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Veröffentlicht am 09.08.2019

Rein subjektive Kritik

Grenzlandtage
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Bisher hat Grenzlandtage von Antonia Michaelis und Peer Martin größtenteils eher hohe Bewertungen - was ich toll finde, denn das Buch behandelt ein sehr aktuelles und wichtiges Thema und ich freue mich ...

Bisher hat Grenzlandtage von Antonia Michaelis und Peer Martin größtenteils eher hohe Bewertungen - was ich toll finde, denn das Buch behandelt ein sehr aktuelles und wichtiges Thema und ich freue mich grundsätzlich immer, wenn jemand ein schönes Leseerlebnis hatte.
Meine Rezension wird dagegen ziemlich kritisch sein, denn ich werde vor allem die Punkte ansprechen, die mich gestört haben und zu denen ich was los werden will. Dabei handelt es sich natürlich nur um meine bescheidene und rein subjektive Meinung.

Erstmal zur Story:
Jule macht spontan alleine Urlaub in Griechenland, denn ihre beste Freundin Evelyn, die sie eigentlich begleiten sollte, liegt im Krankenhaus. Noch vor der Haupt-Touri-Zeit möchte sich Jule auf's Lernen und auf sich selbst konzentrieren.
Asman dagegen ist Flüchtling und wollte eigentlich nach Italien, um von dort bis nach Schweden zu kommen. Fälschlicherweise landet er mit den anderen Flüchtlingen nach einem Schiffbruch in Griechenland und dort verstecken sie sich nun.
Jule und Asman treffen aufeinander und verlieben sich.

Ich war sehr gespannt auf Grenzlandtage, die ganze Flüchtlingsthematik und natürlich die Liebesgeschichte. Doch grade Letztere war leider nichts für mich. Am besten ich nummeriere meine Kritikpunkte, das ist einfacher für mich und auch angenehmer zu lesen:

Nummer 1: Der Schreibstil.
Das der ein bisschen simpel (kurze Sätze) war hat mich nicht so sehr gestört, denn immerhin handelt es sich hierbei ja um ein Jugendbuch.
Genervt hat mich allerdings dieses krampfhaft Poetische. Die blumigen Beschreibungen und das Abdriften in Fantasiewelten haben mich teilweise schon sehr an den Märchenerzähler erinnert. Dort mochte ich das zwar (im Gegensatz zu gewissen anderen Dingen, die das Buch für mich zur Katastrophe gemacht haben), aber in dieser Geschichte wirkte es irgendwie unpassend.
Richtig schlimm fand ich die ständigen deutschen Wiederholungen jedes noch so kleinen englisch gesprochen Satzes.
Hier mal zwei Beispiele:

"(...) und dann sagte jemand hinter ihr: 'To the left.' Links lang."

"Asman nickte. 'Makes sense.' Ergibt Sinn."

Ich hätte es schöner gefunden, wenn man entweder bei deutsch geblieben wäre und einfach einmal darauf hingewiesen hätte, dass die Unterhaltung grade auf englisch stattfindet (passiert ja dann im Großteil auch, es tauchen aber immer wieder diese Sätze auf) - oder man hätte es bei englisch belassen und zwar ohne zusätzliche Übersetzung.
Mal ehrlich, wir können doch mittlerweile fast alle englisch und selbst die, die es nicht so gut können, hätten hier keine Probleme.
Dieses Doppelgemoppel fand ich einfach unnötig.

Nummer 2: Der Hyperfokus auf Optik.
Einfach alle sind wahnsinnig attraktiv und gutaussehend, Asman sieht (trotz Verletzungen und/oder kaputter Klamotten) gut aus, Hassan ist der "bestaussehendste Mann, den Jule je gesehen hat" und Naime ist bildschön, beinahe "wie aus einem Film".
Die Flüchtlingskinder werden von Jule "Feenkinder" genannt, ihre Augen von Asman "Glasperlenaugen" und überhaupt wird alles sehr romantisiert und ästhetisiert: Die Landschaft, die Menschen, die Schmerzen, das Leid.

Nummer 3: Jule.
Mit ihr konnte ich leider gar nicht.
Sie wirkte schon kurz nach ihrer Ankunft plötzlich sehr melancholisch, manchmal regelrecht unglücklich, und ich hatte einfach keine Ahnung, warum, denn das war noch bevor sie sich überhaupt mit der Flüchtlingsthematik auseinander gesetzt hatte.
Sie kommt aus guten Verhältnissen, hat Eltern, die ihr offenbar alles erlauben, eine super beste Freundin und war ganz am Anfang auch noch guter Dinge... ich hab's ehrlich gesagt nicht ganz verstanden.
Hinzu kommt, dass Jule extrem naiv ist. Und zwar so naiv, dass es wirklich schon an Dummheit grenzt.
Sie kann null reflektieren, wirkt sehr kindlich, ist viel zu vertrauensselig, verliebt sich innerhalb von Sekunden unsterblich, trifft grade gegen Ende des Buches fürchterliche und nicht nachvollziehbare Entscheidungen und eigentlich müsste man sie vor sich selbst schützen (also wie Anna im Märchenerzähler).
Dass ihre Eltern sie alleine in den Urlaub gelassen haben, war auf jeden fall sehr mutig.

Nummer 4: Die Konflikte.
Die Autoren sind hier sehr vorsichtig gewesen. Nicht zu viel Religion, keine tiefergreifenden Gespräche über Sexismus oder Weltbilder. All das wird zwar nicht komplett ausgelassen, reicht aber lediglich für ein kleines Streitgespräch oder kurze Gedankengänge.

Nummer 5: Die Liebesgeschichte (Spoiler).
Für mich der unrealistischste Part des ganzen Buches. Nicht nur, dass es sich um Insta-Love par excellence handelt und alles extrem schnell geht, Asman hat auch kaum Probleme mit westlichen Werten - und damit, mit Jule zu schlafen.
Es ist ihr erstes mal und bei der ganzen Szene war mir irgendwie so super unwohl, dass ich näher darauf eingehen muss. Erstmal dieser (wohl leider realistische) Satz von Asman:

"Bei uns tun Mädchen das hier erst, wenn sie verheiratet sind. (...) Es gibt andere Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln... für Männer. Verstehst du? Frauen, die Geld dafür nehmen. Das sind die Erfahrungen, die ich habe. Das ist es, was wir tun."

Kotz-Würg! Nicht wegen der anderen Frauen, aber wegen der fürchterlichen Doppelmoral und der grässlichen Einschränkung der Frauen und ihrer Sexualität. Wie gesagt, leider sehr realistisch und ich werde es nie verstehen! Jule scheint das aber egal zu sein.
Als sie ihn dann fragt, wie alt er denn eigentlich sei, antwortet er:

"Ist das wichtig? (...) Was Frauen fragen! Gut, zweiundzwanzig. Zufrieden?"

Ja, so eine dumme Frage! Wer will denn bitte vor dem (ersten) Sex das Alter oder gar etwas anderes Unwichtiges, wie z.B. den Namen des Partners, wissen? (Sarkasmus. Wisst ihr ja. ;) Jule ist übrigens 17.)
Dann geht es so langsam los und es passiert Folgendes:

"Sie wandte den Kopf und sah den See an, lag ganz still, ließ ihn machen, aber lange tat er nichts weiter als zu tasten."

Sie guckt also weg und liegt absolut passiv da, während er sie anfasst. Na, Glückwunsch.
Die beiden schlafen nun also miteinander und zwischendrin driftet die Szene sprachlich immer wieder ins Poetische und fast schon Surreale.
Und jetzt kommt's. Jule etwas später:

"Ich habe vergessen zu rechnen. (...) Es wäre wahrscheinlich schlau gewesen, ein... Kondom zu benutzen."

Äh. What. Darüber macht sie sich jetzt Gedanken? Danach? Das ist dermaßen Verantwortungslos und naiv (hier haben wir's wieder), dass mir die Worte fehlen.
Und von ungewollten Schwangerschaften mal abgesehen, was ist denn bitte mit Geschlechtskrankheiten?! Immerhin hat Asman kurz zuvor noch erzählt, wie seine sexuelle Vergangenheit so aussieht.
Im Endeffekt hatte er zwar doch ein Kondom dabei und dieses auch benutzt (ohne das Jule etwas davon bemerkt hat), aber holy f***, wie gedankenlos kann man eigentlich sein?

Fazit:
Insgesamt hat mir Grenzlandtage aber trotz allem ganz gut gefallen, grade weil ich das Flüchtlingsthema wichtig und an dieser Stelle gut beleuchtet finde. Die Ängste und Sorgen, die Behördenprobleme, die Vorurteile... alles glaubhaft umgesetzt (auch wenn mir die blumige Sprache nicht immer zugesagt hat).
Ehrlich gesagt hätte ich das Buch ohne die am Liebesrad drehende Jule noch viel besser gefunden, also einfach Asman und seine Geschichte.
Ich wollte trotzdem unbedingt wissen, wie das alles ausgeht, Spannung war also da und ich spreche trotz aller Kritik eine Leseempfehlung aus!

PS: Zum Abschluss noch ein letztes Zitat und mein Senf dazu:

"Männer, die weinen, dachte sie, waren wirklich beunruhigend."

Nö. Sie sind Menschen und auch ihnen stehen Emotionen zu. Sie dürfen weinen, sich anlehnen und müssen nicht immer stark sein.

Veröffentlicht am 25.11.2021

Felix

Felix Ever After
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Felix ist trans, hadert aber noch mit seiner Geschlechtsidentität. Er lebt mit seinem Vater zusammen, der ihm zwar die Mastektomie und Hormone zahlt, sich aber dennoch nicht ganz an die Sache gewöhnt hat. ...

Felix ist trans, hadert aber noch mit seiner Geschlechtsidentität. Er lebt mit seinem Vater zusammen, der ihm zwar die Mastektomie und Hormone zahlt, sich aber dennoch nicht ganz an die Sache gewöhnt hat. Als in der Schule alte Fotos aufgehängt werden und Felix' Deadname groß zu lesen ist, hat er den Schuldigen schnell ausgemacht. Er beschließt, ihm als Catfisch auf Insta aufzulauern und Geheimnisse zu entlocken, um sich zu rächen. Aber liegt er überhaupt richtig?

"Felix Ever After" hat mich sofort mit einem wunderbar flüssigen Schreibstil in seinen Bann gezogen. An dieser Stelle auch ein riesiges Lob an die deutsche Übersetzung: hier wurde die Geschichte nicht nur in sehr angenehmes Deutsch verwandelt, sondern auch auf geschlechtergerechte und inklusive Sprache geachtet. Top!

Grundsätzlich hat mir die Story um Felix total gefallen. Die Transfeindlichkeit war hart zu lesen, fühlte sich leider aber auch sehr real an.
Sowohl der Protagonist als auch alle Nebencharaktere haben Ecken und Kanten, machen Fehler, sind unsicher, drehen sich um sich selbst - typische Teenies eben.
Felix' Reise zu seiner wirklichen Identität war total glaubwürdig. Nicht, dass ich das besonders gut beurteilen könnte, aber in meiner Rezension geht es ja nun mal um meine Meinung. :)

Ich ziehe einen Stern ab, weil ich die Catfish-Sache etwas zu grausam finde (aber gut, wenn ich an mich als Teenie zurückdenke, schüttelt es mich ob meiner Empathielosigkeit) und ein bisschen enttäuscht war, dass sich eine Freundschaft, die ich anfangs so gefeiert habe, eben doch als mehr rausstellt, was den klischeehaften Eindruck entstehen lässt, dass es keine intimen, "touchy" Freundschaften geben kann.

Ich möchte nicht zu viel schreiben oder gar spoilern, denn ich glaube, man muss das Buch einfach selbst lesen. Das empfehle ich wirklich von ganzem Herzen allen Menschen!

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Veröffentlicht am 08.10.2021

Der Uhrmacher

Der Uhrmacher in der Filigree Street
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Ich bin so enttäuscht!
Dieses Buch hat mich mit Titel, Klappentext und Cover gelockt. Letzteres sieht einfach richtig schön aus und die Story klang so gut... es wäre nur schön gewesen, wenn es auch eine ...

Ich bin so enttäuscht!
Dieses Buch hat mich mit Titel, Klappentext und Cover gelockt. Letzteres sieht einfach richtig schön aus und die Story klang so gut... es wäre nur schön gewesen, wenn es auch eine gegeben hätte.

Wir folgen Thaniel, der eine mysteriöse Uhr findet – und den Uhrmacher, einen japanischen Mann namens Mori, kurze Zeit später gleich dazu. Dieser hat ein sichtbares und ein geheimes Talent. Außerdem gibt es da noch Grace, die erst ihre eigenen Kapitel hat, deren Geschichte sich aber irgendwann mit der von Thaniel verbindet.

Mehr gibt es spoilerfrei leider nicht zu sagen. Der Plot ist so dünn, dass man ihn schon mit der Lupe suchen muss. Es gibt häufig genaue und detaillierte Beschreibungen von Kleinigkeiten und Gegenständen, die Charaktere bleiben dagegen blass und ungreifbar.
Manche Kapitel haben sich mir kaum erschlossen, sie kamen mir sinnlos und nichtssagend vor.
Meine Gedanken waren überall, nur nicht im Buch. Ich musste Sätze wieder und wieder lesen, weil ich mich irgendwann kaum noch darauf konzentrieren konnte.
Daran ist natürlich auch der unausgereifte, distanzierte Schreibstil schuld.
Gespräche lesen sich teilweise so merkwürdig und unrealistisch, vieles wirkt hölzern und... langweilig. Das Buch ist einfach unfassbar langweilig!

Bis auf die drei Hauptcharaktere konnte ich mir niemanden richtig merken, die meisten Namen sind mir wieder entfallen und ich wüsste jetzt nicht mehr, wer wer war.

Richtig genervt haben mich auch der unwidersprochene Sexismus und Rassismus. So wird in der deutschen Übersetzung zum Beispiel das Wort "Schlitzaugen" verwendet.
Grace ist eine absolut unsympathische Frau, die sich an ein männliches Ideal anpasst und damit Vorzüge erschleicht. Die Fesseln ihrer Zeit nerven sie, gleichzeitig macht sie sich aber über andere Frauen lustig und motzt gegen die Suffragetten, die das Frauenwahlrecht fordern und damit eigentlich den Grundstein legen, um Veränderung zu schaffen. Außerdem ist sie richtig empathielos und manchmal schlicht und einfach gemein.
Sie ist wohl absichtlich so geschrieben worden, aber für mich war das, wie so vieles im Buch, einfach sinnlos.
Natürlich sind solche Dinge auch der Zeit geschuldet, in der das Buch spielt, aber trotzdem hätte es dazu Gegenstimmen oder irgendeine Einordnung geben müssen.

Es gibt außerdem unzählige Ungereimtheiten.
Ein kleines Beispiel: Mori bleicht sich die Haare und wird als blond beschrieben. Ich weiß nicht, ob das in den 1880ern schon so gängig war, aber gut, die Geschichte hat ja immerhin auch einen winzig kleinen Fantasyanteil und da wollen wir nicht zu kleinlich mit historischer Genauigkeit sein. Trotzdem wären seine schwarzen Haare dann orange und nicht blond. Später hört er mit dem Färben auf und es wird so beschrieben, dass seine Haare wieder dunkler werden. Was? Blondierung wird nicht wieder dunkler, gebleichtes Haar ist gebleicht und wenn man sie nicht abschneidet oder komplett dunkel färbt, kommen da höchstens schwarze Ansätze, wenn das Helle langsam rauswächst.
Einiges ist einfach so merkwürdig beschrieben, dass Schwierigkeiten hatte, mir das überhaupt richtig vorzustellen.

Es gibt natürlich auch eine kleine Liebesgeschichte, die allerdings so emotionslos verläuft und aus dem Nichts kommt, dass ich dabei gar nichts gefühlt habe. Sie wird auch eigentlich nur angedeutet.

Das Ende ist genauso wie der Rest der Geschichte. Im Prinzip verpufft einfach alles und ich habe mich gefragt, was das Ganze überhaupt sollte.

Wie immer ist das aber nur meine ganz persönliche und rein subjektive Meinung und ich freue mich für alle, die das Buch mochten!

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Veröffentlicht am 07.10.2021

Die Eine

Es kann nur eine geben
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Carolin Kebekus ist seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Comedyszene. Ihre Entwicklung hat mir grade in letzter Zeit ziemlich gefallen und da sie mit diesem Buch (laut Klappentext) einen Nerv ...

Carolin Kebekus ist seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Comedyszene. Ihre Entwicklung hat mir grade in letzter Zeit ziemlich gefallen und da sie mit diesem Buch (laut Klappentext) einen Nerv bei mir trifft, musste ich es natürlich unbedingt lesen.

Mit gewohntem Witz und Scharfsinn beackert sie hier die unangenehmen Themen, die ich, wenn ich ehrlich bin, oft auch nur durch die humoristische Linse ertrage.
Dabei konzentriert sie sich in der ersten Hälfte stark auf Medien, was total in Ordnung ist, denn das ist halt ihr Ding, ihr Beruf, ihr Leben.

So gibt es gleich zu Anfang einen kleinen Exkurs in die Märchenwelt und die langweiligen Rollen, die weibliche Charaktere dort einnehmen.
Außerdem geht es um ein Thema, bei dem ich richtig wütend werden und das ich leidenschaftlich hassen kann: Männergruppen in denen es die eine Frau gibt, wie in Schlumpfhausen halt. Frauen sind in den Medien sowieso in der Unterzahl, dazu bringt Carolin konkrete Zahlen und macht deutlich, dass sie auch weniger Redezeit haben, wenn sie dann schon zu sehen sind. Im Kinderprogramm ist das übrigens besonders schlimm, denn der Großteil aller Figuren dort ist männlich.
Dadurch können sich Jungs aussuchen, ob sie sich mit dem Kreativen, dem Schusseligen, dem Lustigen, dem Anführer etc. identifizieren. Für Mädchen bleibt nur die eine Frau übrig, ob man die nun gut findet oder nicht.
Und ja, mir ist beim Lesen klar geworden, dass Carolin ein bisschen zu alt ist, um den Anime-Hype mitgenommen zu haben. Ich bin mit Sailor Moon, Wedding Peach, Kamikaze Kaito Jeanne, Lady Oscar, DoReMi, Ein super Trio, Mila Superstar etc. aufgewachsen. Da konnte man unter vielen charakterlich unterschiedlichen Frauen wählen, die am Ende aber alle den gleichen, etwas unrealistischen Körpertyp hatten, zu niedlich und zu leicht bekleidet waren, das sehe ich ein - während es da bei männlichen Figuren nachgewiesen auch mehr Diversität gibt.
Was ich trotzdem so richtig hasse, sind Detektiv-, Comedy- oder Superheldengruppen, bei denen es immer nur eine Frau gibt. Oder heutzutage zwei und dann kommt man sich so richtig fortschrittlich und feministisch vor, während die Männer weiter in der Überzahl bleiben. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen ist das einfach immer so. Übrigens sind Männer auch häufiger Kandidaten in Quiz- und Gameshows, haben also öfter die Chance, was zu gewinnen. Steht nicht im Buch, zähle ich seit Jahren als Fan dieser Shows aber regelmäßig.

Natürlich geht es auch um Themen wie die schlechte Bezahlung bei typisch weiblichen Berufen, unbezahlte Carearbeit und Mental Load, schlechte Renten usw.
Aber der Hauptfokus liegt auf dem Konkurrenzkampf unter Frauen und ich liebe es, dass Carolin die Gründe dafür nicht als naturgegeben sieht, sondern mit unserer Gesellschaft und der anerzogenen Haltung zu bzw. der Sichtbarkeit von Frauen argumentiert.
Wenn sie schreibt, dass sie früher den Satz "Ich bin nicht wie die anderen Frauen" locker als Wandtattoo hätte haben können, dann fühle ich das total, weil ich ganz genauso war. Ich habe Frauen damals abgewertet, geslutshamed, war eifersüchtig, habe behauptet, ich könne besser mit Männern (und das stimmte nicht mal!! Ich konnte immer gut mit Frauen und als queere Person verliebe ich mich ja sogar in sie!).
Meine internalisierte Misogynie saß einfach so tief.
Ich habe mal gehört, das alles sei Resultat der ständigen Abwertung von allem, was weiblich ist. Soll heißen, wir beobachten von klein an, wie Frauen abgewertet werden und wie sich über sie lustig gemacht wird. Damit uns das nicht auch passiert (wir möchten ja als Subjekt wahr- und ernst genommen werden), distanzieren wir uns lieber schnell von unserem Geschlecht und verkünden laut, wir wären nicht so. Da ich als Kind (und zum Glück heute auch wieder) ein ziemliches girly girl war, kenne ich natürlich den ganzen Mist, den man sich dafür anhören musste.

Carolin schenkt sich im Buch jedenfalls nichts, geht offen mit ihren Fehlern und früheren Ansichten über Frauen um, gesteht, dass sie es damals genossen hat, die einzige "coole" Frau in einer Männertruppe zu sein, berichtet über ihre Eifersucht anderen gegenüber, sagt ehrlich, dass sie Probleme mit ihrem Körper und Schönheitsidealen hat(te)... außerdem erkennt sie ihre Privilegien an, weiß, dass sie von einem unfairen System profitiert hat und das Frauen, die z.B. von Rassismus oder Queerfeindlichkeit betroffen sind, noch ganz andere Kämpfe ausfechten müssen.
(Trotzdem übersieht sie, wie die meisten sich öffentlichen äußernden Feministinnen, Klassismus komplett.)

Wenn sie vom Scheitern schreibt, macht sie auch das vollkommen offen und ehrlich. Leider übernimmt sie aber selbst manchmal den männlichen Blick, den sie in vergangenen Kapiteln noch anspricht und kritisiert. Ob Männer nämlich wirklich besser mit Konflikten und Niederlagen umgehen, wage ich angesichts der nachfolgenden Kapitel zu Gewalt (und meiner persönlichen Erfahrung) doch zu bezweifeln.
Und dass immer betont werden muss, dass Frauen doch "stark" sind:

"Ich hatte nur wahnsinnig starke Frauen um mich herum. Die sind nie heulend weggerannt und mussten auch nie nach Hause, wenn es gefährlich wurde."

Warum eigentlich nicht? Was ist schlimm daran? Klar ist eine einseitige Darstellung in Medien blöd, aber warum zur Hölle darf ich jetzt auch nicht mehr weinen oder meine Angst zeigen? Das funktioniert für Männer doch schon nicht! Empathie und Gefühle zeigen, Hilfe suchen, wenn es alleine nicht weitergeht... davon brauchen wir mehr und nicht weniger. Ich möchte mich da keinem männlichen Ideal anpassen, um bloß kein Klischee von zu klein, zu schwach, zu lieb, zu ängstlich zu erfüllen. Das ist so ziemlich meine größte Kritik am Buch, weil ich da immer mal über Passagen gestolpert bin. Also, ich habe jedenfalls sehr oft Angst und bin trotzdem nicht schwach, vielen Dank!

Die Teile zu Business und Kirche habe ich natürlich interessiert gelesen, auch wenn ich zu beiden Themen keinen großen Bezug habe. (Zumal halt einfach auch nicht jede Frau beim Fernsehen oder im Büro arbeitet, Projekte leitet, in Meetings hockt und große Aufstiegschancen hat. Und girl boss feminism braucht niemand, am Ende ist es nämlich wurscht, ob man von einem Mann oder einer Frau ausgebeutet wird.)

Der zweite Part des Buches ist so eine Art feministischer Rundumschlag (ich liebe gute Rundumschläge) verschiedenster Themen, alle gut erklärt, alle mit der gewissen Prise Humor um sie besser ertragen zu können.

Besonders gefreut hatte ich mich auch auf den Teil zu Gaming. Als Rollenspielerin (egal ob Videospiel oder Pen and Paper), die im Laufe der Jahre schon einiges an Sexismus und Übergriffigkeit ertragen musste, war ich richtig gespannt auf Carolins Meinung. Und ja, sie erklärt alles einfach und auch für Außenstehende verständlich, obwohl sie ziemlich an der Oberfläche bleibt. Ist aber total okay, alles andere würde, wie bei so vielen Themen, komplett den Rahmen sprengen.
Trotzdem schön zu lesen, dass diese tolle Frau auch so gerne zockt.
(Und ja, ich habe nen kleinen Crush...)
Früher habe ich mich für meinen Hang zum Eskapismus geschämt, heute bin ich froh über diese Leidenschaft, weil mir regelmäßiges Abtauchen hilft, mit meiner Depression und der realen Welt wieder besser klarzukommen.

Alles in allem ein sehr unterhaltsames Buch. Obwohl ich jedes Thema schon kannte, habe ich es super gern gelesen.

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Veröffentlicht am 24.09.2021

Das Ende

Das Ende von allem*
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Ich habe ja schon so einige Bücher zum Thema Astronomie/Kosmologie gelesen, aber irgendwie gibt es immer wieder was Neues zu entdecken. Denn mit dem Gedanken, dass das ganze Universum enden könnte, habe ...

Ich habe ja schon so einige Bücher zum Thema Astronomie/Kosmologie gelesen, aber irgendwie gibt es immer wieder was Neues zu entdecken. Denn mit dem Gedanken, dass das ganze Universum enden könnte, habe ich mich noch nicht so sehr beschäftigt. Umso schöner, dass es dieses Buch gibt!

Ich weiß, bei manchen Menschen löst die Vorstellung vom großen Ende Unwohlsein aus. Fortpflanzungs- und Selbserhaltungstrieb, der Wunsch, etwas auf dieser Welt zurückzulassen... alles komplett egal, wenn man versucht, das große Ganze zu betrachten. Mich erleichtert das. Der Gedanke, das irgendwann alles endet und verschwindet, ist für mich kein Schlechter.
So rät auch die Autorin, bei Alltagssorgen ruhig mal einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen, wie wichtig das jetzt wirklich ist. Und nein, das bedeutet natürlich nicht, dass jede Ungerechtigkeit, jeder Schmerz und jedes Leid egal sind. Aus menschlicher Sicht natürlich nicht!
Trotzdem: Liebeskummer ist vielleicht nur halb so wild, wenn man darüber nachdenkt, dass weder die eigenen noch die Überreste der anderen Person ewig sein werden. Irgendwann ist alles weg - sogar die Zeit selbst.

Zumindest gibt es Theorien dazu, die in diesem Buch beleuchtet werden.
Ich muss gestehen, mir haben meine kleinen Vorkenntnisse beim Lesen geholfen, ich glaube aber, dass man alles auch so verstehen kann. Die Autorin bemüht sich jedenfalls um Zugänglichkeit, so weit das bei einem derart komplexen Thema möglich ist.

Einiges war für mich Wiederholung, aber dafür bin ich sehr dankbar, denn ich habe das Gefühl, dass ich alles mit jedem Buch, das ich lese/höre, etwas besser durchblicke. Was mein langweiliger Astronomielehrer mir nicht beibringen konnte, verstehe ich heute auf einmal. An mir lag es also nicht, ha!

Die Autorin startet mit Grundlagen. Wie und wann ist das Universum entstanden, wie hat es sich entwickelt, wie funktioniert es? Was wissen wir genau und warum wissen wir es?
Dann folgen Kapitel zu den einzelnen Theorien wie alles enden könnte, wieso es passieren würde und was dabei auf uns und die Erde zukommen würde, würde es uns noch geben.
Klar, die Sonne bläht sich irgendwann auf, die Erde wird verkohlen, die Ozeane verdampfen, dann stürzt unser Planet in die Sonne - das wissen wir schon. Aber hier geht es darum, dass alles verschwindet und selbst Protonen zerfallen.

Meine Lieblingstheorie ist die des langsamen Versinkens in Dunkelheit. Da sich das Universum ausdehnt, wird der Abstand zwischen allem immer größer, dadurch alles dunkler, nichts Neues bildet sich mehr und naja, die Lichter gehen irgendwann aus, der Zeitstrahl endet, die Letzte macht die Tür zu. :)

Manche Theorien, wie z.B. der "Big Rip", können richtig beängstigend sein. Da kommt beim Lesen schon mal Endzeitstimmung auf.

Mein Fazit: Ein sehr gutes, auch für Laien verständliches Buch. Wer sich für die Thematik interessiert, wird seine oder ihre Freude damit haben und einiges an Neugier stillen können.

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