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Veröffentlicht am 20.12.2016

Ein dunkles Kapitel bayerischer Geschichte

Wintergewitter
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1920. Der Krieg ist seit fast zwei Jahren vorbei, doch in den Köpfen der Menschen hört er nicht auf. Kommissär Reitmeyer hat die Schrecken des Weltkrieges selbst miterlebt und er kämpft jeden Tag darum, ...

1920. Der Krieg ist seit fast zwei Jahren vorbei, doch in den Köpfen der Menschen hört er nicht auf. Kommissär Reitmeyer hat die Schrecken des Weltkrieges selbst miterlebt und er kämpft jeden Tag darum, dass niemand merkt, dass er Flashbacks hat, er ist ein sogenannter "Kriegszitterer" und "Krüppel". Paramilitärische Organisationen schießen wie Pilze aus dem Boden, heimlich unterstützt von der bayerischen Obrigkeit. Reitmeyer hat gleich mehrere Fälle auf dem Tisch, in denen er nicht vorankommt, weil er nicht gegen Männer der paramilitärischen Organisationen ermitteln darf. Dann gibt es zwei tote Frauen, auch diese oft in Begleitung von Offizieren gesehen, eine weitere Frau treibt einen Keil zwischen Reitmeyer und seinem besten Freund Sepp und dann gibt es noch einen Typen namens Hitler, der mit antisemitischen Sprüchen die Bevölkerung noch weiter aufhetzt: es ist eine dunkle, sehr dunkle Zeit, in der man kaum noch jemandem trauen darf.

Eigentlich fand ich den Kriminalfall selbst nicht so gelungen. Wenn man es genau nimmt, liegt alles nur an Gerti, die Informationen zurückhält, bewusst Sepp gegen Reitmeyer ausspielt und trotz Lebensgefahr für sich und andere niemandem was erzählt. Auch der Schluss war eher eine Notlösung, fand ich. Bei jedem anderen Krimi hätte ich dafür drei Punkte gegeben, aber dieses Buch bekommt glatt einen Bonuspunkt für die extreme Recherche und das Wissen, das hier über ein Kapitel deutscher Geschichte vermittelt wird, von dem ich überhaupt keinen Plan hatte. Eigentlich dachte ich ja, so von 1918 bis 1933 war mit der Weimarer Republik so ziemlich was Geiles am Laufen, aber hier erfährt man ganz andere Sachen, zumindest was München und Bayern allgemein angeht. Das ist eine ganz bittere Sache, was da gelaufen ist und die Art des Erzählens hat mich wirklich mitgenommen und Kopfkino entstehen lassen. Teilweise echt gruselig und schon daher für alle zu empfehlen, die etwas darüber erfahren möchten, wie es vor 100 Jahren abgelaufen ist.

Veröffentlicht am 16.12.2016

Apocalíptico!

Die verlorene Puppe
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Ferenc ist ein junger Zigeuner, der als Trapezkünstler in einem Zirkusluftschiff arbeitet, nicht sehr heimlich in seine Partnerin Yue verliebt ist und mit dem Luftschiff durch (über?) ganz Europa tingelt ...

Ferenc ist ein junger Zigeuner, der als Trapezkünstler in einem Zirkusluftschiff arbeitet, nicht sehr heimlich in seine Partnerin Yue verliebt ist und mit dem Luftschiff durch (über?) ganz Europa tingelt um aufzutreten. Der Zirkus wird von Pablo Diaz geleitet, weitere Künstler sind die bärtige Dame, eine schwarze Messerwerferin, Pferdeartistin und ein echtes Mammut! Die jahrhundertelange Eiszeit hat verhindert, dass man über den Tellerrand Europas hinaussehen kann und so fallen Ferenc und seine Freunde fast wortwörtlich aus allen Wolken, als ihr Luftschiff von fremden Kriegern überfallen und sie selbst gekidnapt und weit über das eisige Meer in Richtung Westen verschleppt werden, durch Stürme und Gefahren bis zu einem Land, in dem Menschenopfer nicht die größte Merkwürdigkeit darstellen. Als wäre das nicht schon genug, stellt sich heraus, dass niemand an Bord ist, was er scheint, alle etwas suchen; Intrigen entspinnen sich, Luftpiraten tauchen auf und selbst in Europa ist die Hölle los und es droht ein Weltkrieg, der alles auslöschen wird ...

Mann, hier haben die Autoren es aber wirklich krachen lassen und ein Silvesterfeuerwerk an originellen Ideen, super Protagonisten und fantastischem Schreibstil entzündet. Man taucht tief ein in diese Steampunkwelt, für die sie sogar eine eigene Timeline entwickelt haben. Es gibt andere Ansätze der europäischen Entwicklung, auch andere Kontinente sind plötzlich weiter als in der Realität. Gleichzeitig schaffen es die beiden Vogts, nicht nur eine spannende Story zu erzählen, sondern auch nahezu fesselnd-faszinierende Fragen aufzuwerfen: Was bedeutet Menschlichkeit, wie lässt sie sich interpretieren? Sie führen uns auf Ab- und Umwege und fast durchweg aufs Glatteis und es bleibt uns Lesern eigentlich nur übrig, immer rasanter auf dem rutschigen Untergrund hinterherzurutschen und zu hoffen, dass es zu keinem tiefen Fall kommt. Und wenn doch: Niemand weiß, wie eine Nummer ausgeht, ehe er nicht gesprungen ist. Ohne Netz und doppelten Boden. ;)

Veröffentlicht am 13.12.2016

Zu abgedreht

Easy. Überraschend. Low Carb.
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Ich kann gar nicht sagen, was genau ich von diesem Buch erwartet habe. Wissen über dieses "Low Carb High Fat", das in aller Munde ist, ja, natürlich. Und auch Rezepte, die dazu passen. Ansonsten wollte ...

Ich kann gar nicht sagen, was genau ich von diesem Buch erwartet habe. Wissen über dieses "Low Carb High Fat", das in aller Munde ist, ja, natürlich. Und auch Rezepte, die dazu passen. Ansonsten wollte ich mich einfach überraschen lassen als Back- und Kochanfänger (ok, mittlerweile kann ich mich wohl als Lehrling bezeichnen) und einfach gute, neue Rezepte ausprobieren. Sonderlich viel mehr als das, was man eh weiß, erfährt man übrigens nicht. Ich bin jemand, der gern tief in neue Materien eintaucht, wer ähnlich tickt, wird ein wenig enttäuscht. Aber ok, es geht ja um die Rezepte, richtig?

Richtig. Und die sind - nur ausgehend von der Zubereitung - tatsächlich nicht schwierig. Jetzt kommt allerdings mein großer, größter Kritikpunkt. Gerade wenn es um das Backen von Brot geht oder das Zubereiten von Hauptspeisen, drehen die hier total auf. Da braucht man frisch gemahlene Gold-Leinsamen, ganze Goldleinsamen, Flohsamenschalen, Sojamehl, Hanfsamen, Sesamsamen, Graumohn, Sojakleie, braunes Mandelmehl, Kokosmehl, Lachs, Lammhack, Flanksteak, Lammfilets, Safranfäden ...

Ehrlich, ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich bin weder mit Trump noch mit Rockefeller verwandt. Natürlich gibt's auch weniger superteuer zuzubereitende Gerichte, und gerade bei den Aufstrichen und bei Butternut-Rösti oder der Pizza kann ich nur Gutes berichten, die waren durchweg schmackhaft. Doch im Verhältnis gesehen ist mir das auf Dauer für ein regelmäßig genutztes Kochbuch einfach zu wenig. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich wohl nicht die richtige Zielgruppe bin. Empfehlen würde ich das Buch daher an Leute, die glutenintolerant, finanziell gut situiert und übergewichtig sind, dafür bekommen sie ein hochwertiges und dickes Buch mit vielen Rezepten.

Veröffentlicht am 10.12.2016

An Ostern ist Jesus aufgekreuzt

Nenne drei Hochkulturen: Römer, Ägypter, Imker
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Das ist schon das zweite Buch aus der Sammlung verrückter, skurriler, auf jeden Fall falscher, aber meistens sehr origineller Schüerantworten. Jetzt kann man sich fragen, wo der Eigenanteil der Autorinnen ...

Das ist schon das zweite Buch aus der Sammlung verrückter, skurriler, auf jeden Fall falscher, aber meistens sehr origineller Schüerantworten. Jetzt kann man sich fragen, wo der Eigenanteil der Autorinnen liegt, denn die mussten eigentlich nur sammeln und sortieren, geschickt haben diese Antworten ja Lehrer aus der ganzen bunten Republik. Trotzdem ist es recht amüsant.

Eingeteilt wurde das Buch nach verschiedenen Fächern oder Fachgruppen. Was da manchmal durcheinander geworfen wurde oder wo sich jemand dachte "Hey, kein Plan, aber egal, wer sich was ausdenkt, bekommt bestimmt Sympathiepunkte", und meistens waren das die witzigsten, denn sie entbehrten nicht einer gewissen Logik (und Komik).

Ernsthaft erschrocken habe ich mich manchmal, wenn da drunter stand, welche Klasse die betreffenden Schüler bereits waren. Bei den unteren Stufen sag ich ja nichts, aber Neunt- bis Zwölftklässler, die so manche Böcke schossen, gaben dann zu denken.

Zum Schluss wurde auch darauf eingegangen, dass Lehrer (man übersieht das oft) auch nur Menschen sind und sich gern mal auch menschlich verhalten. Richtig cool, wenn auch ehrlich, fand ich diverse Aussagen da nicht, aber was soll's. Wenn man was für zwischendurch sucht, ist das Buch oftmals ziemlich lustig.

Veröffentlicht am 09.12.2016

Die Monster sind unter uns

Die Insel der besonderen Kinder
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Jake ist nun wirklich überhaupt nichts Besonderes. Er ist ein knapp 16jähriger Teenager, der aus einer reichen Familie stammt, nur einen (mehr oder weniger gekauften) Freund hat und von seiner Familie ...

Jake ist nun wirklich überhaupt nichts Besonderes. Er ist ein knapp 16jähriger Teenager, der aus einer reichen Familie stammt, nur einen (mehr oder weniger gekauften) Freund hat und von seiner Familie eigentlich nur mit Abe klar kommt, seinem Großvater. Der ist richtig cool, hat den zweiten Weltkrieg er- und überlebt und erzählt ihm aufregende Abenteuer über die Insel der besonderen Kinder, wo er in einem Kinderheim den Krieg überstanden hat. Er bestätigt Jake darin, Entdecker werden zu wollen, und erzählt ihm von Kindern, bei denen jeder Fähigkeiten hat, die außergewöhnlich sind: Eines ist so stark wie zehn Männer, ein anderes kann schweben, eines kann tote Gegenstände zum Leben erwecken, wieder ein anderes hat einen Bienenschwarm in sich leben. Bis zu einem gewissen Alter glaubt Jake natürlich seinem Opa, doch dann bemerkt er, dass alles nur Geschichten sind ... bis zu dem Tag, an dem Abe ermordet wird und sich das ganze Leben von Jake zu ändern beginnt, denn er macht nicht nur eine Reise zu der Insel, sondern auch eine Reise zu seinen wahren Fähigkeiten.

Ich hatte meine eigenen Prinzipien gebrochen und einen Film vor dem Buchlesen gesehen. Der Film hatte zwar ein paar ernsthafte Logiklöcher, war jedoch mega unterhaltsam, so dass ich mir auch das Buch vornahm. Und auch das gefiel mir, obwohl sich einiges, gerade wichtige Geschehnisse, sehr stark voneinander unterscheiden. Der Autor kam wahrscheinlich auf die Idee zum Buch, als er seltsame, alte Fotos, gefunden auf Flohmärkten, gesehen hat, denn diese ergänzen das Buch auf manchmal gruselige Weise. Sein Schreibstil nimmt mit und kann fesseln, obwohl mir persönlich gerade der Anfang zu lange, fast ein bisschen langatmig gehalten wurde. Aber dafür das Tunguska-Ereignis von 1908 als Auslöser einzubauen hat mir wiederum sehr gefallen. Mal sehen, wie sich die weiteren Bücher (und Filme?) der Reihe entwickeln.