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Veröffentlicht am 04.04.2023

Gibt das Original sehr verkürzt wieder

Bonjour tristesse
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„Ich zögere, diesem fremden Gefühl, das mich bedrückt, einen Namen zu geben: Tristesse.“
Das Hörspiel „Bonjour Tristesse“ folgt dem gleichnamigen Roman von Françoise Sagan (in der Übersetzung von Rainer ...

„Ich zögere, diesem fremden Gefühl, das mich bedrückt, einen Namen zu geben: Tristesse.“
Das Hörspiel „Bonjour Tristesse“ folgt dem gleichnamigen Roman von Françoise Sagan (in der Übersetzung von Rainer Moritz). Ulrich Lampen führte die Regie. Für die Musik ist Jörg Achim Keller mit der hr Bigband verantwortlich. Produziert wurde es vom Audio Verlag und dem Hessischen Rundfunk.

Das Hörspiel „Bonjour Tristesse“ ist für den Deutschen Hörbuchpreis 2023 in der Kategorie »Bestes Hörspiel« nominiert.

Gesprochen wird es von Elisa Schlott (Cécile), Michael Rotschopf (Raymond), Bettina Engelhardt (Anne), Karin Hanczewski (Elsa), Kilian Landt (Cyril).

Das Original – Der Roman „Bonjour Tristesse“ Francoise Sagan
Francoise Sagen schrieb den, in der damaligen Zeit, als Skandalroman geltenden Titel „Bonjour Tristesse“ 1954. 1955 wurde der Roman, von Helga Treichl übersetzt, im Ullstein Verlag veröffentlicht.

2017 wurde das Buch wiederum im Ullstein Verlag in neuer Übersetzung von Rainer Moritz mit einem Nachwort von Sybille Berg herausgegeben.

Der Titel des Buches stammt aus einem Gedicht von Paul Élouard (1932). Francoise Sagan war 18 Jahre alt, als sie das Buch schrieb. Es wurde nicht nur in Frankreich, sondern auch in Amerika zu einem Bestseller. Die erotischen Szenen lösten einen Skandal aus.

Der Film „Bonjour Tristesse“
„Bonjour Tristesse“ wurde 1958 von Otto Preminger mit Jean Seberg in der Hauptrolle verfilmt. Die Filmmelodie singt Juliette Gréco.


Worum geht es in „Bonjour Tristesse“?
Cécile ist 17 Jahre alt und lebt nach dem Tod ihrer Mutter, mit ihrem Vater Raymond, einem Playboy Anfang 40, zusammen. Raymond und Cécile genießen das Leben unbekümmert. Raymond vergnügt sich mit wechselnden jüngeren Geliebten, bis Anne, eine Frau in seinem Alter, auf der Bildfläche erscheint.

Die anspruchsvolle und elegante Anne zeigt den Beiden eine Alternative zu ihrem bisherigen eher oberflächlichem Leben. Cécile fühlt sich von der intelligenten Modedesignerin bedroht. Sie sucht und findet einen Ausweg, ohne sich über mögliche Konsequenzen zu sorgen.

Die Frage nach der Absurdität des menschlichen Lebens kann man hier aufblitzen sehen. Welches ist das richtige Leben?

Die Einflüsse der Existenzphilosophie von Jean Paul Sartre und Albert Camus sind nicht zu leugnen. Paris war nach dem Krieg in den 50er Jahren der Mittelpunkt von Kino, Theater, Jazz und der Existenzphilosophie.

"Bonjour Tristesse" Hörspiel nach Francoise Sagan
Das Hörspiel „Bonjour Tristesse“
Es wird von vier Personen gesprochen. Es fällt mir schwer, die Charaktere der Originalfassung im Hörspiel wiederzuentdecken. Die Komplexität der Personenkonstellation wird nur schwach erkennbar.

Im Originaltext ist die Sprache eine Mischung amüsanter Alltagsunterhaltung und philosophische Reflexionen, die immer nur das Problem anreißen, aber nie weit genug in die Tiefe gehen. Das kommt im Hörspiel, finde ich, nicht so pointiert zur Geltung.

Auch die philosophischen kleinen Hinweise erkennt man kaum.

Fazit/Kritik „Bonjour Tristesse“
Vielleicht muss man das Hörspiel ohne Kenntnis des Originals hören. Das gelingt mir leider nicht. Ich habe den Roman mit 17 Jahren das erste Mal gelesen. Ich finde das Buch viel aussagekräftiger. Aber ein Buch zu einem Hörspiel umzusetzen, das gerade etwas mehr als eine Stunde dauert, ist eher unmöglich, ohne dass Informationen verloren gehen.

Ich finde, das Hörspiel ist nicht schlecht, aber nicht mit dem Roman vergleichbar. Ich finde die Aussagen des Romans nur in Ansätzen wieder.

Mit anderen Worten gesagt: Ich verkörpere nicht die Zielgruppe. Ich mag auch keine gekürzten Hörbücher. Ich möchte gerne das Gesamtwerk genießen.

Aber, wie ich so gerne sage, Rezensionen sind eine sehr subjektive Angelegenheit. Das, was mir nicht so gut gefällt, ist für andere Leser*innen genau das, was sie suchen. Also am besten selbst lesen und beurteilen.

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Veröffentlicht am 16.03.2023

Das Leben geht einfach weiter ...

Rote Kreuze
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Das Leben geht einfach weiter … – „Rote Kreuze
Das Buch „Rote Kreuze“ von Sascha Filipenko beginnt mit der Begegnung zweier Fremden, die zu Freunden werden. Beide haben mehr Leid erfahren, als für ein ...

Das Leben geht einfach weiter … – „Rote Kreuze
Das Buch „Rote Kreuze“ von Sascha Filipenko beginnt mit der Begegnung zweier Fremden, die zu Freunden werden. Beide haben mehr Leid erfahren, als für ein einzelnes Leben zu verkraften sein kann, und dennoch stehen beide hier, und beginnen sich zu öffnen und sich füreinander zu interessieren. Das macht die Tragik ihrer Leben nicht ungeschehen, aber es hilft beiden, sie zu ertragen.

„Das war’s, denke ich, Vorhang. Ein Leben ist zu Ende – und ein anderes Leben beginnt. Eine transzendente Null. Mit meinen dreißig Jahren bin ich nun ein Mensch mit entzweigerissenem Schicksal. Ich darf es noch einmal versuchen. Was ist dagegen schon einzuwenden. Selbstmord ist nicht mein Ding; außerdem habe ich jetzt eine Tochter.“

Alexander rubbelt das rote Kreuz an der Tür seiner neuen Wohnung ab. Die Nachbarin Tatjana Alexejewa gesteht ihm, dass sie das Kreuz gemalt hat, weil bei ihr Alzheimer diagnostiziert wurde, und sie damit nach Hause findet. Sie möchte ihm ihre Geschichte erzählen:

„Eigentlich keine Geschichte, sondern eine Biographie der Angst. Ich möchte Ihnen erzählen, wie das Grauen einen Menschen unvermittelt packt und sein ganzes Leben verändert.“

Es ist das erste Buch, das ich von Sasha Filipenko lese und es hat mich mit voller Wucht getroffen.

Ich nahm sprachlos an den Gesprächen teil. Diese Sprachlosigkeit lag nicht an der Unmöglichkeit ins Geschehen einzugreifen. Nein, es hat mich überwältigt. Ich hörte, wurde manchmal zornig, manchmal traurig und mehr als einmal weinte ich.

Sasha Filipenko schildert, wie es den Menschen in der UDSSR in der Zeit unter Josef Stalin ging. Tatjana Alexejewa hat sie durch- und überlebt.

Nun hat man den Beginn einer Alzheimer Krankheit festgestellt. Und sie glaubt zu wissen, warum sie daran erkrank ist:

„Weil Gott Angst hat vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.“

Sie hat nur noch einen Wunsch: sie möchte ihr ganzes Leben weitererzählen. Es muss Gehör finden

Alexander, kurz Sascha, ist gefangen in seinem eigenen, unglaublichen Schicksal. Hat es sich zum Guten gewendet? Es fällt ihm am Anfang schwer, sich der neugierigen übergriffigen Nachbarin zu öffnen.

Sasha Filipenko gelingt es, die Tragödien dieser zwei Menschenleben so zu erzählen, dass die Leser:innen langsam, immer nur so viel erfahrend, dass es gerade noch erträglich zu fühlen ist, auszubreiten.

Das Hörbuch „Rote Kreuze“
Das im Diogenes Verlag erschienene Hörbuch „Rote Kreuze“ ist 4 Stunden und 59 Minuten lang. Es wird von Robert Stadlober gesprochen.

Robert Stadlober gelingt es, sowohl den immer wieder aufblitzenden Sarkasmus des Widerstands von Tatjana Alexejewa in Szene zu setzen, aber genau so zieht er die Hörer:innen mit leisen einfühlsamen Tönen in seinen Bann. Obwohl es schmerzt, will man weiterhören.

Zum Autor Sasha Filipenko
Pressebildsashafilipenkocfoto-lukas-lienhard-diogenes-verlag
"Rote Kreuze"
Sasha Filipenko wurde 1984 in Minsk geboren. Er ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Die Romane werden von Ruth Altenhofer übersetzt.

Systemkritik ist die Botschaft seiner Bücher. Sicherlich ist das auch der Grund, warum er in seiner Heimat Belarus unerwünscht ist. Bis 2020 lebte er in Petersburg, dann verließ er mit seiner Familie Rußland und lebt jetzt in der Schweiz.



Fazit/Kritik „Rote Kreuze“
Beim Lesen bzw. Hören des Buchs wurde mir wieder einmal bewusst, dass der Mensch das größte und gefährlichste Raubtier ist, dass es gibt. Mit Ironie untermauert Sasha Filipenko die Gespräche seiner Protagonisten. Er schreibt in einer Sprache, die gesprochen wird.

Das Buch ist mehr als aktuell. Putin verherrlicht Stalin, obwohl oder vielleicht gerade, weil ihm die Geschichte Russlands, und das Wirken Stalins genau bekannt ist.

1932/33 verfolgte Josef Stalin das Ziel, den Freiheitswillen der Ukraine zu brechen und die sowjetische Herrschaft zu festigen. Um zur Industriemacht zu werden, brauchte die Sowjetunion dafür Technologie aus dem Westen, und das einzige Zahlungsmittel, das zur Genüge verfügbar war, war Getreide. Mehr als ein Viertel davon produzierte die Ukraine. Dieses Getreide wurde der Ukraine weggenommen und dadurch wurde eine Hungersnot erzeug, der schätzungsweise drei bis sieben Millionen Menschen zum Opfer. Das ging unter dem Begriff Holodomor in die Geschichte ein.

Sasha Filipenko erzählt immer wieder in seinen Büchern vom 20. Jahrhundert in der Sowjetunion.

Es ist wichtig, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen, um das aktuelle politische Geschehen wirklich verstehen und einordnen zu können.

Heute beginne ich mit seinem neuen Buch „Der Kremulator“.

„Rote Kreuze“ Sasha Filipenko
Pressebildrote-kreuzeDiogenes-Verlag
Hardcover Leinen
288 Seiten
erschienen am 26. Februar 2020

978-3-257-07124-5

Veröffentlicht am 21.02.2023

Ich bin wieder hier - oder wer ist Marius Müller-Westernhagen

Marius Müller-Westernhagen
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Ich bin wieder hier – oder wer ist Marius Müller-Westernhagen?
Friedrich Dönhoff zeichnet ein beeindruckendes Bild von Marius Müller-Westernhagen. Chronologisch skizziert er den Leser:innen, Stationen ...

Ich bin wieder hier – oder wer ist Marius Müller-Westernhagen?
Friedrich Dönhoff zeichnet ein beeindruckendes Bild von Marius Müller-Westernhagen. Chronologisch skizziert er den Leser:innen, Stationen aus Westernhagens Leben. Als Sohn eines Schauspielers lernte er schnell, die sich ihm bietenden Möglichkeiten, zu nutzen. Er arbeitete als Sprecher, Schauspieler, Sänger und Texter, ebenso war er als Fußballer unterwegs.

Heute ist er nicht mehr aus der Musikszene wegzudenken. Erfolgreich im In- und Ausland. Er gehört zu den Künstlern, die sich politisch bekennen und Unrecht anprangern.

„Ich bin mit einer schwarzen Frau verheiratet und habe mir mit der Borniertheit eines weißen liberalen Menschen lange angemaßt, verstehen und nachempfinden zu können, was Menschen mit anderer Hautfarbe als wir seit Jahrhunderten erleiden. Ich habe durch die Tränen, die Verzweiflung und die maßlose Wut meiner Frau und anderer schwarzer Freunde in dieser Zeit erfahren müssen, dass diese Haltung ignorant ist.“

S. 36.
Friedrich Dönhoff zeigt anhand der Zeitgeschichte Deutschlands, die Entwicklung Westernhagens.

Das Portrait von Marius Müller-Westerhagen
Auf ca. 240 Seiten bringt Friedrich Dönhoff, das Leben von Marius Müller-Westernhagen, den Leser:innen nahe. Es zeigt eine Beziehung, zwischen Autor und Künstler, die immer freundschaftlicher wurde. Sie kommen sich während und durch die Gespräche näher, daraus entwickelt sich ein persönliches Portrait, das authentisch bleibt. Friedrich Dönhoff beschreibt eine Persönlichkeit, die sich mit den eigenen Texten identifiziert und diese immer wieder neu hinterfragt.

Westernhagen wurde nicht über Nacht zum Star. Dönhoff illustriert den Weg dorthin: Das Elternhaus und den Vater, der unter dem Intendanten Gustav Gründgens am Theater spielte. Westernhagens erste eigene Schritte als Schauspieler und Hörbuchsprecher, seine Zeit in der „Villa Kunterbunt“ mit Udo Lindenberg und vielen anderen Künstlern.

Es sind die Alltagsgeschehnisse, die Dönhoff den Leser:innen erzählt. Wie er sich, zusammen mit Marius, einen Stoff für einen Bettüberwurf anschaut. Und genau diese Alltäglichkeiten zeigen Marius Müller-Westernhagen so menschlich. Er öffnet sich, ohne Misstrauen oder Starallüren.

Durch Gesprächsausschnitte wird das Buch sehr lebendig. Westernhagen hat den Journalisten bzw. Autor Friedrich Dönhoff im eigenen Zuhause empfangen. Der Künstler hatte Vertrauen und war bereit, etwas von sich preiszugeben.

Auch sehr persönlichen Fragen wich er nicht aus. Auf die Frage Dönhoffs, ob er auch erotische Erlebnisse mit Männern hatte, verneinte er und sagte:

„Ich bezeichne mich ja selbst scherzhaft als vom Kopf bis zur Hüfte schwul, weil einige der größten Klischees über schwule Männer auch auf mich zutreffen. Ich kann stundenlang in Mode- und Interieurmagazinen herumblättern, Maria Callas rührt mich zu Tränen, ich habe, glaube ich, auch ein gutes Gefühl und eine Leidenschaft für Style, für jegliche Art von Designs eigentlich.“

S. 164
Um das Portrait abzurunden, schrieb Philipp Keel das Nachwort. Der Verleger und CEO des Diogenes Verlags ist mit Marius Müller-Westernhagen befreundet. Man merkt, dass es ein Herzensprojekt war, wenn man die Worte Philipp Keels liest.

„Eigentlich ging es in letzter Zeit fast nur noch um das Buch, und es bedarf keiner Fantasie, dass wir alle vom Umfang des Erinnerten und Erzählten einen Moment überfordert waren. Plötzlich schien es, als könne man das erstaunliche Leben des Marius Müller-Westernhagen gar nicht zusammenfassen. Aber die Passion des Autors, das Engagement von Marius und die Vernunft des Weglassens haben der Sache gutgetan. Die Aufregungen, die jedem Vorhaben folgen, haben letztlich ein außergewöhnliches Portrait hervorgebracht, und, ob er es will oder nicht, es kommt mir vor, als würde unsere Freundschaft gerade noch einmal von vorn anfangen“

Kurzbiografie Friedrich Graf von Dönhoff
Pressebildfriedrichdoenhoffcfoto-marvin-zilm72dpi.jpg / Marius Müller WEsternhagen
Pressebild
friedrichdoenhoffcfoto-marvin-zilm72dpi.jpg
Der Autor Friedrich Dönhoff ist vielleicht einigen Leser:innen bekannt durch sein Buch, „Die Welt ist so, wie man sie sieht: Erinnerungen an Marion Dönhoff“, das ebenso im Diogenes Verlag erschienen ist. Marion Gräfin Döhnhoff war die Großtante des Autors und stand ihm sehr nahe. Aber Friedrich Dönhoff hat noch mehr geschrieben.

Der 1967 geborene Schriftsteller hat unter andrem auch die „Sebastian Fink“-Krimis (Diogenes) und weitere Biografien geschrieben. Er studierte Geschichte und Politik, jobbte bei Filmemacher Alexander Kluge und bei Zeit-TV. Er machte eine Ausbildung als Drehbuchautor.

Fazit/Kritik „Marius Müller-Westernhagen“
Ich war schon immer ein Westernhagen-Fan. Von „Freiheit“ über „Sexy“ oder „Lola“ zu „Ich bin wieder hier“, hat mir eigentlich fast alles gefallen, und der eine oder andere Liebeskummer wurde mit seinen Liedern verscheucht. In den 80er-Jahren war ich auf einem seiner Konzerte am Ring.


Besonders gelungen fand ich an diesem Portrait, dass Dönhoff, begleitend zur Biographie bzw. Portrait, die Zeitgeschichte ablaufen ließ.

Natürlich entwirft jeder Mensch selbst ein Bild des Künstlers, des Schriftstellers, des Sportlers oder des Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Das geschieht mittels der öffentlichen Meinung, Presse, Berichterstattung, aber auch, was man selbst in diesem Menschen sehen möchte.

Meine Vorstellung von Marius Müller-Westernhagen fand ich beim Lesen von Friedrich Dönhoffs Portrait wieder. Aber ich habe auch viel Neues erfahren. Es gefiel mir gut, mal hinter die Maske des Stars zu schauen. Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, dass Westernhagen gerne diese „Maske“ vor seinem Interviewpartner fallen ließ. Ein wirklich gelungenes Portrait, das sich zu lesen lohnt.

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Veröffentlicht am 09.12.2022

„Elf Minuten“: Es war einmal eine Prostituierte namens Maria

Elf Minuten
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„Elf Minuten“: Es war einmal eine Prostituierte namens Maria
Wir sind umgezogen und deswegen habe ich die letzten Monate keine Rezensionsexemplare angenommen, sondern mich an meinem SUB (Stapel ungelesener ...

„Elf Minuten“: Es war einmal eine Prostituierte namens Maria
Wir sind umgezogen und deswegen habe ich die letzten Monate keine Rezensionsexemplare angenommen, sondern mich an meinem SUB (Stapel ungelesener Bücher) bedient. Ich habe mich dann als erstes für ein Buch von Paulo Coelho entschieden, weil dessen Hörbücher jetzt auch im BookBeat Katalog enthalten sind. Jeden Monat kommen 3 weitere dazu. Im Oktober waren „Elf Minuten“, „Veronika beschließt zu sterben“ und „Handbuch des Kriegers des Lichts“ im Sortiment.

Die meisten von Coelhos Bücher beginnen mit Zitaten aus dem Lucas-Evangelium oder aus dem Sufismus. Diesmal nimmt der Autor die Verse 37-47 aus dem 7. Kapitel des Lukas Evangeliums und die „Hymne an Isis“.

Nichts kann besser die Betrachtung zusammenfassen, die die Antike von einer Frau haben konnte, im Heiligen und im Profanen, wie sie uns in a dargestellt wird Hymne an Iside, Mutter von Horus und Ehefrau des wiederbelebten Herrn des Jenseits Osiris, gefunden unter den verschiedenen Schriftrollen von Nag Hammadi aus dem XNUMX. und XNUMX. Jahrhundert:

Gefunden: https://axismundi.blog/de/2018/09/08/dee-e-donne-dellantico-mediterraneo/
Pressebild elf minutenDiogenes Verlag 72dpi
Worum geht es in „Elf Minuten“
Warum dieser Titel? Elf Minuten? Elf Minuten dauert der durchschnittliche Liebesakt. In welcher Beziehung steht das zum Inhalt? Wir werden sehen. Ich werde nochmals am Ende der Rezension darauf zurückkommen.

In erster Linie geht es natürlich um Liebe! Welche Erwartungen stellen wir an die Liebe? Maria verliebte sich zum ersten Mal mit sieben Jahren. Mit fünfzehn verliebte sie sich wieder. Aber immer lief etwas falsch.

„Männer bedeuten nur Schmerz, Frustration und Kummer, dachte sie.“

Elf Minuten, S. 19.

Maria machte eine Woche Urlaub in Rio de Janeiro. Dabei lernte sie einen Schweizer kennen, der sie mit nach Zürich nehmen wollte, um dort einen brasilianischen Star aus ihr zu machen. Maria geht mit.

Marias Leben ändert sich. Es ist keineswegs so, wie sie es sich vorstellte. Aber Maria bleibt sich selbst treu.

„Elf Minuten“: Maria, eine Frau mit Prinzipien
Maria ist eine Protagonistin, die mit beziehungsweise an ihren Aufgaben wächst. Sie schreibt Tagebuch und reflektiert ihr Leben. Sie lebt nach von ihr festgelegten Regeln, an die sie sich hält.


„Ich habe die Wahl, entweder ein Opfer der Welt zu sein oder eine Abenteurerin auf der Suche nach ihrem Schatz. Es ist alles nur eine Frage, wie ich mein Leben angehe.“

Elf Minuten, S. 47.

Maria begegnet der Liebe. Welchen Einfluss wird das auf sie und ihr Leben nehmen?

Paul Coelho zeigt wie das Leben und die Menschen auf Maria wirken, wie sie sich verändert. Aber sie bleibt sich dennoch treu, obwohl sie dadurch fast die Chance auf Glück verliert.

„Ist dir auch schon einmal der Gedanke gekommen, dass Frauen, und vor allem auch Huren, fähig sind zu lieben?“
Elf Minuten, S. 171.

Der sprachliche Aufbau in „Elf Minuten“
Das Buch besteht aus den Tagebuchaufzeichnungen von Maria und den Aufzeichnungen eines allwissenden Erzählers. Das gefällt mir sehr gut. Weil Maria in ihren Aufzeichnungen das Geschehen kommentiert und reflektiert, bzw. aus ihrer inneren Sicht zeigt, unabhängig von den Handlungen.

Hörbuch „Elf Minuten“
Das Hörbuch „Elf Minuten“ von Paulo Coelho ist ebenso wie das Hardcover im Diogenes Verlag erschienen. Es hat eine Länge von 7 Stunden und 28 Minuten. Der Erzähler wird von Markus Hoffmann und die Tagebuchaufzeichnungen von Nadja Schulz-Berlinghoff gelesen. Markus Hoffmann gefällt mir in der Rolle des Erzählers nicht so gut, er ist mir zu belehrend. Nadja Schulz Berlinghoff spricht die Marias Gedanken sehr ansprechend. Ich kann sie mir gut als Maria vorstellen.

Fazit/Kritik „Elf Minuten“
Ich bin mir nicht sicher, ob Paulo Coelhos erhobener Zeigefinger hier etwas zu intensiv agiert. Er will darauf hinaus, dass es immer noch den Menschen hinter seiner Rolle gibt. Da bin ich ganz seiner Meinung.

Und auch in der zu Beginn vorangestellten „Hymne an Isis“ sehen wir, wie schon in der Antike, die Rolle der Frau in mehrere Bereiche aufgeteilt wurde, die unterschiedlich bewertet wurden. Je nachdem wo, und wie diese Rolle ausgelebt wurde.

Maria gefällt mir eigentlich sehr gut. Durch den Kontrollzwang über ihr Leben, kann sie die Zeit als Prostituierte beenden. Allerdings hätte sie auch fast die Chance auf eine Liebe vergeben.

Zur Liebe gehört immer auch ein gewisses Maß an Risiko. Keiner kann für die Dauerhaftigkeit seiner Gefühle bürgen.

Ich bin ein großer Fan von Paulo Coelho, aber bei diesem Buch bin ich sehr hin- und hergerissen. Und ich kann nicht einmal wirklich sagen, woran es liegt. Ist Maria zu verkopft? Manchmal wollte ich sie anschubsen, etwas weniger auf ihre Prinzipien zu hören. Auf der anderen Seite haben genau diese Prinzipien ihr geholfen, sich selbst treu zu bleiben.

Ich möchte nochmals auf den Titel zurückkommen. Wenn man einmal darüber nachdenkt, wie kurz die Dauer dieser 11 Minuten, objektiv gesehen, ist, verwundert es doch, welch große Bedeutung Sex oder Erotik in unserem Leben einnehmen. Vielleicht liefert der Text in der Anzeige des Verlags ein wenig Licht:

Wie berührt man die Seele? Durch Liebe oder durch Lust? Kann man die Seele wie einen Körper berühren und umgekehrt? Ein provozierendes modernes Märchen über die Alchemie der Liebe.

Diogenes

Veröffentlicht am 10.06.2022

Auf der Bühne des Sturm und Drangs

1774. Als die jungen Genies die Freiheit suchten
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1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten“: Ein Protagonist namens Johann Wolfgang von Goethe, der von acht weiteren Genies umrahmt wird. Fast genau so viele Musen, darunter auch Sophie La Roche. ...

1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten“: Ein Protagonist namens Johann Wolfgang von Goethe, der von acht weiteren Genies umrahmt wird. Fast genau so viele Musen, darunter auch Sophie La Roche. Der unglücklich liebende Lenz und noch viele weitere, kleine und große Nebendarsteller stehen auf dieser Bühne des „Sturm und Drangs“.

Inhalt/Zusammenfassung „1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten“
Francesca Schmidt erzählt uns wichtige und weniger wichtige, dafür amüsante Episoden aus diesem Jahr 1774. Jedem Monat des Jahres ist ein Kapitel gewidmet.

Die jungen Genies sind Heinrich Christian Boie, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder, Friedrich Maximilian Klinger, Johann Caspar Lavater, Jakob Michael Reinhold Lenz, Johann Heinrich Merck, Christian Friedrich Daniel Schubart und Heinrich Leopold Wagner.

Es sind große Namen, denen wir begegnen. Johann Gottfried Herder, der mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat, den Ruf der erstrebten Professur nicht erhält und im Hintergrund mit einer lauernden Depression belastet ist. Sophie La Roche hat einen literarischen Salon, der gut besucht wird

Die Zeit der Aufklärung ist vollzogen und es beginnt eine neue Ära. Nach seinem erfolgreichen Werk „Götz von Berlichingen“, schreibt Goethe in nur vier Wochen „Die Leiden des jungen Werthers“. Ein Briefroman, mit dem er eine selbst erlebte „Zeit des Unglücklichseins“ verarbeitete. Es ist ein Roman, der polarisiert. Darf sich jemand selbst das Leben nehmen? Viele glaubten, Selbstmord gehöre bestraft.

Da kommt also jetzt ein junger leistungsfähiger und begabter Mann daher, der an den strengen Regeln der Gesellschaft leidet, der seine Gefühle und auch seine Sexualität nicht ausleben darf und daher frei entscheidet, Selbstmord zu begehen, sich über die Regeln der Gesellschaft, der Kirche, der Philosophen hinwegzusetzen. Selbstbewusst besteht Werther schon zu Beginn [….] der Mensch habe „das süße Gefühl von Freiheit, und dass er diesen Kerker verlassen kann, wann er will“.

S. 53.
Die jungen Schriftsteller sind gut vernetzt, man schreibt sich, man trifft sich, liest einander vor und hört einander zu. Es wird über Pädagogik und Klopstocks „Gelehrtenrepublik“, einer Utopie des idealen Staates, diskutiert. Neue Werke werden anonym veröffentlicht. Danach beginnt das allgemeine Erraten des Urhebers.

Lavater bricht zusammen mit dem Kupferstecher Georg Friedrich Schmoll auf zur Kur zu den Emser Quellen und besucht dabei die „Schreiber“. Zu einem Treffen mit Herder kommt es nicht. Schmoll soll von allen Menschen, die Lavater auffallen, einen Stich anfertigen, weil er glaubt, von der Physiognomie auf den Charakter schließen zu können.

Christian Friedrich Daniel Schubart gründet in Augsburg die Zeitschrift „Deutsche Chronik“. Das Neue daran ist der Inhalt: Krieg, Politik im In- und Ausland, Literatur, Musik, Gesellschaftsnachrichten, Klatsch, Religion und alles wird kommentiert.

Das Buch ist unterhaltsam geschrieben. Manche Details empfinde ich als unwichtig, andere Informationen, wie dass in Bayern das Modell Realschule entdeckt wird, das sich bis heute gehalten hat, finde ich spannend. Auch die Berichte über das schwierige Leben der Hofmeister (die ersten Lehrer), die mit der Erziehung der Kinder beauftragt wurden, ist interessant.

1774 - Als die jungen Genies die Freiheit suchten“ Südverlag, Rezension
„1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten“ , Francesca Schmidt, Südverlag
Sehr gut gelungen ist der Anhang: Abbildungen, Personenverzeichnisse der jungen Genies, deren Mitstreiter, ihrer Musen, aber auch ihrer Gegner, und auch das sonstige Personal wird im Überblick aufgelistet. Dazu kommt eine Zeittafel, welche die Ereignisse des Jahres 1774 noch einmal kurz zusammenfasst. Eine Auswahlbibliografie der recherchierten Werke, einschließlich Sekundärliteratur. Wunderbar für jeden, der sich weitere Details erlesen möchte.

Das Cover zeigt den jungen Goethe auf einer Postkarte, nach der Kopie eines Gemäldes von Georg Oswald May von 1779, Im Hintergrund der Frankfurter Römerberg von Friedrich Wilhelm Dellenkamp. Diese Umschlaggestaltung von Silke Nalbach ist sehr gut gelungen und passt genau zum Inhalt.

Das Buch „1774 –Als die jungen Genies die Freiheit suchten“ hat einen Festen Einband, 296 Seiten und ist am 07.03.2022 im Südverlag erschienen.

Fazit/Kritik „1774 – Als die jungen Genies die Freiheit suchten“
Francesca Schmidt erzählt halb wissenschaftlich, leicht und gut verständlich die Vorkommnisse des Jahres 1774.

Damit gewinnen die LeserInnen einen Überblick zur Thematik und der Zeitgeschichte. Um das Ganze etwas illustrer zu gestalten, wird ein wenig „Klatsch und Tratsch“ mit verschriftet. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll.

Auf der einen Seite finde ich es gut, wenn sich dadurch vielleicht mehr Leser
Innen für dieses Thema interessieren. Auf der anderen Seite finde ich es zwischendurch sehr langatmig und für mich fast schon langweilig.

Wobei mir das Buch insgesamt ganz gut gefallen hat. Besonders gut hat mir gefallen, wie die Autorin, das Netzwerk rund um Goethe beschreibt. Auch die Erwartungshaltung der jungen Schreiber untereinander ist sehr komplex.

Francesca Schmidt hat gute Recherchearbeit geleistet. Sicherlich ist es bei der Fülle von „jungen Genies“ und Ereignissen schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Autorin ist das souverän, gut gelungen, natürlich gibt es Stellen, die Längen haben, aber das liegt wohl auch daran, dass nicht jeden Leser, jeder Gesichtspunkt interessiert, der aber für das Gesamtbild doch eine Rolle spielt.

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