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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.08.2018

So sind sie, die Künstler

Die Gesichter
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Der Roman „Die Gesichter“ von Tom Rachman ist die Geschichte von Pinch, der Sohn eines Künstlers und sein Versuch seinen eigenen Weg im Leben zu finden.
Zunächst beginnt das Buch mit einem tollen und emotionalen ...

Der Roman „Die Gesichter“ von Tom Rachman ist die Geschichte von Pinch, der Sohn eines Künstlers und sein Versuch seinen eigenen Weg im Leben zu finden.
Zunächst beginnt das Buch mit einem tollen und emotionalen Vorwort des Autors.
Bear Bavinsky, seine Frau Natalie und ihr Sohn Pinch bilden von Anfang an eine merkwürdige Künstlerfamilie. Künstler, ihre Eigenarten und ihre Welt sind mir völlig unbekannt, durch das Buch erlangt man einen sehr guten Blick hinter die Kulissen des Künstleralltags.
Schnell wird klar, dass Natalie und Pinch völlig im Schatten des großen Künstlers Bear stehen. Bear wirkt mehr wie ein alternder Rockstar, als ein ernstzunehmender Künstler. Generell sind die Hauptfiguren nicht wirklich sympathisch, was das Buch aber auch interessant macht. Es ist fast schon traurig, wie sehr alle um Bears Gunst ringen.
Der Beginn des Buches ist etwas langwierig und es ist mühsam in die Geschichte zu finden und den Handlungsstrang zu erkennen. Als Pinch sein Studium beginnt und seinen Freund Marsden und seine Freundin Barrows kennen lernt, nimmt das Buch an Fahrt an. Vielleicht auch, weil Bear zunächst nicht mehr aktiv in Erscheinung tritt.
Pinch versucht die Liebe und Anerkennung seines Vaters über die Kunst zu erlangen, dies macht Bear recht schnell zunichte, als er seinem Sohn mit einfachen Worten erklärt, dass er kein Künstler ist und seine Malerei nichts taugt. Wie schwer muss so ein Verhalten für Pinch sein? Bear ist eine rücksichtslose, egoistische Hauptfigur. Ihm ist nicht bewusst, was er seinem Sohn antut und wie sehr dies das ganze Leben von Pinch beeinflusst. Pinch ist nicht wirklich ein Sympathieträger, dennoch entwickelt er sich sehr stark im Buch. Er ist gefangen zwischen Mutter, Vater, dem Doppelleben seines Vaters und seinen zahlreichen Halbgeschwistern. Pinch himmelt seinen Vater an, er ist sein Idol und er lässt keine kritischen Worte über ihn zu. Als Leser hofft man, dass der Sockel auf den Pinch seinen Vater stellt, bröckelt und Pinch endlich sein eigenes Leben und seine eigene Identität finden kann. Rachman schafft es die Persönlichkeit Pinchs herauszustellen und immer mehr vom Vater zu lösen.
Das Buch gewährt eine interessante Sicht auf die Welt der Künstler, die ohne die Anerkennung anderer zugrunde gehen würden und die von Aufmerksamkeit, Anerkennung und Labilität geprägt ist.
Insgesamt ist der Roman sehr langatmig, es lohnt sich aber dennoch dabei zu bleiben und die Entwicklung zu verfolgen. Es geht um wichtige Themen, wie die bedingungslose Liebe zur Familie, der Weg zu sich selbst, die Anerkennung anderer und die Loslösung von äußeren Vorgaben. Die Idee des Buches ist sehr gut, der Schreibstil von Tom Rachman wie immer sehr gut, die Handlungsstränge sind durchdacht, aber so überzeugen, wie seine vorherigen Bücher konnte es mich nicht.

Veröffentlicht am 29.08.2018

Spannend, spannender, Lehane

Der Abgrund in dir
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Der Roman „Der Abgrund in dir“ von Dennis Lehane handelt von Rachel, die alles hat, was man sich vom Leben erträumt: einen netten Mann, einen tollen Job als Journalistin, ein tolles Haus uns ein finanziell ...

Der Roman „Der Abgrund in dir“ von Dennis Lehane handelt von Rachel, die alles hat, was man sich vom Leben erträumt: einen netten Mann, einen tollen Job als Journalistin, ein tolles Haus uns ein finanziell sorgenfreies Leben. Dennoch ist Rachels Mutter tot und ihren Vater kennt sie nicht. Auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater verliert sie immer mehr die Kontrolle über ihr Leben und rutscht immer tiefer in ihren eigenen Abgrund.
Bereits der erste Satz des Buches beginnt mit einem vermeintlichen Todesopfer und dann handelt es sich auch noch um Rachels eigenen Mann. Die Protagonistin Rachel lernt man zu Beginn über die Erzählungen ihrer Mutter und ihrer Kindheit kennen. Auf den ersten Seiten schockiert das Buch, belustigt, packt den Leser und weckt Neugier. Besser kann ein Buch nicht beginnen.
Rachel und ihre Mutter wurden früh vom Vater verlassen, als Rachel 21 Jahre alt war stirbt auch noch ihre Mutter und nimmt das Geheimnis um Rachels leiblichen Vater mit ins Grab. Rachels spannender Suche nach ihrem Vater, bei der sie auch mehr über sich und ihre Mutter erfährt wirkt im ersten Moment wie das zentrale Thema des Buches. Man kann durch diese Geschichte zwar Rückschlüsse auf Rachels Verhalten ziehen, aber am Anfang ahnt der Leser noch nicht, dass dieser Handlungsstrang nur ein kleines Puzzleteil in dieser durchdachten Handlung ist.
Die Charaktere im Buch sind sehr gut durchdacht und vielschichtig. Die Persönlichkeit, die Eigenarten, das Verhalten; alles ergibt ein stimmiges Bild. Wie unfassbar passend die Charaktere sind lässt sich zu Beginn des Buches erahnen, wirklich bewusst wird es dem Leser erst nach der Lektüre des Buches.
Rachels Leben läuft vermeintlich perfekt, man wartet mit Spannung auf den großen Wendepunkt, der nicht lange auf sich warten lässt und den Leser mit einer Wucht trifft, die wohl niemand so vermutet hat. Generell spürt man die unterschwellige Spannung die ganze Zeit, die Fassade bröckelt sehr langsam und in sehr kleinen Teilen.
Der Roman ist vielschichtig. Lehane spricht verschiedene Themen wie Rachels Suche nach ihrem leiblichen Vater, das Erdbeben in Port-au-Prince und das Leben mit Panikattacken an. Das macht die Handlung spannend und abwechslungsreich ohne deplatziert oder lückenfüllend zu wirken. Im Hintergrund taucht immer wieder Brian auf, der die Handlung ebenfalls belebt. Der Autor schafft es auch hier das Gefühl zu erwecken, dass etwas mit Brian nicht stimmt und der Leser fragt sich die gesamte Zeit, was dieses Gefühl zu bedeuten hat.
Rachels Leben nimmt so schnell eine Wendung, von der gefeierten Journalistin zur ängstlichen Frau mit Panikattacken. Trotzdem ist sie immer noch eine taffe Frau und das macht sie als Hauptfigur so authentisch. Man fiebert beim Buch mit, hofft das Brian kein dunkles Geheimnis hat, freut sich aber insgeheim doch, wenn etwas Schreckliches passiert.
Zusammenfassend ist es bemerkenswert, wie Dennis Lehane es schafft die gesamte Zeit unterschwellig das Gefühl zu vermitteln, dass etwas nicht stimmt. Man verschlingt Seite für Seite und wartet auf den großen Wendepunkt. Und als dieser kommt merkt man, dass die Handlung erst richtig beginnt und das nur die Spitze des Eisbergs war. Ich habe an jeder Zeile gehangen, konnte das Buch kaum weglegen. Die Handlung ist an keiner Stelle vorhersehbar.
Ganz große Erzählkunst mit vielschichtigen Charakteren!

Veröffentlicht am 30.07.2018

Packend!

Uns gehört die Nacht
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Der Roman „Uns gehört die Nacht“ von Jardine Libaire handelt von der Liebesgeschichte zwischen Elise Perez und Jamey Hyde. Elise ist in einer armen Gegend ohne Vater aufgewachsen und hat keinen Schulabschluss, ...

Der Roman „Uns gehört die Nacht“ von Jardine Libaire handelt von der Liebesgeschichte zwischen Elise Perez und Jamey Hyde. Elise ist in einer armen Gegend ohne Vater aufgewachsen und hat keinen Schulabschluss, während Jamey der Spross einer berühmten und reichen Investmentbankerfamilie ist.
Zu Beginn steht Elise vor Jamey und hält eine Waffe auf ihn, ein fesselnder Einstieg, bei dem man sich während der gesamten Lektüre fragt, wie die beiden in diese Situation gekommen sind. Anfangs noch etwas undurchsichtig, lernt man im Buch nach und nach Elise und ihr Leben kennen, bis auch ihr Nachbar Jamey Teil ihres Lebens wird. Elise und ihr schwuler Mitbewohner Robbie schlagen sich durchs Leben und sind die Nachbarn der beiden Yale Studenten Matt und Jamey.
Bereits zu Beginn der Geschichte fühlt sich Elise zu Matt hingezogen, obwohl dem Leser sehr schnell klar wird, dass die beiden in völlig unterschiedlichen Welten leben. Trotz der hohen, spürbaren sexuellen Spannung zwischen den beiden, gibt man ihnen eigentlich keine realistische Chance auf eine gemeinsame Liebesromanze. Der Sprachstil der Autorin ist absolut fesselnd, nicht nur in den erotischen Passagen des Buches. Jamey und Matt sind anfangs absolute Snoby und keine wirklichen Sympathieträger, Jamey entwickelt sich während des Buches allerdings sehr weiter.
Der Schreibstil der Autorin hat mich gepackt. Sätze wie „Ihm wird klar, dass er seinen besten Freund nicht mehr mag und ihm kamen tatsächlich die Tränen“ sind so schonungslos ehrlich, wie man es selten liest. Die Sprache ist an einigen Stellen etwas derber, was mich persönlich nicht stört. Die bitterböse Beschreibung der Upper Class trieft vor Zynismus. Sätze wie „ Sie wurden in der Herde erzogen, aufgepäppelt auf dem zähen glitschigen Nährboden ihres Erbes“ sind ein absoluter Lesegenuss.
Die Beziehung von Elise und Jamey wird immer merkwürdiger und lässt sich gerade am Anfang eher als Abhängigkeit beschreiben. Es handelt sich nicht um eine 08/15 Liebesgeschichte, was mir sehr gut gefällt. Und dann entwickeln sich die beiden doch zu einem echten Liebespaar, ganz still und heimlich. Elise giert manchmal schon verzweifelt nach der Liebe Jameys, aber auch bei Jamey sind echte Gefühle im Spiel. Der Leser fragt sich die ganze Zeit, ob und wie lange diese Beziehung noch gut geht, spätestens auf der Schicki-Micki Taufe in Jameys Familie verliert man die Hoffnung auf ein Happy End. Aber die beiden beißen sich durch.
Die Handlung plätschert an einigen Stellen etwas vor sich hin, das Buch erlangt zum Ende noch eine tragische Wendung, die man in dieser Form nicht erwartet. Das Buch ist generell sehr unvorhersehbar und wenig durchschaubar. Es ist ein authentischer Roman mit authentischen Charakteren. Die Stärke liegt in den transportierten Emotionen und den Unterschieden der verschiedenen Lebenswelten. Der Roman fesselt und überzeugt, obwohl er stellenweise an Spannung verliert. Dennoch ein hervorragender Roman, der den Leser in seinen Bann zieht.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Fesselnde persische Familiengeschichte

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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Im Roman „Als die Tage nach Zimt schmeckten“ von Donia Bijan geht es um eine Familie aus Teheran, deren Mitglieder über die ganze Welt verteilt sind und nun wieder zurück zu ihren persischen Wurzeln finden.
Bereits ...

Im Roman „Als die Tage nach Zimt schmeckten“ von Donia Bijan geht es um eine Familie aus Teheran, deren Mitglieder über die ganze Welt verteilt sind und nun wieder zurück zu ihren persischen Wurzeln finden.
Bereits das Cover weckt die Neugier auf das exotische, fremde Land. Ich finde es sehr gelungen, dass sich das Buchcover vor jedem neuen Teil im Buch wiederfindet. Zod wartet in Teheran Tag für Tag auf den Postboten und hofft auf einen Brief seiner Tochter Noor. Sie wohnt in Amerika und war vor 30 Jahren das letzte Mal in ihrer Heimat. Die Geschichte des Buches beginnt mit Noors Scheidung von ihrem untreuen Ehemann Nelson und der damit verbundenen Frage, was Noor nun mit ihrem neuen Lebensabschnitt anfängt.
Zod erweckt den Eindruck eines tollen alleinerziehenden Vaters. Er schickt seine Kinder schon früh ins Ausland, um ihnen die Chance zu geben, die er selbst nicht hat. Nebenbei ist er Inhaber des Cafes Leila, das sich großer Beliebtheit erfreut. Die Familiengeschichte spielt sich zwischen dem Iran und Amerika ab.
Der Perspektivwechsel der Erzählungen überzeugt mich sehr, man erfährt Details aus Noors, Zod, Lillys etc. Sicht und gewinnt damit einen umfassenden und vielschichtigen Eindruck. Dadurch ist man schnell selbst mitten im Geschehen. Zwischendurch ist das Thema Heimat immer wieder präsent. Für welches Land schlägt das eigene Herz? Wo fühlt man sich zuhause? Welche Sitten und Kulturen sind einem näher? Die Charaktere sind zwischen zwei Ländern gefangen und das Buch transportiert diese Zerrissenheit sehr gut. Es vermittelt ein Gefühl von Heimat und Nach-Hause-kommen, durch die detailverliebten Schilderungen des Irans.
Das Buch ist in verschiedene Teile unterteilt. Der erste Teil führt sehr gut in die Geschichte ein. Der todkranke Zod möchte sein Leben selbst zu Ende schreiben, unterstützt von der besorgten Tochter und Enkelin, denen Teheran eigentlich völlig fremd ist. Beim Lesen stellt man sich diese fremde Welt vor, all diese Gerüche, die exotischen Speisen. Man taucht völlig ein in diese neue Welt.
Eine tolle Reise in die Vergangenheit dieser Familie, die unfassbar harte und brutale Zeiten im Iran erleben musste. Das Buch gewinnt sehr an Tragik, man ist völlig bestürzt und betroffen von dieser Brutalität und Gewalt.
Diese Geschichte geht unter die Haut, näher dran geht nicht. Eine ergreifende Geschichte aus Sicht aller Familienmitglieder, fesselnd und mit einer gehörigen Portion Spannung. Dieses Buch weckt Interesse an dem fremden Land und der Kultur, über das ich persönlich vorher nicht viel wusste. Der Roman erweitert den eigenen Horizont und ist eine absolute Empfehlung. Das Ende zeigt, was wirklich wichtig ist: Familie, trotz aller Diskrepanzen!

Veröffentlicht am 14.07.2018

Familie kann man sich nicht aussuchen

Familie und andere Trostpreise
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Im Roman "Familie und andere Trostpreise" von Martine MacDonogh macht sich der leicht merkwürdige Sonny auf den Weg mehr über seine Herkunft und seine Familie zu erfahren.
Der Buchtitel bringt mich bereits ...

Im Roman "Familie und andere Trostpreise" von Martine MacDonogh macht sich der leicht merkwürdige Sonny auf den Weg mehr über seine Herkunft und seine Familie zu erfahren.
Der Buchtitel bringt mich bereits zum Schmunzeln. Das Cover mit seinen Polaroidbildern und Klebestreifen ist süss, besonders nett finde ich, dass auch das Foto der Autorin in diesem Stil gehalten ist.
Der ich-Erzähler des Buches mit direkter Ansprache schafft sofort eine Verbindung zum Buch. "Mein Making-of" an die leibliche Mutter ist eine tolle Art die Person in das Buch einzuführen. Sonny ist neurotisch wie kein Zweiter, aber auf eine liebe und herzergreifende Art.
In der Männer-WG von Sonny und Thomas möchte man gerne einmal Mäuschen spielen. Sonnys Leben ist vollgestopft mit Regeln und Routinen, völlig schräg und witzig erklärt mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Am Anfang muss man sich an die beiden gewöhnen, man denkt zwischendurch doch immer wieder, wie stränge die beiden sind.
Als Sonny sich allein auf die Reise nach England macht, um die Freunde seiner Eltern zu treffen, nimmt das Buch erneut an Spannung zu. Trotz des Sarkasmus spricht das Buch auch ernste Probleme, wie Sonny Drogensucht, an. Das Buche entwickelt sich in eine ernstere Richtung durch die Geschichten über Robin. Auch ohne Komik ein sehr guter Schreibstil der Autorin. Zwischendurch bleibt der Roman aber gewohnt skurril. Endlich wird auch das Rätsel gelöst, woher Thomas und Robin sich kennen. Das Buch ist durch die Briefe von Thomas und die verschiedenen neuen Bekannten sehr abwechslungsreich. Die Charaktere sind vielschichtig, Thomas findet man sympathisch, aber dann auch wieder undurchsichtig.
Auf der Suche nach seiner Geschichte schreibt Sonny seine eigene, trifft neue Leute und macht viele neue Erfahrungen. Die Autorin schafft es immer wieder neuen Schwung in die Handlung zu bringen. Eine Familiengeschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, macht das Buch sehr vielschichtig. Schlussendlich erkundet Sonny sogar seine Heimatstadt.
Eins schräges, witziges und empfehlenswertes Buch.