Profilbild von Bibliomarie

Bibliomarie

Lesejury Star
offline

Bibliomarie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bibliomarie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.10.2018

Nein - Ja - Vielleicht

Nein ist das neue Ja
0

Ob zum Chef, in der Familie, beim Shoppen, in der Schule, beim Friseur oder im Kinderzimmer: Die bekennende Nein-Sagerin Désirée Nick analysiert scharfzüngig und anhand vieler persönlicher Anekdoten, warum ...

Ob zum Chef, in der Familie, beim Shoppen, in der Schule, beim Friseur oder im Kinderzimmer: Die bekennende Nein-Sagerin Désirée Nick analysiert scharfzüngig und anhand vieler persönlicher Anekdoten, warum wir ohne das entschlossene und bewusste NEIN nicht weiterkommen…… (Aus der Buchbeschreibung)
Ja, das musste mal gesagt werden und die Nick macht das geradeheraus und ebenso spitzzüngig und frech, wie wir sie aus ihren Live Auftritten kennen. Es sind viele Dinge, die jedem schon so begegnet sind und wo man sich später wünschte, man hätte Nein gesagt. Da gibt es viel Zustimmung von mir.
Dennoch ist das Buch kein Ratgeber, es ist mehr eine Auflistung persönlicher Begebenheiten und Erfahrungen, immer sehr witzig, aber auch mit reichlich derb-vulgären Ausdrücken garniert. Aber schließlich hat Désirée Nick auch einen Ruf zu verteidigen.
Dabei bleibt es nicht aus, dass nicht jedes Nein von ihr überzeugt. Sie propagiert Digital Detox, berichtet aber viel von ihren Posts und von mehreren Tausend, natürlich unbeantworteten, Freundschaftsanfragen. Warum löscht sie nicht ihre Accounts?
Sie sagt Nein zum Schönheitswahn und zur Körperoptimierung, wirkt aber auf dem Titelbild – Photoshop sein Dank – wie aus dem Jungbrunnen gestiegen, nicht anders wie bei ihren Live Auftritten. Sie kokettiert mit ihrem Alter, aber nein, ansehen darf man es ihr nicht. Ist ihr Nein da nicht vielleicht eher ein Ja?
Was für einen guten Auftritt gereicht hätte, wirkt in Buchform leicht aufgebläht. Vieles wiederholt sich und wird einfach abgewandelt wieder aufgeführt. Sie muss halt ein ganzes Buch füllen, auch wenn der Stoff ein wenig dünn ist.
Dennoch habe ich mich immer wieder amüsiert. Kann man lesen, muss man aber nicht.


Veröffentlicht am 12.10.2018

Nur eine Briefmarke

Das Mädchen mit dem Edelweiß
0

Katies Vater hat leidenschaftlich Briefmarken gesammelt. Zusammen mit ihm hat sie viele Flohmärkte besucht, er war immer auf der Suche nach einem ganz besonderen Schatz. Nun lebt er seit einiger Zeit in ...

Katies Vater hat leidenschaftlich Briefmarken gesammelt. Zusammen mit ihm hat sie viele Flohmärkte besucht, er war immer auf der Suche nach einem ganz besonderen Schatz. Nun lebt er seit einiger Zeit in einem Heim für Demenzkranke. Sein Gedächtnis schwindet immer mehr und Katie bringt die Sammlung zu einem Briefmarkenhändler. Vielleicht findet sich ja doch eine besonders wertvolle Marke darunter.

Tatsächlich findet Benjamin Grossman etwas Besonderes. Einen vergilbten, nie abgeschickten Brief mit einer österreichischen Marke, an der einige Linien sein Interesse erwecken. Katie und er machen sich daran, die Geschichte des Briefes und der besonderen Marke zu erforschen und das führt sie in das Jahr 1939 nach Österreich. Katie ahnt noch nicht, wie die Geschichte und die Briefmarke mit ihrem Leben verknüpft sein werden.

Der Roman von Jillian Cantor spielt auf zwei Zeitebenen, die sich abwechseln, die Gegenwart ist Los Angeles im Jahr 1989, die Vergangenheit in Österreich sind die Jahre 1938/1939.
Katie ist eine Frau, die an einem Wendepunkt ihres Lebens angekommen ist. Ihre Ehe ist gescheitert, der Vater, ihre Verbindung zur Kindheit erkennt sie nur noch an guten Tagen. Sie ist verletzt und ein wenig aus ihrer Lebensbahn geworfen. Mit der Suche nach der Empfängerin des alten Briefes findet sie eine Herausforderung und auch einen Grund sich öfters mit Benjamin Grossman zu treffen. Der schüchterne, wortkarge Mann beginnt sie zu interessieren.

Liebesgeschichte und historischer Roman gehen hier eine Verbindung ein. Je tiefer Katie in der Vergangenheit gräbt, umso besser kann sie ihre Gegenwart und ihre Zukunft einschätzen. Die Idee ist nun nicht sonderlich originell, aber die Umsetzung fand ich gelungen. Der Roman wird immer spannender und dramatischer, je näher Katie der Wahrheit kommt. Die Wahl der Zeitebenen hat mir auch gut gefallen, der Anschluss Österreichs an Nazideutschland und die Folgen auf die jüdischen Bewohner geben einen dramatischen und sehr persönlichen Hintergrund und das Jahr 1989 ist ebenfalls von vielen Umbrüchen geprägt. Mit dem Fall der Mauer in Deutschland bekommt auch die deutsche Herkunft von Katies Großeltern eine Bedeutung.

Auch wenn ich den Verlauf der Geschichte und ihr Ende schon früh ahnte, bleibt mir die Geschichte doch positiv in Erinnerung. Auch über einige Längen konnte ich gut hinwegsehen. Gute Unterhaltung mit Anspruch, wie ich finde.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Außenseiter

Ein Winter in Paris
0

Victor hat die Aufnahmeprüfungen ins elitäre Pariser Lycée D. geschafft. Der Erste aus seiner doch recht bildungsfernen Familie. In Paris findet er sich als Außenseiter wieder. Er hat weder den gesellschaftlichen ...

Victor hat die Aufnahmeprüfungen ins elitäre Pariser Lycée D. geschafft. Der Erste aus seiner doch recht bildungsfernen Familie. In Paris findet er sich als Außenseiter wieder. Er hat weder den gesellschaftlichen noch den kulturellen Hintergrund seiner Mitschüler, er findet keinen Kontakt und zieht sich völlig zurück. Er erlebt den Unterricht wie ein Beobachter von außen. Als er zur Überraschung der Lehrer und Mitschüler das erste Jahr bestanden hat, trifft er auf Mathieu, ebenfalls aus der Provinz, ebenfalls Außenseiter, sie wechseln einige belanglose Sätze, treffen sich zum Rauchen im Schulhof. Doch Mathieu ist dem Druck nicht gewachsen, er stürzt sich während des Unterrichts aus dem Fenster. Victor ist fast als Erster am Ort des Suizids und nun wird er zum ersten Mal wahrgenommen. Lehrer und Mitschüler betrachten in als einzigen Freund Mathieus und suchen plötzlich Kontakt und Gespräch. Er nimmt diese Aufmerksamkeit wahr und er genießt sie auch, obwohl ihm klar ist, dass sie nicht seiner Person gelten. Lediglich bei Paul, dem Klassenprimus, spürt er echtes Interesse.
30 Jahre später erhält der Schriftsteller Victor einen Brief von Mathieus Vater, dieser Brief löst die Erinnerungskette an die Zeit am Lycée aus, die das Buch beinhaltet.
Ungemein feinfühlig und genau berichtet der Autor Blondel von der Entwicklung eines jungen Menschen, der durch ein Ereignis aus der festgeordneten Lebensplanung gerissen wird. Es sind nur wenige Monate, die er seinen Protagonisten Victor begleitet, aber er nimmt den Leser mit in die Gedanken – und Gefühlswelt des jungen Mannes. Seine Wahrnehmung der Umwelt ändert sich, er reift an den Ereignissen. Dieser Prozess der Selbstreflektion hat mich sehr berührt, mir den Menschen Victor sehr nah gebracht. Der kurze Roman hat mich gepackt, ich bin richtig eingetaucht und habe bemerkt, dass mich der Text nicht loslässt. Immer wieder bin ich gedanklich bei der Geschichte, das finde sehr bemerkenswert.
Für mich ist das Buch eine Literaturperle in diesem Herbst. Ein kurzes, aber sehr intensives Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Von Einsiedlern und anderen Spinnen

Der Zorn der Einsiedlerin
0

Nach seinem letzten Fall hat sich Adamsberg auf die isländische Insel Grimsey zurückgezogen. Er genießt die Einsamkeit und die wortkargen Bewohner, das alles passt zu Adamsbergs eigenbrötlerischem Charakter. ...

Nach seinem letzten Fall hat sich Adamsberg auf die isländische Insel Grimsey zurückgezogen. Er genießt die Einsamkeit und die wortkargen Bewohner, das alles passt zu Adamsbergs eigenbrötlerischem Charakter. Da ruft ihn eine Nachricht nach Paris zurück. Ein ungeklärter Mordfall, eine Frau wurde überfahren, dringend der Tat verdächtigt sind Liebhaber und Ehemann. Doch der Nachweis fällt den Kollegen schwer. Ein Fall, der Adamsberg nicht sonderlich interessiert, er liebt eher die komplizierten Sachverhalte, die ihn in seelische Abgründe schauen lassen. So löst er diesen Mordfall auch eher nebenbei.
Viel mehr interessiert ihn eine beiläufige Zeitungsmeldung. Im Süden Frankreichs ist wieder ein alter Mann am Biss der Einsiedlerspinne gestorben. Das kommt sehr selten vor, die Häufung in letzter Zeit beunruhigt die Menschen. Auch bei Adamsberg beginnt es zu rumoren, sein Unterbewusstsein arbeitet auf Hochtouren und so beginnt er zu recherchieren, heimlich zuerst, denn sein Kollege und Freund Danglard scheint überhaupt nicht davon erbaut und beginnt Adamsberg zu diskreditieren. Doch er hat nicht mit der unverbrüchlichen Treue der Truppe zu ihrem eigenwilligen Chef gerechnet.
Fred Vargas‘ Krimis entziehen sich eigentlich dem üblichen Schema des Genres. Im Mittelpunkt steht der grüblerische, fast lebensuntüchtig erscheinende Adamsberg, der mit Intuition arbeitet, sich von spontanen Stimmungen leiten lässt und immer auch auf sein Unterbewusstsein vertraut. Dieser Stimmung kann ich mich als Leserin nicht entziehen und ich habe mir noch kein Buch der Autorin entgehen lassen.
Die Spannung ist eher subtil aufgebaut, aber sie hält mich von Anfang an gefangen. Ganz egal, wie unwahrscheinlich der Plot anfangs scheint, Vargas hält alle Fäden in der Hand und verknüpft sie zum Ende zu einem dichten Netz, das keine Löcher hat und zu einer vollkommen logischen und realistischen Auflösung führt.
Bei diesem Kriminalroman spielen die Charaktere der Darsteller wieder eine wichtige Rolle und ich bin begeistert, wie vielschichtig und lebendig Fred Vargas sie zeichnet. Besonders die Kollegen im Polizeidezernat habe ich ins Herz geschlossen.
Die Kriminalromane von Fred Vargas sind mir immer ein ganz besonderer Lesegenuss: rätselhaft, fast poetisch und immer toll geschrieben.

Veröffentlicht am 06.10.2018

Rheinreise in die Vergangenheit

Die vergessene Burg
0

Es gibt Romane die für mich perfekt sind. Sie vereinigen Spannung und Romantik und entführen mich in andere Welt. So war das auch bei „Die vergessene Burg“ von Susanne Goga, das mich in die zweite Hälfte ...

Es gibt Romane die für mich perfekt sind. Sie vereinigen Spannung und Romantik und entführen mich in andere Welt. So war das auch bei „Die vergessene Burg“ von Susanne Goga, das mich in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts führt.

Paula, eine nicht mehr ganz jugendliche Frau, lebt ein eingeschränktes Dasein als Gesellschafterin bei ihrer ältlichen Cousine Harriet. Sie hat sich mit ihrem Leben arrangiert und geht ganz in der Pflege der kränklichen Dame auf. Als Harriet durch einen – wohl simulierten – Ohnmachtsanfall ihr den Höhepunkt des Jahres, eine Einladung zum Pfarrfest, hintertreibt, rebelliert sie endlich. Dann erfährt sie noch, dass Harriet ihr einen Brief vorenthalten hat und das bringt das Fass zum Überlaufen. Sie stellt Harriet zur Rede und verlangt den Brief, der von ihrem unbekannten Onkel Rudy stammt. Der lädt sie ins Rheinische nach Bonn ein, wo er seit Jahrzehnten lebt.

Inzwischen musste sie auch erfahren, dass das Grab ihres Vaters leer ist, auch das haben ihr Mutter und Cousine verschwiegen. William Cooper, Paulas Vater ist verschwunden, als sie noch ein Baby war und das ausgerechnet bei einer romantischen Rheinreise des jungvermählten Paars.In Bonn beginnt sie mit den Nachforschungen und erfährt viel über ihre Eltern, aber auch über sich selbst.

Mir hat dieser Roman ganz hervorragend gefallen, ich konnte mich kaum von den Seiten lösen. Eine junge Frau, die über sich selbst hinauswächst, eine wunderschön beschriebene Landschaft – dass ließ mich die Rheinreise der Paula selbst miterleben. Sehr gut hat mir gefallen, wie die Autorin Geschichtliches in ihren Roman verwebt. Die malerischen Burgen und romantischen Städtchen des Rheins sind schön beschrieben, wie mich überhaupt die ganze Atmosphäre des Buches überzeugt hat.