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Veröffentlicht am 24.08.2020

Eine fantastische und auch sehr düstere Story, die mich fesseln konnte und zu einem Lesehighlight wurde.

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
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Seit zehn Jahren ist Alice in einem düsteren Hospital gefangen. Alle halten sie für verrückt, während sie selbst sich an nichts erinnert. Weder, warum sie sich an diesem grausamen Ort befindet, noch, warum ...

Seit zehn Jahren ist Alice in einem düsteren Hospital gefangen. Alle halten sie für verrückt, während sie selbst sich an nichts erinnert. Weder, warum sie sich an diesem grausamen Ort befindet, noch, warum sie jede Nacht Albträume von einem Mann mit Kaninchenohren quälen. Als ein Feuer im Hospital ausbricht, gelingt Alice endlich die Flucht. An ihrer Seite ist ihr einziger Freund: Hatcher, der geisteskranke Axtmörder aus der Nachbarzelle. Doch nicht nur Alice und Hatcher sind frei. Ein dunkles Wesen, das in den Tiefen des Irrenhauses eingesperrt war, ist ebenfalls entkommen und jagt die beiden. Erst wenn Alice dieses Ungeheuer besiegt, wird sie die Wahrheit über sich herausfinden – und was das weiße Kaninchen ihr angetan hat … (Klappentext)

❁❁❁❁❁

"Ihre Zukunft beinhaltete keine Schmetterlinge und Blumen und Regen, auf den Sonnenschein folgte. Ihre Zukunft watete schleppend durch Ströme aus Blut auf der Suche nach der Quelle."
(S. 292)


Alice zählte 16 Jahre, als sie sich eines Tages mit einer Freundin in die verbotene Alte Stadt begab. Zwei Wochen blieb sie verschwunden und tauchte schließlich verletzt, in blutigen Kleidern und völlig verwirrt auf. Ihre einzige Erinnerung an diese zwei Wochen ist ein furchterregendes weißes Kaninchen, welches ihren Tod wollte. Natürlich glaubte ihr keiner und deshalb ist sie seit diesem Zeitpunkt in einer Irrenanstalt untergebracht.
Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen und sie hat mit ihrem Zellennachbarn Hatcher, einem Axt-Mörder, Freundschaft geschlossen.
Dieser ist furchtlos und mutig, solange es sich nicht um ein Monster namens "Jabberwock" handelt. Dieses wird angeblich in den tiefen Kellern der Anstalt gefangen gehalten und trachtet Hatcher nach dem Leben.
Eines Tages bricht in dieser Anstalt ein großes Feuer aus und dadurch gelingt Alice und Hatcher die Flucht. Doch dadurch wurde noch etwas anderes, etwas Bösartiges, befreit.
Die Flucht ist erst der Anfang, doch der Gang durch die Hölle steht erst bevor. Alice beginnt sich nach und nach zu erinnern ... und sie muss sich nicht nur dem weißen Kaninchen stellen.

Während die Originalstory von Lewis Carroll eher in die Phantastik geht und psychedelische und quietschbunte Atmosphäre versprüht, entführt einem diese Adaption eher in das Genre Dark Fantasy.
Hier wird man in ein äußerst düsteres "Wunderland" entführt, welches an ein Mittelalter-Setting erinnert. In eine Stadt in der Armut herrscht und Gewalt an der Tagesordnung steht. Eine Stadt, welche von gefährlichen Unterweltbossen regiert wird und in der niemals die Sonne scheint. Zauberer und grundsätzlich die Magie wurden verbannt und wenn man sich Zauberei bedient ist einem der Tod sicher.
In dieser Stadt werden Frauen als Ware angesehen und diese leben dadurch in ständiger Angst. Wenn man dann auch noch eine Zauberin oder ein anderes Wesen ist, fristet man sein Dasein als Sklavin oder Hure.
Alice ist eine schüchterne und unsichere junge Frau, die sich rasch wieder in die Zelle der Irrenanstalt sehnt, doch auf sie und Hatcher wartet eine wichtige Aufgabe und dabei wird so manches Geheimnis rund um Alice gelüftet.

"Die Straße war mit Toten übersät. Wo sie auch hinschaute, sah Alice Leichen von Männern und Frauen und Kindern. Auch tote Hunde und Pferde und Katzen und so viel Blut, dass sich in der Gasse in der Mitte der Straße ein roter Fluss gebildet hatte."
(S. 289)


Der Schreibstil ist einfach gehalten und so fliegt man, trotz so einiger brutalen und blutigen Szenen, durch das Buch. Und wenn ich sage brutal, dann meine ich brutal.
Dieses Buch kommt definitiv nicht ohne Triggerwarnung aus. Es kommt dabei jedoch nicht zum Äußersten, Szenen werden nicht explizit beschrieben, sondern nur angedeutet, doch es reicht, um Bilder im Kopf entstehen zu lassen.

Es begegnen einem auch viele bekannte "Alice"-Figuren. Sie haben zwar vom Charakter und Aussehen nichts mehr mit den Originalfiguren gemein, aber man erkennt sie sofort wieder, egal ob es die Grinsekatze, die Raupe oder das Kaninchen betrifft. Doch Vorsicht! Hier ist nichts wie es scheint und jeder verfolgt sein eigenes Ziel.
Hinter jeder Ecke und in jedem Häuschen, ja selbst im Irrgarten voller Rosen, lauern Gefahren.

"Alice gefiel sein nachdenklicher Blick ganz und gar nicht. In der Tat wurde ihr ziemlich schnell bewusst, dass sie überhaupt nichts an Grinser mochte - nicht sein rosenbedecktes Haus, nicht sein wissendes Lächeln oder die spekulierende Art, wie er ihre Narbe betrachtete. Sie wollte nicht mit diesem Mann Tee trinken. Sie wollte herausfinden, was sie herausfinden musste, und dann dieses Haus so schnell wie möglich wieder verlassen."
(S. 127)


Was die Autorin aus der Story von Lewis Carroll und seinen Figuren gemacht hat, finde ich einfach großartig.
Vor allem konnte mich Alice begeistern. Im Storyverlauf kann man die Entwicklung dieser anfangs schüchternen und verstörten Alice zu einer selbstbewussten Kämpferin verfolgen. Wie ein Phoenix aus der Asche findet sie, trotz Trauma und Ängsten, ins Leben zurück.
Dabei ist permanent die Spannung spürbar, es kommt zu vielen überraschenden Wendungen und es umgibt einem dabei eine beklemmende und düstere Atmosphäre...mit viel Blut.

"Alice hielt den Tausendfüßler fest im Blick, während er sich von ihnen wegschlängelte. Er verschwand unter einer Tür, die sie bisher noch nicht gesehen hatte, und der Grund, warum sie ihr bisher noch nicht aufgefallen war, lag darin, dass der Türsturz ihr gerade bis unters Knie reichte."
(S. 175)


Fazit:
Hier erwartete mich kein märchenhaftes Wunderland, kein psychedelisch und qietschbuntes Setting und keine lieblichen Figuren, sondern blutiger Dark Fantasy vom Feinsten.
Mich persönlich störten auch die blutigen und brutalen Szenen nur wenig, zartbesaitete LeserInnen sollten jedoch gewarnt sein. Doch meiner Meinung nach hält diese Alice-Adaption gerade aufgrund dessen eine tolle Message für Frauen mit Traumata bereit.
Ich bin auf jeden Fall von dieser Adaption begeistert und fiebere dem zweiten Teil schon entgegen.

© Pink Anemone (inkl. Bilder, Leseprobe, Book-Soundtrack, Autoren-Info und Rezept zum Buch: Nells Hühnerpastete mit Grinsers Geheimzutat)

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Zwar interessanter, jedoch oberflächlicher und reißerischer Einblick in die dunkle Seite Lateinamerikas mit seinen Serienkiller*innen

Totmacher 6
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">>Wie viele es waren? Das weiß ich nicht mehr, bei 100 hab ich aufgehört zu zählen.

">>Wie viele es waren? Das weiß ich nicht mehr, bei 100 hab ich aufgehört zu zählen.<<"
(Laerto Patrocínio Orpinelli / S. 134)


​Gerade an so heißen Sommertagen hat man beim Gedanken an Lateinamerika Vorstellungen wie heiße Sambaklänge, Piña Colada, kubanische Zigarren, Empanadas oder Lionel Messi. Doch die lateinamerikanischen Länder haben auch ihre dunklen Seiten, welche vor allem die Bevölkerung zu spüren bekommt und die von TouristIinnen nur zu gerne ausgeblendet werden. Man möchte sich damit ja nicht sein Mojito-Geschlürfe verderben lassen.

Armut, hohe Kriminalitätsrate, Dorgenkartelle und Korruption sind für viele dort Alltag. Alltag durch den man nicht alt wird - im wahrsten Sinne.

In einer Welt, in der die Sterblichkeitsrate alleine durch Bandenkriege und Drogen schon stark erhöht ist, können Serienkiller oft ungehindert ihrem "Job" nachgehen, ihren Trieben freien Lauf lassen. Die Polizei hat mit der Kriminalität schon genug zu tun, in die sie nicht selten selbst involviert ist, und stufen so manchen Mord als "Kartell"-Mord ein.

Doch hin und wieder erschüttern Morde oder furchtbar zugerichtete Opfer selbst die hartgesottenen Polizisten und bringt sie auf die Spur eines grausamen Serienkillers.

Der Autor Gerd Frank hat sich in diesem Buch "Totmacher 6 - Das Monster der Anden und andere unheimliche Kriminalfälle lateinamerikanischer Serienmörder (1880-2014)" mit ein paar dieser berühmt-berüchtigten Serienkillern beschäftigt und gewährt den LeserIinnen einen kleinen Einblick - einen Einblick, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.​

Zum Beispiel trieb in Mexiko von 1880-1908 der "Mexikanische Ripper" sein Unwesen, "Die Bestie von Guatemala" ermordete im Jahr 1946 innerhalb von vier (!!) Monaten fünfzehn (!!) Jungen im Alter von 10-16 Jahren. In Chile vergewaltigte und ermordete ein Taxifahrer zwischen 1998 und 2001 vierzehn Frauen, oder zwischen 2011 und 2014 hielt ein Serienkiller Brasilien in Atem. Er "spezialisierte" sich auf junge Mädchen, Obdachlose und Transvestiten.


"Tiago Henrique Gomes da Rocha gestand, von seinem Motorrad aus insgesamt 39 Mordtaten an Schülerinnen, Hausfrauen, Obdachlosen und Transvestiten begangen zu haben, an Menschen, die offenbar zur falschen zeit am falschen Ort gewesen waren. Denn er habe keines seiner Opfer gekannt."
(S. 159)​


Aber auch Frauen und ebenso Jugendliche, fast noch Kinder, haben sich ihren Platz in diesem Buch "verdient" und sie gingen ebenso brutal und grausam vor.

Der Autor beleuchtet hierbei nicht nur die Vorgehensweise und die Ermittlungen, sondern auch die sozialen und familiären Verhältnisse der Täter und dabei stellt sich, wie so oft, die Frage: "Wird man zum Mörder gemacht oder schon böse geboren?". Denn eins haben Opfer und Täter immer gemeinsam - sie gehören der untersten sozialen Schicht an und sind von Armut und Gewalt geprägt, wo wir wieder bei den seit jeher herrschenden politischen, sozialen und gesellschaftlichen Einflüssen Lateinamerikas wären. Diese scheinen eng verknüpft mit den grausamen Taten der KillerIinnen zu sein.

"Noch bevor er ein Jahr alt war, verstarb seine Mutter, woraufhin sein Vater ein zweites Mal heiratete. Weil die Stiefmutter sich immer eine Tochter gewünscht hatte, steckte sie den Jungen oft und gerne in Mädchenkleider, was dazu führte, daß der kleine Daniel in der Schule unentwegt gehänselt und gemobbt wurde. Dieser Zustand belastete seine Psyche auf Dauer erheblich."
("Die Bestie vom Mangrovenwald" - S. 81)


​Das hört sich nun nach einer äußerst interessanten Lektüre an und doch bin ich von diesem Buch etwas enttäuscht. Im Grunde reißt der Autor die einzelnen Fälle nur kurz an, kratzt nur an der Oberfläche. Ein Serienkiller-Porträt umfasst höchstens drei Seiten, wobei nicht selten eine halbe Seite die Aufzählung der Opfer beinhaltet und ein Bild als Platzhalter dient. Im Grunde würde man alle Informationen wohl auch im Internet erhalten und es scheint, dass der Autor auch nichts anderes getan hat als Google zu befragen.

Zudem wirkt alles sehr reißerisch, denn die Vorgehensweise und somit das Zurichten der Leiche, scheinen hier im Vordergrund zu stehen. Dies wird nämlich explizit beschrieben und auch so manche Bilder scheinen darauf abzuzielen die Leserschaft zu schockieren. Für Zartbesaitete ist dieses Buch also definitiv nichts.

"Hinter den Mauern und in der Kloake wurden wahre Unmengen verwesenden Fleisches, blutige Fetzen und Kleidungsstücke entdeckt, welche einen unerträglichen Gestank verursachten. Als man in der ekelhaften Masse zudem einen kleinen menschlichen Schädel und ein paar Kinderbeine erblickte, war allen Beteiligten klar, was vor sich gegangen sein musste."
("Die Kinderzerstücklerin von Mexiko-Stadt" / S. 21)


Fazit:
Für diejenigen, welche einen kurzen und schnellen Blick in Serienkiller-Porträts von Lateinamerika werfen wollen, ist dieses Büchlein sehr wohl geeignet.
Mir persönlich war es zu oberflächlich und reißerisch. Ich hatte das Gefühl, dass ich wohl durch googeln ebenfalls diese Informationen erhalten hätte.
Trotzdem konnte mich diese Lektüre durchaus für ein paar Stunden fesseln.


©Pink Anemone

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Abgefahren, witzig und acitonreich

ASH
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Eigentlich ist die große Zeit der europäischen Superhelden seit dem Ende des Kalten Krieges vorbei. Doch als Anfang 2016 ein blutrünstiges Monster beginnt die Wiener Innenstadt unsicher zu machen, schließen ...

Eigentlich ist die große Zeit der europäischen Superhelden seit dem Ende des Kalten Krieges vorbei. Doch als Anfang 2016 ein blutrünstiges Monster beginnt die Wiener Innenstadt unsicher zu machen, schließen sich einige der wenigen noch aktiven Superwesen zusammen, um die Bedrohung zu stoppen.
CAPTAIN AUSTRIA Jr., Sohn des legendären Führers der „Wiener Wächter“ Captain Austria, die übermenschlich starke Wrestlerin LADY HEUMARKT mit ihrer undurchdringlichen Haut, das sagenumwobene Wasserwesen DONAUWEIBCHEN und der geheimnisvolle BÜROKRAT stellen sich der zuerst unüberwindlich scheinenden Aufgabe. Und machen sich auf die Suche nach dem Monster, nach alten Verbündeten und nicht zuletzt nach Antworten...
(Klappentext)

Der vorliegende Sammelband beinhaltet die ersten vier Einzelcomics mit ihren Nebenstorys und enthält somit 144 Seiten geballte ASH-Ladung. Hier wird der Anfang der neuen WIENER WÄCHTER erzählt - ASH wurde geboren.

In dieser Rezension gehe ich auf alle vier Storys etwas näher ein, mit Erwähnung der verschiedenen IllustratorInnen. Es wird spannend!!

">>Überfall auf junge Frau direkt vor der Karlskirche! Einsatzkräfte halten ein Echsenwesen in Schach, scheinen aber nicht in der Lage, es zu überwältigen!<<
>>Hä?! Woher weiß er das?<<
>>Nojo, der Magister hat so eine Art Radio im Schädel. Damit kann er Funkwellen empfangen, auch den Polizeifunk.<<"


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1 "Wiener Blut - Rückkehr der Helden Teil 1

Autor: Harald Havas; Pencils: Andi Paar; Inks: Thomas Aigelsreiter; Colors: Thomas Aigelsreiter, Andi Paar, Frans Stummer

Ein Monster streift seit Kurzem durch Wiens Gassen. Die bevorzugten Opfer sind telefonierende Frauen. Für den Superhelden CAPTAIN AUSTRIA Jr. ist es daher an der Zeit sich endlich mit etwas Größerem als Kleinkriminellen und Patrouillengängen zu widmen. Endlich ist wieder ein wahrer Superheld gefragt, denn die Polizei ist völlig überfordert.
CAPTAIN AUSTRIA Jr. schreitet also hochmotiviert zur Tat und freut sich wie ein Wiener Schnitzel endlich zu zeigen was in ihm steckt.
Das Ganze hat er sich jedoch leichter vorgestellt als es ist, denn dieses Monster scheint eine Art Basilisk zu sein und ist auch noch stärker als er. Wenn ihm seine Superhelden-Kollegin DONAUWEIBCHEN nicht geholfen hätte, würde er nun bei den Fischen liegen und die Superhelden-Karriere hätte geendet, bevor sie überhaupt begonnen hätte. Er muss also zu härteren Bandagen greifen und ruft alle Superhelden Wiens zusammen.
Leider sind das nicht mehr gerade viele. Einzig die alte Freundin seines Vaters LADY HEUMARKT und diese schleppt noch diesen geheimnisvollen BÜROKRATEN an. Ob sie es nun zu viert schaffen dieses Urvieh zur Strecke zu bringen?

"Wiener Blut" dient vor allem erstmal dazu einem die Superhelden vorzustellen und daher kommt es zwar zu einem spannenden Kampf zwischen den Wiener Wächtern und dem Basilisken, doch dieses Biest konnte fliehen und somit endet die Story mit einem riesigen Cliffhanger.

Im Anschluß gibt es einen Kurzcomic mit dem Titel "Lady Heumarkt - Schatten der Vergangenheit". In diesem erfährt man wie diese knallharte, feministische, fluchende und rauchende Catcherin zu dem wurde was sie ist.
(Autor: Harald Havas; Pencils/Inks: Lenny Großkopf; Colors: Verena "Nudl-Monster" Loisel)

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2 "Die Macht des Dr. Phobos - Rückkehr der Helden Teil 2"

Autor: Harald Havas; Pencils/Inks: Michael Liberatore, Lenny Großkopf, Andi Paar; Colors: thomas Aigelsreiter, Andi Paar, Lisa Heschl, Frans Stummer; Lettering: Thomas Aigelsreiter

Der Basilisk muss unbedingt gefunden werden und dafür brauchen unsere Helden das voll ausgestattete multifunktionale Hauptquartier "SOCRATES", der einstige Unterschlupf der damaligen WIENER WÄCHTER.
Dafür muss CAPTAIN AUSTRIA Jr. jedoch Kontakt mit seinem Vater aufnehmen, um den Schlüssel von ihm zu bekommen. Der einstige CAPTAIN AUSTRIA ist jedoch in Superhelden-Rente und die Vater-Sohn-Beziehung ist nicht die Beste.
Als ob das nicht schon genug wäre, treibt sich auch noch ein Schurken-Opa in Wien herum. Er nennt sich Dr. Phobos und seine Superkraft ist mentale Manipulierung und diese zieht er aus einem Spazierstock, den er aus der ehemaligen Praxis von Sigmund Freud geklaut hat.
Den Basilisken erwischen die Superhelden zwar nicht, aber trotzdem geht es hier hoch her.

In der anschließenden Nebenstory "Der erste Mann" ist man bei der Entstehung des ersten CAPTAIN AUSTRIA dabei. Gezeichnet im herrlichen Oldschool-Stil inkl. vergilbter Comic-Optik.
(Autor: Harald Havas; Pencils/Inks/Colors: Leo Koller)

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3 "Mission Graz: Alarm für Cap & Co - der Basilisk schlägt wieder  zu

Autor: Harald Havas; Pencils/Inks/Lettering: Jörg Vogeltanz; Colors: Lisa Heschl; Dialektcoach Steirisch/Grazerisch: Leo Lukas

Endlich haben unsere WIENER WÄCHTER eine Spur, wo sich der Basilisk befindet, nämlich in Graz. Also nix wie hin! Doch auch dort entwischt das Monster wieder. Sie benötigen also die Hilfe eines Grazers. Dieser ist niemand Geringeres als der GRÜNE PANTHER, ein Verbündeter des alten CAPTAIN AUSTRIA aus alten Superhero-Zeiten. Seine Superkraft ist ... wie soll man das am besten erklären? Also es sprüht nicht nur Feuer aus seinen Fingern, sondern auch aus seinem Allerwertesten. Wenn man also einen Furz von ihm abbekommt, dann kann es sein, dass man unter Feuer steht und er braucht dafür nicht mal ein Feuerzeug.
Langweilig wird es auch hier nicht und man kommt hinter ein Geheimnis den Basilisken betreffend.

Im anschließenden Kurzcomic "Helden von heute" begegnet man nicht nur dem DONAUWEIBCHEN, sondern auch Falco. In die Vergangenheit der WIENER WÄCHTER wird ebenfalls geblickt und was musste ich da erfahren? Der Walzerkönig war auch einst ein Superheld und Mitglied der WIENER WÄCHTER!! Na wumm!
(Autor: Harald Havas, Pencils: Andi Paar; Inks/Lettering: Thomas Aigelsreiter; Colors: Thomas Aigelsreiter, Andi Paar)

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4 "Das letzte Aufgebot - Entscheidung im Wiener Prater - Der Wiener Rathausmann greift an"

Autor: Harald Havas; Pencils: Andi Paar; Inks/Lettering: Thomas Aigelsreiter; Colors: Thomas Aigelsreiter, Andi Paar, Frans Stummer

Der Basilisk treibt noch immer sein Unwesen! Wie soll man sich da einen Namen als neues Superhelden-Team machen, wenn man dem nicht Herr wird? Da müssen nun größere Geschütze aufgefahren werden und somit betritt ein neuer Superheld die Bühne, bzw. muss dieser aktiviert werden.
Der Häupl (ehemaliger Wiener Bürgermeister) ist darüber gar nicht erfreut und lässt seinen Veltliner schal schmecken. Immerhin wollen die WIENER WÄCHTER den RATHAUSMANN aufwecken.
Diese eiserne Statue ist zwar unverwundbar und ein Gentleman alter Schule, aber auch äußerst patschert (=ungeschickt). Da kann es schon passieren, dass die Reichsbrücke zu Bruch geht.
Mit seiner Hilfe soll es nun endlich zur letzten und alles entscheidenden Schlacht kommen. Schaffen es unsere Superhelden diesmal den Basilisken aus der Welt zu schaffen?

Im Anschluß gibt es diesmal gleich zwei Kurzcomics:

In "Stimmen" wird auf den Werdegang des BÜROKRATEN eingegangen. (Autor: Harald Havas; Pencils/Inks/Lettering: Michael Wittman; Colors: Lisa Heschl)
In "Wellen" hat das DONAUWEIBCHEN die Hauptrolle. (Autor: Harald Havas; Pencils/Inks/Lettering/Colors: Lisa Heschl)

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Diese Sammelband enthält nicht nur Storys, wobei jede von verschiedenen Comic-Zeichnern und -Zeichnerinnen illustriert wurden, sondern auch die unterschiedlichen Cover-Varianten der Einzelhefte, Einblicke in das Making-Of anhand von Skizzen, Entwürfe von Covers und die Entstehung der Austrian Superheroes.

Es ist also ein Schmankerl durch und durch und mir fiel eine Newcomerin ganz besonders ins Auge - Lisa Heschl. Ihren Stil finde ich umwerfend. Ihre Illustrationen wirken teils wie gemalt und mit Airbrushtechnik. Ich bin hin und weg.
Doch mich konnten die Ideen und Storys bereits von Anfang an begeistern. So herrlich anders, so unglaublich atmosphärisch, genial spannend und der Humor kommt auch nicht zu kurz.
Meine Erwartungen wurden übertroffen und ich war gespannt, ob dieses Niveau gehalten werden kann. Achtung Spoiler! - Ja, es kann und es wird.

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Gelungener Finalband der Trainspotting-Reihe mit typischen Brainfuck-Momenten à la Welsh.

Die Hosen der Toten
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Beruflich läuft es gar nicht mal schlecht für Mark Renton. Als Manager erfolgreicher DJs reist er um die Welt. Die Kohle stimmt. Warum fühlt es sich trotzdem nicht richtig an? Eine Zufallsbegegnung mit ...

Beruflich läuft es gar nicht mal schlecht für Mark Renton. Als Manager erfolgreicher DJs reist er um die Welt. Die Kohle stimmt. Warum fühlt es sich trotzdem nicht richtig an? Eine Zufallsbegegnung mit seinem einstigen Weggefährten Franco Begbie reißt ihn aus seinem Trott. Verdammt noch mal, das Leben hat doch mehr zu bieten! Bald findet sich Mark in einer Welt wieder, die er längst hinter sich geglaubt hatte: in den dreckigen Straßen einer verachtenswerten schottischen Kleinstadt ... (Klappentext)

✵✵✵✵✵

"Ich bin völlig im Arsch, habs tierisch im Rücken. Ich stehe kurz vor einer ausgewachsenen Panikattacke, und Don Promillo neben mir hört nicht auf zu labern, überträgt seine Panik aufs ganze Flugzeug. Ich glotz konzentriert in meine Zeitschrift, ring nach Luft und bete, dass die Pillen bald wirken."
(S. 11)


Wie im Zitat geht es wohl jedem mal von uns im Leben, doch bei unseren Trainspotting-Jungs aus Edinburgh scheint das nicht nur eine Metapher, sondern der Leitsatz des Lebens zu sein. Wenn es bei denen scheiße läuft, dann richtig und dann hilft auch keine Pille - nicht das sie das nicht versuchen würden.

Die Leith-Jungs sind nun schon lange keine Jungs mehr, sondern mittlerweile Mitte 40. Sie sind zwar erwachsen, doch nicht wirklich reifer und das Leben verläuft auch nicht unbedingt nach Plan, so sehr sie sich das auch einreden.
Mark Renton lebt im sonnigen Kalifornien und jettet MDMA-einschmeißend und koksend als DJ-Manager durch die Weltgeschichte. Doch das hört sich besser an als es ist, denn er muss jeden beschissenen Tag Kindermädchen für seine DJ's spielen, die sich wie verwöhnte Kinder auf Zuckerschock benehmen.
Frank Begbie, ebenfalls in Kalifornien lebend und einst größter Wichser von Edinburgh mit psychopathischen Anlagen, scheint jedoch sein Leben tatsächlich in den Griff bekommen zu haben. Freischaffender Künstler, verheiratet und Vater zweier Töchter. Doch auch bei ihm läuft nicht alles rund. Ein suspendierter Cop hat ihn im Visier und möchte ihm einen Mord anhängen. Ist Begbie wirklich ein anderer geworden und lässt er diese Verleumdung auf sich sitzen, oder schlummert der alte Psychopathen-Begbie noch in ihm?
Simon aka Sick Boy lebt in London und ist dem Pornogeschäft sozusagen treu geblieben. Er betreibt ein Escord-Service, hat einen Sohn, vögelt noch immer wild durch die Gegend und ist auch weiterhin Drogen wie Ecstasy und Koks nicht abgeneigt. Weiters ist er immer noch der egoistische Arsch wie eh und je, mit einer Sensibilität eines Traktorreifens und mit einem Talent anderen das Leben zu versauen.
Spud hat es so richtig scheiße getroffen. Von den Drogen nie weggekommen verdient er sich sein täglich Brot mit Betteln auf Edinburghs Straßen. Als ob es nicht schon schlecht genug für ihn laufen würde, geht er einen Deal ein. Diesmal hat es jedoch nichts mit Drogen zu tun. Ob illegaler Organhandel da besser ist, um an Geld zu kommen?
Wie es der Zufall will treffen die großen Jungs aufeinander, eins führt zum Anderen und schon sitzen alle zusammen wieder gehörig in der Scheiße.
Misstrauen, Drogen, Alkohol und sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen macht das Ganze nicht besser und wer diese Buchreihe kennt, kann sich denken was einem hier erwartet.

"Wer zeit seiner Jugend in ner Brühe aus Gumley-Mittelmaß mariniert wurde, einem faden Sud aus Sozialbauten, die so grau in grau sind, dass sie in dieser eintönigen Umgebung nicht mal mehr unangenehm auffallen, aus versnobten, aber trotzdem beschissen aussehenden Bungalows und den Mietskasernen von Dalry, diesem dunklen Gorgie-Tumor am Arsch der Stadt, der is für den Rest seines Lebens von einem nie wieder zu entfernenden Schandfleck moralischer Schwäche gezeichnet." (S 238)

Man liest hier wieder aus verschiedenen Perspektiven und taucht so in das Leben der jeweiligen Protagonisten ein. Im Verlauf trifft man auf alte Bekannte, wie z.B. Mikey Forrester, Terry oder Carl Ewart aka N-Sign, die manche eventuell aus "Klebstoff" kennen.
Die Jungs sind, wie schon erwähnt, erwachsener geworden, jedoch kein bisschen weiser. Sie stolpern von einem Kackhaufen in den nächsten. Zunächst jeder in seinen eigenen, bis sich die einzelnen Handlungsstränge im Verlauf zu einem großen Haufen Scheiße verbinden in dem alle bis zum Hals drinstecken. Alles ins Laufen gebracht durch einen kleinen Dominostein, der zu einer Kettenreaktion führt.
Die Jungs haben, wie immer, ihre ganz eigene Art mit Problemen umzugehen, zu agieren und zu reagieren, denn Leith-Jungs bleiben Leith-Jungs. Dabei kommt es zu einigen überraschenden Wendungen und natürlich zu spannenden und vor allem auch skurrilen Szenen.

"...für die guten Dinge scheinst du immer weniger Zeit zu haben, denn ständig hast du irgendnen Scheiß am Hals, also gehst du dazu über, dich nen feuchten Kehricht um den Kack anderer Leute zu kümmern - der überrollt dich nämlich, wenn du ihm zu viel Platz einräumst - du lehnst dich zurück und glotzt POP IDOL - natürlich mit ironischer Distanz, nicht geizend mit überheblicher Kritik und höhnischer Verachtung - aber gelegentlich, nur gelegentlich, reicht das nicht, um diese komische überwältigende Stille zu übertönen, und plötzlich hörst du es, dieses leise Zischen im Hintergrund - das ist das Geräusch deiner verpuffenden Lebensenergie..." (s. 20)

Dies ist der finale Band der Trainspotting-Reihe rund um die Leith-Jungs Renton, Sickboy, Begbie und Spud. Genau als solches sollte dieses Buch auch gelesen werden, denn für Trainspotting-Neueinsteiger ist es nicht geeignet.
Als ich erfuhr, dass dieses Buch erscheint, habe ich sogleich die gesamten Bände dieser Reihe aus meinem Regal gekramt und gönnte mir einen ReRead. Diesmal in chronologischer Reihenfolge und dieses Leseerlebnis war absolut abgefahren und kann ich nur empfehlen (im Anschluß folgt die chronolog. Reihenfolge).
Nicht nur weil man auf diese Art die Jungs von ihrer Jugend an begleitet, ihnen beim Erwachsenwerden (oder auch Nicht-Erwachsenwerden) zusieht und dadurch einen intensiveren Bezug zu deren Lebensgeschichte erhält, sondern den Autor Irvine Welsh beim schriftstellerischen Wachsen zusehen kann.
Wie auch die Leith-Jungs wurde der Autor "erwachsen" ohne dabei seinen speziellen Schreib- und Erzählstil zu verlieren.

"Flankiert von seinem medizinischen Team, bestehend aus Youssef und Enan, bemüht er sich fieberhaft, in dieser letzten Wendung der grauenvollen Geschehnisse der vergangenen Tage einen Sinn zu erkennen, aus diesem Armageddon seines Lebens eine Erkenntnis zu gewinnen. Er versucht den Wendepunkt zu finden, jenen Moment, ab dem alles den Bach runterging."
(S. 266)


Wer bereits Bücher von Irvine Welsh gelesen hat weiß, dass es bei ihm keinesfalls zimperlich zugeht. Derbe Sprache, manchmal im typischen Gossen-Slang, gepaart mit Gesellschafts- und Sozialkritik. Hier wird einem die Gesellschaft in ihrer derbsten und auch direktesten Form vor Augen geführt, daher sind hier Sexismus und Political Incorrectness ebenso enthalten, wie auch Drogenkonsum und Sex. Gleichzeitig lässt einem so manche Situationskomik schmunzeln oder böse grinsen, während sich einem zwischen den Zeilen eine unglaubliche Tiefe im literarischen Hochgenuss offenbart.
Es erwartet einem hier also eine wahre Gefühlsachterbahn, welche sich durch Ekel, Empörung, Lachen und gespanntes Luftanhalten in der Mimik abzeichnet. Bei einer Szene verdrückte ich sogar ein paar Krokodilstränen, obwohl ich alles andere als nah am Wasser gebaut bin.
Übrigens hat hier der Übersetzer Stephan Glietsch wieder einmal hervorragende Arbeit geleistet.

Wie immer bei Welsh spielt auch hier Musik eine wichtige Rolle und man taucht in eine Story ein, die einem mit Songs umspült, die einem nicht nur in die Techno-Szene der 2000er, sondern auch in die 80er und 90er entführt.

Fazit:
Es hat Spaß gemacht mit den Jungs wieder durch die Straßen zu ziehen und ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich immer tiefer in die Scheiße reiten. Natürlich gibt es auch hier wieder die typischen Brainfuck-Momente à la Welsh.
Es ist für mich also ein würdiges und gelungenes Finale der Trainspotting-Reihe, welches ich in kürzester Zeit verschlang. Doch Welsh wäre nicht Welsh, wenn er sich am Ende nicht doch eine kleine Hintertür offen gelassen hätte. Man darf also durchaus gespannt sein, ob und wann die ein oder andere Trainspotting-Figur in einem zukünftigen Welsh-Roman ihren Auftritt hat, oder ob es nicht doch irgendwann einen 5. Band der Reihe gibt. Ich persönlich hätte nichts dagegen.

© Pink Anemone (inkl. Book-Soundtrack, Leseprobe, Bilder und ausführlicher Autoren-Info)

Chronologische Reihenfolge:

"Skagboys" (2013)
"Trainspotting" (1996)
"Porno" (2004)
"Kurzer Abstecher" (2017) Eine Begbie-Story, welche auch unabhängig gelesen werden kann
"Die Hosen der Toten" (2020)


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Veröffentlicht am 12.08.2020

Phantastik / Eine Mischung aus Familiendrama, Lovecraftschen Peter Pan und Coming-of-Age

Das Haus der finsteren Träume
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Die USA in den 1960er-Jahren: Harry Turner, ein geradezu fanatischer Verehrer von H. P. Lovecraft, macht sich an die Verwirklichung eines gewaltigen Vorhabens. Auf seinem Grundstück soll ein Geisterhaus ...

Die USA in den 1960er-Jahren: Harry Turner, ein geradezu fanatischer Verehrer von H. P. Lovecraft, macht sich an die Verwirklichung eines gewaltigen Vorhabens. Auf seinem Grundstück soll ein Geisterhaus entstehen, und zwar das größte und unheimlichste, das Amerika je gesehen hat. Harrys komplette Familie arbeitet an dem Projekt mit, obwohl seine pragmatisch veranlagte Frau und seine beiden Töchter die Augen vor der gruseligen Wahrheit verschließen: Die Monster, die im Geisterhaus der Turners ihr Unwesen treiben, sind echt. Der einzige, der diese Tatsache akzeptiert, ist der jüngste Turner-Spross Noah. Doch als er eines Tages beschließt, den Ungeheuern die Tür zu öffnen, wird das Leben der Turners zum Albtraum ... (Klappentext)

✧✧✧✧✧

"Hier werden die Wände dünn, die Verwirrung nimmt zu. Es gibt Türen, wo früher nur Wände waren, und wo Licht brannte, greifte die Dunkelheit um sich. Der einzige Weg nach draußen führt hier hindurch auf die andere Seite."
(S. 200)


Ich möchte gleich einmal damit beginnen, dass der Klappentext irreführend ist und daher völlig falsche Erwartungen weckt. Aufgrund dessen habe ich nämlich mit einer spannenden und gruseligen Horrorstory über ein Spukhaus mit grauenerregenden Monstern gerechnet.
Ja, es kommt ein Spukhaus vor, jedoch nur am Rande. Im Grunde ist es auch kein Spukhaus, sondern nur ein Hobby und eine Einnahmequelle für die Familie. Und Ja, es kommt ein Monster darin vor, jedoch keineswegs grauenerregend und angseinflößend. Ergo - es ist definitiv kein Horrorroman!
Obwohl meine Erwartungen diesbezüglich nicht erfüllt wurden, habe ich dieses Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen.
Doch um was geht es denn nun in diesem Roman?

Es begann alles mit der Begegnung von Harry und Margeret. Harry, ein Büchernarr, Fan von Horrorfilmen und vor allem Horrorromanen und glühender Lovecraft-Bewunderer. Er arbeitet bei McDonalds und kümmert sich nebenher um seine schizophrene Mutter. Margeret hingegen kommt aus gutem Hause, studiert und ihre Eltern wünschen sich für sie eine gute Partie und somit finanzielle Sicherheit.
Margeret wirft ihre sichere Zukunft über Bord, um mit ihrer großen Liebe, dem Büchernerd Harry, ein einfaches aber glückliches Leben zu führen. Es scheint auch alles gut zu laufen. Sie leben in einem kleinen Haus, Margeret hat ihr Studium hingeschmissen und ist nun Hausfrau und Mutter zweier Mädchen, die vom Charakter und Temperament her nicht unterschiedlicher sein könnten.
Doch plötzlich beginnt sich Harry zu verändern und sich seltsam zu benehmen. Er möchte sich auf Biegen und Brechen einen Kindheitstraum von einem Spukhaus im eigenen Garten erfüllen - eine Attraktion für die Nachbarn, ähnlich einer Geisterbahn. Er steckt all seine Energie und alles Geld in diesen Wunschtraum, scheint wie besessen. Auch Margaret ist nicht mehr glücklich in ihrer Ehe und ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter.
Hier scheint das Schicksal seinen Lauf zu nehmen und zwar keinen guten. Das einzig halbwegs Gute, was dann noch passierte, war die Geburt ihres Sohnes Noah.
Doch sah Margaret nicht schon viel früher das Monster an ihr Fenster klopfen?

"Das Kratzen am Fenster war so sachte wie ein sanfter Stupfs gegen die Schulter. Wäre ich älter oder vorsichtiger gewesen, oder hätten die Erwachsenen in meiner Kindheit besser auf mich achtgegeben, dann hätte ich mir vielleicht Sorgen gemacht, dort draußen erwischt zu werden. Aber ich war daran gewöhnt, unsichtbar zu sein, und es fiel mir sowieso schwer, mir wegen irgendetwas Sorgen zu machen, sobald mein Freund da war."
(S. 169)


Noah ist der Erzähler dieser Geschichte und man begleitet ihn über mehrere Jahrzehnte hinweg.
Mit ihm taucht man in eine Familiengeschichte voller Abgründe ab. In eine Familie, in der jeder mit sich selbst beschäftigt und mit seinen eigenen Problemen und inneren Dämonen zu kämpfen hat.
Und auch Noah sieht das Monster, freundet sich mit diesem jedoch an. Diese Kreatur wird zu seinem einzigen Freund, hilft ihm mit einigen Schicksalsschlägen zurechtzukommen und öffnet ihm das Tor zu einer anderen Welt - im wahrsten Sinne.

"In einer Familie zu leben, die unter einem Verlust leidet, an den man sich selbst nicht erinnern kann, ist ungefähr so, als säße man im Kino hinter einem großen Menschen. Rundherum lachen oder weinen die Zuschauer und reagieren irgendwie, aber man hat keine Ahnung, was da vorne los ist."
(S. 145)


Wie man eventuell erkennen kann, fällt es mir schwer eine aussagekräftige Inhaltsangabe zu schreiben, denn es ist eine komplexe Story, die so viel mehr enthält und welche sich erst am Ende vollends entfaltet.
Es ist kein Horrorroman, sondern eine Story, welche dem Subgenre Phantastik zugeordnet werden kann.
Eine Story in der ein Wesen die Familie von Beginn an zu verfolgen scheint und das mysteriöse Verschwinden von Kindern in der Umgebung der Turners beinhaltet.
Es ist aber auch gleichzeitig eine Geschichte über eine Familie in der Geheimnisse und das Schweigen innerhalb einer Familie, Verdrängung und das Flüchten in eigene Welten ebenso thematisiert werden, wie auch gleichgeschlechtliche Liebe und der Kampf um Akzeptanz. Aber auch Krebs, Depression und Suizid sind Inhalt der Story. Daher kommt das Buch auch nicht gänzlich ohne Triggerwarnung aus.
Und überall begegnen einem H.P. Lovecraft und seine Geschichten. Er scheint der rote Faden dieser Story zu sein - er und sein Tor zur Anderswelt.

"Da erhellt ein Blitz, der anscheinend im Park einschlug, den grauen Tag. In diesem Moment wirkt der Absprungplatz wie ein riesiger pechschwarzer Turm, so glatt wie Vulkanglas, der sich in den flüchtig erhellten Himmel reckt. Die Oberfläche sieht ölig und schmierig aus wie frischer Teer."
(S. 358)


Der Schreibstil ist einfach und flüssig und die Erzählweise äußerst packend. Doch vor allem besticht die Story durch seine bedrückende Atmosphäre, welche einem von Anfang bis Ende umgibt wie dichter Nebel, der sich erst am Ende zurückzieht und einem die Story als Ganzes verstehen lässt.

Fazit:
Dieses Buch enthält keinen Horrorroman, sondern eine Mischung aus Familiendrama, Lovecraftschen Peter Pan und Coming-of-Age. Gleichzeitig ist es eine Story der modernen Phantastik, eine Hommage an H.P. Lovecraft und allgemein eine Hommage an Bücher.
Diejenigen, welche also furchteinflößenden Geisterhorror erwarten, wie der Klappentext durchaus suggeriert, werden enttäuscht sein. Doch wer bereit ist, sich auf die Story und die Phantastik einzulassen und auch Geduld mitbringt, dem kann es durchaus passieren, sich in der Story zu verlieren.


">>Kommen Sie sich nicht albern vor? Sollten Sie nicht eher Bücher für Erwachsene Lesen?<<
>>Ich halte Horrorgeschichten für die wichtigsten Bücher der Welt<<, entgegnete er."
(S. 39)



© Pink Anemone (inkl. Leseprobe und Autoren-Info)

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