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Veröffentlicht am 29.10.2017

Krokodile und andere Gefahren im tropischen Norden Australiens

Crimson Lake
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Crimson Lake, ein kleiner Ort in der Nähe von Cairns im tropischen Norden Australien. Ringsherum Creeks, Regenwald, Sümpfe, Seen und Krokodile. Und so, wie sich die Einwohner vor Krokodilen schützen ...

Crimson Lake, ein kleiner Ort in der Nähe von Cairns im tropischen Norden Australien. Ringsherum Creeks, Regenwald, Sümpfe, Seen und Krokodile. Und so, wie sich die Einwohner vor Krokodilen schützen müssen, so muss sich auch Ted schützen. Er ist aus Sydney nach Crimson Lake geflohen. Zwar wurde die Anklage gegen ihn aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Aber alle Welt glaubt, dass er ein junges Mädchen verschleppt und vergewaltigt hat. Und auch wenn er unschuldig ist - sein Leben ist zerstört. Seinen Job als Polizist hat er verloren, seine Frau will sich von ihm scheiden lassen und seine kleine Tochter darf er nicht mehr sehen.

Und aucj in Crimson Lake, ist er nicht sicher. Seine Identität wird aufgedeckt und eine Art "Bürgerwehr" greift sein Haus an. Und die Ortspolizisten verhalten sich alles andere als korrekt.

Der Einzige, der noch zu ihm hält, ist sein Anwalt Sean. Er vermittelt ihn an Amanda, eine verurteilte Mörderin, die ihre Haftstrafe verbüßt hat und nun in Crimson Lake als Privatdetektivin arbeitet. Ted und Amanda werden Geschäftspartner. Und der erste Fall betrifft einen bekannten Schriftsteller, der in Crimson Lake wohnte - und dessen Ehering im Darm eines Krokodils gefunden wurde.....

Ted und Amanda ermitteln - oft sehr unkonventionell - und weiterhin behindert durch die Ortspolizisten. Und so langsam und mit vielen Verwicklungen kommen sie Dingen auf die Spur, die keiner wissen will....
Und nebenher spielen ihre eigenen Geschichten eine Rolle. Und es gelingt Ted, sich abzulenken. Und seine Dämonen in Schach zu halten.

Die Ermittlungen und Auflösungen (in eigentlich drei Fällen) sind spannend erzählt, vieles ist absolut unvorhersehbar. Und die Protagonisten sind schrullig und besonders. Eine sehr gute Mischung, die Autorin kann wirklich schreiben. Daher ist dieses Buch ein furioser Beginn einer neuen Krimireihe mit diesen Ermittlern. Und ich bin schon sehr gespannt auf die neuen Fälle.

Veröffentlicht am 11.10.2017

Rätsel um einen Eisblock

Und es schmilzt
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Eva fährt nach langen Jahren einmal wieder in ihr flämisches Heimatdorf. Im Kofferraum hat sie eine Curver-Kiste mit einem großen Eisblock.

Was will Eva mit dem Eisblock? Und welche Geschichte verbindet ...

Eva fährt nach langen Jahren einmal wieder in ihr flämisches Heimatdorf. Im Kofferraum hat sie eine Curver-Kiste mit einem großen Eisblock.

Was will Eva mit dem Eisblock? Und welche Geschichte verbindet sie mit ihrem Heimatdorf?

Dies wird spannend in zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt, eine Ebene ist das Jetzt. Eine Ebene ist das Jahr 2002. Und als Leser gerät man in einen Sog - man liest einfach immer weiter - man will wissen, was damals passiert ist. Und was jetzt mit dem Eisblock passieren wird. Und die Autorin treibt die Geschichte immer weiter. Ohne, dass man sich als Leser entziehen kann. Und am Ende sicherlich abgekämpft und entsetzt das Buch aus der Hand legt. Aber im Kopf wird das Buch noch lange festsitzen.

Und Vorsicht: Das Buch ist spannend - aber kein harmloser Krimi.

Man fühlt als Leser, dass alles immer noch schlimmer werden kann. Angefangen vom Vater, der seiner Tochter zeigt, wie er einen Strick befestigt, mit dem man sich umbringen kann. Über die Mutter, die immer mehr trinkt, als gut ist. Über die Eltern, die nie irgendeinen ihrer Pläne richtig verwirklichen. Über Geschwister, die unter dieser Situation leiden. Über eine Kinderfreundschaft zwischen zwei Jungs und einem Mädchen, die in der Pubertät zwangläufig schwierig wird. Über Mädchenfreundschaften, die nie richtig gelingen. Über Nachbarinnen, die zwar eigentlich helfen wollen - dann aber doch nichts unternehmen.

Und vielleicht ist dies eine der Kern-Aussagen des Buches: Irgendwie schauen alle weg, wollen nicht wahrhaben, was sich hinter den nur mühsam aufrecht erhaltenen Fassaden abspielt.

Ein schonungsloses Buch, das gnadenlos weitererzählt - auch wenn man es vielleicht selbst nicht mehr so genau wissen will. Und auch darüber nachdenkt, einfach wegzuschauen. Aber das lässt die Autorin nicht zu. Zum Glück.

Veröffentlicht am 07.10.2017

Die Berge als Metapher für die im Leben zu bewältigenden Aufgaben

Acht Berge
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„Es war eine düstere, raue Schönheit, die Kraft statt Frieden spendete“ (S. 118).

Dieses Zitat aus dem Roman „Acht Berge“ von Paolo Cognetti fasst das Wesen der Bergwelt sehr gut zusammen. Denn in diesem ...

„Es war eine düstere, raue Schönheit, die Kraft statt Frieden spendete“ (S. 118).

Dieses Zitat aus dem Roman „Acht Berge“ von Paolo Cognetti fasst das Wesen der Bergwelt sehr gut zusammen. Denn in diesem Buch geht es um die Berge. Und darum, wie sie die Bergbewohner und die Besucher prägen.
Pietro wächst in Mailand auf – aber seine Eltern stammen aus den Bergen. Und dorthin zieht es sie immer in den Ferien. Allerdings fahren sie nicht in die Berge der Kindheit, sondern in die Gegend des Aosta-Tals. Denn es ist so, „dass es mitunter (…) unmöglich ist, zu den Bergen zurück zu kehren, die im Mittelpunkt aller anderen und am Anfang der eigenen Lebensgeschichte stehen“ (S. 245). Und auch Pietro wird später erkennen, dass die Berge seiner Kindheit irgendwann für ihn verloren sind. Und er wird viele andere Berge erklimmen und es wird ihn bis in den Himalaya ziehen. Aber er wird nie die Sommer seiner Kindheit in den Bergen vergessen. Die Erkundungen mit seinem besten Freund, der aus einer armen Bergbauernfamilie stammt. Die Wanderungen mit seinem Vater, die immer über die Baumgrenze hinaus auf die Gipfel führten. Die Geborgenheit in der einfachen Ferienhütte, die seine Mutter liebevoll ausstattet. Pietro wird mit der Zeit alte Familiengeheimnisse seiner Eltern enthüllen, die Rastlosigkeit seines Vaters und das liebevolle Wesen seiner Mutter besser verstehen. Und er wird versuchen, selbst eine Heimat in den Bergen zu finden.
Aber manchmal ist es so, (..) dass einem nichts anderes übrig bleibt, als in den 8 Bergen herumzustreifen, wenn man (…) auf dem ersten und höchsten einen Freund verloren hat“ (S. 245).
Dieser Satz geht auf eine Weisheit aus dem Himalaya zurück, in der erzählt wird, dass es einen hohen Berg im Mittelpunkt der Welt gibt, den Sumeru. Dieser ist von Acht Bergen umgeben. Und es wird die Frage gestellt, wer mehr gelernt hat: Derjenige, der den Sumeru bestiegen hat oder derjenige, der alle Acht Berge gesehen hat? Eine philosophische Frage, die die zweite Ebene dieses Buches (neben den realistischen Schilderungen der Bergwelt und der Mühsal des Lebens dort) beleuchtet.
Denn in diesem Buch geht es um die Suche nach Wurzeln und Heimat. Um das Gefühl, angekommen zu sein. Und um das Scheitern bei dieser Suche. Und von der Kraft, die es kostet, das Leben zu bewältigen, das Gebirge des eigenen Lebens zu erklimmen.
Dies alles wird in einer kraftvollen, poetischen (aber nie ins kitschige abdriftenden) Sprache erzählt. Dies ist ein sehr besonderes Buch. Kraftvoll und tragisch und schön zugleich. Und sehr schwer zu beschreiben. Man muss sich die Zeit nehmen, das Buch zu lesen. Es lohnt sich.

Veröffentlicht am 17.09.2017

Wenn man in der neuen Heimat nicht ankommen kann

Am Ende bleiben die Zedern
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Samir und seine kleine Schwester Aline werden als Kinder libanesischer Flüchtlinge in Deutschland geboren. Sie wachsen behütet auf - in einer Nachbarschaft mit anderen Flüchtlingen aus dem Libanon. Immer ...

Samir und seine kleine Schwester Aline werden als Kinder libanesischer Flüchtlinge in Deutschland geboren. Sie wachsen behütet auf - in einer Nachbarschaft mit anderen Flüchtlingen aus dem Libanon. Immer dabei ist die etwas ältere Yasmin, die alleine mit ihrem Vater lebt, die Mutter kam wohl in den Wirren des Bürgerkriegs im Libanon ums Leben.


Als Samir 7 Jahre alt ist, verschwindet sein heißgeliebter Vater plötzlich spurlos. Und Samir verliert den Halt im Leben. Schule interessiert ihn wenig, festen Beziehungen geht er aus dem Weg und auch das Verhältnis zur Schwester wird schwierig.


Erst viele Jahre später wird Samir in den Libanon reisen und auf die Suche nach seinem Vater gehen. Wird er endlich Frieden finden?


Dies ist ein sehr "orientalisches" Buch und es erzählt in der Tradition der alten Geschichtenerzähler aus dem Orient eine Geschichte vom Suchen und Finden (ich musste zwischendurch immer an Rafik Schami denken....). Geschickt und spannend wird Samirs Suche im Libanon mit den Märchen verstrickt, die der Vater immer dem Sohn erzählte. Und nebenher wird sehr viel über die Geschichte des Libanons und des Nahen Ostens erzählt. Und es wird deutlich, warum der Flüchtlingsstrom nicht abreißt. Früher die Libanesen, jetzt die Syrer.


Allerdings sind die eingeschobenen geschichtlichen Einblicke etwas zu "Lehrbuchhaft". Und die sehr gefühlvolle und berührende Geschichte manchmal - etwas zu "kitschig" - es gibt einfach zu viele Zufälle.


Und ich persönlich konnte mit dem Protagonisten nicht so viel anfangen. Mich nervte seine Antriebslosigkeit, sein "Nicht-Weiterkommen-Wollen". Während die Frauen in der Geschichte (Yasmin, die Mutter und die Schwester) sich irgendwann mit den Gegebenheiten abfinden und neue Wege finden, bleibt Samir in der Vergangenheit stecken. In einer Liebe zu einem Vater und zu einem Land, die er beide eigentlich nicht kennt.


Ich habe das Buch im Rahmen eines privaten Lesekreises gelesen. Und die Mitleser hatten etwas mehr Verständnis für das Trauma des Protagonisten und für seine daraus folgenden "Nicht-Taten",



Auf jeden Fall ist es ein beeindruckender Debütroman zu einem aktuellen Thema.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Wenn die Herkunft ein verlassener Ort ist

Das Glück meines Bruders
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Die beiden Brüder Arno und Botho kehren nach vielen Jahren für einen Urlaub in das kleine flämische Dorf Doel zurück. Dort wohnten die Großeltern und dort haben sie viele Sommer- und Weihnachtsferien ihrer ...

Die beiden Brüder Arno und Botho kehren nach vielen Jahren für einen Urlaub in das kleine flämische Dorf Doel zurück. Dort wohnten die Großeltern und dort haben sie viele Sommer- und Weihnachtsferien ihrer Kindheit verbracht.
Inzwischen ist Doel ein fast verlassener Ort. Denn der nahe gelegene Hafen von Antwerpen soll vergrößert werden und das Dorf wird dafür aufgegeben.


Wirkt am Anfang der Geschichte noch vieles wie eine Rückkehr ins Paradies der Kindheit, so wird im Laufe der Geschichte doch immer klarer, dass die Kindheit nicht so schön und problemlos war, wie es auf den ersten Blick scheint. Das Dorf ist nicht so malerisch wie gedacht - das Atomkraftwerk ist gleich nebenan. Und in der Kindheit gab es Lieblosigkeit, zu viel Alkohol und Gewalt..


Als die Erinnerungen vehement werden, kehren die Brüder daher eher plötzlich wieder in den Alltag zurück, den sie sich seit der Kindheit aufgebaut haben. Und es wird sichtbar, wie unterschiedlich die Beiden versucht haben, den Dämonen der Kindheit zu entgehen. Arno wirkt ein wenig kindlich-zurückgeblieben, hält es auf keiner Arbeitsstelle länger aus und war lange Alkoholabhängig. Jetzt scheint er jedoch auf einem guten Weg, er hat einen neuen Job und vor allem eine neue Freundin. Sie wirkt wie sein Fels in der Brandung, sein Anker. Und mit ihr will er eine Familie gründen.


Doch kurz vor der Heirat bekommt die Freundin Bedenken. Und flüchtet sich zu Botho. Dieser hat einen ganz anderen Weg gewählt als Arno. Er ist früh aus der provinziellen Enge geflohen, hat Zivildienst gemacht, das Abitur nachgeholt und studiert und arbeitet jetzt - wie die Freundin seines Bruders - als Lehrer. So ganz angekommen in seinem Leben als "Akademiker" ist er jedoch nicht. Sowohl seine Eltern als auch Arno machen ihn immer wieder auf seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen aufmerksam. Und Botho fühlt sich wie im falschen Leben. Er hat auch kaum Freunde und keine richtigen Liebesbeziehungen. Nur seine Jugendfreundin Lenie, die aus Doel stammte, ist immer noch in seinem Kopf. Aber genau wie Doel ist Lenie Vergangenheit und nicht mehr so, wie es/sie einmal war.


Auf Anraten der Freundin seines Bruders setzt sich Botho nun mit seiner Jugend auseinander. Wie wird und kann es weitergehen mit Arno, Botho und der Freundin von Arno?


Dieses Buch besteht aus sehr unterschiedlichen Teilen, die m.E. nicht immer harmonieren. Im ersten Teil fällt vor allem der Schreibstil auf. Die Sätze sind sehr lang, eine Aneinanderreihung von Nebensätzen, dies steigert das Tempo der Erzählung, alles wirkt irgendwie atemlos - wie Kinder eben auch alles "schnell" erleben. In der Gegenwart ist die Schreibweise anders, ruhiger, eher philosophisch und es gibt eine Reihe von schönen und skurrilen Begebenheiten: Eine alte Frau, die stirbt und alle kommen sitzen zusammen in ihrem Wohnzimmer. Ein alter Mann, der immer noch einen Laden führt im fast verlassenen Dorf - aber kaum noch rechnen kann. Eine Familie, die immer noch in das Dorf zum Urlaub kommt, obwohl die Gegend alles andere als landschaftlich schön ist - und das Atomkraftwerk gut sichtbar neben dem Dorf aufragt. Dieser Teil war berührend und schön - wenn auch die Problematik der Kindheit immer deutlicher wurde. Als dann eine tragische Wahrheit ans Licht kommt, fahren die Brüder nach Deutschland zurück.


Und es beginnt ein Teil, in dem die Brüder versuchen, sich im Leben zurecht zu finden. Was sie schon lange versuchen. Meist so, dass Botho sich um Arno kümmert. Aber ist Botho wirklich fähig, sich um einen anderen Menschen zu kümmern? Fehlt ihm nicht das Fundament im Leben?
In diesem Teil wird die Problematik einer Einsamkeit aufgrund der Herkunft thematisiert. Es gab wohl wenig Liebe in der Familie. Und wenig Bildung. Und Botho hat sich durch Abitur und Studium von der Familie entfernt - was Arno und die Eltern ihm vorwerfen. Arno vergräbt sich lieber in einer Art Paranoia und fühlt sich ständig übervorteilt. Beiden fehlt ein gesundes Fundament an Selbstbewusstsein, um wirklich im Leben bestehen zu können.


Im letzten Teil wird das Geschehen m.E. eher absurd, Assoziationen zu Nihilismus und Existentialismus kamen bei mir auf. Hier fiel es mir als Leser eher schwer, die Protagonisten zu verstehen oder ihr Handeln nachzuvollziehen.
Aber vielleicht ist es verständlich, wenn man bedenkt, wie einsam und labil ein Mensch auf Grund mangelnder Fundamente wird.


Ein sehr anspruchsvolles Buch mit einer sehr interessanten Sprache. Das man vielleicht mehrmals lesen sollte, um es zu Verstehen.