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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.02.2025

Nur mit Vorkenntnissen empfehlenswert

Wie meine Familie das Sprechen lernte
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Dieses Buch hat mir Einiges abverlangt und ich habe mich sehr disziplinieren müssen, dass ich es zu Ende lese.
War es schlecht? Nein, auf gar keinen Fall! Sprachlich fand ich es eigentlich schön, auch ...

Dieses Buch hat mir Einiges abverlangt und ich habe mich sehr disziplinieren müssen, dass ich es zu Ende lese.
War es schlecht? Nein, auf gar keinen Fall! Sprachlich fand ich es eigentlich schön, auch der Plot wäre sehr interessant gewesen... jetzt kommt das große Aber:

Als eine Person, die sehr wenige Berührungspunkte mit Türkinnen hat und auch sonst kaum Einblick in Land, Kultur und Geschichte habe, kam ich mir streckenweise auf komplett verlorenem Posten vor. Eigentlich hätte es viele Gründe gegeben mindestens alle zwei Seiten mein Handy zur Hand zu nehmen und etwas ergoogeln zu müssen... dann wäre ich wohl mindesten noch eine weitere Woche mit dem Buch beschäftigt gewesen.
Ich habe keine Probleme einer Geschichte zu folgen mit vielen für mich fremden Namen, das schaffe ich... aber wenn dann noch Namensanhängsel (wahrscheinlich Familienstand?) auf türkisch vorkommen, dazu Städte- und Dorfnamen, türkische Gerichte und generell Ausdrücke, dann bin ich leicht überfordert. Nirgendwo eine Fußnote oder ein Glossar um mich etwas gescheiter zu machen.
Abgesehen von der Familiengeschichte, die durch hin- und herspringen in der Zeit erzählt wird, gibt es viele Anspielungen auf politische Ereignisse in der Türkei, die mir nicht geläufig waren und viele Politiker Namen, die mir absolut nichts sagten. Nach jedem Kapitel hatte ich gefühlt 10 Fragen mehr im Kopf als zuvor.
Das Schicksal der Aleviten hätte mich brennend interessiert, aber auch da vertieft sich die Geschichte leider nicht wirklich, es werden Eckpunkte angerissen, mehr leider auch nicht.

Rate ich also von der Lektüre ab? Nein, ich empfehle sie allen, die sich mit der Türkischen Kultur und Geschichte etwas auskennen, oder direkt Wurzeln in diesem Land haben - ich denke, diese Leser
innen werden viel mit diesem Buch anfangen können.

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Veröffentlicht am 14.02.2025

Großartig recherchiert, detailverliebte Charaktere

Die Lungenschwimmprobe
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Das war ein außergewöhnlich tolles Leseerlebnis, Tore Renberg hat hier einen äußerst bemerkenswerten historischen Roman geschrieben, der nicht nur akribisch recherchiert wurde, sondern auch noch mit ausgesprochen ...

Das war ein außergewöhnlich tolles Leseerlebnis, Tore Renberg hat hier einen äußerst bemerkenswerten historischen Roman geschrieben, der nicht nur akribisch recherchiert wurde, sondern auch noch mit ausgesprochen detailverliebten Figuren gefüllt, die für mich lebendiger nicht sein hätten können.
Und dabei ist das Barock nicht einmal annähernd meine bevorzugte historische Zeit, beim Lesen.

Der Klappentext und die guten Rezensionen hatten mich neugierig gemacht, das Buchcover fand ich extrem ansprechend und so wagte ich mich noch einmal aus meiner Komfortzone und bin begeistert in die 700 Seiten starke Lektüre abgetaucht.

Wir erfahren nicht nur über den Gerichtsfall Anna Voigts, sondern erhalten ein Sittenbild der damaligen Zeit: biedere Bigotterie wurde langsam von wissenschaftlichen Erkenntnissen überrollt.
Wenn wir heute von damaligen Gerichtsurteilen lesen, dann wissen wir, dass sie "im Namen Gottes" ausgeführt wurden, mehr Aberglaube als Logik und wir wissen, dass es immer brutal und grausam war. Aber Renberg haucht Anna Voigt so viel Leben ein, dass wir die Angst und Verzweiflung beim Lesen spüren und das lässt Geschichte lebendig werden.
Der Autor schreibt aber nicht ohne Humor, den merkt man besonders in den Dialogen.

Und dann ist es auch ein feministisches Buch, denn Renberg macht uns einmal mehr bewusst, wie sehr Frauen leiden müssen - nein, sogar doppelt und dreifach bestraft werden - dafür, dass Männer ihren Hosenstall nicht geschlossen halten können, während letztere zumeist keine Konsequenzen tragen müssen.

Diese Lektüre hätte furztrocken sein können, Tore Renberg hat aus der Materie ein kluges, witziges und erschütterndes Buch mit vielen lebendigen Charakteren gemacht. Großartig!
Karoline Hippe und Ina Kronenberger haben eine wunderbare Übersetzungsarbeit geleistet

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Veröffentlicht am 10.02.2025

Von einer Jugend in Belfast

Close to Home
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Der Nordirland-Konflikt mag schon einige Jahre zurück liegen, aber die Folgen sind noch heute zu spüren, gerade in Belfast, wo dieser Roman angesiedelt ist.
Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Alkohol, Drogen, ...

Der Nordirland-Konflikt mag schon einige Jahre zurück liegen, aber die Folgen sind noch heute zu spüren, gerade in Belfast, wo dieser Roman angesiedelt ist.
Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Alkohol, Drogen, Gewalt in der Familie - Traumata überall gegenwärtig.
Und so begleiten wir lesend den jungen Sean einige Wochen seines Lebens, in denen er versucht keine Party voller Drogen und Exzesse zu feiern, verlässlich seine soeben aufgebrummten Sozialstunden abzuleisten und einen Job zu finden, den er nicht innerhalb einer Woche wieder verliert.
Er kommt aus einer zerrissenen Familie mit Halbgeschwistern, aufgewachsen ohne Vater - und dennoch hat er es geschafft die Universität zu besuchen. Aber sein direktes Umfeld verleitet ihn immer wieder, seine Vorsätze über Bord zu schmeissen.
Wir tauchen tief in seine Gedanken ein, in die Trostlosigkeit seines Alltags ohne richtige Zukunftsperspektive und trotzdem schimmert immer wieder ein Funken Hoffnung durch. Nordirland-Unkundige werden wohl das eine oder andere Mal googeln müssen.

Ein bisschen ist das Leseerlebnis wie ein Mix aus Trainspotting und Shuggie Bain, und doch ganz eigenständig - ein großartiges und intensives Debüt, übersetzt von Hannes Meyer.

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Veröffentlicht am 06.02.2025

Atmosphärisch dicht mit starker Protagonistin

Der gefrorene Fluss
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In die Optik des Buches, mit diesem wunderschön gestalteten Schnitt, hatte ich mich sofort verliebt. Allerdings sind Bücher, die so aufwändig gestaltet sind, meistens gar nicht mein Geschmack, also habe ...

In die Optik des Buches, mit diesem wunderschön gestalteten Schnitt, hatte ich mich sofort verliebt. Allerdings sind Bücher, die so aufwändig gestaltet sind, meistens gar nicht mein Geschmack, also habe ich mich weiter nicht damit beschäftigt. Aber dann kam die erste lobende Rezension, und noch eine, und die nächste… okay dann muss ich es halt haben!
Oh und wow, ich bin durchgaloppiert als ginge es um mein Leben. Was für eine tolle und spannende Geschichte und was für eine großartige Protagonistin!
Ja, Ariel Lawhon nimmt sich viel Zeit und fabuliert detailverliebt, aber das erschafft auch dieses atmosphärisch dichte Setting, in das man so völlig abtauchen kann.
Martha Ballard gab es übrigens tatsächlich und ich empfehle auch das sehr umfangreiche Nachwort… ach was sage ich: Ich empfehle natürlich das komplette Buch!
Rena Ziehnart hat alles wunderbar übersetzt.

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Veröffentlicht am 05.02.2025

Düsteres aber geniales Drama

Die Schwarzgeherin
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Dieses Buch hatte ich anfangs gar nicht auf dem Schirm, aber dann häuften sich die positiven Besprechungen und weil das Cover einfach der absolute Wahnsinn ist, wollte ich es dann doch endlich wissen.
Auf ...

Dieses Buch hatte ich anfangs gar nicht auf dem Schirm, aber dann häuften sich die positiven Besprechungen und weil das Cover einfach der absolute Wahnsinn ist, wollte ich es dann doch endlich wissen.
Auf den ersten Seiten hatte ich ja noch, nach jedem Absatz den Holladarädullijöh-Chor aus dem Watzmann im Ohr, aaaaber... spätestens auf Seite 10 war der dann endlich stumm und ich konnte mich in das kalte, karge und extrem düstere Setting fallen lassen.
Genial! Ich mochte einfach alles an diesem Buch: das Finstere, die kargen Dialoge, die extreme Dramatik ohne Heimatschnulzenkitsch. Schön auch die Zwischenspiele aus der Sicht der Adlerin - ich hatte viele tolle Bilder im Kopf.
Ich habe die Enge dieser bigotten und grausamen Gemeinde gespürt, die Weite - aber auch die Feindseligkeit - der Landschaft, und vor allem den Freiheitsdrang der Hauptprotagonistin. Der Freiheitsdrang, der einen so hohen Preis fordert.
Die eine oder andere Unstimmigkeit hätte ich gefunden, aber egal - das Buch hat mich auf so vielen Ebenen so exzellent unterhalten, dass ich darüber hinwegsehen kann.
Es ist eine traurige und wütend machende Geschichte und durch ihre brutale Ehrlichkeit sicherlich nicht für jede Leserin geeignet, aber von mir gibt es eine absolute Empfehlung.

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