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Veröffentlicht am 11.03.2020

Wiedersehen in Doggerland

Doggerland. Tiefer Fall (Ein Doggerland-Krimi 2)
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Was ist so faszinierend an Doggerland? Es gibt ja diese Inseln gar nicht. Aber anders als in Auenland oder Liliput, gab es einmal, in grauer Vorzeit Doggerland wirklich. Die Ortsnamen, die Landschaft, ...

Was ist so faszinierend an Doggerland? Es gibt ja diese Inseln gar nicht. Aber anders als in Auenland oder Liliput, gab es einmal, in grauer Vorzeit Doggerland wirklich. Die Ortsnamen, die Landschaft, die Menschen, alles klingt so vertraut als wäre es im Nachbarort. Dabei entspringt alles Maria Adolfssons Fantasie. Das macht den Roman so interessant. Natürlich auch die Handlung, ein gut gemachter Krimi ist immer spannend und abwechslungsreich, und dies ist ein guter Krimi. Ein weiterer Anziehungspunkt ist das Auftreten der Hauptgestalten, die wir aus Adolfssons ersten Krimi schon kennen: Die Ermittler und ihre mehr oder weniger komplizierten Familienverhältnisse.

Karen Eiken Hornby verbringt Weihnachten mit ihrer Mutter, deren Partner, mit dem obdachlosen Leo Friis, der bei ihr eine Bleibe gefunden hat, mit Sigrid Smeed, der Tochter des Polizeichefs von Doggerland, mit Marike, der dänischen Freundin. Karen ist sich dabei nicht sicher, will sie vielleicht lieber allein sein und ihre Ruhe haben oder doch lieber die Freunde und all den Trubel um sich haben? So kommt ihr die Aufforderung ihres Chefs auf die Nachbarinsel Noorö überzusetzen, weil da ein Mord passiert ist nur gelegen. Und so nimmt die Handlung Fahrt auf. Wie bei einem guten Krimi rutschen abwechselnd unterschiedliche Verdächtige in den Fokus nur um dann wieder entlastet und in unseren Augen rehabilitiert in den Hintergrund zu treten oder selber als Leiche zu enden, denn es geschieht ein zweiter Mord auf Noorö.

Zusätzlich lernen wir neue Familienmitglieder von Karen kennen und auch wie Karens Mann und Sohn ums Leben kamen, damals in England. Dies ist alles notwendiger Teil der Handlung, denn nur so können wir Karen Eiken Hornby besser kennen und verstehen lernen. Wenn sich anfangs die Ermittlungen mühsam und fast zäh dahinziehen, so wächst die Handlung allmählich an, die Spannung wächst und die Verschnaufpausen werden immer geringer und seltener. Parallel zur eigentlichen Krimihandlung entwickelt sich noch ein zweiter genauso spannender Erzählstrang um Karens Freundin Aylin und deren Mann Bo Ramnes.

Und wie es sich für einen spannenden Krimi gehört, wird Karen Eiken Hornby unter Einsatz ihres Lebens beide Mordfälle lösen und Aylins Problem eher unkonventionell letztlich endgültig aus der Welt schaffen.

Maria Adolfsson hat mir schon mit dem ersten Doggerland Roman gefallen, mit diesem zweiten ist sie definitiv in meinen persönlichen Autorenpantheon aufgestiegen.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Marienkäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, dei‘ Mutter ist in Pommerland und Pommerland ist abgebrannt…

Priest of Bones
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Wer kennt diesen alten Reim nicht? Er stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg und stellt eigentlich die schreckliche Situation dar, in der sich die vielen Kriegswaisen der Zeit befanden. Und genau daran hat ...

Wer kennt diesen alten Reim nicht? Er stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg und stellt eigentlich die schreckliche Situation dar, in der sich die vielen Kriegswaisen der Zeit befanden. Und genau daran hat mich die LP erinnert. An den Dreißigjährigen Krieg und die Zeit danach: Krieg, Pest, Cholera, die beiden Kirchen, die beide sich nicht zu scheu waren, zusätzlich zum Krieg Hexenverbrennungen durchzuführen. Wer der Soldateska entkam, konnte getrost auf die Kirche bauen, die erwischte ihn dann bestimmt. Solch ein Priester tritt hier auch auf. Dabei wirkt er manchmal direkt sympathisch.

Was passiert nach einem Friedensschluss? Was passierte damals, 1648 nach dem Westfälischen Frieden? Der wahre Frieden kehrte noch lange nicht ein.
Was passierte 1918, während und nach den Friedensschlüssen von Versailles und Trianon? Räterepubliken, Revolten, Bürgerkrieg oder kriegsähnliche Zustände. Nach 5 Jahren Krieg kannten die überlebenden Heimkehrer nicht viel anderes mehr. Woher auch?

Wenn der Krieg wirklich und endgültig vorbei ist, wie lange dauert es dann, bis auch wirklich und endgültig Frieden einkehrt? Die überlebenden Kriegsheimkehrer haben jahrelang an der Front gekämpft, haben alles andere verlernt, vergessen, verdrängt. Sie kennen nur noch Mord und Totschlag. Und was an der Front gut war, soll nun auf einmal nicht mehr gut sein? Wer wagt es denn zu widersprechen? Einer solchen Horde heimkehrender Soldateska begegnen wir im Roman. Sie macht nun die Straßen unsicher bis sie daheim ist. Nach außen hin wird Stärke und Gemeinschaft gezeigt, im Inneren aber schwelen ständige Rangkämpfe. Sobald einer die Autorität des Anführers in Frage stellt, muss dieser sofort und gnadenlos seine Macht zeigen und den Meuterer töten. Die Ähnlichkeit mit dem Leben in einem Löwenrudel ist nicht von der Hand zu weisen. Die Heimatstadt hat sich auch verändert. Und nicht zum Guten. Tomas Piety muss feststellen, dass seine Stadt nun von anderen beherrscht wird, sein Name nicht mehr beachtet wird. Aber die Piety Brüder machen sich gleich bei Ankunft daran, ihr Territorium zurück zu erobern. Denn vor dem Krieg waren sie „Paten“ ihres Stadtteils, Kneipen, Prostitution, Glücksspiel, Schutzgelder, Drogen, das holen sie sich zurück. Aber sie müssen feststellen, sie kämpfen nicht nur gegen den rivalisierenden Mob aus dem Nachbarviertel, sondern eine viel größere Bedrohung macht sich in der Stadt breit. Tomas muss vorsichtig taktieren, denn die Gefahr eines neuen Krieges ist latent da. Doch er hat auch Hilfe, er kämpft nicht allein. Außer seinen Soldatenfreunden, die ihm treu ergeben sind, bekommt er Unterstützung von unerwarteter Seite. Doch diese Hilfe ist zweischneidig, mit weiteren Gefahren verbunden.
Die Spannung im Buch wird durch noch einen Faktor erhöht: die Magie. Noch tritt sie nicht konkret auf, agiert nur im Verborgenen, doch sie ist da. Manche fürchten sie, andere machen sie sich zu nutze. Interessant ist, dass in dieser Stadt Magie unterschiedlich behandelt wird. Es gibt die akzeptierte Magie und es gibt die böse Zauberei, die abgelehnt, geahndet und verfolgt wird. Wo ist da wohl der Unterschied?
Wie das Ganze abläuft, wird hier nicht verraten, wo bleibt denn sonst die Spannung? Der nüchterne und doch packende Schreibstil, die ruppigen Dialoge, die spannende Handlung treiben den Leser durch die Seiten. Doch Achtung: Dies ist nur der erste Teil, wir dürfen uns auf die Fortsetzungsromane freuen.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Geschichte aus einem anderen Blickpunkt

Der Empfänger
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Ein vielschichtiger Roman der eine recht turbulente Zeit des 20 Jahrhunderts zum Thema hat. Auf drei Zeitebenen spielend und auf drei Kontinenten, beginnt und endet der Roman in Costa Rica 1953. Dies ist ...

Ein vielschichtiger Roman der eine recht turbulente Zeit des 20 Jahrhunderts zum Thema hat. Auf drei Zeitebenen spielend und auf drei Kontinenten, beginnt und endet der Roman in Costa Rica 1953. Dies ist die Rahmenhandlung und die erste Zeitebene.
Die Haupterzählung spielt in den USA, genauer in New York. Nach dem ersten Weltkrieg, der Vater ist gleich zu Beginn des Krieges gefallen, beschließen zwei Brüder aus Deutschland nach Amerika auszuwandern. Doch der jüngere verliert durch einen Unfall ein Auge, er kann nicht mehr nach Amerika, auf Ellis Island würde er sofort ausgemustert werden. So bleibt er in Deutschland, heiratet, hat zwei Kinder. Joseph, nun Joe, der nach Amerika ausgewanderte Bruder, schlägt sich durch, arbeitet zuletzt in einer Druckerei und in seiner freien Zeit ist er als Amateurfunker in Verbindung mit der ganzen Welt. So lernt er Lauren kennen, eine junge Amerikanerin, die auch in New York lebt, so wie er. Doch es kommen schwere Zeiten. Nach der großen Wirtschaftsdepression geht es zwar aufwärts, aber langsam. Und immer mehr dringt das Politikum in das Leben aller Menschen, in Deutschland wie in den USA. Die Deutschen, die ausgewandert sind, spalten sich in zwei große Parteien: einerseits die vor Nazideutschland geflüchteten, Juden, Liberale, Intellektuelle. Andererseits die Deutschen rechter Gesinnung, die auch in Amerika der gleichen Propaganda frönen, wie auch in der alten Heimat. Sie versuchen Stimmung für Hitler zu machen, treten diversen Volksgruppen bei, sind fest überzeugt, Hitler allein könne Amerika retten, spionieren für das Hitlerregime. Joe lebt still, zurückgezogen, fühlt sich von dem groben Hurrapatriotismus seiner Landsleute abgestoßen. Doch durch sein Hobby ist er den Nazi-Agenten aufgefallen und ohne seinen Willen in deren Machenschaften verwickelt. Er muss geheime Botschaften nach Deutschland funken. Joe versucht auszusteigen, er will da nicht mitmachen, aber er wird brutal zusammengeschlagen. Letztendlich wendet er sich an das FBI, aber die helfen ihm auch nicht, sie wollen ihn als Doppelagenten benutzen. Erst als Joe Klein einen Autounfall provoziert, wird er von beiden Seiten in Ruhe gelassen und einige Monate danach endlich verhaftet. Er bleibt interniert bis 1949, als er nach Deutschland abgeschoben wird. Einige Monate lebt er bei seinem Bruder Carl, kann aber nicht heimisch werden weder in der Enge der zerbombten deutschen Städte, noch in der kleinbürgerlichen Atmosphäre in der Carl lebt und in der er auch seine Frau Edith und seine beiden Kinder zu leben zwingt. Die zwei Brüder finden weder den richtigen Umgangston miteinander noch auf seelischer Ebene zueinander. Joe wandert nach Südamerika aus. Als er merkt, dass er wieder von den alten Naziseilschaften umgarnt wird, wie einst in New York, gelingt es ihm endlich einen klaren Trennstrich zu ziehen, Nein zu sagen und sich nicht mehr in dunkle Machenschaften der Altnazis einwickeln zu lassen.
Während Costa Rica und 1953 dem Roman einen Rahmen geben, sind die beiden anderen Zeit- und Handlungsebenen miteinander verwoben, sie wechseln sich ab, ergeben zusammen eine interessante bunte Patchworkdecke. Einerseits Joes Leben in New York, sein Versuch sich von den ausgewanderten Deutschen fern zu halten, die Art wie er von Agenten der Reichsabwehr gezwungen wird zu kooperieren, seine Liebe zu Lauren, die ihm letztendlich zuvorkommt und ihn beim FBI anzeigt, seie Tätigkeit als Doppelagent, seine Zeit im Gefängnis, all dies wird in Rückblenden erzählt während er 1949 bei seinem Bruder lebt, versucht seiner Schwägerin Edith und den Kindern zu helfen, weil Carl, genau wie weiland der Vater zu Gewaltausbrüchen neigt.
Für Carl spricht, dass er sich während der Nazizeit geweigert hat ein arisiertes Haus zu kaufen und es vorgezogen hat ein altes, renovierungsbedürftiges Haus zum „normalen“ Preis zu kaufen und auch sonst sich nicht politisch betätigt hat. Im Gegensatz dazu Joe. Er hat auch versucht apolitisch zu leben, es ist ihm aber nicht gelungen und so musste er geheime Nachrichten nach Deutschland funken. Nur durch seine Verhaftung konnte er sich sowohl der deutschen Abwehr als auch dem FBI entziehen. War er tapfer? War er feige? Spielt keine Rolle. Joe Klein ist ein ganz normaler Mensch, weder ein Held noch ein Hasenfuß. Er will einfach nur so leben, wie es ihm gefällt, ohne anderen zu schaden oder zu verletzen. Er ist aber beileibe kein Herr Biedermann. Der bekanntlich die Brandstifter selbst in sein Haus lies. Joe versucht sich zu wehren, versucht auszusteigen, zu kündigen. Erst viele Jahre später wird ihm dies gelingen, in Costa Rica.
Der Schreibstil ist eher nüchtern, dadurch Joes Lebensgeschichte glaubwürdig machend. So klar und präzise der Stil ist, so überraschen ab und zu Sprachbilder von eigenartiger Schönheit: die Nacht senkt sich über Harlem wie ein Schleier der die Farben stetig löscht (S. 151), Nadelbäume die vor dem Nachtblauen Himmel Fächer bilden, „filigrane, asiatisch wirkende Bäume“ (S. 213), das Meer wie „Wasserteppiche die sich übereinander schoben“ (S. 219). Während der Überfahrt Richtung Buenos Aires bestaunt Joe den „Sauberen Nachthimmel“ (s.230)
Ein gutes, schön und spannend geschriebenes Buch mit einem interessanten Thema und literarisch auf hohem Niveau gehalten.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Die Silberhochzeit des Jahres

Zu wahr, um schön zu sein
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Atemlos werden wir in die Vorbereitungen für eine Silberhochzeit eingeführt. Torten, Musikband, Pastor, Location, Wetter, Kuchen, Gäste, Getränke, alles stimmt. Was nicht stimmt ist der Ehemann, der so ...

Atemlos werden wir in die Vorbereitungen für eine Silberhochzeit eingeführt. Torten, Musikband, Pastor, Location, Wetter, Kuchen, Gäste, Getränke, alles stimmt. Was nicht stimmt ist der Ehemann, der so nebenbei seit 5 Jahren eine Affäre mit einem Mann hat. Und dann, genau auf dieser Silberhochzeit outet der Partner sich selbst und den silbernen Bräutigam.
Nun, wie verkraftet die Ehefrau solch einen Supergau? In ihrer sensiblen Art beschreibt Gabriella Engelmann genau dies: wie Caro diese katastrophale Enthüllung packt und am Ende sogar wegsteckt. Das Buch ist keine Parteinahme für Heteros oder Homosexuelle, für Singles oder Paare. Sondern zeigt, dass das brutale und unschöne Ende einer Ehe nicht immer auch das Ende des Lebens ist, sondern sehr oft auch ein wunderbarer Anfang. Der Roman ist humorvoll, manchmal leicht karikiert, liest sich in einem Rutsch. Die agierenden Personen, allen voran das Quartett starker Frauen die füreinander da sind, immer bereit zu helfen, einzugreifen, alles stehen zu lassen um für die anderen da zu sein: Caro, die betrogene Ehefrau, ihre Mutter Flora, scheinbar noch in ihrer esoterischen Hippie-Yoga-Phase, immer wieder auf der suche nach dem Mann fürs Leben, Caros beste Freundin Sylvia, die Caro so tatkräftig zur Seite steht obwohl sie selber noch nicht so ganz über ihre Scheidung vor vier Jahren hinweg gekommen ist, und die liebenswerte Lotsenwitwe Hedwig, eine stille Beobachterin die dann immer wieder die Dinge mit viel Takt und Fingerspitzengefühl ins rechte Lot rückt, Caro hilft die richtige Perspektive zu erkennen und nicht in Selbstmitleid zu versinken. Aber bevor das geschehen könnte, haben Sylvia und Flora auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Die Männer im Roman wirken etwas blasser, geraten leicht in den Hintergrund angesichts dieser starken Frauengestalten: da wäre zunächst Matthias, Muttersöhnchen par excellence, hatte in seiner Ehe alle Freiheiten, die er sich nur denken konnte, erwartet auch weiterhin von Caro volle Unterstützung und Mitgefühl. Dass sein Outing etwas mit dem sonderbaren Verhalten seines sechzehnjährigen Sohnes zu tun haben könnte will er nicht akzeptieren. Thorsten, der Liebhaber, sucht Trost ausgerechnet bei Caro, als es in der Beziehung mit Matthias kriselt. Und da wären noch die diversen Männerbekanntschaften die Caro fast ungewollt nach der Trennung von ihrem Mann macht.
Das ende des Romans ist offen. Es werden nicht alle Beziehungen gelöst oder geschlossen, aber Caro schließt inneren Frieden mit Matthias, findet wieder Kontakt zu ihrem Sohn, beginnt einem Mann zu vertrauen, mit dem sie viel mehr Gemeinsamkeiten hat als sie zuerst angenommen hatte, und vor allem eines: die vier Frauen werden zum Quintett, Maria, Matthias‘ Mutter wird auch in diesen Kreis aufgenommen, ihre tiefe Freundschaft, Respekt und Liebe füreinander wird ihnen helfen, alle Höhen und Tiefen, die das Leben für sie noch bereit halten wird, zu meistern.
Fazit: Angenehmes und mutmachendes Buch.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Was ist Liebe?

Ein wenig Glaube
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Liebe ist mit einem kleinen Jungen auf dem Friedhof Verstecken zu spielen.
Liebe ist diesem kleinen Jungen den schmackhaftesten Apfel der Welt zu zeigen, zu erklären und zu geben, einen Apfel der nach ...


Liebe ist mit einem kleinen Jungen auf dem Friedhof Verstecken zu spielen.
Liebe ist diesem kleinen Jungen den schmackhaftesten Apfel der Welt zu zeigen, zu erklären und zu geben, einen Apfel der nach Erdbeeren und aller Süße der Welt schmeckt.
Liebe ist den Tod des eigenen Kindes zu überwinden und ein fremdes Mädchen zu adoptieren und es bedingungslos zu lieben.
Liebe ist all die pubertären Terroreinlagen des Mädchens zu erdulden, nie den Kontakt zum Mädchen abreißen zu lassen und es weiterhin bedingungslos zu lieben.
Liebe ist dem Mädchen – nun eine junge Frau - und ihrem Sohn zuliebe, in eine Kirche zu gehen, in der einem alles fremd und unangenehm ist. Aber wenn die junge Frau das so will, nimmt man es klaglos hin. Die Eltern wollen verhindern, dass der Kontakt zur Tochter und zum Enkel abbricht.
Liebe ist zu akzeptieren, wenn ein fremder unsympathischer Mensch das eigene Leben vor anderen Leuten ausbreitet und seine persönlichen Ansichten darin hineininterpretiert, nur um in der Nähe der Tochter und des Enkelsohnes bleiben zu können. Der selbst ernannte Priester tut dies, weil er Shilohs Eltern instrumentalisieren will, sie den anderen Gläubigern als Anhänger darstellt um dadurch sein eigenes Ansehen zu steigern.
Liebe ist weiterhin in diese Kirche zu gehen, obwohl man den Schweinepriester durchschaut in all seinen schlechten Absichten und betrügerischen Plänen, nur um weiterhin präsent zu sein im Leben der Tochter und des Enkels.
Liebe ist dem kranken Enkel beizustehen, ihn buchstäblich in letzter Sekunde der Sekte zu entreißen und in ein Krankenhaus zu bringen.
Liebe ist die Tochter zu lieben obwohl sie dem Vater Besuchsverbot im Krankenhaus erteilt hat, weil der Enkel im Koma liegt und künstlich am Leben erhalten wird. Und Liebe ist auch, sein Haus trotz des Besuchsverbots, der Tochter weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen.
Liebe ist sich über das Besuchsverbot hinwegzusetzen und dem Kind einen blühenden Apfelzweig ins Zimmer zu stellen.
Liebe ist mit seinem ganzen Herzen im Stillen und mit den wahren Freunden für das Leben des Enkels zu beten.
Liebe ist in einem späten Wintereinbruch eine ganze Nacht Feuer im Apfelgarten am Leben zu erhalten, bei Sturm und heftigen Schneefall, um wenigstens ein paar Apfelbäume zu retten.
Liebe ist dem todkranken Freund den Herzenswunsch zu erfüllen und ein wunderschönes Thanksgiving im sonnigen September zu feiern, weil nicht sicher ist, ob der Freund bis Thanksgiving noch lebt oder schon zu schwach sein wird, um am Fest teilzunehmen.
Liebe ist dem Freund beizustehen, ihn zu allen Arztterminen zu fahren, zu pflegen, bei ihm zu sitzen, ihm das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein.
Liebe ist, sich mit seinem Partner wortlos zu verstehen, zu wissen was der geliebte Mensch denkt, was wichtig ist, worauf es wirklich ankommt im Leben.
Liebe ist all das und noch vieles mehr, aber vor allem, sie ist leise, unaufdringlich, immer präsent, immer eine Stütze für die anderen.
Aber mal eine andere Frage: was ist Glaube? Wie weit kann oder darf Glaube gehen? Für einen Menschen zu beten ist gut und schön, wir tun es ja alle, die an Gott glauben. Aber kann das Gebet wirklich den Arzt oder die medizinische Behandlung ersetzen? Kann der Glaube Insulin ersetzen? Der Glaube versetzt bekanntlich Berge. Den Blutzuckerspiegel aber nicht.
Kann man wirklich ein fünfjähriges Kind zwingen kranke Menschen zu berühren, weil man das Kind als Heiler darstellen will? Heiler mit magischen Kräften, die aber durch das Gebet des betrügerischen Priesters gelenkt werden müssen? Hat Shiloh, die Mutter des kranken Isaac, wirklich geglaubt, sie würde ein Heilerkind haben, oder wollte sie nur nicht ihre Verbindung zum falschen Prediger aufs Spiel setzen? Wann geht Glaube in Fanatismus über?
Kreationismus oder Evolution? Ist das wirklich eine Frage? Schlagen wir sie doch mit eigenen Argumenten. Gott hat die Sonne nicht am ersten Tag geschaffen. Bis dahin gab es also nicht den 24 Stunden Tag, also hätte der erste Tag länger dauern können, einige Millionen Jahre vielleicht? Und warum nicht Evolution akzeptieren? Hat Gott nicht nach der Sintflut und mit Erschaffung des Regenbogens versprochen, sich nicht mehr in die Geschicke der Erde einzumischen? Wäre da also eine nachträgliche Evolution nicht annehmbar? Das Thema der Kreation wird nicht vordergründig im Roman behandelt, nur am Rande, in einem Gespräch zwischen Peg Hovde, Isaacs Großmutter und einer jungen streng gläubigen Frau, die lauthals und selbstsicher ihre kreationistischen Theorien posaunt.
Dies ist ein berührendes Buch, das keinen kalt lässt. Aus jeder Seite schlägt einem die Liebe entgegen, in ihrer schönsten und reinsten Form, selbstlos, uneigennützig, immer auf das Wohl und das Glück der anderen bedacht. Zu keiner Zeit kitschig oder pathetisch, ist die Liebe die Lyle und Peg vereint und die sie ihrer Tochter, ihrem Enkelsohn, ihren Freunden und der Natur angedeihen lassen herzerwärmend, ergreifend und bezaubernd. Im Kontrast dazu steht Shiloh, die trotz der Liebe die sie seit ihrer frühesten Kindheit erfahren hat, zu einer engstirnigen bornierten Sektiererin wird, das Leben ihres Kindes aufs Spiel setzt, weil ihr Prediger Glaube und Gebet über alles setzt. Sie bricht den Kontakt zum Vater ab, verzeiht ihm sein Eingreifen nicht. Aber Lyle musste eingreifen. Isaac lag im Sterben, der Schweinepriester zog es vor mit anderen Sektenmitglieder zu beten anstelle das Kind in Behandlung zu geben. Und weil Lyle recht hat und Shiloh erkennen muss, wie falsch sie an ihrem Kind gehandelt hat, zieht sie es vor, Lyle das Zerbrechen ihrer Beziehung mit dem Prediger vorzuwerfen. Aber der Prediger ist ein Betrüger. Er hat andere Liebschaften nebenher, eine andere Frau geschwängert, Geld entwendet, den kleinen Isaac gegen Bezahlung für Kranke beten lassen.

Jetzt könnten wir sagen, das geschieht weit weg von uns, irgendwo in Amerika. Wirklich? Ist Amerika wirklich so weit weg? Wer erinnert sich heute noch an den Fall „Olivia“, das sechsjährige Mädchen aus den Neunzigern? Das Mädchen hatte Krebs, die Eltern vertrauten dem Wunderheiler Ryke Geerd Hamer und verweigerten die Behandlung für das Kind. Erst nachdem den Eltern das Fürsorgerecht entzogen wurde, konnte das Kind behandelt und geheilt werden. Andere Kinder hatten nicht so viel Glück. Immer wieder werden Fälle in Westeuropa bekannt, in denen Gebete und Vitamine mehr Vertrauen entgegengebracht wird als der Medizin. Wenn das bei Erwachsenen geschieht, können wir das hinnehmen. Gegen Borniertheit ist kein Kraut gewachsen. Aber im Fall von Kindern muss ein klarer Trennstrich gezogen werden. Zum Glück erlaubt es das Gesetz in der EU den Eltern in solchen Fällen die Erziehungsberechtigung zu entziehen und das Kind in eine korrekte medizinische Behandlung zu geben.
Butler greift in seinem Buch dieses Thema auf, aber nicht vordergründig, marktschreierisch. Sehr still und zurückhaltend und nur sehr langsam wird immer mehr der Problematik aufgedeckt. Wie nebenbei erfahren die Großeltern, was der Prediger mit ihrem Enkel vorhat, das Kind als Heiler durch Gebet und Fürsprache einzusetzen. Das erste Mal merken Lyle und Peg, dass etwas im Argen liegt, als Isaac den ersten diabetischen Anfall hat und Shiloh ihnen vorwirft, das Kind ins Krankenhaus gebracht zu haben. Das steigert sich, als Shiloh die Besuche ins Elternhaus unterlässt, weil der Vater ihr nicht gläubig genug sei. Erst nach dem Gespräch Lyles mit der Chorleiterin der Sekte ist klar, der Junge schwebt in Lebensgefahr und Lyle greift dann ein und holt das Kind mit Gewalt aus dem Elternhaus raus um es ins Krankenhaus zu bringen.
Gottesglaube ja, aber nicht Fanatismus. Mit Liebe und Verständnis kann man das Leben meistern. Dies ist vielleicht die Kernaussage des Buches.
Abschließend einen bekannten Spruch aus den Korinthern:
Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Dieses Buch erbringt einen wunderschönen Beweis für diesen Spruch.

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