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Veröffentlicht am 25.07.2021

Cremona atmen

Bella Musica
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Die 33-jährige Luna ist Halbitalienerin und besitzt mit ihrem Bruder das Restaurant „Il Violino“ in München. Namensgebend war dabei eine Kindergeige, die ihr Vater zurückließ als er 27 Jahre zuvor von ...

Die 33-jährige Luna ist Halbitalienerin und besitzt mit ihrem Bruder das Restaurant „Il Violino“ in München. Namensgebend war dabei eine Kindergeige, die ihr Vater zurückließ als er 27 Jahre zuvor von der Familie fortging. Um sich nach einer Fehlgeburt wieder oder überhaupt erstmals zu sich zu finden, macht sich Luna mit ihrer Bekannten Gitta auf die Reise nach Italien. Dort verfolgen sie die Spur von Lunas Großmutter, die in den 50er Jahren nach Sizilien floh, um einer Zwangsheirat zu entkommen. Auf ihrer Reise trifft Luna nicht nur auf wunderschöne Orte und italienisches Flair, sondern auch auf große Geheimnisse und verhängnisvolles Unglück.

„Bella Musica“ ist der neue Roman von Stefanie Gerstenberger und spielt überwiegend in Italien.

Inhaltlich steht Lunas Geschichte und ihre Selbstfindung im Fokus des Romans. Ihre Reise mit ihrer Bekannten (und später guten Freundin) Gitta ist sehr lebensnah, spannend und authentisch beschrieben. An jeder Ecke wird dem Leser italienisches Flair und Sommerstimmung nahegebracht. Auf jeder Seite wird die Lieber der Autorin zum Land und ihren Menschen vermittelt. Neben der Haupthandlung, die aus Lunas Perspektive geschildert wird, gibt es Rückblicke aus dem Leben ihrer Großmutter Anna Battisti, die der Handlung eine neue Ebene und vor allem viel Spannung verleihen. Der Roman wirkt sehr gut recherchiert und liefert viele Informationen rund um den Geigenbau sowie verschiedene italienische Orte und Städte. Zudem vermittelt er einen Eindruck über die Zeit des Faschismus aus italienischer Sicht. Mir persönlich hätte dieser Aspekt noch intensiviert werden können, aber das ist sicherlich Geschmackssache.

Die Figuren wirken sehr lebendig und wurden detailliert ausgearbeitet. Luna macht durch die Geschichte hindurch eine deutliche Wandlung durch und wächst über sich hinaus. Mit Anna und ihrem Schicksal habe ich mitgefiebert und mitgelitten – ihre Sequenzen habe ich am fesselndsten empfunden. Meine Lieblingsfigur war allerdings Gitta. Sie hat dem gesamten Roman eine charmante und humorvolle Note gebracht!

Zum Ende hin habe ich die Liaison zwischen Luna und Fabio als zu glatt und reibungsfrei empfunden. Insbesondere Lunas ausbleibende Reaktion auf seine für mich unverschämten und verantwortungslosen Verhaltensweisen haben mich sehr verwundert. Auch die vielen Stadterkundungen jenseits der Sehenswürdigkeiten auf Sizilien und Torino uferten meiner Meinung nach manchmal etwas aus und hätten für mich komprimierter sein können. Nichtsdestotrotz habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt und einiges aus dem Roman mitnehmen und lernen können.

Zu guter Letzt zeichnet sich der Roman durch einen sehr angenehmen, flüssigen und vielfältigen Sprachstil aus, der mich von Seite 1 an vollkommen eingenommen hat.

Zusammengefasst ist „Bella Musica“ ein wunderschöner, unterhaltsamer und interessanter Sommerroman, den ich gerne weiterempfehle. Besonders angesprochen hat mich der authentische italienische Flair, den jede Seite versprüht hat.

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Veröffentlicht am 26.06.2021

Romanbiographie über eine faszinierende und außergewöhnliche Frau

Frau Merian und die Wunder der Welt
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Ende des 17. Jahrhunderts lebt Maria Merian in den Niederlanden. Sie ist Forscherin und Künstlerin zugleich. Wenn sie Insekten und ihre verschiedenen Entwicklungsstadien erforscht und anschließend malt, ...

Ende des 17. Jahrhunderts lebt Maria Merian in den Niederlanden. Sie ist Forscherin und Künstlerin zugleich. Wenn sie Insekten und ihre verschiedenen Entwicklungsstadien erforscht und anschließend malt, erkennt selbst jeder Skeptiker die Schönheit der sonst unbeachteten Lebewesen. Für ihre weitere Forschung hatte sie schon immer nur ein Ziel: Nach Surinam zu reisen und die dortige Flora und Fauna mit ihrem Insektenreichtum zu erforschen. Doch das Leben einer Frau im 17. Jahrhundert ist alles andere als einfach und eine Reise über das Meer nicht nur teuer, sondern auch sehr gefährlich. Doch Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit zeichnen Maria aus und an ihrer Seite befinden sich nicht nur die sie stets unterstützenden Töchter, sondern seit neuestem auch der geheimnisvolle Jan de Jong, den Maria nicht mehr aus dem Kopf bekommt…

„Frau Merian und die Wunder der Welt“ ist eine Romanbiographie über die Künstlerin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian, die ihrer Zeit weit voraus gelebt hat und eine der ersten Wissenschaftler/innen der Etymologie war.

Vor diesem Roman hatte ich mich noch nicht intensiver mit Maria Merian auseinandergesetzt und war daher umso mehr gespannt auf die Verarbeitung der Lebensgeschichte in einer Romanbiographie. Die authentische und gut recherchierte Ausarbeitung hat mir sehr gut gefallen. Man merkt, dass sich die Autorin intensiv mit Maria Merian auseinandergesetzt hat. Zudem werden in einem Nachwort Fiktion und Wahrheit aufgeführt, ferner werden verwendete Quellen angegeben. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen, denn ich hatte mich während des Lesens mehrfach gefragt, wo Fakten aufhören und Fiktion anfängt. Insbesondere in einer Romanbiographie finde ich ein Nachwort zur Aufklärung „verpflichtend“!


Inhaltlich war der Roman durchgehend spannend und es hat mich sehr fasziniert und beeindruckt, wie eine Frau so ehrgeizig und forsch ihren eigenen wissenschaftlichen Zielen nachgeht. Und das im 17. Jahrhundert, in dem die Frau eine untergeordnete Rolle spielte! Eine außergewöhnliche Frau, die aus eigenen Kräften ihre Forschungsreise erarbeitet und finanziert. Insbesondere der Part in Surinam war spannend, exotisch und sehr schön dargestellt. Die dazugehörige Romanze mit Jan de Jong hat mich ebenfalls an die Seiten gebannt und für viele sehr fesselnde Abschnitte gesorgt. Darüber hinaus hat sie mir Maria nahbarer gemacht und für noch mehr Einblicke in das Leben im 17. Jahrhundert gesorgt. Zum Ende hin hätte ich es jedoch favorisiert, wenn Maria Merian sich in ihrem Erfolg mehr gesonnt hätte und die Romanze in den Hintergrund gerückt wäre. Zudem hätte mir den wissenschaftlichen Anteil größer mehr Tiefgang in Hinblick auf ihr Lebenswerk gewünscht. Ihre Arbeit hätte noch detaillierter dargestellt werden können (für meinen Geschmack).

Der Sprachstil war dem Sprachduktus im 17. Jahrhundert angepasst, was die Authentizität unterstrich, woran ich mich aber zunächst gewöhnen musste. Davon abgesehen war er durchgehend flüssig und angenehm zu lesen. Zudem wurde die beschreibende Art von Maria sehr gut übernommen. Sie hatte stets Wert daraufgelegt, nur zu beschreiben und nicht zu bezeichnen. Dies hat sich im Roman durchweg widergespiegelt!

Zusammenfassend ist die Romanbiographie um Maria Merian sehr gelungen. Ich habe die Seiten nur so verschlungen und wurde durch die verschiedenen Elemente an das Buch gefesselt. Nichtsdestotrotz hätte ich mir einen tieferen, detaillierteren Blick auf Marias harte Arbeit und ihre Forschung gewünscht, dann wäre die Geschichte noch gehaltvoller und „kerniger“ gewesen.

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Veröffentlicht am 07.06.2021

Partem - eiskalte Gefühlsdiebe

Partem - Wie die Liebe so kalt
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Wenn die 16-jährige Xenia andere Menschen berührt, hört sie deren tief verborgene Emotionen als Geräusche. Aufgrund dessen versucht sie normalerweise, Berührungen zu vermeiden. Als sie jedoch Bekanntschaft ...

Wenn die 16-jährige Xenia andere Menschen berührt, hört sie deren tief verborgene Emotionen als Geräusche. Aufgrund dessen versucht sie normalerweise, Berührungen zu vermeiden. Als sie jedoch Bekanntschaft mit Jael macht und diesen versehentlich berührt, umgibt sie nichts als Stille. Von Neugier getrieben, versucht sie diese Begebenheit weiter zu ergründen, ohne zu ahnen, dass sie dabei einem gefährlichen Geheimnis immer näher kommt. Denn Jael ist ein Mitglied von Partem, einer Gruppe von Gefühlsdieben, und wortwörtlich bereit, über Leichen zu gehen, um anderen die Emotionen zu rauben. Doch ausgerechnet bei Xenia scheint alles anders…

„Partem – wie die Liebe so kalt“ ist Teil 1 der Dilogie von Stephanie Neeb. Das Hörbuch wird gesprochen von Caroline Göbel.

Die Grundidee des Romans rund um eine sektenähnliche, eiskalte Gruppe von Gefühlsdieben, die ihren Mitschülern die Gefühle rauben, ist sehr interessant und hat mich von Beginn an in ihren Bann gezogen. Die Geschichte ist durchgehend spannend, fesselnd und wirft unglaublich viele Fragen auf, auf die man nur portionsweise Antworten erhält, sodass man zunächst recht lange im Dunkeln gelassen wird. Dies tut der Spannung jedoch keinen Abbruch, allerdings hätte ich mir in Band 1 inhaltlich insgesamt mehr Informationen zum Hintergrund gewünscht.

Der Roman wird anhand von Perspektivenwechseln aus Sicht der Hauptfiguren Xenia, Jael, Felix und Chrystal erzählt. Da zu Kapitelbeginn der jeweilige Name steht, um den es im nachfolgenden Abschnitt geht, hatte ich keine Probleme, den Wechseln zu folgen. Strukturell haben mir die Perspektivenwechsel unheimlich gut gefallen. Insbesondere, dass sich einzelne Szenen aus den verschiedenen Perspektiven überschneiden, empfand ich als sehr gelungen und machte die Geschichte für mich noch runder und damit interessanter.

Die Figuren sind gut ausgearbeitet und entscheiden sich in ihrer Persönlichkeit und ihren Handlungen deutlich voneinander. Hierdurch entsteht eine facetten- und sehr abwechslungsreiche Handlung, die man im Einzelnen aufgrund ihres Detailreichtums nicht ohne weiteres wiedergeben kann. Die Charaktere habe ich aufgrund der insgesamt recht düsteren und eiskalten Stimmung und des Inhalts allerdings ursprünglich für deutlich älter gehalten, was mich zunächst irritiert und auch gestört hatte. Nach dem ersten Drittel war ich von der Handlung jedoch so absorbiert, dass mir das junge Alter der Protagonisten nicht mehr auffiel.

Die aufkeimenden Gefühle zwischen Jael und Xenia entwickeln sich sehr, sehr langsam. Wäre dies die einzige romantische Verbindung, wäre mir der Liebesanteil im Roman deutlich zu wenig gewesen. Da aber auch Chrystal und Xenia miteinander anbändeln und ihre Gefühle schneller und eindeutiger im Raum stehen und damit auch mehr prickelnde Situationen entstehen, war mir auch der Liebesaspekt in der insgesamt düsteren, eiskalten Grundhandlung ausreichend vertreten.

Als etwas ungünstig habe ich allerdings die besonders zu Beginn häufigen Anspielungen und Parallelen zu „Twilight“ empfunden. Dies bewirkte, dass ich automatisch einzelne Szenen und Figuren auf Ähnlichkeit zu „Twilight“ überprüfte. Dieser Vergleich tut dem Hörbuch jedoch nicht gut – denn mit so einem Verkaufsschlager (egal wie man persönlich zu ihm steht), muss man es erstmal aufnehmen können. Die Einwürfe haben mich daher gestört und ich war froh, dass sie ab dem zweiten Drittel nicht mehr vorkamen.

Der Sprachstil ist insgesamt flüssig und eindrücklich, aber eher einfach gestaltet. Dies verstärkte für mich zunächst den Eindruck, dass die Protagonisten deutlich jünger sind als von der Handlung zu erwarten gewesen wäre. Auch dies verlor sich für mich glücklicherweise ab dem zweiten Drittel. Ob ich mich inzwischen an den leichten, aber eher simpleren Sprachduktus gewöhnt hatte oder einfach inhaltlich so absorbiert war, weiß ich nicht.

Besonders hervorheben möchte ich die Sprecherin Carolin Göbel. Sie schafft es, einen mit ihrer angenehmen Stimme auf eine unaufgeregte Art und Weise in den Bann zu ziehen. Anhand kleinster Nuancen verschafft sie jeder Figur eine eigene, gut wiedererkennbare Atmosphäre und Stimme. Darüber hinaus belebt sie mit ihrer Sprechweise die gesamte Handlung und bewirkt eine Verstärkung der ohnehin hohen Spannung sowie der jeweils vorherrschenden Stimmung. Damit gibt sie der Geschichte eine zusätzliche Ebene, was mir extrem gut gefallen hat.

Die düstere Atmosphäre und die zum Ende nochmal deutlich ansteigende Spannung hat mich so gepackt, dass ich am liebsten sofort mit Teil 2 weiter gemacht hätte. Denn der Roman endet mit einem fiesen Cliffhanger und vielen offenen Fragen. Schon jetzt warte ich sehnsüchtig auf Teil 2 - vorzugsweise als Hörbuch - , der leider erst 2022 erscheinen wird.

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Veröffentlicht am 22.05.2021

Wenn einen die Vergangenheit einholt...

Lange Schatten über der Côte d'Azur
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Kommissar Duvals neuer Mordfall führt ihn auf den Friedhof „Le Grand Jas“ in Cannes. Ein junger Mann ist auf einer Gedenkstätte für jüdische Verfolgte des zweiten Weltkrieges erschlagen worden. Schon bald ...

Kommissar Duvals neuer Mordfall führt ihn auf den Friedhof „Le Grand Jas“ in Cannes. Ein junger Mann ist auf einer Gedenkstätte für jüdische Verfolgte des zweiten Weltkrieges erschlagen worden. Schon bald führen die Spuren in die düstere Vergangenheit der Franzosen während der deutschen Besatzung, die Duvals Vorgesetzten strikt verleugnen. Kommissar Duval muss damit nicht nur gegen einen Mörder mit möglicherweise antisemitischem Motiv, sondern auch entgegen dem Willen seiner Vorgesetzten ermitteln.

„Lange Schatten über der Cote d’Azur“ ist bereits der 8. Fall der Reihe um Kommissar Duval, der in Cannes und Umgebung ermittelt. Da ich ein Fan der Reihe bin, kenne ich alle Fälle und habe sie auch in der richtigen Reihenfolge gelesen. Ich persönlich mag es sehr, die Entwicklung des Privatlebens des Kommissars und seine Eigenarten über die verschiedenen Bücher hinweg zu erfahren. Dies ist aber keine Grundvoraussetzung, um den neuesten Fall zu lesen. Es kann jedoch sein, dass einem hierdurch in den zwischenmenschlichen Begegnungen von Kommissar Duval und seiner Partnerin Annie Hintergrundwissen fehlt. Für den Mordfall selbst benötigt man keine Vorkenntnisse.

Die Krimis von Christine Cazon sind meist mit Hintergrundwissen und gut recherchierten geschichtlichen Fakten zum jeweiligen Mordfall gespickt und werden in den jüngsten Geschichten überwiegend von Annie vermittelt. So auch in diesem. Hierbei handelt es sich in diesem um die Beteiligung der Franzosen an den Judendeportationen während des Zweiten Weltkrieges, ein finsteres Kapitel auch in Frankreich. Da ich bislang wenig über die Begebenheiten der französischen Verhältnisse entlang der Cote d’Azur im Zweiten Weltkrieg wusste, war der Kriminalroman für mich sehr informativ und spannend. Zugleich erschrecken einen die Informationen immer wieder aufs Neue und ich bin der Meinung, über diese Zeit kann man nie genug wissen. Dass eben auch Franzosen im Vichy-Regime vor der Besetzung durch die Deutschen an der Judendeportation beteiligt waren, ist in diesem Buch anhand der Geschichte rund um den Zeitzeugen Jakob Silberstern sehr eindrücklich beschrieben worden. Durch diese im Vordergrund stehende Hintergrundgeschichte, die ich als sehr fesselnd und emotional empfunden habe, kommt diesmal der kriminalistische Anteil in diesem neuen Mordfall jedoch ein bisschen kurz. Wer einen rasanten, dramatischen Kriminalroman sucht, ist hier falsch. Frau Cazon schafft es mit ihrem unaufgeregten, entspannten Schreibstil eine interessante und faszinierende, wenngleich auch erschreckende und emotionale Geschichte darzustellen, bei der in diesem Band Fakten zur Judendeportation an der Cote d’Azur aufgearbeitet werden und Kommissar Duvals private, familiäre Ereignisse im Vordergrund stehen. Ich persönlich habe den Kriminalroman sehr genossen, da er unter seinesgleichen mit seiner Art unverwechselbar ist. Auch bin ich positiv überrascht von den vielen Einblicken in Duvals Privatleben, die in seinen Vorgängern oft weniger Raum eingenommen hatten. Zudem gefällt es mir, dass Kommissar Duval und seine Mordfälle sich von Roman zu Roman verändern, voneinander deutlich unterscheiden und stets weiterentwickeln. Ich freue mich schon auf Band 9!

Fazit: Ein packender, berührender und sehr lesenswerter Kriminalroman, der mit seinem unaufgeregten Sprachduktus trotz kontinuierlichem Spannungsbogen für Entspannung sorgt. Im Vordergrund steht dabei mehr eine sehr aufwühlende und spannende Geschichte rund um einen jüdischen Zeitzeugen im Zweiten Weltkrieg als ein rasanter Kriminalfall.

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Veröffentlicht am 16.03.2021

La dolce vita

Toskanisches Vermächtnis
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Nach dem Tod seiner Ehefrau zieht Nico Doyle in deren Heimat in ein beschauliches, toskanisches Dorf in den Weinbergen des Chianti. Auf der Suche nach einem neuen Lebensalltag und um Familienbande zu knüpfen, ...

Nach dem Tod seiner Ehefrau zieht Nico Doyle in deren Heimat in ein beschauliches, toskanisches Dorf in den Weinbergen des Chianti. Auf der Suche nach einem neuen Lebensalltag und um Familienbande zu knüpfen, baut er im Garten Gemüse an, mit dem er beim Kochen neue Rezepte ausprobiert, und unterstützt tatkräftig das Familienrestaurant der Nichte seiner Ehefrau Tilda und ihrer Familie. Doch der Schein trügt und eines Tages findet Nico im nah angrenzenden Wald die Leiche eines Mannes. Als der ortsansässige Maresciallo Wind davon bekommt, dass Nico Ex-Kommissar des NYPD ist, bittet er diesen um Unterstützung bei den Morduntersuchungen. Nach einigem Zögern willigt Nico ein, um im Laufe der Ermittlungen jedoch herauszufinden, dass seine Familie möglicherweise in den Fall verwickelt sein könnte…

„Toskanisches Vermächtnis“ ist ein solider, gemütlicher Kriminalroman, der in die idyllische Toskana entführt. Bereits zu Beginn kommt es zu einem grausamen Mord, dessen Aufklärung der italienischen Art nach zunächst sehr gemächlich und ohne Eile erfolgt. Während die Morduntersuchungen im Hintergrund stehen, erfährt der Leser viel über die Protagonisten, die lokalen Begebenheiten, die verschiedenen Orte, die Eigenheiten der toskanischen Dorfbewohner sowie die kulinarischen Genüsse. Im Verlauf nimmt die Mordermittlung und damit auch die Spannung allerdings Fahrt auf und die gewonnenen Erkenntnisse über die Protagonisten vereinen sich mit neuen Fakten im Mordfall. Zuletzt mündet der Krimi in eine fesselnde Aufklärung mit einem Mordmotiv und Wendepunkt, den ich so nicht erwartet habe. Dies führte dazu, dass ich das Buch zuletzt nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Die verschiedenen Figuren sind sehr gut ausgearbeitet und ich habe sie im Verlauf des Romans direkt ins Herz geschlossen. Die Hauptfigur Nico wirkt zunächst verloren und melancholisch, macht aber im Verlauf des Romans eine große Veränderung durch und fühlt sich zuletzt in der Toskana heimisch und angekommen, was sich auch in seiner aufblühenden, lockerer werdenden Art darstellt. Besonders gut gefallen haben mir Tilda mit ihrem mütterlichen und direkten sowie der Carabiniere Daniele mit seinem schüchternen, aber intelligenten Charakter. Nicht zuletzt haben mir auch der verschrobene und Dante zitierende Gogol und der Streuner OneWag bzw. Rocco gut gefallen, da sie die Handlung auflockerten.

Der Sprachstil ist sehr ausgewogen und flüssig. Alle Begebenheiten werden bildhaft beschrieben und man hat das Gefühl, vor Ort in der Toskana im Café zu sitzen und die Septembersonne zu genießen. Die Essens- und Kochbeschreibungen habe ich als anregend und ausgewogen empfunden. Mir waren sie nicht zu ausufernd, sondern im Gegenteil wichtig, um das Gefühl der toskanischen Lebensart zu verdeutlichen.

Zusammenfassend ist „Toskanisches Vermächtnis“ ein ausgewogener, unterhaltsamer und auf die italienische Familie und Lebensart fokussierter Krimi, der zu Beginn noch gemütlich vor sich hinplätschert, im Verlauf aber an Tempo gewinnt und ein spannendes Ende mit einem bis dahin unklarem Mordmotiv bietet.

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