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Veröffentlicht am 15.02.2019

Wenn gleichgeschlechtliche Liebe verboten ist

Allein unter seinesgleichen
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Wie sähe Deutschland aus, hätte Hitler den Krieg gewonnen? Der Autor Christian Kurz hat darauf eine Antwort und diese in einen bedrückenden Roman gepackt.
Im Großdeutschen Reich gibt es zwar keinen Hitler ...

Wie sähe Deutschland aus, hätte Hitler den Krieg gewonnen? Der Autor Christian Kurz hat darauf eine Antwort und diese in einen bedrückenden Roman gepackt.
Im Großdeutschen Reich gibt es zwar keinen Hitler mehr, aber seine Ideologien leben weiter. Die Partei vertritt die einzig gültige Wahrheit und sie steckt ganz enge Grenzen für sämtliche Mitbürger. Die Menschen haben zu funktionieren und nichts zu hinterfragen, das Gedankengut der Partei sieht keine Schwulen vor bzw. hat diese angeblich gänzlich ausgerottet. Doch im Geheimen gibt es diese Männer sehr wohl, auch wenn sie damit täglich ihr Leben riskieren. Sei es der kleine Autor Karl, der heimlich Geschichten für und über Männerliebe schreibt oder der Drucker, der sie als so genannte Winkel-Literatur herausgibt. Der junge Wolfgang lebt in diesem streng reglementierten Reich und wundert sich, dass er sich zu seinem Mitschüler und Kumpel Nils hingezogen fühlt. Doch er kann mit niemanden darüber reden und wird sich erst über seine „Neigung“ bewusst, als er bei seinem Lehrherrn, einem Buchhändler, auf Schwulenmagazine aufmerksam wird. Auch wenn er nun weiß, dass es noch mehr Männer gibt, die sich zueinander hingezogen fühlen, so packt ihn die Angst, denn sein Leben steht auf dem Spiel. Die Staatspolizei verbreitet Angst und Schrecken und ein selbstbestimmtes Leben ist für niemanden unter diesem System möglich.
Was wäre, wenn …? Dieser zentralen Frage geht Christian Kurz mit einer sehr derben, obszönen Sprache und ohne große Gefühle nach. Das war zunächst ganz ungewohnt für mich und ließ mich zweifeln, ob ich auf Dauer damit klar kommen würde. In einem System, das die Menschen im Allgemeinen und „Nicht-Arier“ im Besonderen nur verachtet und in ihrer Lebensweise einschränkt und jede Kleinigkeit maßregelt, kann die Sprache wohl kaum liebevoll sein. Es ist erschreckend, wie die Welt nach einem Sieg Hitlers aussehen würde. Lebenswert? Wohl kaum! Als ich das für mich begriffen habe, kam ich auch mit der Sprache besser klar. Womit ich allerdings immer wieder meine Schwierigkeiten hatte, waren die gebetsmühlenartigen Wiederholungen von Gedanken und Bedenken bzgl. der Vorgaben der Partei. Das unterbricht den Lesefluss und langweilt auf Dauer.
Der Schreibstil kam mir manchmal sehr unbeholfen vor und die Rechtschreib- und Grammatikfehler fielen mir unangenehm auf. Mit der Zeit habe ich mich jedoch auf die Geschichte eingelassen und die Charaktere nahmen immer mehr Gestalt an, wurden glaubhaft und verdienten sich immer mehr mein Mitgefühl. Vor allem mit Wolfgang konnte ich mich anfreunden. Wie muss es für diesen jungen Mann sein, wenn er feststellt, dass er keine Chance hat, sich in diesem Reich zu entfalten? Der keine Zukunft für sich in Großdeutschland sieht und sich nicht einmal seinen Eltern anvertrauen kann? Und Karl, der in eine prekäre Situation gerät und unter Druck gesetzt wird? Wie sehr kann sich ein Mensch verbiegen und selbst verleugnen, bis er daran zerbricht? Die Entwicklung, die Wolfgang im Laufe des Romans durchmacht, ist schön zu beobachten, absolut nachvollziehbar und gibt ein wenig Hoffnung. Als in einem von Karl geschriebenen Werk eine Alternativwelt, angelehnt an unsere, auftaucht, wird erst das Ausmaß der Schreckensherrschaft sicht- und spürbar. Die Vorstellung, dass Hitler den Krieg gewonnen hat und sein „Lebenswerk“ fortgeführt wird, ist beängstigend. Großdeutschland, D-S-A, Deutsch als Weltsprache und die Verbreitung der alleinigen Wahrheit der Partei stehen hier im Mittelpunkt. Erschreckend ist zudem der Drill in der Kompanie und wie die Kadetten einen Mann auf Befehl totschlagen als wäre er ein Stück Holz. Die Menschlichkeit kommt hier völlig abhanden und das Denken wird den Menschen sowieso abgenommen. Für mich eine absolute Horrorvorstellung! Immer mehr zeigt sich, was passiert, wenn die Mächtigen den Untergebenen ein Leben vorgeben und alles verbieten, was ihnen nicht in den Kram passt. Volkslieder, die langweilig und abgedroschen sind; immer gleiche Handlungen in Heimatfilmen; Verachtung für jegliche andere Lebenseinstellung; absolute Gleichheit und Hörigkeit der Partei gegenüber; Einschränkungen, Reglementierungen und eine einzige Kultur; Auslöschen der Vergangenheit, sogar der eigenen; Gehorsam bis zum Tod und vor allem kein selbständiges Denken. Für mich eine absolut grauenvolle Vorstellung! Das Buch lässt mich betroffen und traurig zurück, denn auch wenn es sich um eine fiktive Geschichte handelt, ist der Bezug zur heutigen Zeit durchaus gegeben. Immer wieder wird die Freiheit und Gleichheit aller Menschen eingeschränkt und verleugnet. Auch heute noch kann es gefährlich sein, gegen den Strom zu schwimmen oder seine Meinung ernsthaft zu vertreten. Der Titel „Allein unter seinesgleichen“ ist absolut passend gewählt. Das „Anderssein“ macht einsam, auch neben all den anderen, die sich verstellen und eine Fassade aufrechterhalten müssen.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Leichte, prickelnde Unterhaltung

The One Best Man (Love and Order 1)
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Nach ihrer Scheidung vor zwei Jahren lebt Victoria mit ihrer 7jährigen Tochter Jade alleine. In ihrer Kollegin Chelsea und ihrer Chefin Hannah hat sie zwei gute und zuverlässige Freundinnen gefunden, nachdem ...

Nach ihrer Scheidung vor zwei Jahren lebt Victoria mit ihrer 7jährigen Tochter Jade alleine. In ihrer Kollegin Chelsea und ihrer Chefin Hannah hat sie zwei gute und zuverlässige Freundinnen gefunden, nachdem sie aufgrund der Erkrankung ihrer Mutter zurück nach Chicago gezogen ist. Nur mit den Männern hat Victoria nichts mehr am Hut. Sie misstraut vor allem Anwälten – ihr Exmann gehörte zu dieser Berufsgruppe. Ausgerechnet der gutaussehende Anwalt Reed setzt es sich in den Kopf, Victorias Herz zu erobern. Zu allem Überfluss ist er auch noch der Trauzeuge ihrer Hochzeit mit Pete und das scheint ihn zusätzlich in Victorias Augen als möglichen Partner zu disqualifizieren. Allerdings rechnet Victoria weder mit Reeds Hartnäckigkeit noch mit ihren eigenen Achterbahn-fahrenden Gefühlen, sobald er in ihrer Nähe auftaucht.
Der lockere, leichte und humorvolle Schreibstil ließ mich durch die Seiten fliegen. Victoria, Chelsea und Hannah fand ich von Anfang an sehr sympathisch. Vor allem Cheseas und Hannahs Art und Freundschaft zu Victoria gefielen mir sehr gut und die beiden haben bei mir immer wieder für Lacher gesorgt. Die spießigen Mütter an Jades Schule bilden einen guten Gegenpol dazu. Sie könnten jederzeit auch an einer deutschen Schule so auftauchen. Reed fand ich zwar aufregend und erfrischend unkompliziert, aber manchmal auch zu gut und glatt. Ein paar Ecken und Kanten hätten ihm gut getan. Victorias Zerrissenheit hingegen finde ich gut herausgearbeitet. Ihr nehme ich es ab, dass sie auf der einen Seite die Ehe mit Pete bereut und ihm andererseits dankbar ist, da sie mit ihm zusammen Jade bekommen hat. Die unterschwellige sexuelle Anziehung zwischen Victoria und Reed hat die Autorin in einer gut verträglichen Dosis immer mal wieder eingestreut. Und dann sind da noch Jade und Henry – die beiden sind einfach klasse. Wie liebevoll Jade sich um den stillen Henry kümmert, spricht sehr für ihre liebevolle Erziehung. Die beiden Kinder haben sich ganz schnell in mein Herz gestohlen. Der Roman bietet eine angenehme, prickelnde Unterhaltung mit einer Liebesgeschichte, die zwar vorhersehbar, aber glaubwürdig beschrieben wird. Wer einen Liebesroman ohne große, theatralische Dramen lesen will, wird dieses Buch mögen.

Veröffentlicht am 22.11.2018

Oldtimer, Evergreens und Millionseller werden zu Leftovers – ganz schön schräg

John, Paul, George und Richard
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Klappentext
Mit den Beatles auf Roadtrip
Fast jeder weiß fast alles über die Beatles. Oder? Klaus Metzger erzählt eine fulminante Geschichte über Musik, das Musik-Business und darüber, wie ein Millionseller ...

Klappentext
Mit den Beatles auf Roadtrip
Fast jeder weiß fast alles über die Beatles. Oder? Klaus Metzger erzählt eine fulminante Geschichte über Musik, das Musik-Business und darüber, wie ein Millionseller entsteht. Darin spielen die »Fab Four« eine so rätselhafte wie groteske Rolle, und der einzige Handlungsort und Schauplatz liegt auch noch fernab jeder Musikmetropole.
Paul McCartney ist mit seiner neuen Frau auf Hochzeitsreise, ein Roadtrip durch Amerika. Sie verfahren sich und landen an einem ausgetrockneten See. Der Chevy streikt. Gott sei Dank gibt es irgendwo eine Grandma, die selbstgemachte Limonade anbietet und die beiden zum Mittagessen einlädt. Grandmas Enkel, John und George, machen Musik, zusammen mit ihrem Freund Richard, der es auf den Tod nicht ausstehen kann, wenn man ihn Ringo nennt. Linda, die Tochter des Pfarrers, singt, hell und klar. »Musik von einem anderen Stern«, sagt Paul, den Linda für John Lennon hält. Aber das weiß Grandma besser. Der ist in den 70er Jahren erschossen worden, auf offener Straße, in New York, wohin sie keine zehn Pferde bringen. Bei Grandma schaut auch gerne Sheriff Nash rein, Graham Nash. Allerdings darf dann kein American Pie auf dem Tisch stehen. Da sind Sachen drin, von denen der Sheriff nichts wissen sollte. Und, ach ja, dann liegt da noch dieser Revolver auf dem Tisch. Spätestens da denkt Paul, sie sollten sich für die Gastfreundschaft bedanken und wieder verschwinden. Wenn das so einfach wäre …
So viel zum Klappentext, der einen knallgelben Buchrücken mit schwarzer Schrift verhüllt – Yellow Submarine? Vom Schutzumschlag grüßen die bekannten englischen Pilzköpfe. In diesem verrückten, abgedrehten Buch tummeln sich jede Menge Musiker von Eric Clapton bis über Ginger Baker und Tom Petty bis hin zu den Beatles. Um die soll es schließlich in dieser Geschichte von Klaus Metzger gehen. Als Roadtrip sehe ich dieses Buch nicht, denn es handelt sich hierbei um das Stranden eines frisch verheirateten Paares (Paul McCartney nebst Gattin) im Hause einer gläubigen, strengen und bisweilen sehr vergesslichen alten Frau, die alle nur Grandma nennen, nachdem der alte Chevy mit der Rakete unter der lädierten Motorhaube den Geist aufgegeben hat. Was als angenehmes Plaudern, Limonade-Trinken und American Pie- Essen bei Großmutter begonnen hat entwickelt sich zu ein paar unvergesslichen Stunden mit den Jungmusikern John, Georg, Richard und Linda samt Trip durch die Musikgeschichte - vor allem Rockmusiker und deren Songs haben es dem Autor angetan. Die Musiker, die nach und nach in Grandmas Haus erscheinen, Eric (trinkt aus der Clapton-is-God-Tasse), Ginger Augenroller Baker, Graham Nash (Sheriff mit dem „Ey“ ) und zu guter Letzt Phil Spector mit dem Faible für „Dusty Rose“, haben alle ein Problem: sie laufen nicht ganz rund bzw. sind kriminell unterwegs. Das scheint jedoch niemanden zu stören, außer die McCartneys, die einfach nur ihr bzw. Tom Pettys Auto repariert haben und dann weiter nach Los Angeles fahren wollen.
Der Autor verfügt über einen sehr eigenwilligen Schreibstil. Es liest sich oft wie ein Drehbuch und ich kann förmlich den Regisseur hören, wie er seinen Schauspielern Anweisungen gibt. Die direkte Rede ist nicht hervorgehoben, was aber den Lesefluss keineswegs stört. Die größte Herausforderung sind die Charaktere: Grandma, die weder an der Vergangenheit noch an der Zukunft rühren will, Kraftausdrücke nicht leiden kann, keine politischen und beruflichen Gespräche am Tisch duldet und gerne mal den einen oder anderen Sachverhalt von vor 2 Minuten wieder vergisst. Warum George, Richard, John und Linda immer wieder Paul für John Lennon halten und Grandma wie vom Band herunterleiert, dass John Lennon in New York erschossen wurde und sie keine zehn Pferde dort hinkriegen würden, hat sich mir nicht erschlossen. Egal! Hier haben nicht nur Eric und Ginger einen Knall und zu viel geraucht oder eingeworfen. Warum strecken sich Linda und John ständig gegenseitig die Zunge raus? Kinder eben! Ginger entschuldigt sich jedes Mal bei Grandma, wenn die ihn rügt, und steht dazu auch noch auf. Darüber habe ich immer wieder geschmunzelt. Alle halten Pauls Frau – wie heißt sie überhaupt? – für eine Spitzenklasse Schützin.
Ohne Frage, dieses Buch ist lustig, skurril, verrückt, abgefahren, voller schräger Ideen und für mich schnell zu lesen. Allerdings gingen mir nach der Hälfte der Geschichte bei Auftauchen des Sheriffs fast alle Personen so auf die Nerven, dass ich mir am liebsten Joes Revolver geschnappt und ein paar Mal in die Luft geschossen hätte. Ich habe mir die Zeit genommen und an die 40 Musiker und 21 Songs gezählt. Das hat richtig Spaß gemacht, denn so bin ich auf viele bekannte Lieder und deren Texte gestoßen. Ansonsten kann ich das Buch all denjenigen empfehlen, die Musik und verdrehte Charaktere lieben und mit irren Charakteren gut zurechtkommen.

Veröffentlicht am 28.09.2018

Unterhaltsamer Roman zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Das Geheimnis der Papiermacherin
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Nürnberg anno 1621: Anna Pecht ist eine junge Frau, auf deren Schultern bereits viel Verantwortung lastet. Nach dem Tod ihrer Mutter spielt und trinkt ihr Vater lieber, als sich um die Papiermühle zu kümmern. ...

Nürnberg anno 1621: Anna Pecht ist eine junge Frau, auf deren Schultern bereits viel Verantwortung lastet. Nach dem Tod ihrer Mutter spielt und trinkt ihr Vater lieber, als sich um die Papiermühle zu kümmern. Dadurch steht die Mühle kurz vor dem Aus! Für Anna bedeutet die Mühle ihr ganzes Leben und darum will sie kämpfen. Mit nicht ganz legalen Mitteln beginnt sie gemeinsame Sache mit ein paar Lumpenhändlern zu machen. Doch diese Unternehmungen sind sehr gefährlich, denn der wohlhabende und dubiose Bartholomäus von Treist duldet keine Konkurrenz. Da erfährt Anna überraschend Unterstützung.
Ein historischer Roman, der während des Dreißigjährigen Krieges spielt und den Kampf der Nürnberger ums Überleben aufleben lässt, hat mich sehr neugierig gemacht. Zudem steht hier eine junge Frau im Mittelpunkt, die die Rolle übernimmt, die ihr Vater schon länger nicht mehr ausfüllt. Dieser Stoff und der leicht zu lesende Schreibstil machen den Roman zu einer kurzweiligen und schönen Unterhaltung. Am besten haben mir die Beschreibungen der mittelalterlichen Stadt Nürnberg und das Leben der Bewohner gefallen. Alle Charaktere im Roman sind authentisch und bleiben sich selbst treu. So blieben sie unverwechselbar und ich konnte sie mir gut vorstellen. Anna Pecht ist eine starke Frau und oft auch äußerst leichtsinnig. Hier wird die Geschichte für mich schwierig, denn sie hat oft mehr Glück als Verstand und das finde ich nicht sehr real. Zudem nimmt das Geschehen zum Ende hin einen vorhersehbaren Verlauf, was die Spannung nimmt. Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen, da ich neben den historischen Aspekten, den Gepflogenheiten und Standesunterschieden viel über die Papierherstellung jener Zeit erfahren habe.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Eine Liebe für die Ewigkeit

Der englische Liebhaber
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Federica DeCesco erzählt hier die Geschichte ihrer Tante, deren Liebe zu einem englischen Offizier und Geheimdienstler nach dem 2. Weltkrieg unter keinem guten Stern steht. Die Geschichte wird auf zwei ...

Federica DeCesco erzählt hier die Geschichte ihrer Tante, deren Liebe zu einem englischen Offizier und Geheimdienstler nach dem 2. Weltkrieg unter keinem guten Stern steht. Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen und aus unterschiedlicher Sicht erzählt. Zum einen ist da Charlotte in der Gegenwart, die nach dem Tod ihrer Mutter Anna deren Tagebücher und Tonbandaufzeichnungen erhält. Die Tagebücher führen Charlotte in die Vergangenheit ihrer Mutter, die nach dem 2. Weltkrieg zur Geliebten des englischen Offiziers Jeremy Fraser wird. Anna wird schwanger, aber Jeremy Fraser verschwindet ohne ein Wort aus ihrem Leben. Briefe laufen ins Leere und Anna zieht ihre Tochter Charlotte alleine auf. Der Roman wechselt zwischen beiden Zeit- und Erzählebenen hin und her und offenbart eine traurige und tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der zerstörten Stadt Münster im Jahre 1945. Anna zieht ihre ganze Kraft aus den Erinnerungen an und ihre ungebrochene Liebe zu Jeremy Fraser. Dadurch wird der Roman sehr melancholisch und bisweilen sehr deprimierend, da es kaum Lichtblicke in ihrem Leben gibt.
Mir ist nicht klar, ob die Autorin so nah wie möglich an den wahren Aufzeichnungen von Anna bleiben wollte. Leider fehlten mir die Emotionen neben der unglücklichen Liebesgeschichte von Anna und Jeremy. Auch die Tatsache, dass Anna kein neues Leben mit ihrer Tochter Charlotte begonnen hat, sondern ihrer Liebe zum englischen Liebhaber ihr Leben lang nachhing, war mir zu eindimensional. Sie kommt kalt, distanziert und wenig liebenswert rüber. Gut, sie hat ihren Lebensunterhalt stets selbst bestritten und ihre Tochter groß gezogen. Was aber ist mit ihren Gefühlen zu Charlotte gewesen? Konnte sie ihr Kind wirklich lieben? Oder war es vielmehr die Erinnerung an Jeremy und die Verbundenheit mit ihm, der sie an diesem Kind festhalten ließ? Wenig verwunderlich finde ich, dass es zwischen Anna und Charlotte keine Mutter-Tochter-Bindung gibt. Da fehlen die Zuneigung und das in die Zukunft-Blicken und nicht nur Zurückschauen. Allerdings scheint Charlotte in den biestigen Kinderschuhen stecken geblieben zu sein. Ihre Wut auf die ganze Welt und im speziellen auf ihre Mutter bedürfte dringend der Reflexion. Mich hat sie meist genervt und ich konnte nichts Liebenswertes an ihr entdecken. Jeremy bleibt als Charakter sehr undurchsichtig und flach. Ich hatte bei ihm ganz oft das Gefühl, dass er nicht ehrlich ist und seine Gefühle seinem Beruf untergeordnet hat. Erst als es fast schon zu spät für eine Beziehung mit Anna ist, wird er plötzlich tätig. Dabei jammert er ihr auch noch die Ohren voll. Wie viel Fantasie steckt in diesem Roman? Ich bin hin- und hergerissen in meiner Beurteilung des Romans. Es handelt sich nicht alleine um einen klassischen Liebesroman, sondern spiegelt auch gekonnt die damaligen Verhältnisse nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und die Alliierten versuchten, wieder eine gewisse Ordnung in den zerstörten Stäten aufzubauen. Es gibt sehr schöne Momente voller Glück, Hingabe und Hoffnung, jedoch auch die Angst der Menschen nach der vielen Gewalt. Ein Verhältnis zwischen einer Deutschen und einem Angehörigen der Besatzungsmacht – in diesem Fall der Engländer Fraser – war ein absolutes No-Go.
Den Vergleich mit dem Buch „Vom Winde verweht“ finde ich hier nicht passend und für nicht haltbar.