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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.10.2022

Der alte Mann und das Meer

Die Meerjungfrau von Black Conch
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Monique Roffey hat einen alten Mythos wiederbelebt. Irgendwo, in der Karibik freunden sich ein Fischer und eine Wasserfrau an. Leider wird die Nixe von raffgierigen Gringos gefangen genommen, die sie gegen ...

Monique Roffey hat einen alten Mythos wiederbelebt. Irgendwo, in der Karibik freunden sich ein Fischer und eine Wasserfrau an. Leider wird die Nixe von raffgierigen Gringos gefangen genommen, die sie gegen viel Geld vermarkten wollen. Doch der Fischer befreit die Wasserfrau, nimmt sie zu sich nach Hause und versucht, sie von der Außenwelt abzuschirmen. Die Wasserfrau verwandelt sich zurück in ein schönes junges Mädchen. Doch es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Einige wenige Menschen freunden sich mit den beiden an, unterstützen sie, helfen ihnen. Aber es gibt auch immer Neider, Eifersüchtige, jene die Gewinn aus der Wasserfrau herausschlagen wollen. Doch damit nicht genug, der uralte Fluch wird wieder aktiv, das Meer will sie sich zurückholen.
Der Roman - das Märchen - wird in einer wunderschönen Sprache geschrieben, eine Mischung aus englisch und Kreolisch. Der Übersetzerin Gesine Schröder ist es meisterhaft gelungen, ein der deutschen Sprache völlig fremden Slang einzudeutschen, so zu übertragen, dass wir uns nicht wie Außenstehende vorkommen, sondern eher das Gefühl haben,dabei zu sein. David und die anderen Insulaner sprechen “Prosa” während Aycayia eine sehr lyrische Sprachform hat, in freien Versen und wunderschön zu lesen.
Das Buch endet traurig und doch mit einer versöhnlichen Note: “Manche Orte bleiben gleich-gleich, ändern sich nie. Nicht so hier - … an diesem Ort voller Ahnengeister, einem Ort, wo die Götter noch lachen und sagen: ``Nicht so schnell, mein Freund.” (S.232 - 233)
Die Erzählperspektiven ändern immer wider: wir erfahren die Geschichte aus der Sicht eines unparteiischen Beobachters, aus der Sicht Davids, als junger Mann und aus seinem Tagebuch, aus seinen alten Tagen, und Aycayia kommt mit ihrem wunderbaren Stil auch zu Wort.
in den alten Mythen ist die Meerjungfrau dazu verdammt, einen Mann zu lieben, der sie aber verlässt oder ihr nicht traut. Hier liebt David sie, will sie heiraten, doch Aycayia ist nicht frei, sie weiß, sie darf ihn nicht heiraten. Schöne Interpretation des uralten Mythos.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Welches soll nun die bessere Schwester sein?

Meine bessere Schwester
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Das Buch beginnt mit einer herrlich schrägen Beerdigung. Eine Beerdigung, die eher wie eine Komödie anmutet: die Verstorbene ist die Schwester der Mutter, die sich seit langen Jahren einander entfremdet ...

Das Buch beginnt mit einer herrlich schrägen Beerdigung. Eine Beerdigung, die eher wie eine Komödie anmutet: die Verstorbene ist die Schwester der Mutter, die sich seit langen Jahren einander entfremdet hatten. die Mutter kritisiert, nörgelt und meckert an allem rum, ihr Sohn ebenso. Hannah, die eine Schwester, klinkt sich aus, die ganze Arbeit bleibt an Alice hängen. Personen, die weder die Verstorbene kannten, noch in irgendeiner Weise zur Familie gehören, tauchen auf, mischen die Party richtig auf. Einmalig der Markus Antonius Monolog aus Shakespeares Julius Caesar. Motto: Spaß muss sein bei der Leiche!
Doch in den folgenden Kapiteln verschwindet dieses Humorvolle, die Ironie legt sich, und es tauchen ganz andere, bittere Töne auf. Alice und Hanna sind Zwillingsschwestern, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Alice will nur nicht auffallen, will es allen Recht machen, wurde in der Schule gemobbt, während Hanna rebellisch und eigensinnig durchs Leben geht. Die Mutter zieht offensichtlich Alice vor, sie legt sie total mit Beschlag, sie muss täglich mehrere Male mit Alice telefonieren. Es wird dauern, bis diese Familie, Mutter, die beiden Zwillingsschwestern und Bruder Michael, die Beziehungen zueinander klären, normalisieren werden. Es geschieht nicht in einem großen Showdown, wo alles offen gesagt oder geschrien wird, sondern in vielen kleinen Gesprächen und Gesten, in Reflexionen über das Gesagte, im Zustimmen und Ergänzen. Und eben auch durch das Nicht Gesagte, weil in einer Familie versteht man sich manchmal auch ohne Worte.
Der deutsche Titel - Meine bessere Schwester - ließ mich fragen, welches nun die bessere Schwester ist? Die aufbegehrende Hanna, die offen gegen die Mutter rebelliert oder die ruhige Alice, an die sich die Mutter mit aller Heftigkeit klammert? Der englische Titel “I’m Sorry You Feel That Way” passt viel eher zum Buch. Diese Satz sprechen irgendwann im Laufe des Buches alle Familienmitglieder aus, Und erst als diese Worte so oder in anderer Form fallen, beginnen sie aufeinander zuzugehen und Verständnis für die anderen aufzubringen.

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Veröffentlicht am 09.10.2022

GU hat wieder ein wunderschönes Buch vorgelegt

Tohrus Japan
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Die Bilder in diesem Kochbuch sind hervorragend. Sowohl die von den Speisen, als auch die mit dem Autor. Die Idee, japanische Einrichtungen aus Deutschland vorzustellen, finde ich ausgezeichnet. Die Stationen ...

Die Bilder in diesem Kochbuch sind hervorragend. Sowohl die von den Speisen, als auch die mit dem Autor. Die Idee, japanische Einrichtungen aus Deutschland vorzustellen, finde ich ausgezeichnet. Die Stationen sind Kaiserslautern, Düsseldorf, Bonn, Berlin und München. Bestimmt eine Reise wert.
Ausführlich beschreibt Tohru Nakamura, wie er von klein auf Koch werden wollte und wie seine Eltern versuchten, ihn für die diplomatische Karriere zu interessieren. Köstlich die Reise mit seinen Eltern nach Kopenhagen, in die japanische Botschaft, wo er jedoch die meiste Zeit in der Botschaftsküche verbrachte. Auch seinen Kampf bis zum ersten eigenen Restaurant und die Auswege, die er und sein Team fanden während des Corona-Lockdowns, sind sehr interessant zu lesen.
Die Rezepte sind in Kapitel nach der Hauptzutat unterteilt. Sesam, Ei, Reis, Algen und Tofu sind uns ja bekannt. Neu für viele von uns sind die Begriffe Katsuobushi, Umeboshi, Miso (Suppe?) oder Shoyu. Alle Kapitel beginnen zuerst mit einem Exkurs über diese Hauptzutat. Im letzten Kapitel, “Basics”, werden diverse Gewürzmischungen und Saucen vorgestellt und deren Zubereitung. Es handelt sich dabei um Zutaten, die man für das Kochen der Rezepte im Buch benötigt. Am Ende des Buches gibt es einen Glossar der Lebensmittel und Gewürze, so dass man zurechtkommt, wenn ein gut sortierter Asia-Laden in der Nähe ist. Schwierig wird es, wenn der Asia-Laden nicht greifbar ist. Aber Amazon & Co. kann da bestimmt weiterhelfen, Aber spontan ein “Takikomi Gohan” zubereiten ist nur möglich, wenn all unsere Vorräte auf die japanische Küche ausgerichtet sind. Aber so wie die Rezepte klingen und aussehen, lohnt sich der Aufwand bestimmt.
Sayonara!

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Veröffentlicht am 08.10.2022

Unglaubliches Buch

Gespräche auf dem Meeresgrund
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Absolut faszinierend, was sich Root Leeb da ausgedacht hat. Dialoge zwischen ja was? Toten? Geistern? Irrealen Entitäten? Jede dieser drei Wesen verkörpert eine andere Art von Existenz. Ein Flüchtling, ...

Absolut faszinierend, was sich Root Leeb da ausgedacht hat. Dialoge zwischen ja was? Toten? Geistern? Irrealen Entitäten? Jede dieser drei Wesen verkörpert eine andere Art von Existenz. Ein Flüchtling, ein Mann, der hier Urlaub machen wollte und eine Frau, die sich offensichtlich vor Männern fürchtet. Da treffen Welten aufeinander. Sie sind zuerst namenlos, die Gespräche finden statt zwischen “der Eine”, der "Andere'' und die “Dritte”. Erst später, wenn sie sich besser kennenlernen und Vertrauen zueinander fassen, lernen, sich zu akzeptieren, werden sie ihre Namen preisgeben, als Zeichen ihrer Aufrichtigkeit. Sie heißen Alasan Jobe, Arno und Amma. Ihre Gespräche werden immer wieder unterbrochen, entweder durch den Lärm großer vorbeifahrender Schiffe oder durch vorbei schwimmende Nereiden oder durch Poseidon, den Meeresgott, der sie zwar wahrnimmt, aber nicht mit ihnen spricht.
Am Meeresgrund sprechen alle, die dort landen, eine Sprache, “vielleicht weil wir am Ursprung angelangt sind, und der ist für uns alle wohl derselbe” (S. 20). Und es gibt so etwas wie ein geheimes allgemeines Verständnis, die Verunglückten aller Meere, ob im chinesischen Meer oder vor der Küste Libyens oder näher an Europa, sie erfahren voneinander, können sich verständigen. Bei den drei Menschen im Buch tauchen Erinnerungen auf, die jeder von ihnen individuell durchgemacht hat, die aber von allen verstanden und gesehen werden. So erinnert sich der Andere an eine traurige Begebenheit aus seiner Kindheit, als er von seinem Vater mit der Dunkelkammer bedroht wurde. Die Dritte erinnert sich voll Grauen, wie sie von Männern gefoltert wurde, wir wissen nicht aus welchem Grund, vielleicht politisch, vielleicht von anderen Verbrechern. Diese Erinnerungen kommen “manchmal wie ein Traum, manchmal wie aus der Warte eines anderen. Immer ein bisschen verzerrt, aber mit dem Wichtigsten im Zentrum. Meist ist es Belastendes” (S. 54)
Ab und zu webt Leeb feine und verhaltene Ironie in den Text ein, so etwa, wenn sich die Gestalten das Wasser reichen, geht ja auch nicht anders, sie sind ja am Meeresgrund. Oder wenn die Nereiden sich über Männer lustig machen.
Das Titelbild und die Meeresbilder im Buch sind von Root Leeb persönlich gestaltet worden. Sie sind wunderschön und sehr stimmungsvoll. Ich habe mich in diese Bilder hineinsinken lassen, wie in ein blaues lichtvolles Meer.

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Veröffentlicht am 29.09.2022

Unglaublich, Philosophie kann auch interessant sein!

Das Zuhause
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Seit Sophies Welt (Jostein Gaardner) habe ich kein so interessantes Buch über Philosophie gelesen. Die Thesen, die Coccia hier aufstellt, sind verblüffend einfach und richtig. Elternhaus und eigenes Heim ...

Seit Sophies Welt (Jostein Gaardner) habe ich kein so interessantes Buch über Philosophie gelesen. Die Thesen, die Coccia hier aufstellt, sind verblüffend einfach und richtig. Elternhaus und eigenes Heim definieren uns viel mehr als wir zuzugeben bereit waren. Eine Stadt braucht Menschen. Aber Menschen brauchen ein Heim, um wirklich zu leben. Schützengräben sind kein Zuhause. Deswegen hört das Denken auf in Zeiten des Krieges. Aber dies sind meine Gedanken, ausgelöst durch dieses faszinierende Buch. Überhaupt sind meine Gedanken oft weiter geschweift, haben Ideen von Coccia aufgegriffen und in Gedanken weitergesponnen. Zum Beispiel bei dem Kapitel über Küchen. Treffen der gesamten Familie, Verwandlung von Lebensmitteln in Nahrung und dadurch aber auch Verbindung mit dem Universum: die diversen Tiere und Pflanzen, die Zugang zu unseren Küchen und zu uns erhalten. Achtung, eigene Gedanken, ausgelöst durch Coccia: An den Küchen kann man auch klar ersehen, wann das Haus erbaut wurde. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es große, gemütliche Wohnküchen, wo der Vater nach der Arbeit sich aufs Sofa oder Diwan zum Zeitunglesen ausstreckte, die Kinder spielten in der Küche, denn Kinderzimmer gab e s so noch nicht, die Hausfrau und Mutter kochte oder handarbeitete oder führte das Haushaltsbuch. Dann kamen die 68er, die Emanzipation der Frauen. Plötzlich waren die Küchen enge Verliese, wo die Frau oder der Mann wie zur Strafe kochen musste. Es waren Ein-Personen-Zellen, es war auch die Zeit als die Mikrowellen und die Fertiggerichte auftauchten. Die Küche wurde zum Alibi.
Der Gedanke, dass alle Räume eines Hauses/Wohnung auch zu Mehrfachzwecken dienen können, gefällt mir. Auch dass Badezimmer nie zum Arbeiten oder Spielen verwendet werden, sondern nur den einen Zweck erfüllen, für den sie gebaut wurden, ist einleuchtend. Kulturhistorisch gesehen wurden die Badezimmer nachträglich, erst im Laufe des 20. Jahrhundert in die Wohnungen eingefügt. Wieviel Zimmer hat Versailles? 1800 Zimmer, kein einziges Badezimmer darunter. In dem Schloss hat es sehr “gemenschelt”.
Und so habe ich mich von diesem Buch verleiten lassen mit jedem neuen Kapitel, auf jeder Seite meine eigenen Gedanken hinzuzufügen, über das offensichtliche eines Heimes zu staunen, unsere Wohnung neu zu entdecken, einige Sachen zu verschenken, den Besuch bei IKEA hinauszuschieben, kurz, das Buch in seiner Gänze - nein, in seiner viel zu kurzen Länge - zu genießen.

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