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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.01.2017

Übersinnliche Erscheinungen im Studentenwohnheim - leider weder spannend noch besonders gruselig

Angstmädchen
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Ich liebe Thriller aus Skandinavien und bin immer auf der Suche nach neuen skandinavischen Thrillerautoren. Dass es sich bei Jenny Milewski um eine schwedische Autorin handelt, wusste ich nicht, der Schauplatz ...

Ich liebe Thriller aus Skandinavien und bin immer auf der Suche nach neuen skandinavischen Thrillerautoren. Dass es sich bei Jenny Milewski um eine schwedische Autorin handelt, wusste ich nicht, der Schauplatz ihres Thrillers Angstmädchen geht aus dem Klappentext auch nicht hervor, und da ich ihr Debüt Skalpelltanz nicht gelesen habe, hatte ich mich sehr gefreut, durch Zufall auf einen skandinavischen Thriller gestoßen zu sein und eine neue schwedische Autorin entdecken zu dürfen.
Nach dem ersten Kapitel, das eigentlich ein Prolog ist und bereits Schlimmes erahnen lässt, springt die Geschichte im zweiten Kapitel in das Jahr 1992 zurück, als Malin in ihr Zimmer im Studentenwohnheim in Linköpping einzieht und zunächst voller Vorfreude auf ihr bevorstehendes Studentenleben ist.
Das ganze Buch wird aus Malins Ich-Perspektive geschildert, sodass man sich sehr gut in das schüchterne Mädchen einfühlen kann, das erst kürzlich aus ihrem behüteten Elternhaus auszog, zwar voller Tatendrang und Enthusiasmus in einen neuen Lebensabschnitt startet, aber dennoch ein wenig ängstlich und unsicher ist, nun auf eigenen Beinen stehen zu müssen. Sie bemüht sich, Anschluss zu finden, will sich mit ihren neuen Mitbewohnern gut verstehen, fühlt sich allerdings etwas verloren und alleingelassen.
Schon kurz nach ihrem Einzug ereignen sich recht mysteriöse Vorfälle, aber ansonsten passiert auf den ersten hundert Seiten leider nahezu nichts – zumindest nichts, was nur ansatzweise spannend wäre. Das erste Drittel des Buches plätschert also recht gemächlich und vor allem nahezu vollkommen ereignislos vor sich hin, und obwohl ich Malins Startschwierigkeiten in der neuen Umgebung sehr gut nachvollziehen konnte und sich das Unheimliche, das in ihr Leben tritt, bereits ankündigt, musste ich mich regelrecht zum Weiterlesen zwingen. Da Jenny Milewski ihre Hauptprotagonistin allerdings sehr gut ausgearbeitet hat und Malin eine liebenswürdige junge Frau ist, die mir sehr sympathisch war und in die ich mich gut einfühlen konnte, wollte ich dennoch wissen, wie es ihr im weiteren Verlauf der Geschichte ergehen wird. Alle anderen Figuren bleiben jedoch recht blass und konturlos, sind allerdings auch nur Staffage, da die Handlung überwiegend auf Malin fokussiert ist.
Glücklicherweise nimmt die Geschichte nach dem recht langwierigen Einstieg dann auch endlich Fahrt auf. Die Ereignisse überschlagen sich sogar förmlich. Malin macht dabei eine erstaunliche Entwicklung durch, wächst über sich hinaus und wird mutiger. Bedauerlicherweise erhält der Leser jedoch bereits im ersten Kapitel so konkrete Hinweise darauf, wie die Geschichte für sie enden wird, dass einfach keine Spannung mehr aufkommen will. Wenn man ohnehin weiß, welches Schicksal die Protagonistin ereilen wird, fällt es eben recht schwer, noch mit ihr mitzufiebern, auch wenn man sich wünschen würde, dass sich alles doch noch zum Guten wendet.
Trotz des bereits bekannten Ausgangs der Geschichte wollte ich aber wissen, was Malin denn nun genau widerfahren ist. Leider kann ich paranormalen Phänomenen nur wenig abgewinnen und hätte mir gewünscht, dass aus dem Klappentext hervorgegangen wäre, dass es sich bei Angstmädchen eigentlich um einen Mystery-Thriller mit Horrorelementen handelt. Ich will ja nicht abstreiten, dass übersinnliche Erscheinungen durchaus ihren Reiz haben und für schaurige Schockmomente sorgen können, aber ich habe mich leider auch nur sehr selten gegruselt. Man muss der Autorin zugutehalten, dass sie sich offenbar intensiv mit der japanischen Kultur und Mythologie beschäftigt hat, was am Ende des Buches auch deutlich wird, aber leider konnte mich Angstmädchen weder fesseln noch schockieren. Dazu ist die Idee, die diesem Buch zugrunde liegt, eben leider auch nicht innovativ genug und zu abgedroschen, um noch für Gänsehaut zu sorgen.
Die wenigen gruseligen Momente und die gut ausgearbeitete Hauptprotagonistin konnten das Buch leider auch nicht mehr retten, sodass Angstmädchen für mich eine ziemliche Enttäuschung war.

Veröffentlicht am 22.01.2017

Ein nervenaufreibender, schockierender und gut durchdachter Psychothriller mit kleinen Startschwierigkeiten

Alleine bist du nie
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Ich bin in der Verlagsvorschau auf dieses Buch aufmerksam geworden und war erstaunt, dass ich von der Autorin bislang noch nichts gehört hatte, denn Clare Mackintosh feierte bereits mit ihrem Thrillerdebüt ...

Ich bin in der Verlagsvorschau auf dieses Buch aufmerksam geworden und war erstaunt, dass ich von der Autorin bislang noch nichts gehört hatte, denn Clare Mackintosh feierte bereits mit ihrem Thrillerdebüt Meine Seele so kalt erste Erfolge. Umso neugieriger war ich also auf Alleine bist du nie und bin froh, diese Autorin nun entdeckt zu haben, denn ihr Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen und war ungeheuer fesselnd und spannend.
Ich muss jedoch zugeben, dass ich anfangs etwas enttäuscht war, denn es dauert ziemlich lange, bis die Geschichte in Fahrt kommt. Die ersten Kapitel sind leider furchtbar zäh und langweilig. Ich war häufig versucht, das Buch abzubrechen, weil einfach nichts passierte, aber mein Durchhaltevermögen hat sich gelohnt, denn glücklicherweise entpuppte sich dieser Thriller nach dieser anfänglichen Durststrecke als hochspannender und nervenaufreibender Pageturner, den ich nicht mehr aus den Händen legen konnte.
Zunächst nimmt sich Clare Mackintosh allerdings sehr viel Zeit, ihre Charaktere einzuführen. Damit schafft sie zwar ein hohes Identifikationspotential mit der Hauptprotagonistin Zoe, allerdings ist es auch ein bisschen ermüdend, diese Frau über so viele Seiten hinweg einfach nur durch ihren Alltag zu begleiten.
Auch ich bin mehrere Jahre mit dem Zug gependelt und war täglich knapp drei Stunden mit Bus und Bahn unterwegs. Unwillkürlich stellen sich dabei gewisse Routinen ein – man geht jeden Morgen zur gleichen Zeit aus dem Haus, kauft sich beim selben Bäcker ein Brötchen, am gleichen Kiosk eine Zeitung, nimmt dieselbe Treppe zum Bahnsteig und versucht, im Zug immer den gleichen Sitzplatz zu ergattern. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, man denkt nicht über diese Angewohnheiten nach und rechnet auch nicht damit, bei diesen alltäglichen Ritualen beobachtet zu werden, denn wer interessiert sich schon für solche belanglosen Banalitäten?
Auch Zoe folgt jeden Tag einer Routine, die sich über Jahre hinweg eingeschlichen hat, und ahnt nicht, dass ihr diese jemals zum Verhängnis werden könnte und sie bei jedem Schritt beobachtet wird. Das ändert sich jedoch, als sie eines Morgens in der Tageszeitung eine Anzeige entdeckt, in der mit ihrem Foto für eine Dating-Agentur geworben wird. Fortan fühlt sie sich beobachtet und ahnt auch recht schnell, in welcher Gefahr sie schwebt, als sie herausfindet, was anderen Pendlerinnen zugestoßen ist, deren Foto ebenfalls in einer Anzeige dieser Agentur abgedruckt war. Während sie zunächst nur beunruhigt ist, steigert sich ihre Angst zunehmend und entwickelt sich schließlich zur Paranoia, die man jedoch sehr gut nachfühlen kann. Doch niemand scheint ihre panische Angst ernst zu nehmen, weder ihr Lebensgefährte noch ihre Kinder, und auch die Polizei schenkt ihr zunächst wenig Beachtung. Nur DC Kelly Swift nimmt Zoes Besorgnisse ernst und will alles daran setzen, den Betreiber der Website, für die in der Anzeige geworben wird, zu finden.
Kelly war jahrelang in der Abteilung für Sexualdelikte tätig, wurde allerdings suspendiert, nachdem sie während eines Verhörs die Kontrolle verloren hatte und auf einen Verdächtigen losgegangen war. Inzwischen arbeitet sie in der Londoner U-Bahn und kümmert sich um Diebstähle und kleine Ordnungswidrigkeiten. Sie ist davon überzeugt, dass mehrere bislang ungeklärte Straftaten an Frauen auf diese ominösen Anzeigen zurückzuführen sind, nimmt die Ermittlungen auf und hofft dabei auch, ihrer Karriere wieder auf die Sprünge zu helfen. Außerdem lässt der Fall sie nicht mehr los, da ihre Zwillingsschwester Lexi vor einigen Jahren vergewaltigt wurde und der Täter noch immer nicht gefasst werden konnte. Während ihre Schwester beschlossen hat, die traumatischen Erinnerungen endlich hinter sich zu lassen und kein Interesse an der Strafverfolgung des Täters hat, ist Kelly geradezu besessen von dem Gedanken, Lexis Vergewaltiger seiner gerechten Strafe zuzuführen. Allerdings stellt sie auch bei ihrem aktuellen Fall fest, dass jedes Opfer einer Gewalttat mit den traumatischen Erlebnissen anders umgeht und muss lernen, zu akzeptieren, dass manche Frauen die Tat einfach nur vergessen wollen und ihnen nicht an der gerechten Bestrafung des Täters gelegen ist.
Die Geschichte wird abwechselnd aus Kellys und Zoes Perspektive erzählt. Beide Protagonistinnen sind präzise ausgearbeitet, sehr glaubwürdig gezeichnet und waren mir von der ersten Seite an sympathisch. Man merkt, dass die Autorin selbst jahrelang bei der britischen Polizei gearbeitet hat, denn die Ermittlungsarbeit wird sehr authentisch geschildert.
In kursiv gedruckten und recht knapp gehaltenen Kapiteln lässt die Autorin den Leser aber auch in die Gedankenwelt des Täters eintauchen, ohne jedoch jemals entscheidende Hinweise auf seine Person zu liefern. Diese Passagen waren nicht nur überaus verstörend, sondern ließen die Spannungskurve auch kontinuierlich ansteigen. Clare Mackintosh versteht es ausgezeichnet, den Leser immer wieder auf die falsche Fährte zu locken, denn ob es sich beim Betreiber der Website um einen Fremden oder um jemanden in Zoes persönlichen Umfeld handelt, ist bis zum Ende unklar. Zoe spürt jedoch, dass sie niemandem mehr trauen kann, denn nicht nur ihr Lebensgefährte Simon, sondern auch ihre Kinder, ihre Nachbarn und ihr Chef verhalten sich äußerst verdächtig und scheinen etwas vor ihr zu verbergen.
Ich hatte bis zum Schluss keine Ahnung, wer nun hinter diesen Anzeigen stecken könnte und war sehr überrascht als der Täter dann feststand. Doch selbst nach dem fulminanten Showdown und der schockierenden Auflösung des Falls, schafft es die Autorin auf den letzten Seiten noch einmal, eine Wendung einzubauen, die mir dann erneut einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte und mich vollkommen fassungslos zurückließ. Häufig wirken gerade solche Schockmomente ganz am Ende eines Buches zu gewollt und überkonstruiert, aber Clare Mackintosh gelingt es trotz zahlreicher Wendungen, die Logik des Plots nie aus den Augen zu verlieren. Das Buch ist bis zum Ende glaubwürdig, und die Geschichte ist bis ins kleinste Detail durchdacht.
Außerdem wendet sich die Autorin in ihrem Thriller auch sehr aktuellen Themen zu. So wird sich jeder Leser nach der Lektüre fragen, wer sich die Aufnahmen von Sicherheitskameras eigentlich anschaut, ob die Überwachung des öffentlichen Raums tatsächlich immer unserer Sicherheit dient und wie viele Fotos von uns im Internet umherschwirren, ohne dass wir etwas davon wissen.
Schade, dass Alleine bist du nie ein bisschen zu gemächlich beginnt, denn ansonsten hat dieses Buch alles, was einen guten Psychothriller ausmacht – einen raffiniert komponierten und logischen Plot, überzeugende Charaktere, ein authentisches Szenario, atemlose Spannung ohne viel Blutvergießen und ein schlüssiges Ende, das den Leser bestürzt und schockiert zurücklässt.

Veröffentlicht am 14.01.2017

Ein düsterer und atmosphärisch dicht erzählter Psychothriller vor der Kulisse Cornwalls

Stiefkind
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Bei S. K. Tremayne handelt es sich um ein Pseudonym des britischen Bestsellerautors und Journalisten Sean Thomas, der unter dem Pseudonym Tom Knox bereits mehrere Thriller veröffentlicht hat und 2015 unter ...

Bei S. K. Tremayne handelt es sich um ein Pseudonym des britischen Bestsellerautors und Journalisten Sean Thomas, der unter dem Pseudonym Tom Knox bereits mehrere Thriller veröffentlicht hat und 2015 unter dem Namen S. K. Tremayne mit Eisige Schwestern seinen ersten Psychothriller vorlegte. Nachdem ich die Leseprobe von seinem neusten Psychothriller Stiefkind gelesen hatte, war ich so begeistert, dass ich am liebsten sofort weitergelesen hätte und mich gefreut habe, als ich das Buch endlich in den Händen hielt.
Der Autor schafft es schon auf den ersten Seiten, eine enorme Spannung aufzubauen und eine sehr unheimliche und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, die jedoch vor allem dem Setting geschuldet ist. Tremayne versteht es ausgezeichnet, den Schauplatz seines Psychothrillers sehr eindrücklich zu beschreiben, sodass die schroffe Küste Cornwalls und das herrschaftliche Anwesen der Kerthens vor den Augen des Lesers Gestalt annehmen. Außerdem hat er das alte Gebäude mit einer so bedrückenden Vergangenheit versehen, dass man das Unheil, das an diesem Ort lauert, auf jeder Seite spüren kann. Auf den ersten Blick mögen die atemberaubende Landschaft Cornwalls und das prachtvolle alte Herrenhaus wie ein romantisches Paradies anmuten, doch bergen die nahegelegenen steilen Klippen, die Abgeschiedenheit, die unterirdischen Stollen der verlassenen Bergwerke und die Ruinen der Minengebäude auch allerlei Gefahren.
Die frisch vermählte Rachel wähnt sich in Carnhallow House zunächst am Ziel ihrer Träume, spürt jedoch recht schnell, wie schwer die Vergangenheit auf dem Anwesen lastet, das seit mehr als tausend Jahren im Besitz der Familie ihres Mannes ist. Es hat mir ausgesprochen gut gefallen, wie der Autor die Geschichte des kornischen Bergbaus in seinen Psychothriller eingeflochten hat. Die Kerthens hatten ihr Vermögen vor allem den ertragreichen Zinn- und Kupferlagerstätten Cornwalls zu verdanken. Viele Bergleute, die in den Bergwerken von Davids Vorfahren unter schrecklichen Bedingungen und für wenig Geld arbeiten mussten, haben in den Stollen unter Carnhallow House ihr Leben verloren, sind ertrunken, abgestürzt, litten unter schweren Lungenerkrankungen oder trugen Verstümmelungen davon. Selbst Kinder wurden in die Gruben geschickt und haben sich in den arsenverseuchten Minen Vergiftungen zugezogen. Im Vorwort von Stiefkind berichtet der Autor von seiner Großmutter, die bereits als Zehnjährige in einem der Bergwerke arbeiten musste und eines der „Grubenmädchen“ war, von denen auch in seinem Buch die Rede ist. Während zahlreiche Bergarbeiter bis Mitte des 20. Jahrhunderts in den Stollen, die unter Carnhallow liegen und bis ins Meer ragen, hart schufteten und ihr Leben riskierten, saßen die Kerthens in ihrem Haus am üppig gedeckten Tisch, haben fürstlich gespeist und ein beachtliches Vermögen angehäuft.
Doch nicht nur die nicht gerade ruhmreiche Vergangenheit des Anwesens, sondern auch die jüngsten Ereignisse, die sich dort zugetragen haben, machen Carnhallow zu einem sehr beklemmenden und tristen Ort, denn auch Davids erste Ehefrau verlor in einem der Minengebäude ihr Leben. Sie fiel in einen tiefen Schacht, aber ihre Leiche wurde nie gefunden und treibt noch immer in einer der Minen unter Carnhallow. Allerdings weigert sich David standhaft, Rachel zu erzählen, wie es zu diesem tragischen Unglück kam.
Der Leser erkundet nun an Rachels Seite das Haus und kann dabei auf jeder Seite spüren, wie bedrückend und düster dieses alte Gebäude ist. Es trägt nicht nur die Spuren seiner traurigen Geschichte, sondern auch die von Davids verstorbenen Ehefrau Nina, die bis kurz vor ihrem Tod damit beschäftigt war, das Haus aufwendig zu restaurieren. Es scheint fast so, als ob Nina nach wie vor in diesen Räumen lebt. Der Gedanke, dass sich die Leiche ihrer Vorgängerin noch immer in einem Stollen unter dem Haus befindet, ist für Rachel unerträglich, zumal Davids Sohn Jamie von düsteren Visionen heimgesucht wird und felsenfest davon überzeugt ist, seine verstorbene Mutter, habe sie ihm eingeflüstert. Rachel bemüht sich, Jamie eine gute Stiefmutter zu sein, ist sicher, dass diese Visionen nur zeigen, wie traumatisiert das Kind ist, bekommt aber Angst, als sich die seltsamen Vorkommnisse im Haus häufen und ihr Stiefsohn ihr eines Tages verkündet, dass sie an Weihnachten sterben wird. Da Nina Kerthens Leiche nie gefunden wurde und Weihnachten unaufhaltsam näher rückt, stellt sich die Frage, ob Davids erste Frau nicht vielleicht doch noch am Leben ist und was vor zwei Jahren wirklich in Carnhallow House vorgefallen ist.
Die Geschichte wird fast ausschließlich aus der Ich-Perspektive von Rachel erzählt, sodass der Leser ihr besonders nahekommt und ihre Ängste hautnah miterleben kann. Trotz dieser Nähe und obwohl man all ihre Gedanken und Gefühle kennt, fiel es mir manchmal schwer, mich in diese Frau einzufühlen, denn häufig schien sie mir etwas überspannt und unglaubwürdig. Da auch sie ein Geheimnis zu verbergen scheint und oft selbst an ihrem Verstand zweifelt, ist es für den Leser nicht immer leicht, ihren Wahrnehmungen Glauben zu schenken. Dennoch fieberte und litt ich mit Rachel mit, denn ihre Einsamkeit, ihre Ängste und ihre Verzweiflung sind sehr gut nachvollziehbar, da der Autor seine Hauptprotagonistin sehr präzise ausgearbeitet hat.
Hin und wieder wechselt die Perspektive auch zu David. Dennoch blieb mir dieser Mann bis zum Schluss sehr fremd und war mir äußerst suspekt. Er ist ein sehr ambivalenter und undurchsichtiger Charakter. Man ahnt jedenfalls recht schnell, dass David etwas zu verbergen hat, da er beharrlich über den Tod seiner Frau schweigt und sich nicht einmal mit den Problemen seines Kindes beschäftigen will, was die Kluft zwischen ihm und Rachel immer mehr vertieft. Doch auch Jamie ist eine sehr rätselhafte Figur, denn einerseits ist er ein liebenswürdiger und kluger Junge, der seine neue Stiefmutter auch zu mögen scheint, aber andererseits war er mir manchmal auch ein wenig unheimlich. Oft fragte ich mich, ob sein seltsames Verhalten nur auf seine Trauer zurückzuführen ist oder ob er nicht einfach alles versucht, um seine Stiefmutter wieder loszuwerden. Auch Rachels Schwiegermutter ist ein wenig dubios, sodass ich sehr gut nachfühlen konnte, wie einsam sich Rachel in dieser Gesellschaft und in diesem abgelegenen und trauerbeladenen Haus fühlen muss.
Das Spannungslevel, das bereits auf den ersten Seiten aufbaut wird und über den ganzen Roman hinweg gehalten werden kann, sowie die bedrückende und unheimliche Atmosphäre, die in Carnhallow House herrscht und mir häufig einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte, haben mich vollkommen überzeugt und bis zum Schluss gefesselt. Die Sprache des Autors ist sehr bildgewaltig, eindringlich und lässt sich gut und flüssig lesen. Seine ruhige und atmosphärische Erzählweise hat mir ausgesprochen gut gefallen, sodass ich mir bis kurz vor dem Ende sicher war, dass dieses Buch die besten Chancen hat, eines meiner Thriller-Highlights zu werden – aber dann kam eben das Ende. Das war nun leider alles andere als überzeugend und hat mich so enttäuscht, dass ich das Buch mit einem genervten Augenrollen zuschlug und mich fragte, wie man einen so grandiosen Psychothriller mit einer so haarsträubenden Auflösung auf den letzten zwanzig Seiten noch so derartig verhunzen kann. Das ist wirklich bedauerlich bei einem Buch, das ansonsten so atmosphärisch dicht, packend und erzählerisch versiert geschrieben ist.

Veröffentlicht am 05.01.2017

Eher ein Familiendrama als ein Thriller - sehr langatmig und vorhersehbar

Es beginnt am siebten Tag
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Wenn es sich um ein Debüt handelt und man von einem Autor somit logischerweise noch nie etwas gehört hat, liest man natürlich den Klappentext, bevor man sich entschließt ein Buch zu lesen. Nur bei Büchern ...

Wenn es sich um ein Debüt handelt und man von einem Autor somit logischerweise noch nie etwas gehört hat, liest man natürlich den Klappentext, bevor man sich entschließt ein Buch zu lesen. Nur bei Büchern von mir bekannten Autoren verzichte ich darauf, den Klappentext zu lesen und lasse mich auf ein Buch ein, ohne im Vorfeld zu wissen, worum es geht. Bei diesem Buch wäre es vielleicht schlauer gewesen, den Klappentext nicht zu lesen, aber man will ja ungefähr wissen, was auf einen zukommt. Da der Klappentext von Es beginnt am siebten Tag äußerst vielversprechend klang und ich immer auf der Suche nach neuen Thrillerautoren bin, war ich also sehr gespannt auf das Debüt von Alex Lake.
Nach einem grandiosen Prolog, der auf einen äußerst fesselnden und beklemmenden Thriller hoffen ließ, wich meine anfängliche Begeisterung jedoch recht schnell, denn die Spannung war schon bald dahin, da der erste Teil des Buches bereits im Klappentext vorweggenommen wird. Auch ich habe in meiner Inhaltsangabe nicht darauf verzichtet, darauf hinzuweisen, dass das entführte Mädchen am siebten Tag seines Verschwindens wieder wohlbehalten auftaucht, weil es eben um nichts anderes als diese sehr verwunderliche Tatsache geht, aber die verzweifelte Suche nach dem vermissten Kind wird auf mehr als zweihundert Seiten geschildert und ist eben nicht mehr besonders spannend, wenn man ohnehin schon weiß, dass Anna wieder unbeschadet zurückkehrt. Allerdings stehen nicht nur die umfangreichen Suchmaßnahmen und die Sorgen der Eltern im Zentrum des ersten Teils, sondern vor allem die Ehe – und Familienprobleme der Crownes, und diese waren leider sehr ermüdend. Da die familiären Unstimmigkeiten so in den Fokus gerückt werden, würde ich das Buch auch nicht als Thriller bezeichnen, denn abgesehen von den letzten fünfzig Seiten ist es meiner Meinung nach einfach ein Familiendrama. Damit könnte ich durchaus leben, denn wenn eine Geschichte grandios geschrieben, gut erzählt und tiefgründig ist, habe ich kein Problem, wenn genretypische Thrillerelemente fehlen, aber diesem Buch fehlte es leider so ziemlich an allem, was für mich einen guten Roman ausmacht – Spannung, Tiefgang, einen gut durchdachten Plot, Logik und präzise ausgearbeitete Charaktere.
Auch Familienzwistigkeiten und Ehekrisen können in Büchern ja durchaus ihren Reiz haben, wenn die Charaktere fein gezeichnet sind und es wenigstens eine Figur gibt, mit der man mitfühlen kann. Julias ständige Selbstvorwürfe und ihr Gejammer, weil sie Beruf und Familie so gerne unter einen Hut bekommen würde, sich unbedingt selbstverwirklichen, aber gleichzeitig auch eine grandiose Mutter sein möchte und nun merkt, dass ihr das nicht so recht gelingen will, gingen mir mit der Zeit leider ziemlich auf die Nerven. Auch ihre Eheprobleme und die Gespräche mit ihrem Mann, die um die immergleichen Fragen kreisten, waren sehr ermüdend und anstrengend, denn die Diskussionen und die gegenseitigen Vorwürfe wiederholen sich unendlich.
Ihr Mann Brian ist nun wahrlich kein Unmensch, allerdings ein furchtbarer Langweiler, der noch immer unter der Fuchtel seiner dominanten Mutter steht. Julia hat ihr eintöniges Vorstadtleben gründlich satt, und obwohl Brian sehr verlässlich und ein ausgesprochen fürsorglicher und liebevoller Vater ist, der seine Tochter über alles liebt, wünscht sich Julia einen Mann an ihrer Seite, der etwas Farbe, Leidenschaft und Abwechslung in ihr Leben bringt, ausgelassen mit Anna spielt und ihr die Abenteuer des Lebens zeigt, statt sie nur zu vergöttern und zu behüten. Teilweise hat Julia also Luxusprobleme par excellence, denn auch wenn Brian als Ehemann nicht unbedingt besonders prickelnd ist, gibt es an seinen Qualitäten als Vater eigentlich nichts auszusetzen. Das einzig wirklich Nervtötende an diesem Mann ist seine geradezu krankhaft enge Bindung an seine Mutter, von der er sich nach wie vor manipulieren lässt. Die aufgeblasene, arrogante und intrigante Edna Crowne ist allerdings die einzig interessante Figur im ganzen Buch, auch wenn sie äußerst verabscheuungswürdig ist. Um diese Schwiegermutter ist Julia wahrlich nicht zu beneiden. Erschütternd fand ich auch, wie sich die Presse auf den Entführungsfall stürzt, jede Information erbarmungslos ausschlachtet und Tatsachen verdreht, die ohnehin verzweifelte Mutter als Rabenmutter darstellt und damit in den sozialen Medien eine vernichtende Hetzjagd entfesselt, gegen die sich Julia nicht zur Wehr setzen kann. Wäre mir diese Frau nur ein bisschen sympathisch gewesen, hätte mich ihr Schicksal allerdings auch mehr berührt.
Dieser Thriller wird überwiegend aus Julias Perspektive erzählt. Zu Beginn jedes Kapitels kommt jedoch der Entführer zu Wort und schildert in einer Art innerem Monolog seine Beweggründe für die Tat. Diese Passagen haben mir ausgesprochen gut gefallen, denn man erhält sehr tiefe Einblicke in die äußerst gestörte Gedankenwelt eines Menschen, der die Entführung eines Kindes und die schrittweise Vernichtung seiner Mutter für ehrenhafte Taten hält, die einem höheren Ziel dienen und deshalb notwendig und richtig sind. Dass sich der Hass dieser Person nicht gegen die kleine Anna, sondern nur gegen ihre Mutter Julia richtet, wird schon zu Beginn des Buches deutlich und fast ebenso schnell wird jedem thrillererfahrenen Leser auch klar, wer der Entführer ist. Wie ein Autor schon im Prolog, der eigentlich wirklich sehr gelungen ist, so deutliche Hinweise auf den Täter liefern kann, ist wirklich beachtlich. Sobald der aufmerksame Leser die leicht überschaubare Anzahl an Charakteren kennengelernt hat, wird er jedenfalls wissen, wer der Täter ist. Abgesehen von einer wirklich winzig kleinen falschen Fährte, die der Autor eingebaut hat, kam ich jedenfalls nie ins Straucheln und wusste recht schnell, wer das Mädchen entführt hat, was dann auch das letzte Fünkchen Spannung im Keim erstickte.
Besonders verheerend sind jedoch die Logikbrüche und die Unglaubwürdigkeiten im Plot. Ich will in meiner Rezension nicht spoilern, aber der Plot enthält meiner Meinung nach einen ganz eklatanten Denkfehler. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Polizei wirklich so lausig und dilettantisch ermittelt und weder die Eltern noch die Ermittler auf die Idee kommen, dem Mädchen nach ihrer Rückkehr nur ein einziges Mal die nächstliegende Frage zu stellen, statt sie ständig mit Fragen nach ihrem Aufenthaltsort zu traktieren. Allerdings wäre das Buch dann schon nach zweihundert Seiten vorbei.
Das hätte man jedoch durchaus verschmerzen können, weil dem Leser dann wenigstens die endlosen Ehestreitigkeiten der Crownes und das ewige Hin und Her, ob sie sich nun trennen oder nicht, erspart geblieben wären. Den fulminanten Showdown hätte man dann allerdings auch verpasst, und um den wäre es wirklich schade gewesen, denn das Ende hat mir ausgesprochen gut gefallen und mich, obwohl die Enthüllung des Täters keine Überraschung mehr war, wieder ein bisschen versöhnlich gestimmt. Hier zeigt der Autor erstmals, dass er durchaus in der Lage ist, Spannung zu erzeugen, wovon das ganze Buch hinweg leider nur recht wenig zu spüren war.

Mich hat Es beginnt am siebten Tag leider sehr enttäuscht, denn für einen Thriller war es nicht spannend genug und einfach schlecht konstruiert und für ein erschütterndes Familiendrama war es nicht tiefgründig genug und hatte zu flache Charaktere. Für den Prolog, die Textpassagen aus der Sicht des Entführers und das überraschend actiongeladene Ende vergebe ich aber noch gut gemeinte zwei von fünf Sternchen.

Veröffentlicht am 22.12.2016

Großartiges Setting, glaubwürdige Charaktere und ein gut durchdachter Plot, aber leider sehr langatmig

The Dry
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Inhalt:
Seit mehr als einem Jahr hat es nicht mehr geregnet, der Fluss ist versiegt, Ernten blieben aus und das Vieh hungert. Die sengende Hitze und die langanhaltende Dürre treiben die Einwohner des kleinen ...

Inhalt:


Seit mehr als einem Jahr hat es nicht mehr geregnet, der Fluss ist versiegt, Ernten blieben aus und das Vieh hungert. Die sengende Hitze und die langanhaltende Dürre treiben die Einwohner des kleinen australischen Städtchens Kiewarra zur Verzweiflung. Vor allem die Farmer leiden unter dieser schweren Dürreperiode und stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Einer von ihnen, der Farmer Luke Hadler, sah offenbar keinen anderen Ausweg, als seine Frau, seinen sechsjährigen Sohn und dann sich selbst zu erschießen – zumindest sieht auf den ersten Blick alles nach dem erweiterten Suizid eines verzweifelten Familienvaters aus. Aber warum hat er seine erst wenige Monate alte Tochter verschont?
Lukes Eltern wollen nicht glauben, dass ihr Sohn tatsächlich zu einer solchen Tat fähig war und bitten seinen Jugendfreund Aaron Falk, den Fall zu untersuchen.
Aaron und sein Vater hatten Kiewarra bereits vor mehr als zwanzig Jahren den Rücken gekehrt, nachdem sie verdächtigt worden waren, etwas mit dem ungeklärten Tod der damals sechzehnjährigen Ellie zu tun gehabt zu haben, mit der Aaron befreundet war. Eigentlich wollte Aaron in Kiewarra nur der Beerdigung seines ehemals besten Freundes Luke beiwohnen und den Ort, in dem er zwar seine Kindheit und Jugend verbracht hat, man ihm aber noch immer mit Misstrauen und unverhohlener Feindseligkeit gegenübertritt, so schnell wie möglich wieder verlassen. Aaron arbeitet inzwischen bei der Polizei in Melbourne, ist dort allerdings bei der Steuerfahndung tätig. Dennoch lässt er sich nun von Lukes Eltern überreden, die Umstände dieser Familientragödie zu untersuchen. Gemeinsam mit Sergeant Raco, dem örtlichen Polizisten, der ebenfalls Zweifel an der Theorie eines erweiterten Suizids hat, nimmt er die Ermittlungen auf.
War Luke tatsächlich fähig, sich und seine Familie zu töten? Hat er vielleicht früher schon einmal einen Menschen umgebracht?

Meine persönliche Meinung:


Bei The Dry handelt es sich um den Debütroman der australischen Journalistin Jane Harper, der schon kurz nach seinem Erscheinen die australischen Bestsellerlisten erklomm. Ich war sehr gespannt auf dieses Buch, denn der Klappentext klingt äußerst spannend und ein Thriller, dessen Schauplatz im australischen Outback angesiedelt ist, habe ich bislang noch nie gelesen und machte mich deshalb sehr neugierig.
Warum The Dry auf dem Cover als „Thriller“ bezeichnet wird, ist mir vollkommen schleierhaft, denn das Buch ist mitnichten ein Thriller, sondern meiner Meinung nach ein ganz klassischer Kriminalroman. Selbst als solcher lässt die Spannung leider sehr zu wünschen übrig. Auch auf die im Klappentext angekündigten beklemmenden Momente wartete ich vergeblich, sodass ich von The Dry doch etwas enttäuscht bin und die begeisterten Stimmen zu diesem Buch nicht ganz nachvollziehen kann.
Es fällt mir nicht leicht, diesen Roman zu bewerten, denn einerseits war er großartig geschrieben und in mehrfacher Hinsicht wirklich herausragend, andererseits war er leider so langatmig, dass ich mich häufig zum Weiterlesen zwingen musste. Eigentlich mag ich solche leisen Töne und Bücher, die etwas gemächlicher erzählt werden und ohne Schockmomente auskommen, aber abgesehen von dem außerordentlich bedrückenden Setting sorgt in diesem Roman leider nichts für Beklemmung oder gar Spannung.
Im Zentrum der Geschichte stehen gleich zwei Kriminalfälle – der ungeklärte Tod von Ellie, die vor mehr als zwanzig Jahren ertrunken aufgefunden wurde, und der angeblich erweiterte Suizid von Luke, der – so sieht es zumindest auf den ersten Blick aus – offenbar nicht nur sich selbst, sondern auch seine Frau und seinen kleinen Sohn erschossen hat.
Nach einem wirklich fulminanten Prolog verläuft der Einstieg in die Geschichte allerdings schon äußerst zäh. Als Aaron Falk in seine Heimatstadt zurückkehrt, um der Beerdigung seines Jugendfreundes Luke beizuwohnen, spürt er bereits während der Trauerfeier die argwöhnischen Blicke der Bewohner des kleinen Städtchens, die ihn daran erinnern, warum er und sein Vater Kiewarra vor mehr als zwanzig Jahren verlassen haben. Beide wurden damals mit dem ungeklärten Tod von Ellie in Verbindung gebracht, mit der Aaron befreundet war, und offenbar halten ihn die Menschen noch immer für einen Mörder. Nur Lukes Eltern und Gretchen, die damals ebenfalls zu Aarons Clique gehörte, scheinen sich zu freuen, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Er würde nach der Beerdigung am liebsten sofort wieder abreisen, und man kann es ihm kaum verdenken, denn Kiewarra ist alles andere als ein einladender Ort. Jane Harper ist es ausgesprochen gut gelungen, diese fiktive Kleinstadt im australischen Outback sehr bedrückend zu gestalten. Anders als der Titel vermuten ließe, steht die Dürre nicht im Zentrum der Erzählung, sondern liefert nur Hintergrund, vor dem die Geschehnisse stattfinden. Die flirrende Hitze und die Trockenheit sind beim Lesen geradezu spürbar und schlagen den Bewohnern von Kiewarra schwer aufs Gemüt. Bereits Aarons bloße Anwesenheit löst in dieser verschworenen Gemeinschaft Misstrauen aus und lässt alte Wunden wieder aufbrechen. Als er dann die Ermittlungen aufnimmt und Fragen stellt, stößt er nur auf feindselige Ablehnung und eine Mauer des Schweigens. Die Ermittlungen gestalten sich äußerst zäh und langwierig – und das sind sie eben leider auch beim Lesen. Es scheint fast so, als würde die drückende Hitze auch die Spannung lähmen. Obwohl der Verdacht immer wieder auf eine andere Person gelenkt wird, ist die Suche nach dem Täter nicht sehr spannend. Auch wenn dieser Kriminalroman häufig die Züge eines klassischen Whodunits trägt, lädt er leider auch nicht zum Miträtseln ein, da der Protagonist viele der Puzzleteilchen, die es zusammenzutragen gilt, für sich behält.
Während seinen gegenwärtigen Ermittlungen, erinnert sich Aaron rückblickend immer wieder an seine Jugend, seine erste große Liebe, kleine Jugendsünden, die Erlebnisse mit seinem Freund Luke und auch an den rätselhaften Tod seiner Freundin Ellie. Die Rückblenden in die Vergangenheit sind in kursiver Schrift gedruckt und fügen sich nahtlos in die gegenwärtige Handlung ein. Diese Erzähltechnik hat mir ausgesprochen gut gefallen, denn auf diese Weise werden die beiden Kriminalfälle sehr geschickt miteinander verwoben.
Erst gegen Ende nimmt die Erzählung dann ein wenig an Fahrt auf und überzeugt mit einer logischen und schlüssigen Auflösung der beiden Fälle, die mich sehr überrascht hat.
Jane Harper hat ihren Hauptprotagonisten sehr fein gezeichnet und gut ausgearbeitet. Trotzdem wollte er mir nicht so recht ans Herz wachsen und hatte für mein Empfinden zu wenig Ecken und Kanten. Er ist sehr bescheiden, klug und auch besonnen, durchaus sympathisch, aber eben leider keine besonders interessante Persönlichkeit. Die verschworene Gemeinschaft der Stadtbewohner, die von Engstirnigkeit und Misstrauen geprägt ist, hat die Autorin ebenfalls sehr gut skizziert.

Jane Harper konnte mich mit ihrem Debüt leider nicht vollkommen überzeugen. Obwohl ihre Erzählweise für einen Debütroman sehr ausgereift ist, The Dry mit einem großartigen Setting, glaubwürdigen Charakteren und einem gut durchdachten Plot aufwarten kann, mangelt es diesem Kriminalroman leider nahezu durchgehend an Spannung.