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Veröffentlicht am 31.03.2019

Gelungene Fortsetzung einer großen Familiengeschichte

Möge die Stunde kommen
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Einleitung:

Titel: Möge die Stunde kommen
Autor: Jeffrey Archer
erschienen: 2016
Genre: Historischer Roman
Zeitraum: 1970 - 1978

Der Prozess zum Anfang des Buches ist die perfekte Überleitung ...

Einleitung:

Titel: Möge die Stunde kommen
Autor: Jeffrey Archer
erschienen: 2016
Genre: Historischer Roman
Zeitraum: 1970 - 1978

Der Prozess zum Anfang des Buches ist die perfekte Überleitung von Band 5 zu Band 6. Als ich am Ende des 5. Teils mitten im Prozess das Buch zuklappen musste, lag nichts näher, als unbedingt den 6. Teil zu lesen. Jeffrey Archer versteht es vortrefflich an der spannendsten Stelle aufzuhören um genau dort auch wieder einzusetzen.
Meine Erwartungshaltung an den 6. Teil war entsprechend hoch.

Handlung:

Zum Auftakt steht Emma Clifton wegen des Verleumdungsprozesses, den Virginia Fenwick gegen sie angestrengt hat, wieder im Gerichtssaal. Obwohl Virginia der Meinung ist, dass sie den Prozess so gut wie gewonnen hat und sie Emma endlich den wirtschaftlichen und persönlichen „Todesstoß“ verpassen kann, gewinnt Emma den Prozess. Nach diesem Prozess nimmt sie ihren Platz als Vorstandsvorsitzende bei Barringtons wieder ein. Später wird sie auch Mitglied eines Klinikbeirates in dem sie in der Folge zur Vorsitzenden wird. Zusätzlich nimmt sie ein Engagement als Mitglied des Parteiausschusses der Torries an und wird damit zur politischen Gegnerin von Giles. Aber Margaret Thatcher ist ihre Favoritin, die sie aktiv unterstützen will.

Harry Clifton widmet sich in diesen Jahren intensiv der Schreiberei. Seine Bücher werden erfolgreich in den USA verlegt und er schafft es mit jedem Buch auf die Bestsellerlisten. Vor allem Anderen versucht er jedoch das Buch „Onkel Joe“ des russischen Autors Anatoli Babakow in den USA verlegen zu lassen. Dies erweist sich als sehr schwierig und wieder einmal hat Harry es mit den Behörden zu tun und landet sogar im russischen Gefängnis.

Giles Barringtons politische Karriere ist geprägt von Skandalen und vielen Höhen und Tiefen. Eine Zeitlang scheint es, als müsse er seine politische Karriere ganz beenden. Da er aber beliebt und ein fähiger Politiker ist, landet er trotz allem immer wieder auf den Füßen und schafft es bis zum Leader of the Lords – dem Führer des Oberhauses. Privat ist er mit der Deutschen Karin Brandt liiert, die er heiratet. Es sieht so aus, als hätte er nach 2 gescheiterten Ehen endlich die Frau gefunden, mit der er glücklich wird. Aber Karin birgt ein dunkles Geheimnis, um das Harry weiß und ihn in einen inneren Konflikt stößt.

Sebastian Clifton macht Karriere. Nachdem Samantha ihn verlassen hat, arbeitet er teilweise exzessiv im Vorstand der Farthings Bank. Sein ärgster Feind Adrian Sloane erschleicht sich den Vorstandsvorsitz, doch schon bald kann Sebastian ihn mithilfe eines fremden Geschäftsmannes – Hakim Bishara – aus dem Unternehmen drängen. Bishara und Sebastian werden nicht nur Kollegen sondern auch Freunde, die sich vielen Problemen gegenüber sehen.
Privat hat Sebastian zunächst wenig Glück. Das indische Mädchen Priya Ghuman hat es ihm angetan, doch diese soll verheiratet werden. Bei dem Versuch, sie aus Indien zurück nach England zu entführen, wird Priya erschossen. In den USA hat er seine Ex-Verlobte Samantha und ihre gemeinsame Tochter Jessica ausfindig gemacht. Nach dem Tod von Sams Ehemann schafft es Jessica mit viel Witz, Intelligenz und Charme ihre Eltern wieder zu vereinen und diese sogar zur Hochzeit zu bewegen.

Virginia Fenwick entwickelt sich nachhaltig zu einer Intrigantin, die allen, die in ihrer Nähe sind, das Leben schwer macht. Stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht, nutzt sie jede Gelegenheit ihren ausschweifenden Lebensstil mit fremdem Geld zu finanzieren. Darüber hinaus verfolgt sie nach wie vor das Ziel Emma zu stürzen und Giles‘ Karriere zu ruinieren.

Meine Meinung:

Emma und Harry Clifton nehmen in diesem Teil des Buches deutlich weniger Platz ein, als in den 3 vorangegangenen Teilen. So manche Entwicklung in ihrem Leben wird zwar erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Das fand ich einige Male schade, weil ich glaube, dass dort noch mehr Geschichte hätte liegen können. Zum Beispiel wird Emma zu Giles‘ politischer Gegnerin, aber dies kommt überhaupt nicht weiter zum Tragen, obwohl hier sicherlich Interessenskonflikte zu erwarten gewesen wären.
Emma arbeitet viel und man fühlt mit ihr, aber offensichtlich hat sie endlose Energie, denn nie beklagt sie sich oder fällt aus. Aber die eigentliche Arbeit kommt in dieser Geschichte etwas kurz. Darüber hinaus hat jeder von uns auch schlechte Tage. Emma nicht! Man fühlt sich bisweilen etwas entfremdet. Bisher waren Emma und Harry die Hauptfiguren für mich, jetzt hat sich eine gewisse Distanz aufgebaut und ich hatte das Gefühl, als sollte ich an ihrem Leben nicht mehr so intensiv teilnehmen.

Über Harry erfahren wir diesmal wie er versucht das Buch „Onkel Joe“ in den USA verlegen zu lassen und mit welchen Schwierigkeiten er dabei konfrontiert wird. Allerdings erscheint mir dieser Handlungsstrang sehr weit hergeholt. Dass sich ein Mensch mit fotografischem Gedächtnis eine Liste mit Namen merken kann, ist für mich nachvollziehbar. Dass er sich ein ganzes Buch merken kann, welches er vom Autor in 3 Tagen erzählt bekam, und aus dem Kopf aufschreibt, halte ich aber doch für eher unglaubwürdig. Darüber hinaus kann ich mir nicht vorstellen, dass die Russen ihn ausgerechnet mit dem Autoren in eine Zelle setzen würden.
Kurz vor der Verleihung des Nobelpreises stirbt Babakow und bis zum Ende des Buches wird nicht klar, ob er wirklich eines natürlichen Todes gestorben ist oder ob er umgebracht wurde. Ich könnte mir letzteres gut vorstellen. Jelena Babakowa nimmt den Nobelpreis stellvertretend für ihren Mann in Empfang und Harry hält eine Rede vor dem Publikum in Gedenken an Babakow. Diese Rede brachte mir mit ihrer Gefühlsgewalt eine Gänsehaut. Sie hat mich tief berührt und der letzte Satz dieser Rede wird mir wohl im Gedächtnis bleiben: „Die Feder ist stärker als das Schwert!“ Mit diesem Satz löste Harry auch und gerade im russischen Volk etwas aus. Wo immer er hinkam hielten Menschen in stummem Protest einen Stift in Höhe. Das erinnerte mich daran, dass gerade die stummen, immer wieder kehrenden Proteste es sind, die am Ende ihr Ziel erreichen.
Trotz aller Fiktion war diese Episode spannend beschrieben und ich habe mit Harry und Anatoli mitgefiebert, ob Harry es schafft.

Über das Privatleben von Harry und Emma erfährt man bedauerlicherweise nicht mehr viel. Konflikte scheint es in ihrer Beziehung nicht zu geben und als Leser stellt man sich die Frage, ob möglicherweise für Konflikte im Privaten gar keine Zeit mehr ist.

Maisie Clifton wird 70. Diese Gelegenheit nutzt der Autor um eine Rückblende auf die ersten Teile zu schreiben. Das gefiel mir ausgesprochen gut und ich fand sie am Anfang des Buches gut platziert. Mir hat dieser Rückblick geholfen mich zu erinnern, aber ich denke, für jemanden der die ersten Teile nicht gelesen hat, reicht sie nicht aus. Ich habe mich auch gefreut, überhaupt etwas von Maisie zu lesen. Sie war in den letzten beiden Teilen überhaupt nicht mehr präsent, obwohl ich diese Figur wegen ihrer Stärke wirklich mochte. Die Geburtstagsfeier ist überaus lebendig beschrieben, sodass der Leser das Murmeln der vielen Gespräche beinahe hören kann.
Später stirbt Maisie und ich habe mit Harry geweint und getrauert. Einmal mehr hat Jeffrey Archer nicht mit Gefühl gespart. Die bedrückte Stimmung war spürbar insbesondere durch die emotionale Rede, die Harry hält. Ich habe mich am Ende des Buches gefragt, ob Jeffrey Archer während seiner Zeit als Politiker auch solche Reden gehalten hat.

Giles Barringtons Karriere erfährt durch die Veröffentlichung des Briefes, der Emma zum Freispruch verhilft, zunächst einen Knick. Dennoch muss er der Politik nicht gänzlich den Rücken kehren. Dies hätte ich auch außerordentlich bedauert, denn er ist einerseits ein Sympathieträger und andererseits wäre er für Virginia Fenwick nicht mehr angreifbar. Er ist nicht frei von Skandalen, aber seinem Ruf schadet dies nie lange. Im Gegenteil, eben diese Vorfälle machen ihn menschlich und für den Leser glaubwürdig.
Einer seiner Skandale heißt Karin Brandt, eine junge Deutsche aus der DDR, die er bei einer Reise dorthin kennen- und lieben lernt. Dass die Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen, habe ich lange bezweifelt. Karin ist Stasiagentin, die auf Giles angesetzt ist. Als Karin vom MI6 enttarnt wird, wird sie als Doppelagentin angeworben. Ein interessantes Katz- und Mausspiel beginnt, welches für meine Begriffe deutlich mehr Potential gehabt hätte. Leider erfährt der Leser zu wenig darüber. Gleichzeitig vertiefen sich ihre Gefühle für Giles und ich hätte mir gewünscht, dass Giles eines Tages hinter ihr Geheimnis kommt und ihr dennoch vergibt. Insgesamt hatte ich gehofft, dass dieser Handlungsstrang intensiver würde. Mich hätten die persönlichen Konflikte interessiert, die Karin mit sich und Giles gegenüber auszustehen hatte, wie sie sich immer wieder herauswindet um nicht ertappt zu werden usw. Auch habe ich mir immer die Frage gestellt, wie Karin überhaupt zur Stasi gekommen ist. Bis zum Ende bleiben die Verstrickungen von Stasi, MI6 und dem Premierminister unklar.

Sebastian Clifton ist inzwischen zum Mann gereift, der seine ganz eigenen persönlichen und beruflichen Schlachten zu schlagen hat. War er im letzten Teil noch sehr jung und in der Rolle des Rebellen zu finden, hat er sich jetzt zum Businessman entwickelt, der hart an seiner Karriere arbeitet. Er sieht sich den gleichen Feinden wie seine Mutter gegenüber und in Hakim Bishara findet er einen vertrauenswürdigen Mitstreiter und Freund. Interessant fand ich, wie die beiden sich kennenlernten und ich habe mich gefragt, ob beide oder zumindest einer von ihnen tatsächlich so viel Menschenkenntnis haben kann, wie notwendig gewesen sein muss. Zunächst ist die Figur Hakim Bishara nur eine Nebenrolle, die sich jedoch schnell zu einer Hauptfigur entwickelt, die sicherlich auch im nächsten Teil eine Rolle spielen dürfte.
Im Privaten geht es für Sebastian drunter und drüber. Nach der Trennung von Sam war er an einer neuen Beziehung nicht interessiert – bis Priya Guhman seinen Weg kreuzt. Und weil bei den Cliftons nie etwas glatt geht, soll Priya in Indien verheiratet werden. Sebastian versucht sie in einer nervenaufreibenden Aktion nach England zurück zu entführen. Eine wirklich tolle Szene bei der man einfach nur hofft, dass sein Plan aufgehen möge. Das Tempo steigert sich teilweise ins Unerträgliche und genau in dem Moment, in dem man meint, jetzt haben sie es geschafft, kommt der große Knall. Man bedauert Sebastian und hofft, dass er sich von diesem Fehlschlag wieder erholen möge. Mit dem Schusswechsel endet diese Szene. In der nächsten Perspektive ist Sebastian wieder wohlauf und einsatzfähig. Was in der Zwischenzeit passiert, bleibt unklar.
Sebastians Tochter Jessica hat offenbar die Empathie von Maisie und die Intelligenz der Clifton-Familie geerbt, denn sie ist es, die es schafft ihre Eltern unter schwierigen Umständen wieder zu vereinen. Auch hier sind die Abfolgen spritzig, mit Wortwitz und sehr viel Charme geschrieben. Das kleine Mädchen wird zum neuen Star des Buches und man möchte noch so viel mehr über sie wissen. Hier setze ich auf Teil 7.

Jedes gute Buch braucht seine Feinde. In diesem Fall sind dies Virginia Fenwick, Adrian Sloane und Desmond Mellor. Alle drei sind daran interessiert den Cliftons und Barringtons zu schaden – egal wie. Bei jeder neuen Intrige habe ich gedacht, ihr schafft das sowieso nicht. Ich muss gestehen, dass sich so etwas wie Schadenfreude breitmachte, wann immer ihr Plan nicht aufging. Als Mellor im Gefängnis landet, habe ich gedacht „das hast Du verdient“. Die Figur der Virginia Fenwick hat sich im Laufe der Zeit auch mehr und mehr zu einer Hauptrolle entwickelt und ich vermute, dass sie auch in Teil 7 weiter ihr Unwesen treibt – gerade jetzt, da sie an allen Fronten verloren hat. Jegliche Geldquellen, auf die sie dauerhaft gesetzt hatte, sind versiegt. Ein Grund mehr, dass sie keinen Grund hat, in Teil 7 klein beizugeben.

Zum ersten Mal ist mir aufgefallen, dass Jeffrey Archer mit dem Stilmittel des offenen Endes arbeitet. In den Vorgängerromanen war dies nicht so präsent. Sowohl bei Dialogen, die mitten im Satz enden als auch in seinem Epilog. Während er bei Teil 1 bis 5 genau ein offenes Ende stehen ließ, bei dem er im nächsten Teil direkt ansetzte, hat er diesmal viele offene Enden gelassen. Ich bin sehr gespannt, wann und wie er diese vielen offenen Enden wieder aufnehmen will.

Eine Ungereimtheit, die sich aber vielleicht ebenfalls in Teil 7 klärt, ist die Frage, woher Giles plötzlich wusste, dass die Baroness Cynthia Forbes-Watson beim MI6 war. Bislang war er darüber nicht in Kenntnis und hat sich stets gefragt, welche Position sie einnimmt. Aber plötzlich im Epilog wusste er davon. Woher?

Jeffrey Archers eigene Biographie findet sich immer mal wieder in dieser Reihe. So dürfte er selbst die Vorlage für Giles Barringtons politische Karriere sein ebenso wie die für Harrys Schriftstellerei. Auch die Gefängnistagebücher aus einem früheren Teil entstammen seiner eigenen Vita. Im 6. Teil will Desmond Mellor durch Virginia Fenwick in den Adelsstand gehoben werden. Auch hier hat Archer ganz eigene Erfahrung und weiß mit Sicherheit, dass Virginia hier hätte gar nicht helfen können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Hakim Bishara muss sich vor der Ethikkommission der Bank of England wegen Insidergeschäften verantworten. Auch diesen Vorwurf hat er selbst ertragen und vereitelt. Der Prozess gegen Emma wegen Verleumdung wird meiner Meinung nach auch auf dieses Konto gehen. Ich finde es spannend und interessant zu lesen, wie Menschen aus ihrem eigenen Leben einen solch schillernden Roman machen können. Es ist durchaus empfehlenswert sich auch einmal mit dem Menschen Jeffrey Archer zu befassen.

Fazit:

Das Buch hat mit seiner spritzigen Art meine Erwartungen erfüllt, auch wenn die Geschichte diesmal viel im Finanzwesen und in der Politik, dafür aber weniger im privaten Bereich der Familien Clifton und Barrington angesiedelt ist. Darüber hinaus findet sehr deutlich ein Generationenwechsel statt. Während der 3. bis 5. Teil von Emmas, Harry und Giles‘ Leben getragen wurden, steht diesmal eher Sebastian im Vordergrund. Die vermeintlichen Nebenfiguren nehmen mehr Platz ein, sodass sich die Geschichte aus dem Schoß der Familie nach außen verlagert.
Das Buch ist – ebenso wie seine Vorgänger - absolut lesenswert und der Schluss mit den vielen losen Enden macht Lust auf den 7. Teil. Wer die anderen Teile gelesen hat, wird dieses Buch mit ebenso viel Freude lesen. Wer die ersten Teile jedoch nicht kennt, sollte eher erst diese lesen, damit er die Zusammenhänge verstehen kann.
Da mir das eine oder andere Thema nicht ausführlich genug beschrieben ist, gibt es von mir 4 Sterne.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Zu wenig Krimi um wirklich gut zu sein

Mein ist die Rache
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Nachdem ich den 2. Teil gelesen hatte, ergab sich für mich an dessen Ende die Frage, wieso Deborah nicht Lynley sondern St James geheiratet hat, welche Vergangenheit Barbara Havers und Lynley miteinander ...

Nachdem ich den 2. Teil gelesen hatte, ergab sich für mich an dessen Ende die Frage, wieso Deborah nicht Lynley sondern St James geheiratet hat, welche Vergangenheit Barbara Havers und Lynley miteinander teilen und was es mit dem Autounfall auf sich hat, bei dem St James‘ Bein so schwer verletzt wurde. Deshalb griff ich zu Band 1 „Mein ist die Rache“ und war recht erwartungsvoll, all diese Fragen beantwortet zu bekommen.

Handlung:

Deborah kommt aus den USA nach Hause. Während ihrer Zeit dort war sie Thomas Lynley näher gekommen – so nah, dass sie sich verloben wollen. Deborahs Vater ist der Bedienstete von St James, der, nach dem Tod von Deborahs Mutter, wie ein Vaterersatz, Bruder und Onkel für Deborah war. Im Laufe der Geschichte wird allerdings klar, dass Deborah und St James deutlich mehr als nur familiäre Gefühle für einander hegen. Ein tiefer Konflikt, der aus eben diesen Gefühlen entstanden ist, verbindet und trennt die beiden gleichermaßen.
Die Verbindung zwischen Deborah und Thomas Lynley ist romantischer Natur, weshalb es nur allzu offensichtlich erscheint, dass die beiden heiraten wollen. Nicht jeder sieht dieser Verbindung jedoch wohlwollend entgegen.
Zwischen St James und Lynley schwelt aus eben diesem Grunde ein weiterer Konflikt, der aber nie wirklich ausgesprochen wird. Beide haben genug mit ihren eigenen Gefühlen dem anderen und Deborah gegenüber zu schaffen.
Zu ihrem Verlobungswochenende in Howenstow lädt Lynley neben St James auch dessen Freundin Helen sowie dessen Schwester Sidney nebst ihrem Freund Justin Brooke ein. Sein Bruder Peter und dessen Freundin Sasha kommen eher zufällig aus völlig anderen Gründen ebenfalls hinzu. Während eines relativ festen Rahmenprogramms kommt es einerseits zu offenen Konflikten und Streitigkeiten zwischen den Familienmitgliedern, die aus der Vergangenheit resultieren, und andererseits zu mehreren scheinbaren Unfällen.
Lynley ist Ermittler bei New Scotland Yard, St James labortechnischer Ermittler. Beide arbeiten seit Jahren zusammen und sind zudem die besten Freunde. Da die Verstorbenen gute Bekannte der Familie Asherton sind, ist es nur natürlich, dass Lynley und St James die Ermittlungen aufnehmen und in einem ziemlich verstrickten Fall den Täter enttarnen können.

Meinung:

Das Hauptaugenmerk des Romans liegt auf der Familie Asherton, ihren Beziehungen zueinander und deren Vergangenheit. Dem Leser wird die Familie und ihre Vergangenheit bekannt gemacht. Schnell wird klar, dass hinter der glänzenden Fassade längst nicht alles so rein ist, wie es scheint. Leider sind diese familiären Verstrickungen teilweise so verwirrend, dass es schwierig wird, der Geschichte zu folgen. Am Anfang finden sich viele Namen und kurze Handlungsstränge, die zunächst so überhaupt nicht in die Geschichte passen wollen. Es wird irgendwann schwierig, sich all das zu merken und dann wieder einzutauchen, wenn es an einem dieser Stränge weiter geht.

Für meine Begriffe kommt der erste Tod zu spät im Buch. Etwa das halbe Buch hat man gelesen, bevor es wirklich spannend zu werden scheint. Bis dahin befasst sich der Roman recht intensiv mit den unterschiedlichen Charakteren und ihren Beziehungen zueinander, aber auch hier wird oftmals nicht wirklich klar, worin die Konflikte tatsächlich bestehen. Es fiel mir schwer einen wirklich Guten oder wirklich Bösen ausfindig zu machen, denjenigen Protagonisten, mit dem ich mitfiebern wollte.
Aus diesem Grunde empfand ich das Buch anfänglich als unglaublich zäh.

Wenn eine Szene erst einmal Fahrt aufgenommen hatte, dann war sie durchaus spannend, aber viel zu schnell steckte man dann wieder in den Familienkonflikten und musste darauf warten, dass die nächste ermittelnde Szene kommt. Denn genau diese Szenen sind es ja, die einen wirklich interessieren, wenn man einen Krimi liest.

Der Schreibstil lässt sich gut lesen, die Sätze sind klar formuliert ohne große Schnörkel oder extreme Verschachtelungen. Auch verliert sich die Autorin nicht in zu vielen Details. Das England ihrer Geschichte ist gut beschrieben und sie schafft es, dem Leser ein Bild zu vermitteln, selbst wenn er selbst noch nie dort war.

Fazit:

Wer viele Hintergrundinformationen zu Thomas Lynley wünscht oder ausführliche Familiengeschichten mag, ist hier richtig. Ob diese allerdings wirklich notwendig sind, wird sich wohl erst heraus stellen, wenn man weitere Bücher aus dieser Reihe gelesen hat. Wer einen guten Krimi bevorzugt, sollte gleich bei Teil 2 anfangen.
Von meinen Fragen wurde nur eine beantwortet, nämlich die, warum Deborah St. James im Auftakt des 2. Teils heiratet. Barbara Havers taucht zwar auf, aber nur als Momentaufnahme. Ebenso wird über den Unfall, den Lynley verursacht haben soll und bei dem St James‘ Bein so schwer verletzt wurde, gar nichts berichtet.
Deshalb gibt es von mir 2 Sterne.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Gegensätzliches Ermittlerduo löst brisanten Fall

Gott schütze dieses Haus
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Eher zufällig habe ich beim Stöbern in der Onlinebibliothek den Roman „Gott schütze dieses Haus“ von Elizabeth George entdeckt und, weil er gerade verfügbar war, ausgeliehen ohne eine besonders hohe Erwartung ...

Eher zufällig habe ich beim Stöbern in der Onlinebibliothek den Roman „Gott schütze dieses Haus“ von Elizabeth George entdeckt und, weil er gerade verfügbar war, ausgeliehen ohne eine besonders hohe Erwartung daran zu knüpfen, nicht zuletzt deshalb, weil es der erste Roman von Elizabeth George war, den ich las.

Handlung:

Pater Hart bittet New Scotland Yard persönlich um Hilfe in einem Mordfall, der in einem kleinen Dorf in Yorkshire geschehen ist. Der Fall wird Inspector Lynley übertragen, der gemeinsam mit der wenig beliebten Barbara Havers ermitteln soll. Während die beiden in einem grausamen Fall von Kindesmissbrauch versuchen den Täter zu finden, lernen sie sich wie nebenbei besser kennen, was anfangs aufgrund diverser Vorurteile als unmöglich erschien.
Barbara unterstellt Lynley, er sei ein Snob und Weiberheld, der quasi schon jede Kollegin verführt hätte – außer ihr selbst natürlich. Sie fühlt sich hässlich und tut alles dafür, dass sie genau das nach außen trägt. Auch ist ein Hauch von Neid auf seine adelige Herkunft ein Grund für ihre Vorurteile gegen ihn. Immerhin entstammt sie einer völlig anderen Klasse.
Lynley hingegen weiß um Barbaras schlechten Ruf und die Tatsache, dass sie wegen persönlicher und dienstlicher Verfehlungen degradiert wurde. Und ausgerechnet er, der als einer der besten Ermittler bekannt ist, soll nun mit ihr ermitteln. Konflikte sind also vorprogrammiert.
Dennoch bringen Inspector Lynley und Sergant Havers alles Können mit, was ein gutes Ermittlerteam ausmacht. Es muss – zumindest in Barbaras Fall – nur abgefordert werden. Und Lynley scheint hier die passende Persönlichkeit zu sein.

Während der Ermittlungen stoßen Lynley und Havers auf zahlreiche Ungereimtheiten, viele Menschen, die etwas zu berichten haben, ohne dass einem sofort klar wäre, in welchem Zusammenhang die Aussagen zum Fall stehen. Überdies müssen sie sich den Anfeindungen einiger Dorfbewohner und insbesondere der ansässigen Polizei stellen, welche auch dazu führen, dass es für Lynley schwierig ist an alle Informationen und Ermittlungsberichte heran zu kommen. Schließlich ist es St. James, Lynleys bester Freund und frisch gebackener Ehemann seiner Ex-Verlobten Deborah, der ihm während seiner eigenen Flitterwochen dabei hilft, früher sichergestelltes Beweismaterial ein weiteres Mal labortechnisch zu untersuchen um zur Aufklärung des Falles beizutragen…

Bewertung:

Nachdem ich ungefähr das erste und zweite Kapitel brauchte um mich in die Welt von Lynley und Havers einzulesen, empfand ich die Protagonisten als glaubwürdig. Barbara ist mit ihrer ablehnenden Haltung zu allem zunächst überaus unsympathisch, im Verlauf der Handlung beginnt man aber zu verstehen, warum sie so denkt und handelt, wie sie es tut. Sehr langsam gewinnt sie an Sympathie oder zumindest an Verständnis.
Lynley mochte ich auf Anhieb, wenngleich er mir sehr weit weg erschien, etwas abgehoben vielleicht. Später ist es so, als würde man ihn – zusammen mit Barbara – kennen lernen.

Der Schreibstil von Elizabeth George ist angenehm zu lesen und der Handlung kann man gut folgen. Es dauert nur eine Weile bis man sich mit den vielen Nebenfiguren zurecht findet. Da der Fall in einem kleinen Dorf spielt, sind viele Dorfbewohner miteinander verwandt oder verschwägert, sodass man den Überblick über die Verwandtschaftsverhältnisse verlieren kann.
Interessant finde ich das Verhältnis zwischen den Schwestern Gillian und Roberta und ich hätte mir ein längeres Gespräch zwischen den beiden gewünscht, welches etwas mehr über ihr früheres Verhältnis zueinander und zu ihrem Vater offenbart und vielleicht auch die Frage geklärt hätte, warum Gillian Roberta nicht mitgenommen hat, da sie doch wusste, was ihr möglicher Weise bevor steht.
So grausam das Thema Kindesmissbrauch auch ist, ich finde es gut und in der Handlung nachvollziehbar beschrieben. Irgendwann, je mehr von dem ans Licht kommt, was das Opfer wirklich getan hat, kommt der Moment, in dem man beinahe froh ist, dass der Mörder es gefunden hat. Ich habe mir die Frage gestellt – auch vor dem aktuellen Hintergrund in der katholischen Kirche – ob es tatsächlich so einfach sein kann, pädophile Neigungen hinter Gottesfürchtigkeit zu verstecken.

Fazit:

Alles zusammengenommen halte ich dieses Buch für einen kurzweiligen Krimi mit einem Ermittlerduo, welches schon wegen seiner Gegensätzlichkeit für Spannung sorgen kann. Das Buch macht auf jeden Fall Lust auf den nächsten Teil.
Deshalb gibt es 4 Sterne.


Veröffentlicht am 17.03.2019

Ein must-have für jeden der Buchläden liebt

Das Mädchen, das im Buchladen gefunden wurde
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Auf der Suche nach einem Buch, welches zum Lesen üben für einen 9jährigen geeignet ist, fiel mir „Das Mädchen das im Buchladen gefunden wurde“ von Silvia Bishop in die Hände. Der Titel des Buches war es, ...

Auf der Suche nach einem Buch, welches zum Lesen üben für einen 9jährigen geeignet ist, fiel mir „Das Mädchen das im Buchladen gefunden wurde“ von Silvia Bishop in die Hände. Der Titel des Buches war es, weshalb ich noch in der Buchhandlung begann, das Buch zu lesen. Das Cover ist ansprechend und enthält alle wichtigen Details, auf die im Buch garantiert eingegangen wird.

Handlung

Property Miller wird als 5jährige in einem Buchladen vergessen und landet dort im Fundsachenschrank. Da niemand sie zu vermissen scheint, werden die Ladenbesitzerin Netty und ihr Sohn Michael Propertys neue Familie. Alle 3 leben und arbeiten im Buchladen und alle 3 lieben Bücher und ihren Buchladen. Aber Property hat ein Geheimnis, das sie nicht zu verraten wagt, weil sie glaubt, dass Netty und Michael sie dann nicht mehr mögen könnten.

Eines Tages gewinnen sie bei einer großen Tombola den größten und tollsten Buchladen der Welt „Das Bücherparadies“. Dafür geben sie ihr altes Leben und den alten Buchladen auf und ziehen um in die große, geheimnisvolle Welt des Bücherparadieses in dem kein Buch der Welt fehlt und welcher so ganz anders ist als jeder andere Buchladen. Allerdings fehlt auch der Gauner nicht, der versucht ihnen den großen Traum mit einem bösen Trick wieder zu zerstören. Da Eliot Pink dasselbe Geheimnis wie Property bewahrt, erkennt er ihres sofort, kann aber andererseits auch nur von ihr überführt werden.

Property und ihr grummliger Kater Gunther kommen Eliot Pink mit detektivischem Gespür bald auf die Schliche und mit Hilfe von Netty und Michael kann Property es auch beweisen.

Meine Meinung

Die Geschichte ist so niedlich und dabei spannend geschrieben, dass ich sie an einem Sonntagmorgen in einem Rutsch durchgelesen habe und hinterher fast ein bisschen traurig war, dass sie schon vorbei war. Die Handlung ist kindgerecht und nachvollziehbar.

Mir gefällt dabei besonders, wie beinahe unbemerkt, Sachkenntnisse vermittelt werden z.B. wann ungefähr begonnen wurde Bücher maschinell zu fertigen und woran man handgeschöpftes Papier erkennt. Auch ist Propertys innerer Konflikt so beschrieben, dass jeder es nachvollziehen kann und sich trotzdem fragt, warum sie Netty und Michael nicht einfach einweiht. Zunächst hatte ich überlegt, warum es für sie ohnehin so schwierig ist, den beiden zu erzählen, was sie plagt, denn normaler Weise würde sicher niemand erwarten, dass eine 5jährige lesen kann. Mein nächster Gedanke war, dass Netty und Michael zwar herzensgut zu Property sind, aber einfach nicht auf einen jüngeren Familienzuwachs vorbereitet waren und das Problem schlichtweg übersehen haben. Wirklich brillant beschrieben ist aber, wie Kinder durch zusehen lernen und nur deshalb konnte es überhaupt dazu kommen, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, dass Property nicht lesen kann.
Aber Property ist ein intelligentes Mädchen, mit dem sich Kinder ganz bestimmt identifizieren können. Sie ist die Heldin, die ihre Familie davor bewahrt alles zu verlieren.

Die Satzstruktur ist meiner Meinung nach einfach genug gehalten für Leser, die schon ein bisschen Leseübung haben. Für einen Erstklässler könnte der Umfang des Buches eventuell noch etwas groß sein, aber für Zweit- und Drittklässler halte ich es für absolut geeignet. Einziger Kritikpunkt meinerseits sind die teilweise doch recht schwierigen Namen z.B. Montgomery oder auch Property (wobei hier natürlich der Sinn des Namens wichtig ist!). Zumindest für deutschsprachige Kinder könnte es hier etwas holprig werden. Aber mit etwas Übung und häufigem Wiederholen wird auch ein junger Leser damit klar kommen.

Die Beschreibung der einzelnen Orte ist toll, besonders die des Bücherparadieses. Ebenso konnte ich mich ohne Schwierigkeiten in den alten Buchladen hinein versetzen. Die Autorin schafft es Bilder im Kopf zu komponieren, in die man sich als Leser nur noch fallen lassen braucht. Und dann kann man den Tee, der in der Tasse dampft, während die 3 lesen, riechen.

Fazit

Ein tolles Kinderbuch, welches ein must have für jeden ist, der – so wie ich – Buchläden liebt. Es ist die Leichtigkeit des Schreibstils, welche einen in die magische Welt der Bücher mitreißt. Dabei es ist unerheblich, ob man dieses Buch als Erwachsener im Stillen liest oder es laut von einem Kind vorlesen lässt. Es macht einfach Spaß und ist ein Fall für „Kann man gut noch einmal lesen!“
Deshalb: 5 Sterne.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Wenn Dein "Freund und Helfer" zu Deinem ärgsten Feind wird

Systemfehler
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Nachdem ich den Klappentext des Buches studiert hatte und feststellte, dass die Geschichte in Hamburg spielt, dachte ich, es könnte sich lohnen, dieses Buch zu lesen. Ich kenne die Vorgänger-Fehler nicht, ...

Nachdem ich den Klappentext des Buches studiert hatte und feststellte, dass die Geschichte in Hamburg spielt, dachte ich, es könnte sich lohnen, dieses Buch zu lesen. Ich kenne die Vorgänger-Fehler nicht, weshalb ich wenige Erwartungen haben konnte und völlig unvoreingenommen begann das Buch zu lesen.

Handlung

Frederik kommt in seine Heimatstadt Hamburg zurück, hat Vorsätze, was er verändern und welchen Erlebnissen er sich stellen will, nachdem er vor ihnen geflohen war. Hier erwarten ihn neben seinem besten Freund Niklas unterschiedlichste Menschen. Neue Kollegen, die seinen Vater und dessen furchtbare Machenschaften kannten und ihn immer wieder darauf ansprechen, seine Mutter, die offenbar ihr Leben völlig umkrempeln will und jemand, der sein Leben zerstören will.
Zunächst nehmen die Dinge ihren Lauf, er behauptet sich in der neuen Klinik durch Fachwissen und Engagement und findet auch den Weg zu seinem Freund zurück. Dieser hat seine ganz eigenen Probleme, die aus der gemeinsamen Vergangenheit resultieren, aber dennoch erhalten sich die beiden Männer ihre Freundschaft, die im Verlauf der Zeit schon viele Hürden überstehen musste.
Immer öfter und intensiver wird er jedoch mit seiner Vergangenheit konfrontiert bis sich die Situation dahin gehend zuspitzt, dass ihn seine Vergangenheit mit ganzer Wucht einholt und diese Begegnung beinahe tödlich verläuft.

Meine Meinung

Dieses Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend! Selbst wenn man die Vorgänger-Fehler nicht kennt, kann man der Geschichte folgen. Sie ist mit Rückblenden gespickt, die einen ahnen lassen, was in der Vergangenheit passiert sein muss, wie nachhaltig Frederiks und Niklas‘ gemeinsame Vergangenheit ist. Natürlich sind die Rückblenden nicht so ausführlich, dass man darauf verzichten könnte, die anderen Bücher zu lesen, aber sie genügen um die aktuelle Story zu verstehen und sich nicht in Unverständnis zu verheddern.
Frederik und Niklas verbindet eine lange Freundschaft, die aufgrund gemeinsamer Erlebnisse so massiv zu sein scheint, dass nichts sie ernsthaft erschüttern könnte. Diesen Umstand bringt die Autorin mit gekonnten Formulierungen und der Inszenierung von Situationen zum Ausdruck, in denen sich jeder wiederfinden kann. Frederik und Niklas sind so normal wie Du und ich, haben einen Beruf und ein privates Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Nach ein paar Seiten bekommt der Leser das Gefühl, als könnte man ihnen an der nächsten Straßenecke – oder eben in der Notaufnahme von St Georg oder im UKE – begegnen.
Das Krankenhausleben scheint mir – als jemandem, der mal Patient war, aber ansonsten keinen Einblick hinter die Kulissen hat – glaubhaft beschrieben. Fachbegriffe werden am Ende des Buches erklärt und die Hektik auf den Fluren der Notaufnahme bzw. bei den Einsätzen des Notarztes wird toll beschrieben. Man kann kaum so schnell lesen, wie sich die Spannungsbögen aufbauen.
Die ganz persönlichen Probleme und Konflikte kann man ausgesprochen gut nachempfinden. Es gelingt A.R. Klier ohne viele ausschmückende oder dramatische Details intensive Emotionen zu beschreiben, sodass der Leser mit den Protagonisten mitfühlen kann.

Die Welle der Vergangenheit baut sich über Frederik immer weiter auf. Der Leser kann diesem Verlauf wunderbar folgen und mitfiebern und in dem Moment, in dem die Welle über ihm zusammen bricht, möchte man nur noch, dass Frederik überlebt, denn DAS hat er gewiss nicht verdient. Bis zu einem bestimmten Punkt im Buch bleibt auch der Leser im Ungewissen, wer diese Welle maßgeblich aufbaut. Irgendwann kommt der aha-Effekt und danach möchte man nur die Frage nach dem Warum beantwortet haben.

Die Autorin arbeitet mit ständigen Perspektivwechseln, die Figuren entwickeln sich alle parallel bis der Moment kommt, an dem sich ihre Wege kreuzen. Es gelingt ihr, die einzelnen Passagen ausführlich genug zu halten, damit der Leser etwas Neues erfährt, aber dennoch kurz genug, dass er den roten Faden nicht verloren hat, wenn die Geschichte an anderer Stelle wieder einsetzt. Ich mag diese Art der parallelen Entwicklung sehr.

A.R. Kliers Schreibstil ist locker und leicht zu lesen. Man kann sich auf die Geschichte konzentrieren und in sie eintauchen, anstatt verschachtelte Sätze mehrfach lesen zu müssen, um ihren Sinn zu verstehen.
Details streut sie gekonnt ein, ohne ihnen den Vorrang zu geben. Wer in Hamburg lebt, weiß ziemlich genau, wo sie sich gerade befindet. Aber sie bleibt im Vordergrund immer bei der Handlung. Das gefällt mir ausgesprochen gut.

Die charakteristischen Eigenschaften von Mann und Frau werden perfekt beschrieben. Ich fand es herrlich beim Lesen öfter mal den Gedanken zu haben „Typisch Mann“ oder „Typisch Frau“ – wir kennen es alle und finden uns wohl gerade deshalb in ihren Figuren wieder.

Fazit

Alles in allem ein Roman, der sich zu lesen lohnt, selbst wenn man mit Krankenhäusern vielleicht nicht allzu viel anfangen kann und die Vorgänger-Fehler nicht kennt. Es geht um menschliche Höhen und Tiefen, um das Verarbeiten (oder auch das Verdrängen) von Traumata und in aller erster Linie um die Freundschaft zweier Männer und wie viel wert diese ist.

Es ist eine gänzlich neue Erfahrung einen Krimi zu lesen, bei dem die Tat am Ende passiert! Ein Grund mehr den nächsten Teil dringend in die Hand zu nehmen, denn es gibt noch so viel, was ich wissen will.