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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2020

Ran an den Speck!

Die neue Nebenbei-Diät
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Dass die Mehrheit von uns Wohlstandsbürgern sich getrost von ein paar Kilos verabschieden sollte, ist eine Binsenweisheit. Lebensmittelindustrie, Fitnessbranche, Gesundheitsapostel, Hausärzte lamentieren, ...

Dass die Mehrheit von uns Wohlstandsbürgern sich getrost von ein paar Kilos verabschieden sollte, ist eine Binsenweisheit. Lebensmittelindustrie, Fitnessbranche, Gesundheitsapostel, Hausärzte lamentieren, predigen - und ... verdienen letztlich an den perpetuierten und meist vergeblichen Versuchen der frustrierten Moppelchen. Da kommt dieses Buch mit einem ungewohnten Ansatz daher: es wird nicht etwa suggeriert, dass es den einen Stein der Weisen gibt; desgleichen verzichtet es auch darauf, falsche Vorstellungen zu wecken und das Unternehmen als gänzlich mühelos darzustellen. Überzeugend ist vielmehr die Perspektive, unsere moderne Lebensführung von psychologischer Warte zu betrachten, dem Leser unmissverständlich klarzumachen, dass es um eine Neuprogrammierung alltäglicher Gewohnheiten geht. Die Fülle an medizinischem und physiologischem Hintergrundwissen, das Spektrum der Kniffe und Tricks, um eine langfristige Umorientierung zu erzielen, auch die Bandbreite an höchst unterschiedlichen, aber positiv wirkenden Lebensmitteln öffnet. Missverständlich und irreführend, dies sehr nützliche Büchlein mit dem Etikett „Diät“ zu versehen: es ist gerade keine Diät im landläufigen Sinne, die dem Leser nahegebracht und nahegelegt wird. Es gilt, seinen Lebensstil, seine Denkweise zu modifizieren, und das erreicht dieses Buch durch die Vermittlung unterschiedlichster Kenntnisse aus den Bereichen der Medizin, der Ernährungswissenschaften, der Psychologie. Dies Buch ist geeignet, in Griffweite deponiert und immer wieder zu Rate gezogen zu werden!

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Veröffentlicht am 17.11.2020

Symmetrie des Leidens

Mr. Crane
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Sehr gewagt, was der Autor Andreas Kollender anstellt, um dem Leser seine Ideen zu Krieg und Leid zu verdeutlichen!
In einem zweisträngigen Erzähldurchgang, streng alternierend präsentiert, konfrontiert ...

Sehr gewagt, was der Autor Andreas Kollender anstellt, um dem Leser seine Ideen zu Krieg und Leid zu verdeutlichen!
In einem zweisträngigen Erzähldurchgang, streng alternierend präsentiert, konfrontiert er seine Protagonistin, die Krankenschwester Elisabeth, in einem Abstand von 14 Jahren mit zwei Ausprägungen von Männlichkeit.
Während der TB-Patient des Jahres 1900 eine reale Gestelt des Zeitgeschehens ist, der US-amerikanische Autor Stephen Crane, kommt die fiktive Gestalt des Offiziers Bernhard Fischer zu Beginn des 1. Weltkriegs mit zwei Lungendurchschüssen in die Klinik in Badenweiler. Dieser fingiert, wie sich erst im Verlauf des Romans erweist, die damals bereits bekannten Symptome des shell shock, da er nicht gewillt ist, in den Wahnsinn des Krieges zurückzukehren, Und kommuniziert über weite Strecken allein durch seine den Schrecken wiedergebenden Zeichnungen. Welch ein Kontrast zu der fiebergeschüttelten Logorrhöe des Schriftstellers, der in wilden Bruchstücken sein Schelmenleben wiedergibt.
Diametral entgegengesetzt das Verhältnis der Schwester zu ihren beiden Patienten: eine leidenschaftliche erotische Beziehung zu dem einen, engagierte Caritas gegenüber dem zweiten.
Man muss selbst ein leidenschaftlicher Leser sein, um Menschen wie die Krankenschwester Elisabeth oder den verwundeten Offizier Fischer verstehen zu können, die beide der Erzählkunst des tatsächlich seiner Krankheit erlegenen Crane verfallen sind. Der Autor Andreas Kollender bemüht sich, uns die Not des ersten Weltkriegs zu verdeutlichen, deren Schrecken für zwei Menschen erträglich werden, indem sie sich den Werken eines Autors hingeben, der seine eigene Verzweiflung in Worte gefasst hat. Welch ein Anlass, sich einmal wieder mit Cranes Erzählungen zu beschäftigen!

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Veröffentlicht am 27.10.2020

Verschlungen

Unter uns das Meer
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Den Titel der deutschen Übersetzung hab ich als abschreckend empfunden: klischeehaft, banal, nichtssagendend. Umso erfreulicher, wenn der Roman sich als absolut lesenswert erweist. Zuvörderst lässt er ...

Den Titel der deutschen Übersetzung hab ich als abschreckend empfunden: klischeehaft, banal, nichtssagendend. Umso erfreulicher, wenn der Roman sich als absolut lesenswert erweist. Zuvörderst lässt er sich noch als Abenteuerroman betrachten - Junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern bricht Zelte hinter sich ab, um für ein Jahr durch die Karibik zu schippern. Doch unmittelbar nach Beginn der Lektüre erweist sich diese Perspektive als Trugschluss. Die Komposition aus kurzen Abschnitten aus dem vom Ehemann geführten Logbuch, die sich mit den Aufzeichnungen seiner Frau abwechseln, enthüllt ein Seelendrama. Während sich der Ehemann zunehmend von seinem Alltagsleben als eingeengt empfunden hat, was ihm den Segeltörn als Erlangen der ersehnten Freiheit erscheinen lässt, entpuppt sich seine Frau Juliet als schwer depressiv, niedergedrückt durch das Misserfolgserlebnis einer gescheiterten Dissertation und den Anforderungen der Mutterschaft. Dass unter solchen Voraussetzungen ausgerechnet ein solches Unternehmen alle Probleme lösen soll, erweist sich frühzeitig als unwahrscheinlich, zumal immer tiefere Schichten in der Befindlichkeit der beiden Protagonisten aufgedeckt werden. Äußerst geschickt, den Leser über das Ziel des Geschehens lange im Unklaren zu lassen, etwas enttäuschend, dass das Ende der Entwicklung allzu unvermittelt eintritt. Trotzdem: eine Empfehlung für die Liebhaber von Geschichten über das Segeln - und die Fans verschlungener psychologischer Romane.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

Mit allzu breitem Pinselstrich

Der falsche Preuße
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Was zunächst sich als eine vielversprechende Melange präsentiert, erweist sich nur allzu bald als ärgerlich. Die Grundingredienzien, ein hochrangiger Polizist in fremden Gewässern sowie eine bizarre Persönlichkeit, ...

Was zunächst sich als eine vielversprechende Melange präsentiert, erweist sich nur allzu bald als ärgerlich. Die Grundingredienzien, ein hochrangiger Polizist in fremden Gewässern sowie eine bizarre Persönlichkeit, die den Prototyp eines Self-Made-Man der Gründerjahre abgibt, bieten eigentlich interessante und ungewöhnliche Voraussetzungen für einen anregenden historischen Kriminalroman. Doch es geht einfach mit der Autorin durch: Der im Zentrum stehende bizarre Mordfall wird erstickt in einem Wust landeskundlicher Informationen über eine deutsche Großstadt, die von jeher als schillernde Metropole gilt. Der eigentliche Schauplatz des Verbrechens dient als Bühne für eine überbordende Fabulierlust. Der Ehrgeiz, witzig und stilistisch apart zu formulieren, lässt etliche handfeste Stilblüten durchgehen. Schade, dass ein ambitionierter Entwurf in letzter Konsequenz misslingt, weil keinerlei Erzählökonomie den Stoff bändigt.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Ein letzter Blick

Der letzte Satz
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Ein neuer Seethaler, diesmal nicht mit der Hauptfigur eines scheinbar bedeutungslosen Menschen wie etwa der Trafikant oder Andreas Eggers, sondern mit einer realen Persönlichkeit der vorletzten Jahrhundertwende. ...

Ein neuer Seethaler, diesmal nicht mit der Hauptfigur eines scheinbar bedeutungslosen Menschen wie etwa der Trafikant oder Andreas Eggers, sondern mit einer realen Persönlichkeit der vorletzten Jahrhundertwende.

Der Autor begleitet den sterbenskranken Gustav Mahler auf seiner letzten Seereise auf dem Rückweg von New York. Der uralte Topos des 'vita navigatio' kommt zur Anwendung, denn die Tage auf See lassen die Biographie des Musik-Titanen Revue passieren. Es wird deutlich, dass Siege und Niederlagen sich durchaus die Waage halten: anerkannt, respektiert, bewundert als genialer Komponist und Dirigent, aber lange Zeit angefeindet wegen seiner jüdischen Herkunft, gefangen in seiner Verfallenheit an seine Ehefrau Alma, die sich bereits zu seinen Lebzeiten von ihm abwendet, von schwächlichster physischer Konstitution, die er durch seine übermenschliche Willenskraft zu kompensieren weiß.

Die einzelnen Aspekte dieses Lebens kommen in Seethalers Roman jedoch höchst unterschiedlich zum Tragen. Während Almas dämonische Natur, in der Realität jedem Kenner der Biographie vertraut, hier nur sehr abgeschwächt, blass repräsentiert wird, sind die Darstellungen von Mahlers Schaffensrausch, die eigentümliche Umsetzung von Naturerleben in Musik, von betörender sprachlicher Intensität.

Seethaler verdeutlicht die Befindlichkeit des Komponisten durch eine Vielzahl von Symbolen. Ein altes Dirigierpult, ein Wanderstock, die fliegenden Fische, der fiktive weiße Vogel, der auf Mahlers Sterben hinweist - die Darstellung, die Beschreibung ist zumeist von bestechender Genauigkeit.

Ein weiterer Kunstgriff, der nur überzeugend genannt werden kann, ist die Gegenüberstellung des zutiefst reflektierten Musikers mit dem allein seiner spontanen Menschlichkeit verpflichteten Schiffsjungen: anders als die übrige Umwelt, die im Umgang mit Mahler von den eigenen Ansprüchen nicht Abstand nehmen wollen, ist der Junge in der Lange, dem Kranken vollkommen offen gegenüberzutreten, sich wirklich auf ihn und seine Bedürfnisse einzulassen. Durch den Schluss des Romans wird deutlich, dass diese Begegnung auf den jungen Seemann einen tiefen Eindruck hinterlassen hat.

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