat.

Zum Buch:
Zu Beginn des Buches verschwindet also die "Lieblingstochter" der Familie: Lydia. Nach einiger Zeit der Suche wird bald die Leiche der 16-jährigen gefunden. Diese schockierenden Ereignisse reißen die Familie aus ihrem Trott und jahrelang angestaute Geheimnisse kommen langsam ans Licht.

Das Buch wird abwechselnd aus Sicht der verschiedenen Familienmitglieder geschrieben. Da gibt es zum einen die Mutter Marilyn, die ihre großen Karrierewünsche für die Familie aufgab.
"Ich hätte das schaffen können" Das hypothetische Plusquamperfekt, die Zeit der verpassten Chancen. (Marilyn, S.99)
Den Vater James, der als Immigrant aus China sein Leben lang mit Vorurteilen zu kämpfen hatte und nie richtig seinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat. Dann gibt es noch den ältesten Sohn, Nathaniel, der nie die Erwartungen seinen Vaters erfüllen konnte. Und Hannah, die Jüngste und meist von allen Übersehene.
Diese auf den ersten Blick idyllische und völlig typische Familie hat aber viele Geheimnisse, die nach und nach ans Licht kommen. Jeder glaubt, den anderen zu kennen, und tut es doch nicht. Sie sind eine Familie, und doch ist jeder auf seine Art einsam, weil sich die Familienmitglieder zu wenig sagen, zu wenig zuhören und zu viel verschweigen, aus Angst, sich zu offenbaren und damit auch verletzlich zu machen. Ein Buch das zeigt, das man nie wirklich wissen kann, was in einem anderen Menschen vorgeht. Auch wenn man ihn noch so gut zu kennen glaubt.

Das Buch spricht viele wichtige Themen an: Es geht um Immigration und Vorurteile, um Emanzipation, um Erwartungen der Eltern an ihre Kinder, um Mobbing, Einsamkeit und Kommunikation in der Familie.
So kommt nach und nach zum Vorschein, wie sehr Lydia unter dem Druck gelitten hat, die Erwartungen ihrer Mutter zu erfüllen, die all ihre Wünsche und Träume auf ihre älteste Tochter projiziert hat.
Und auch Nath kann die Erwartungen seinen Vaters nicht erfüllen. James erkennt sich selbst sehr stark in seinem Sohn und hätte sich doch eigentlich so viel Anderes, aus seiner Sicht Besseres für ihn gewünscht. James kann die Probleme seines Sohnes nachvollziehen, hatte er doch selbst mit Vorurteilen und Mobbing zu kämpfen. Und doch kann er nicht über seinen Schatten springen und ihm zeigen, dass er ihn versteht -oder noch viel wichtiger, dass er ihn liebt. Der Vater hat letztendlich auch Schuldgefühle gegenüber dem Sohn, die eine echte Nähe unmöglich machen.

Meinung:
Für mich ingesamt ein sehr gutes Buch. Die Charaktere sind sehr plastisch und echt, die Gefühle und Beziehungen gut beobachtet und feinfühlig beschrieben. Die Geschichte wird in einer klaren Sprache erzählt, die einen schnell ins Geschehen finden lässt.
Die Erzählung ist gespickt mit kleinen Beobachtungen und Erinnerungen, die das Geschehen nah und echt wirken lassen. So zum Beispiel, als James sich mitten im Streit mit Marilyn daran erinnert, wie sie beide bei einer zärtlichen Berührung gleichzeitig Gänsehaut bekommen haben, und James dieser engen Verbindung nachtrauert.

Der Aufbau ist meistens klar, doch die erwähnten Perspektivwechsel passieren oft recht abrupt und mitten in einem Absatz, so dass für mich manchmal nicht ganz klar war, aus wessen Sicht wir das Geschehen gerade geschildert bekommen. Da muss man wirklich aufmerksam lesen. Aber das lohnt sich auf jeden Fall, denn neben den Perspektivwechseln gibt es auch immer wieder Zeitsprünge und so erfahren wir Stück für Stück mehr über die Familie Lee.
Die Zeitsprünge fand ich auch in sofern spannend, da zu anderen Zeiten eben andere Konventionen geherrscht haben, und man sich mit einem anderen Gesellschaftsbild konfrontiert sieht. So ist etwas, was uns heute selbstverständlich erscheint -zB das beide Elternteile arbeiten gehen- damals noch ein Tabu. Unter diesem Aspekt bekommen die Gedanken, Wünsche und Handlungen der jeweiligen Charaktere eine neue Bedeutung.

Die Geschichte ist dabei die ganze Zeit plausibel und nachvollziehbar. Der Leser bemerkt voll Bedauern, wie all die kleinen Missverständnisse und Zurückweisungen sich über ein Leben addieren und schließlich in einer Katastrophe münden. Dabei ist man als Leser so nah am Geschehen, dass man von einer starken Beklommenheit erfasst wird.
An vielen Stellen habe ich gedacht "Hätten man diese Kleinigkeit anders gemacht oder hätte sie hier einmal genauer zugehört, dann wäre möglicherweise alles anders gelaufen." Und gerade dieses Realistische, diese Nähe, die Kleinigkeiten sind es, die in mir so eine bedrückende Stimmung erzeugt haben.


Man liebte so sehr und erhoffte so viel, und am Ende hatte man nichts. (S.240)

Leider ist der Schluss für mich ein bisschen aus diesem stimmigen Gesamtkonzept herausgefallen und hat mit dieser toll heraufbeschworenen Stimmung gebrochen. Für mich war es unglaubwürdig und nicht ganz stimmig, wie sich dann auf einmal doch alle Familienmitglieder versöhnen und sich verstehen wollten. Ich hätte mir gewünscht, dass mich die Autorin mit diesem beklemmenden Gefühl zurücklässt. So hatte ich das Gefühl, dass auf Krampf eine Art "Happy End" gesucht wurde.
Insgesamt aber ein eindringlicher und einfühlsam geschriebener Familienroman, den ich sehr empfehlen kann. Das Buch lässt einen über seine eigenen Beziehungen nachdenken und es gibt viele eindringliche Zitate, die mich noch eine Weile begleitet haben.


So wie die Erinnerung an geliebte Menschen, die man verloren hat, sich immer weiter glätten, vereinfachen und ihre Vielschichtigkeit verlieren (S.263)

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein präzise beobachteter Gesellschaftsroman, leider mit einigen Längen

Unterleuten
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Kurzmeinung:

Vielleicht bin ich bei diesem so viel gelobten Buch mit zu hohen Erwartungen herangegangen. Aber ich konnte mich beim Lesen dieses Romans nicht so richtig entscheiden, ob ihn genial oder ...

Kurzmeinung:

Vielleicht bin ich bei diesem so viel gelobten Buch mit zu hohen Erwartungen herangegangen. Aber ich konnte mich beim Lesen dieses Romans nicht so richtig entscheiden, ob ihn genial oder doch eher etwas langweilig finden soll...



Klappentext:

Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist …


Zum Buch:

Die Geschichte spielt also im auf den ersten Blick so idyllischen Unterleuten. Bevölkert wird es von den Alteingesessenen, die schon zu DDR- Zeiten dort gelebt und gearbeitet haben und für die sich im Grunde seit Jahrzehnten kaum etwas geändert hat; und von den neu Hinzugezogenen, die dem Stadtleben Berlins entfliehen wollten.
Das Buch ist aus Sicht eines allwissenden Beobachters geschrieben, es wird immer abwechselnd auf einen der Hauptakteure im Dorf fokussiert.
Zunächst werden die Bewohner und ihre Hintergründe vorgestellt und in welchen Beziehungen sie zueinander stehen. Der Leser lernt das alltägliche Dorfleben kennen und welche Dynamiken das Miteinander bestimmen. In Unterleuten herrschen nämlich bestimmte Bräuche und Sitten, Konflikte werden stets untereinander gelöst, die Behörden werden mir Streitigkeiten nicht belästigt -man lässt sich nicht von Fremden in seine Angelegenheiten reinreden.
In Unterleuten gibt es schon genug Konfliktpotential, etwas zwischen den alteingesessenen Wendegewinner und -verlieren. Aber auch die Städter haben ihre Probleme -sei es der nervige Nachbar, oder Ärger mit der Naturschutzbehörde wegen der Baugenehmigung.
Und dieses volle Fass beginnt Überzulaufen, als ein Energiekonzern verkündet, in Unterleuten solle ein Windpark gebaut werden. Jetzt gilt es nur noch zu entscheiden, wo. Verschiedene Eignungsgebiete (bzw Teile davon) befinden sich im Besitz verschiedener Bewohner und dem späteren Windpark- Partner blühen hohe Gewinne.
Und so wird das weiter Dorf gespalten: In die Naturschützer und Windkraftgegner und die Landbesitzer und potentiellen Gewinner.
Und diese brisante Situation ist Auslöser für das Aufbrechen alter vor sich hin siedender Konflikte und bringt die ganze Dorfdynamik durcheinander. Allianzen werden geschmiedet und wieder verraten, ungewöhnliche Partnerschaften und neue Feindschaften entstehen. Und ausgerechnet eine Städterin ist im Besitz des entschiedenen Stücks vom Eignungsgebiet -doch sie verfolgt ihre ganz eigenen Pläne.


Meinung:

Ja, also wie gesagt, habe ich bei diesem Buch gemischte Gefühle.
Einerseits sind die Charaktere toll beschrieben und die zwischenmenschlichen Beziehungsdynamiken sehr genau beobachtet. Die Stimmung, die im Dorf herrscht ist gut eingefangen, so dass man sich richtig in die Situationen hineinversetzen kann.
Die Charaktere sind sehr schön herausgearbeitet und komplex. Ihre jeweiligen Motive werden nach und nach deutlich, und auch ihre Beziehungen zu den anderen Dorfbewohnern und wie ihre Vergangenheit sie beeinflusst. Dabei wird nicht Beschönigt, sondern die jeweilige Wahrheit ungeschminkt berichtet. Das kann auf Dauer allerdings ein recht tristes Bild zeichnen, da einem kein Charakter so richtig sympathisch ist.

Und jetzt kommt das große Aaaaaber: Zwischendurch gibt es leider einige Längen. Zeh verliert sich manchmal in Beschreibungen und hochtrabenden Floskeln und schafft es dabei nicht, den Spannungsbogen zu halten. Das Buch lebt generell von der Stimmung und der intensiven Beobachtung der Charaktere. Aber wenn es sich dann zu sehr im Detail verliert, dann verliert dieser Stil meiner Meinung nach auch an Reiz.

Fazit:

Insgesamt hat Juli Zeh hier einen Roman geschaffen, der am Beispiel des Mikro-Kosmos der Dorfgemeinschaft wichtige Gesellschaftsdynamiken und -strömungen sehr gut einfängt und beschreibt.
Allerdings gibt es auf den 640 Seiten auch viele Längen und einige Szenen und Beschreibungen, die man bestimmt auch kürzer hätte fassen können.
Der Roman ist sicher nicht umsonst so hoch gelobt, meine (zugegeben sehr hohen) Erwartungen konnte er aber nicht ganz erfüllen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Roman über Mut und den Ausbruch aus der Konformität

Der Club der toten Dichter
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Kurzmeinung:

Ein gutes Buch über Mut, Inspiration, Freidenker und den Ausbruch aus der Konformität. Kann nicht ganz an die grandiose Verfilmung heranreichen, lesenswert ist es aber allemal.


Zum Buch:

Die ...

Kurzmeinung:

Ein gutes Buch über Mut, Inspiration, Freidenker und den Ausbruch aus der Konformität. Kann nicht ganz an die grandiose Verfilmung heranreichen, lesenswert ist es aber allemal.


Zum Buch:

Die Welton Akademie ist eine traditionsbewusste Schule, in der strenge Regeln und klare Hierarchien gelten. Das konservative Eliteinternat schwört auf ihre vier Grundpfeiler: Tradition, Ehre, Disziplin und Leistung. Die Schüler, ausschließlich Jungen, sind Kinder aus meist gutem Hause und blinden Gehorsam gewöhnt, sowohl den Lehrern als auch ihren Eltern gegenüber.
Doch der eingefahrene Alltag gerät völlig aus den Fugen, als der neue Englischlehrer Mr. John Keating die Klasse von Meeks, Pitts, Cameron, Dalton, Overstreet und Perry übernimmt. Ebenfalls neu an der Schule und in Keatings Klasse ist der schüchterne Todd Anderson, der ewig im Schatten seines älteren Bruder steht.
Schon in der ersten Stunde beeindruckt der neue Lehrer seine Schüler mit unkonventionellen Lehrmethoden (wenn sie zum Beispiel die Seiten der Einleitung aus ihrem Lehrbuchherausreißen sollen) und bringt sie zum Nachdenken, was wirklich wichtig ist in ihrem Leben. "Carpe Diem - Nutze den Tag" wird das neue Motto der inspirierten Jungs. Nach und nach durchbrechen sie ihre alten Gewohnheiten und Muster, beginnen Anweisungen zu hinterfragen und wollen Neues ausprobieren. Da trifft es sich gut, dass Perry in einem alten Jahrbuch ein Bild von Keating findet -dieser war nämlich einst selbst Schüler am Welton. Und unter seinem Bild steht "Club der toten Dichter". Weiter ist dazu in dem Jahrbuch allerdings nichts zu finden. Von dem Geheimnis angeregt finden sie schließlich heraus, dass es sich bei dem Club um einen Geheimbund von ehemaligen Schülern handelte, die sich nachts aus der Schule schlichen um sich in einer nahe gelegenen Höhle Gedichte vorzutragen und mit der Poesie die Herzen junger Mädchen zu gewinnen. Die Freunde um Overstreet und Perry sind begeistert und lassen den Club wiederaufleben.

Und der Club und der inspirierende Unterricht bei Mr Keating lösen tiefgreifende Veränderungen bei den Jungen aus.
Der schüchterne Todd Anderson kommt zunehmend aus sich heraus. Der von seinem Vater stark unter Druck gesetzte Neil Perry findet heraus, was ihm selbst eigentlich Spaß macht und macht sich daran, seine Träume zu verwirklichen. Und Knox Overstreet ist unsterblich in Chris Noel verliebt und traut sich mit Hilfe der Poesie endlich, ihr dies zu gestehen.
Doch diese Veränderungen bringen nicht nur Positives mit sich und bald schon müssen die Jungen lernen, dass ihr Brechen mit den Konventionen seinen Preis hat.


Meinung:

Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Ich konnte völlig abtauchen in diese doch sehr andere Zeit, in der die Schüler nicht hinterfragen durften, in der das unbedingte Gehorsam gegenüber den Eltern der Standard war und das Leben der Jugendlichen generell sehr fremdbestimmt war.
Aus heutiger Sicht betrachtet, ist es völlig unverständlich, dass ein so großartiger, leidenschaftlicher und inspirierender Lehrer wie Mr. Keating es so schwer hatte. Das starre Festhalten an Regeln und Konventionen, ja fast schon Angst vor allem Neuen der Schulleitung hat mich teilweise wirklich wütend gemacht. Umso mehr habe ich mich über die Entwicklung der Jungen gefreut und bei ihren Treffen und Aktionen mitgefiebert. Das Buch ist recht kurz, trotzdem werden die Charaktere gut dargestellt und ihre Entwicklung ist nachvollziehbar. Die Jungen sind sehr unterschiedlich und so werden an ihnen exemplarisch die Typen vorgestellt, die so ein rigides Erziehungs- und Schulsystem hervorbringt, und wie sie dann auf die Veränderung, auf die Freiheit reagieren.
Das tragische Ende lässt einen sprachlos zurück und wirkt noch lange nach. Da bleibt genug Stoff zum Nachdenken.

Ich kann das Buch wirklich empfehlen. Es liest sich, nicht nur wegen der geringen Seitenzahl, schnell weg.
Allerdings kommt es meiner Meinung nach wie gesagt nicht ganz an die großartige Verfilmung mit Robin Williams heran.
Lesenswert ist dieser Roman von Kleinbaum aber allemal.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Buch über Kommunismus und Essstörung, Heimlichkeit und Heimatlosigkeit.

Stalins Kühe
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Kurzmeinung:
Interessante geschichtliche Hintergründe, aber leider etwas langatmig und durch die vielen Zeitsprünge und Perspektivwechsel kompliziert zu lesen.



Klappentext:
Annas Eltern trennen sich, ...

Kurzmeinung:
Interessante geschichtliche Hintergründe, aber leider etwas langatmig und durch die vielen Zeitsprünge und Perspektivwechsel kompliziert zu lesen.



Klappentext:
Annas Eltern trennen sich, als ihre Mutter Katariina herausfindet, dass ihr Mann sie betrügt. Sie, die Estin, verleugnet ihre Herkunft, weil sie weiß, welch schlechtes Ansehen Estinnen in Finnland haben – sie gelten als russische Huren, die es geschafft haben, durch Heirat nach Finnland zu entkommen. Aus Angst, dass ihrer Tochter die gleiche Verachtung zuteilwird wie ihr, darf diese die Sprache nicht lernen und keinem sagen, woher die Mutter stammt. Dabei fahren die beiden regelmäßig nach Estland, um die Familie zu unterstützen, die das Grauen der sowjetischen Arbeitslager kennenlernte und unter den Bespitzelungen und Erpressungen durch enge Vertraute litt. Während Anna um ihr Gewicht kämpft und lernen muss, dass sie wirklich krank ist und die anorektische Bulimie sie umbringen kann, erfährt der Leser die Hintergründe der Familiengeschichte, Ursache für Annas Leiden, die bis in die Zeit der Besetzung Estlands nach dem Zweiten Weltkrieg zurückreicht. In brillanter Sprache, mit genauer Kenntnis der historischen Hintergründe und einer meisterhaften Komposition beweist Sofi Oksanen erneut, warum ihre Romane weltweit gefeiert werden.


Zum Buch:
Das Buch wird Abwechselnd von Katariina und ihrer Tochter Anna erzählt. Neben dem Perspektivwechsel gibt es auch immer Zeitsprünge, so dass ich mich manchmal sehr konzentrieren musste, um das Erzählte einordnen zu können. Es geht hin und her, zwischen Estland und Russland, zwischen Katariina und Anna, von den 40ern bis in die 90er.
Allerdings ist es spannend, die Geschichte der Familie sowohl aus Sicht der Mutter, als auch aus Sicht der Tochter zu erfahren. Die beiden nehmen Situationen und Gegebenheiten oft ganz unterschiedlich wahr und man merkt den Generationsunterschied und das sie in unterschiedlichen Welten großgeworden sind.
Wenn aus Katariinas Sicht geschrieben wird, erfährt man viel Geschichtliches. Über die Situation in Estland zu Zeiten des Kommunismus, und über die Beziehung des Landes zu Finnland. Über die Widerstandskämpfer und den Geheimdienst.
Katariina heiratet einen Finnen und verlässt ihr Heimatland. In Finnland allerdings lebt sie ein Leben voller Geheimnisse, denn niemand soll wissen, das sie Estin ist. Frauen aus Estland haben in Finnland einen schlechten Ruf und werden als "russische Huren" bezeichnet. Und so verbietet Katariina ihrer Tochter auch, estnisch zu sprechen, sie hört keine estnischen Lieder, unterdrückt diesen Teil von ihr komplett.
Anna leidet unter diesen Heimlichkeiten, lernt trotzdem estnisch. Sie findet ihren Platz weder so richtig in Finnland, noch in Estland. Sie entwickelt langsam eine Essstörung, die immer weiter zu einer anorektischen Bulimie wächst. Und das bringt auch wieder viel Heimlichtuerei, Verstecken und Lügen mit sich. Und Distanz - Anna fällt es schwer, Nähe zuzulassen und sich auf eine Beziehung einzulassen.


Meinung:
Insgesamt hat mir das Buch leider nicht so gut gefallen. Am Anfang fand ich die geschichtlichen Hintergründe sehr spannend, da ich so gut wie nichts über die Geschichte von Estland und Finnland wusste. Diese interessanten Aspekte sind sehr atmosphärisch und einfühlsam beschrieben, so dass mir nicht nur die geschichtlichen Fakten nährgebracht wurden, sondern ich mir auch die Stimmung in den Ländern gut vorstellen konnte. Es wird toll vermittelt, welcher Zeitgeist gerade herrscht und welche Vorurteile in den Köpfen der Menschen sitzen.
Allerdings sind diese Leckerbissen verpackt in einer verworren gestrickten Handlung, die dem Leser mit dem vielen Hin und Her zwischen Zeiten, Orten und Perspektiven sehr viel Konzentration abverlangt. Und das kostet Kraft und hat mich dazu bewogen, das Buch mehrmals zur Seite zu legen.
Außerdem werden sehr viele Personen nur kurz eingeführt und mir war oft nicht ganz klar, wo sie in dem komplizierten Beziehungsgeflecht ihren Platz finden.
Annas Essstörung wird anfangs gut beschrieben. Der Leser erfährt Fakten und viel interessantes über das Leben und den Alltag mit dieser Krankheit. Und auch hier schafft die Autorin es, eine Stimmung zu vermitteln, die Gefühle anzusprechen. Aber nach einiger Zeit verliert sich die Atmosphäre leider in ewigen Wiederholungen und am Ende hat mich der "Anna- Teil" fast nur noch gelangweilt.


Fazit:
Wer sich speziell für Bulimie und/oder die Geschichte von Estland und Finnland interessiert, der wird in diesem Buch viel Reizvolles finden. Mir jedoch sind die literarischen Leckerbissen aus atmosphärisch dicht beschriebenen Szenen zu wenig und sie verlieren sich in den langatmigen Wiederholungen des ewig Gleichen und in einem verworrenen Handlungstrang.