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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.09.2021

Eine Frau steht ihren ...was?

Wo das Licht herkommt
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Philippine Moosleitner ist besser als jeder Mann. Im 18. Jahrhundert durften Mädchen zwar lesen und schreiben lernen, aber höhere Bildung blieb ihnen verwehrt. Erst recht für eine Bauerntochter. Philippine ...

Philippine Moosleitner ist besser als jeder Mann. Im 18. Jahrhundert durften Mädchen zwar lesen und schreiben lernen, aber höhere Bildung blieb ihnen verwehrt. Erst recht für eine Bauerntochter. Philippine ist intelligent, wissbegierig und hat eine gute Beobachtungsgabe. Sie erkennt als einzige, dass Sepp, der Nachbarsjunge grausam ist und Spaß am Quälen hat. Ausgerechnet ihn soll sie heiraten. Kein Bitten, kein Flehen hilft. Als Tochter hat sie zu gehorchen. Aber sie flieht, schlägt sich nach Wien durch, als Junge verkleidet wird sie an einer Schule aufgenommen, studiert dann weiter in Italien und Portugal, tritt sogar die Reise nach China an, rund um Afrika und Indien. Philippine ist ständig in Gefahr, enttarnt, vergewaltigt oder getötet zu werden.
Skorpil versteht es meisterlich, den Zeitgeist einzufangen, ob arme Bauern, niedrige Huren, wandernde Studiosi, verarmten vergessene Priester in fernen, heidnischen Ländern oder der Kaiser von China und seine Potentaten, sie alle kommen in Clementine Skorpils Buch zu Wort.
Der Schreibstil ist eigenartig. Satzfragmente und Sätze die sich aneinanderreihen, wie nicht zu Ende gebrachte Gedanken, um am Ende doch ein in sich gefestigtes bezauberndes und logisches Gefüge zu ergeben. Allen Kapiteln steht eine chinesische Weisheit vor. Fei Lipu wird aus seinem Werk über das Bauland zitiert. Ich dachte schon, das wäre ein Philosoph wie Konfuzius, aber es ist "nur" ein Bauernmädchen aus dem österreichischen Neulengbach. Genial!

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Veröffentlicht am 21.08.2021

Schwedenkrimi - Garant für Qualität

Unter dem Sturm
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Wieso kommen so gute Krimis aus Skandinavien? Was liegt an den Ländern nur, dass sie solch meisterhafte Krimiautoren hervorbringen? Das vorliegende Buch nimmt uns gleich gefangen. Ob es die Nachbarin ist, ...

Wieso kommen so gute Krimis aus Skandinavien? Was liegt an den Ländern nur, dass sie solch meisterhafte Krimiautoren hervorbringen? Das vorliegende Buch nimmt uns gleich gefangen. Ob es die Nachbarin ist, die heimlich Bilder vom Hausbrand verkauft, oder der kleine Junge, dessen Welt aus den Fugen gerät, alles ist spannend und bedeutungsvoll. Hinzu kommt ein Coverbild, das dem Buchtitel sehr gerecht wird.
Das Buch ist in sich stimmig. All die Spuren am Anfang des Buches die zur Inhaftierung von Edvard führen, werden später, im Lauf des Romans als Spuren gedeutet, die auch auf andere als Täter deuten, so dass neue Verdächtige auftauchen, um aber dann mit soliden Alibis wieder abzutauchen. Edvards Neffe, Isak, war damals ein zehnjähriger Bub, der seinen Onkel vergötterte. Nun, zehn Jahre später droht er als Kleinkrimineller abzusacken. Die Gemeinschaft hat ihn vor der Zeit verurteilt: Der Großvater war gewalttätig, sein Onkel hat seine Freundin getötet, was soll man also vom jüngsten Spross der Familie noch groß erwarten? Es ist diese Vorverurteilung, die Vorurteile, die ihn fertig und mir zu schaffen machen. Zum Glück gibt es einen hartnäckigen Polizisten, den Edvards Fall nicht loslässt. Weil er mit der Nachlässigkeit, mit der in diesem Fall ermittelt wurde und nur der offiziellen Mordtheorie zuträglichen Beweise zugelassen werden und weil er durch sein Nachfragen die Polizeiroutine stört, quittiert er lieber seinen Dienst und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Letzten Endes ist es Vidars Beharrlichkeit zu verdanken, dass die Wahrheit ans Licht kommt und dass Isak doch noch gerettet wird. Denn der wahre Mörder von Edvards Freundin hat Isak entführt, weil er der Wahrheit zu nahegekommen ist.
Die Charaktere scheinen aus dem Leben gegriffen. Isaks Eltern z.B., die überlegen weg zu ziehen nach Edvards Verurteilung und sich doch entschließen zu bleiben, sie haben sich ja nichts zuschulden kommen lassen, müssen nun all die Jahre die schiefen Blicke der anderen ertragen.
Vidar hat sich an diesen Fall festgebissen. Er quittiert lieber den Polizeidienst, nimmt schlecht bezahlte Jobs und Eheprobleme in Kauf, aber der Mord an der jungen Frau lässt ihn nicht los. Er macht einen bedächtigen, überlegten Eindruck, ist von Anfang an sympathisch, wie er an den Fall rangeht aber auch wie er für Isak Verständnis aufbringt, ihn nicht vorverurteilt wie die Gesellschaft es tut.
Zurückhaltend und doch spannend geschrieben, lässt sich der Krimi viel zu schnell zu Ende lesen.

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Veröffentlicht am 21.08.2021

Nette Liebesgeschichte

A Reason To Stay (Intensive New-Adult-Romance von SPIEGEL-Bestsellerautorin Jennifer Benkau) (Liverpool-Reihe 1)
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Nette Liebesgeschichte, trotz der etwas zu dramatisch gehaltenen Warnungen im Prolog.
Sie und er lernen sich kennen, lernen sich lieben, alles scheint gut zu werden, wenn da nicht die Geheimnisse in der ...

Nette Liebesgeschichte, trotz der etwas zu dramatisch gehaltenen Warnungen im Prolog.
Sie und er lernen sich kennen, lernen sich lieben, alles scheint gut zu werden, wenn da nicht die Geheimnisse in der Vergangenheit der Liebenden wären. Aber wie in einem guten Liebesroman werden die Hürden letzten Endes genommen, Spannung und Drama sind auch dabei. Ein fieser manipulativer Ex ist auch dabei, versucht wieder seine Machenschaften, aber letzten Endes wird er entlarvt, entlassen, große Versöhnungen stehen an, alles löst sich in Wohlgefallen auf. Die dunklen Geheimnisse der Vergangenheit sind nicht mehr bedrohend, weil man darüber spricht, sie ans Licht zerrt. Die psychischen Probleme vor denen wir so dringlich im Prolog gewarnt wurden können gemeinsam bewältigt werden,
Routiniert geschrieben, ohne allzu viele Entgleisungen ins Triviale, lässt sich das Buch für uns Mädels leicht und angenehm lesen. Für einen Mann wäre das allerdings eine echte Herausforderung. Ist wohl auch nicht das Zielpublikum.

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Veröffentlicht am 10.08.2021

Wunderschöner Krimi aus der Zeit der k.u.k. Monarchie

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Ich kenne den Wiener Zentralfriedhof. Stundenlang kann man heutzutage da spazieren gehen und allen großen österreichischen Musikern, Schriftstellern, Politikern Künstlern und Schauspielern seine Reverenz ...

Ich kenne den Wiener Zentralfriedhof. Stundenlang kann man heutzutage da spazieren gehen und allen großen österreichischen Musikern, Schriftstellern, Politikern Künstlern und Schauspielern seine Reverenz erweisen. Linienbusse fahren durch den Zentralfriedhof, teilweise hat man das Gefühl durch einen traumhaften Park zu wandern.
Aber 1893 muss das noch chaotisch ausgesehen haben. Die Gräberfelder noch nicht ausgewiesen, so wie heute, die Armengräber waren lange Schachtgräben, in denen die Toten nebeneinander gelegt wurden, etwas Erde darüber geschüttet und eine neue Reihe wurde begonnen, bis der Graben voll war. In solch einem Schachtgrab wurde auch Mozart zur ewigen Ruhe gebettet.
Buchtitel und Titelbild machen neugierig. Auf Wien, auf die Anfänge der Kriminalistik und auf einen ganz besonderen Menschenschlag: die Wiener Totengräber. Leopold von Herzfeldt fängt als junger Polizist bei der Wiener Polizei an, löst unter Einsatz seines Lebens gleich 3 Mordfälle, die scheinbar nicht zusammenhängen aber irgendwie doch miteinander verzahnt sind. Augustin Rothmayer, seines Zeichens Wiener Totengräber mit langer Totengräbertradition in der Familie, unterstützt ihn, gibt wertvolle Hinweise erklärt wie unterschiedliche Todesarten aussehen. Die Kriminalistik steckt noch in den Kinderschuhen, Tatorte werden noch nicht abgesichert und minutiös untersucht. Wie da die wahren Schuldigen ermittelt werden sollen grenzt an ein Wunder. Doch die drei Mordfälle ziehen Kreise bis in die allerhöchsten Ebenen, sogar die Wiener Polizei ist davon betroffen.
Leopold von Herzfeldt hat jüdische Wurzeln. Das lockt sofort Feinde, und Missgunst an. Auch die Wiener Polizei ist nicht frei von Antisemiten, die von Herzfeldt das Leben schwer machen, sogar seine Entlassung erreichen wollen. Doch er ist ein viel zu guter Ermittler, als dass die Polizei sich wirklich erlauben könnte, ihn gehen zu lassen. Und so wird von Herzfeldt wieder aufgenommen und er drückt sogar etwas noch nie dagewesenes durch: Die ehemalige Polizeitelefonistin wird als Tatort- und Polizeifotografin eingestellt. Und das 1893.
Habe die Ehre!

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Veröffentlicht am 09.08.2021

„Das Leben ist halt einmal so und viel öfter anders“ (S. 107)

Greta und Jannis
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Das Romandebüt einer Wort- und Stilsicheren Autorin, Sarah Kuratle, hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Die Handlung ist spannend, mit vielen Wendungen, nichts ist so wie es zuerst dargestellt ...

Das Romandebüt einer Wort- und Stilsicheren Autorin, Sarah Kuratle, hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Die Handlung ist spannend, mit vielen Wendungen, nichts ist so wie es zuerst dargestellt wird, die Personen scheinen jede verloren in ihrer eigenen Welt zu sein und doch ergeben sie alle zusammen ein buntes wunderschönes Bild und ein gemeinsames Universum.
Am meisten hat mich aber der Stil des Buches eingefangen. Die Sicherheit mit der Kuratle im gleichen Satz von indirekter zu direkter Rede wechselt, Dialoge in den Erzähltext einbaut, von dritter Person zur ersten wechselt, sich dadurch als Autorin zurücknimmt und die Gestalten reden und agieren lässt, ist einmalig. Dadurch schafft sie einen Perspektivwechsel der verwirrend schön ist, die Lektüre aber nicht einfach macht. Ohne tief auf das Buch konzentriert zu sein, lässt sich der Roman nicht lesen. Ist dies wirklich ein Romandebüt? Jedes Wort, jeder Satz ist ausgereift, steht an seinem Platz, kann durch kein anderes Wort, keinen anderen Satz ersetzt werden.
Greta und Jannis leben im „letzten Dorf“ im Gebirge, hier kennt jeder jeden, es herrschen strenge, eherne Gesetze im Dorf: nur die Erstgeborenen haben das Recht zu heiraten, Kinder zu bekommen. Nur die erstgeborenen Männer dürfen die geschmückten Hüte tragen, nur den erstgeborenen Frauen steht Schmuck zu. Die jüngeren Geschwister werden Busfahrer oder wandern aus oder werden heimlich als Säugling vor Tante Severines Tür ausgesetzt. Im Laufe der Zeit wird Tante Severine mit Gretas Hilfe drei Kinder aufnehmen, Melina, Flora und Chaspar.
Greta und Jannis kennen sich von Kindesbeinen an, später werden sie ein heimlich-offenes Liebespaar. So groß und unaufhaltbar diese Liebe auch ist, eigentlich dürfte sie nicht sein. Aber sie ist da und lässt sich nicht unterdrücken, mit all ihren Folgen und Konsequenzen. Ihre Liebe ist: „Eine Ruhe, klingend, eine Stille, knisternd, ein Friede und Zauber ist um dieses Liebespaar, das sie waren oder sein werden, ob vor acht oder in einhundert Jahren“ (S. 228)
In der Nähe des Gehöftes von Tante Severine ist ein altes, verlassenes Schloss. Cornelio, der Sohn des verstorbenen Schlossherrn taucht auf, nähert sich langsam Tante Severine und ihren Schützlingen, nimmt das Schloss langsam, Raum für Raum in Besitz. Irgendwann ist er aus dem Leben dieser „Familie“ nicht mehr wegzudenken und er wird fester Teil dieser Gruppe.
Magische Elemente, durchziehen den Roman, wie der Apfelbaum der nur alle 8 Jahre blüht um dann im Winter goldene Früchte zu tragen, die Steinböcke die verschwinden um dann in Feuervögel, Schnecken, Windbienen und Luchse, alle mit Hörnern weiter zu leben. Erst als Steinböcke wieder im Gebirge angesiedelt werden, verlieren diese Tiere ihre Hörner.
Der Untertitel des Buches: „Vor acht oder in einhundert Jahren“ weist daraufhin, dass die Handlung des Buches zeitlos ist, oder dass sie jederzeit wieder passieren kann.

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