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Veröffentlicht am 17.07.2017

Burke rocks

Spectrum
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August Burke ist anders als andere Menschen, denn er ist Asperger. Einerseits machen ihm Menschen Angst, andererseits ist er ein Genie, ein junges Genie, das Muster und Verbindungen erkennt wie kein anderer. ...

August Burke ist anders als andere Menschen, denn er ist Asperger. Einerseits machen ihm Menschen Angst, andererseits ist er ein Genie, ein junges Genie, das Muster und Verbindungen erkennt wie kein anderer. Das weiß auch Agent Carter, der ihn als Berater des FBI angeheuert hat. Eine gute Entscheidung, als in einer hochmodernen Firma für Safes und Tresore mehrere Geiseln genommen werden. Die Geiselnehmer gehen mit äußerster Brutalität vor und riskieren das Leben aller Geiseln. Am anderen Ende der Welt ist eine Frau auf einem Rachefeldzug, fest entschlossen, sich an einem der Geiselnehmern für den Tod ihres Adoptivsohnes zu rächen ... Burke muss bald aus seiner schützenden Umgebung heraus, wenn er Menschenleben retten will.

Nachdem ich von Cross' "Ich bin die Angst" weniger begeistert war, war ich ziemlich gespannt, wie er dieses interessante Thema mit einem Asperger im Dienst von Recht und Gesetz umsetzt - und da ich vorher "Lost in Fuseta" von Ribeiro gelesen hatte, lag die Messlatte natürlich hoch. Es ist natürlich nicht wirklich vergleichbar, aber auf jeden Fall hatte Cross mich schnell am Haken. Das liegt nicht nur an Burke und seiner etwas speziellen Art (zumal ich irgendwie auch nicht glaube, dass selbst ein genialer Asperger zu all diesen Sachen fähig wäre), sondern eher an den insgesamt auftretenden Personen. Die waren alle sehr speziell und es hat somit Spaß gemacht, von ihnen zu lesen. Jeder Einzelne hatte eine Vergangenheit, über die es sich auch zu berichten lohnte; meistens finde ich es ja überflüssig und langweilig, ausführlich auf die Vergangenheit von allen Tätern und Opfern einzugehen, aber so unglaubwürdig ich manches auch fand (Beispiel Nic, der SWAT-Teamleiter), so fesselnd war es auch. Auch der Schluss war natürlich ziemlich unglaubwürdig, aber eigentlich macht's mir ausnahmsweise nicht viel aus, denn ja, ich würde schon ganz gern weiter von der Spectrum-Truppe lesen. Also: Nachfolger her!

Veröffentlicht am 03.07.2017

Left For Dead

Wer schön sein will, muss sterben
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Da ist ein Foto: ein wunderschönes Mädchen, gebrochen und blutig inmitten eines Rosenbusches. Dieses Mädchen ist die 16jährige Jane, die gerade im Krankenhaus erwacht ist und sich nicht mehr erinnern ...

Da ist ein Foto: ein wunderschönes Mädchen, gebrochen und blutig inmitten eines Rosenbusches. Dieses Mädchen ist die 16jährige Jane, die gerade im Krankenhaus erwacht ist und sich nicht mehr erinnern kann, was passiert ist. Jane fotografiert in ihrer Freizeit leidenschaftlich, doch dieses Foto von ihr stammt von einem Polizeifotograf und ist nicht arrangiert. Jemand hat sie mit dem Auto angefahren, für tot gehalten und zurückgelassen. Als wäre das nicht schlimm genug, erhält sie Anrufe, in der ihr jemand droht, sie endgültig umzubringen, doch stimmt das wirklich? Ihr Psychiater und selbst ihre Freunde und Verwandten vermuten, sie hat Halluzinationen aufgrund der starken Drogen, die die Ärzte ihr verpasst haben. Jane muss sich erinnern, was nach der Party passiert ist, denn dann weiß sie, ob sie verrückt wird oder wirklich ein Mörder hinter ihr her ist.

Für einen Jugendthriller fand ich das Ganze schon spannend. Sicher, manche Gedankengänge konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, zum Beispiel die Bereitschaft von Jane, sich für Beliebtheit total zu verbiegen und sich von ihrem Freund übelst manipulieren zu lassen. Auch kann ich aus eigener Erfahrung (ja, doch, ich war auch schon 16!) sagen, dass nicht alle Leute auf der Welt heiß, cool und reich sind - diesen Eindruck konnte man beim Lesen hier durchaus bekommen. Doch die psychischen Spielchen hier haben mich überzeugt und ich habe bis zum Schluss zwischen zwei Personen geschwankt, die dahinter stecken mochten, was bedeutet, dass es nicht mega auffällig inszeniert war, im Gegenteil. Zum Mitraten gab es genügend, da sich dem Leser ja wie Jane vieles erst so nach und nach mit ihren Erinnerungsfetzen erschloss. Als Gesamtpaket also ein spannender Jugendthriller mit einer nicht immer sympathischen, aber wahrscheinlich relativ authentischen Protagonistin.

Veröffentlicht am 22.06.2017

Selbst Monster fürchten sich im Dunkeln

Verdorbenes Blut
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Shawn Castillo war einmal ein Elitesoldat, Special Forces, Super Soldier. Dann geriet er in Afghanistan in die Hände der Taliban, wurde gefoltert und erst im letzten Moment befreit. Seitdem er zurückgekehrt ...

Shawn Castillo war einmal ein Elitesoldat, Special Forces, Super Soldier. Dann geriet er in Afghanistan in die Hände der Taliban, wurde gefoltert und erst im letzten Moment befreit. Seitdem er zurückgekehrt ist in die Heimat nimmt er Securityjobs an, bis sein ehemaliger Vorgesetzter ihm einen Auftrag gibt, der das pure Grauen verspricht. Aus einer geheimen Forschungseinrichtung sind sechs Jungen geflohen und haben vorher einige Mitarbeiter des Instituts ermordet. Auch auf ihrem Weg quer durch die Staaten morden sie weiter, und Castillo erfährt bald, warum: Sie sind die Klone der schlimmsten Serienmörder aller Zeiten - Ted Bundy, Ed Grein, Jeff Dahmer ...

Harter Tobak, ganz ehrlich. Ich mag keine heldenhaften Amisoldaten als Helden einer Story, doch zum Glück hatte Girard nicht vor, diese Spezies in den Himmel zu loben. Im Gegenteil, seine Kritik an der amerikanischen Außenpolitik, an ihrer Kriegstreiberei, an ihren Lügen und der Manipulation der Massen war deutlich zu erkennen. Auch an den geheimen Forschungseinrichtungen und den Milliarden an Steuergeldern, die für mögliche Kriegseinsätze vergeben werden, lässt er kein gutes Haar. Ob es möglich ist, Serienkiller zu klonen, weiß ich nicht, für mich klangen die wissenschaftlichen Erklärungen wissenschaftlich fundiert genug. Zwischendurch waren mir Castillo, Kristin und Ox ein wenig zu menschlich und heldenhaft für das, was sie eigentlich darstellten, aber dafür war die Story spannend und hat im Gegensatz zu vielen anderen Thrillern den Vorteil, dass man auch später noch gern darüber nachdenkt, denn irgendwann weiß man nicht mehr genau, wer die eigentlichen Monster sind: Die Klone, die aus Lust und Freude morden oder diejenigen, die sie geschaffen haben?

Veröffentlicht am 20.06.2017

Verrohung der Natur

Der natürliche Lauf der Dinge
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Das ist ein krasses Buch, das ich wirklich nicht jedem empfehlen kann. Wer noch immer davon träumt, Prinzessin zu sein und von dem Prinzen auf dem weißen Pferd entdeckt zu werden, sollte die Finger davon ...

Das ist ein krasses Buch, das ich wirklich nicht jedem empfehlen kann. Wer noch immer davon träumt, Prinzessin zu sein und von dem Prinzen auf dem weißen Pferd entdeckt zu werden, sollte die Finger davon lassen. Hier gibt es Realismus in seiner brutalsten Form.

Yolanda und Verla sind zwei junge Frauen, die plötzlich drogenbenehmelt in einem Camp in der australischen Wüste erwachen und dort auf acht weitere Frauen treffen, die alle entführt worden sind und sich hier wiederfanden. Das Camp mit einem KZ zu vergleichen ist nicht zu hoch gegriffen: Den Frauen werden die Köpfe geschoren, sie müssen in glühender Hitze aneinandergekettet marschieren, eine Straße bauen und ständig damit rechnen, von den beiden brutalen Wärtern mit einem Knüppel verprügelt zu werden. Sie werden gedemütigt, es wird versucht, ihnen ihre Identität zu nehmen. Sexuelle Übergriffe bleiben nicht aus. Und dann fällt eines Tages der Strom aus - nur der elektrische Zaun ringsum des Camps nicht, da an einen anderen Stromkreis angeschlossen. Plötzlich stehen sie vor dem Verhungern, denn es gibt auch keine Möglichkeit, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, nicht einmal für die Wärter ...

Eigentlich ist dieses Buch nur durch seine relativ distanzierte Schreibweise zu ertragen, wobei es distanziert auch nicht wirklich trifft, vielleicht sachlich? Die meiste Zeit erfahren wir die Ereignisse aus der Sicht von Verla und Yolanda - wobei dabei auch zwischen Präsens und erzählendem Präteritum gewechselt wird, was das Ganze intensiver macht. Nach und nach sind es nicht nur die brutalen Wärter, die verrohen, sondern auch die Frauen, Schritt für Schritt, Tag für Tag nähern sie sich wilden Tieren an, nur noch auf das reine Überleben bedacht. Gleichzeitig gibt es verschiedene Cope-Mechanismen, um mit der unerträglichen Situation fertig zu werden, und manche geben einfach auf und bringen sich um. Wenn ich etwas an dem Buch zu bemängeln habe, dann dass die Frauen bis zum Schluss nicht versuchten, ihre einzigen beiden Wärter zu überwältigen - ist das realistisch? Zehn Frauen, gequält bis aufs Blut, und die Wärter, die oft genug auch allein bei ihnen sind? Auch dass keine wenigstens versucht hatte, sich unter dem Zaun durchzugraben, fand ich seltsam. Trotzdem ist das ein Buch, das man sacken lassen muss, das sich immer wieder in die Gedanken schleicht, vor allem, weil es auch ein ziemlich offenes Ende gibt, das zwei Fragen aufwirft: Warum wurde mit den Frauen getan, was getan wurde und was könnte noch schlimmer sein als das, wie es am Ende angedeutet wurde?

Veröffentlicht am 15.06.2017

Dem Frassek sein Fall

Dem Kroisleitner sein Vater
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Frassek ist Berliner, was, wie die Leute in der Steiermark wissen, auch noch in Deutschland liegt. Was sie anfangs nicht wissen, ist, dass er Polizist ist. Einer mit Problemen. Fall vergeigt, Frau weg, ...

Frassek ist Berliner, was, wie die Leute in der Steiermark wissen, auch noch in Deutschland liegt. Was sie anfangs nicht wissen, ist, dass er Polizist ist. Einer mit Problemen. Fall vergeigt, Frau weg, Tochter redet nicht mit ihm: er braucht eine Auszeit. Als er in dem kleinen Dorf in Österreich wandern geht, geschieht ein Mord, und alle wissen, das muss der Leibhaftige gewesen sein, der dem Kroisleitner seinen Vater ermordet hatte, und wer bietet sich als Leibhaftiger eher an als ein Berliner? Doch Beweise sind rar gesät und die Aktionen der österreichischen Polizei eher verzweifelt als zielführend; und dann kommen auch noch die Fliegen, die Raben, die Marder und Füchse und nach und nach alles ans Licht, selbst die Sachen, die vor über 70 Jahren passiert sind. Frassek muss den Fall lösen, sonst löst der Fall ihn.

Schult hat bestimmt Spaß beim Schreiben gehabt. Hier wird überzeichnet, was das Zeug hält, sowohl was österreichische Hinterwäldler als auch großschnäuzige Berliner angeht. Das ist vielleicht nicht jederlesers Sache, ich fand es meistens amüsant. Der Fall nimmt öfter mal abrupte Wendungen, die Personen werden skurriler und Frassek, der gerade mal etwas über 40jährige Berliner findet, dass Handys und Smartphones Neuland sind. Ich fand, dass gerade zum Schluss nicht alles bis zur letzten Zufriedenheit gelöst wurde, auch wenn man sich seinen Teil denken kann, auch wurden mir manche Kapitel zu abrupt beendet, wo ich gern mehr erfahren hätte. Trotzdem ist das ein durchaus empfehlenswertes Buch für die Hängematte, eines, das auch noch den ein oder anderen Nachfolger vertragen kann.