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Veröffentlicht am 05.08.2017

Was ist die Wahrheit?

Die gute Tochter
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Vor 28 Jahren, als ihr Vater Rusty, ein Anwalt für den Abschaum der Gesellschaft und deshalb kaum für seine Familie da, nicht daheim ist, müssen die 13-jährige Charlie und ihre Schwester Sam miterleben, ...

Vor 28 Jahren, als ihr Vater Rusty, ein Anwalt für den Abschaum der Gesellschaft und deshalb kaum für seine Familie da, nicht daheim ist, müssen die 13-jährige Charlie und ihre Schwester Sam miterleben, wie maskierte Männer ihr Zuhause überfallen und ihre Mutter Gamma ermorden. Charlie selbst floh damals mit ihrer Schwester in den Wald, wo sie von den Tätern gejagt wurden, aber entkommen konnten. Heute ist Charlie selbst eine erfolgreiche Anwältin. Bei einem Amoklauf an einer Schule, deren Zeugin sie wird, wird sie von der Vergangenheit regelrecht überrollt. Die Bilder in ihrem Kopf machen ihr zu schaffen und sie will unbedingt herausfinden, was damals wirklich im Wald geschah. Wo war ihr Vater und weshalb mussten sie durch dieses Martyrium?

Karin Slaughter ist für Hochspannung weltbekannt und hat mit ihrem Buch „Die gute Tochter“ wieder einmal einen hochspannenden Thriller vorgelegt, den man kaum aus der Hand legen kann. Slaughters Schreibstil ist flüssig, bildhaft und fesselnd; der Leser wird schon mit den ersten Seiten in eine verstörende Szenerie der Vergangenheit geworfen und erlebt hautnah die Qualen der beiden Schwestern mit. Der Spannungsbogen wird gleich zu Beginn recht hoch angelegt, flacht dann wieder etwas ab, um erneut in die Höhe zu schnellen und sich bis zum Ende konstant auf hohem Niveau zu halten. Der Autorin gelingt es perfekt, den Leser durch Wendungen und Überraschungen an der Nase herumzuführen und ihn in Rätsel zu verstricken, was der Fall von damals mit dem von heute wohl zu tun haben könnte. Dabei lässt sie dem Leser nur stückchenweise Informationen zukommen, sei es über die Familientragödie und ihre Folgen, einzelnen Charaktere oder über die beiden Verbrechen, so dass man erst nach und nach erfährt, wie alles zusammenhängt und was die eigentliche Wahrheit ist.

Die Charaktere wurden sehr gut ausgearbeitet und haben alle ihre Eigenheiten, sie wirken lebendig, echt und authentisch. Charlie ist eine sympathische Frau, die in ihrem Leben schon einiges ertragen musste. Trotzdem lässt sie sich nicht unterkriegen und bleibt an dem Ort, der ihr so viele schmerzliche Erinnerungen beschert hat, um sich als Anwältin für ihre Klienten einzusetzen. Sie ist selbstbewusst und offen, aber sie lässt auch niemanden zu nah an sich heran. Sam lebt in New York und hat den Kontakt zu ihrer Familie seit Jahren nicht mehr gesucht. Sie will alles vergessen, was passiert ist und die Personen gleich mit. Doch so einfach geht das nicht, denn sie liebt ihre Schwester und ihren Vater und vermisst sie dementsprechend. Vater Rusty ist ein etwas verschrobener und chaotisch wirkender Mann, der in allen Menschen immer nur das Gute sehen will. Als Anwalt versucht er, das Beste für seine Klienten herauszuholen. Doch das ist nicht jedem recht. Auch die anderen Protagonisten sind gut gewählt und besetzt, sie stützen mit ihren Episoden die Handlung und steigern die Spannung.

„Die gute Tochter“ ist ein fesselnder und spannender Thriller um eine Familientragödie, der dem Leser unter die Haut geht, mit seinen Emotionen spielt und jede Menge Nervenkitzel verursacht. Alle, die eine gute und temporeiche Geschichte lieben und das Gänsehautfeeling dabei spüren möchten, werden dieses Buch nicht aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.07.2017

Die zerbrochenen Träume der Lucia Joyce

Die Tänzerin von Paris
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1928. Lucia Joyce lebt mit ihrem Vater, dem berühmten Schriftsteller James Joyce, ihrer Mutter und ihrem Bruder Giorgio momentan in Paris. Die Familie hält sich mit Geldern von reichen Mäzenen über Wasser. ...

1928. Lucia Joyce lebt mit ihrem Vater, dem berühmten Schriftsteller James Joyce, ihrer Mutter und ihrem Bruder Giorgio momentan in Paris. Die Familie hält sich mit Geldern von reichen Mäzenen über Wasser. Lucia fühlt sich wohl in der französischen Metropole, wo sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Tanz, widmen möchte, denn sie ist laut ihrer Lehrer sehr talentiert. Doch leider fehlt ihrer Familie jegliches Verständnis für ihre Passion, sondern hofft eher auf eine Heirat mit einem reichen Mann, um das Familienaufkommen zu sichern. Lucias Tanzleidenschaft wird eher belächelt, so wird sie im Haushalt eingespannt und muss auch für ihren Vater ständig Botengänge erledigen. Lucia sollte am besten nur für die Familie da sein, sie hat das Gefühl, bei all der Enge ersticken zu müssen. Da trifft sie auf den jungen Samuel Beckett, in den sie sich mit Haut und Haaren verliebt. Sie träumt schon von einer Hochzeit, nicht nur, um mit Sam zusammen zu sein, sondern auch ihrem häuslichen Gefängnis zu entfliehen. Doch erwidert Sam ihre Gefühle? Wird sie eine goldene Zukunft haben an der Seite des Mannes, den sie liebt?

Annabelle Abbs hat mit ihrem Buch „Die Tänzerin von Paris“ einen sehr eindrücklichen semi-biographischen Roman vorgelegt über die Tochter von James Joyce, für den sie ausführlich recherchiert hat und mit ihren Worten Lucia Joyce wieder zum Leben erweckt. Der Schreibstil ist flüssig, manchmal sogar richtig poetisch. Der Leser steht von Beginn an Lucia als unsichtbarer Schatten zur Seite und erfährt alles über ihre Gedanken, Gefühle, ihre Familie und ihre Tanzleidenschaft. Die Handlung ist in zwei unregelmäßig wechselnden Erzählsträngen unterteilt, wobei der eine die Zeit in Paris ab 1928 schildert, während der andere Lucias Gespräche mit dem Psychiater Dr. Jung in dessen Praxis wiedergibt, die im Jahr 1934 beginnen und Lucias Seele offenbaren sollen, da sie als schwermütig gilt. Sehr eindringlich gibt die Autorin Empfindungen und Eindrücke wieder, die den Leser oftmals zwischen Mitleid, Unverständnis und Ambivalenz schwanken lassen. Gerade zu einer Zeit, als Frauen immer mehr für ihre Rechte kämpften, zeichnet sie ein Bild von einer talentierten Frau, die nicht weiß, wie sie sich durchsetzen soll, hin und hergerissen von den Erwartungen, die andere an sie stellen.

Bei den Charakteren hält sich Annabelle Abbs an Personen, die es tatsächlich gegeben hat. Sie zeichnet sie allerdings nach eigenem Gusto und gibt so dem Leser ein recht eindimensional gefärbtes Bild wieder, denn auch sie selbst hat die Menschen nicht persönlich kennengelernt. Die Protagonisten wirken dennoch sehr lebendig und authentisch und spiegeln die Realität recht gut wieder. Lucia ist eine junge Frau, die tänzerisches Talent besitzt und alles für ihren Traum tun würde, eine große Tänzerin zu werden. Allerdings liebt sie auch ihre Familie sehr und lässt sich von ihnen recht stark vereinnahmen. Sie ist sich ihrer selbst nicht sicher und es fehlt ihr an Stärke und Mut, sich durchzusetzen. Lucia ist eine Träumerin, die nicht in der Lage ist, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. James Joyce ist das unverstandene Genie, das auf Kosten anderer seine Familie ernährt und dessen Welt sich nur um ihn und seine Bedürfnisse dreht. Lucia bezeichnet er als seine Muse und am liebsten wäre es ihm, wenn sie nur für ihn in den eigenen vier Wänden tanzen würde. Mutter Nora ist eine ständig nörgelnde und eifersüchtige Frau, die kein gutes Haar an ihrer eigenen Tochter lässt, dafür liebt sie Sohn Giorgio umso mehr. Dieser ist ein oberflächlicher, geldgieriger und hinterhältiger Kerl, dem es nur um sich selbst geht, dafür würde er sogar seine Schwester opfern. Samuel Beckett ist ein undurchsichtiger Charakter. Er spricht wenig von sich selbst, schürt bei Lucia allerdings Hoffnungen, dabei geht es ihm nur darum, in der Nähe des großen James Joyce zu sein, vermutlich, um sich ein wenig in seinem Ruhm sonnen zu können. Dr. Jung ist Psychiater und wirkt auf den Leser erst einmal unsympathisch, impertinent und fordernd. Allerdings sollte man hier nie den Kontext vergessen, dass er als Arzt versucht, eine Lösung für Lucias Probleme zu finden. Auch die übrigen Protagonisten sind so besetzt, dass sie der Handlung zusätzlich Farbe und Spannung verleihen.

„Die Tänzerin von Paris“ ist ein eindrucksvoller und bedrückender Roman über ein gescheitertes Leben, über unerfüllte Träume und über das Fehlen von Durchsetzungsvermögen. Die Dramatik dieser Geschichte lässt den Leser nachdenklich zurück und traurig zurück ob der verpassten Chancen und der Manipulation eines jungen Lebens. Absolute Leseempfehlung für ein intensives Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 29.07.2017

Liebe(s)Kräuter

Ein Garten voller Sommerkräuter
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Miriam muss mit knapp über Vierzig allein wieder ganz von vorn anfangen. Ihr Mann Jürgen hat sich eine Jüngere angelacht und sich nach 20 Jahren Ehe scheiden lassen, wobei auch ihr gemeinsames Haus unter ...

Miriam muss mit knapp über Vierzig allein wieder ganz von vorn anfangen. Ihr Mann Jürgen hat sich eine Jüngere angelacht und sich nach 20 Jahren Ehe scheiden lassen, wobei auch ihr gemeinsames Haus unter den Hammer kam, und auch die gemeinsame Tochter ist inzwischen erwachsen. Sie fasst sich ein Herz und reist für einen Urlaub nach Südengland, wo sie in Devon im malerischen Ort Reedcombe ihr Traumhaus mit einem wunderschönen Garten entdeckt und kurzerhand für sich kauft. Mutig beginnt sie ihren Neustart, trifft auf einen charmanten Mann, dem sie den Kopf verdreht und einen geheimnisvollen Nachbarn, aber auch Ex-Mann Jürgen bringt ihr Leben erneut durcheinander. Ob es Miriam wohl gelingt, in Reedcombe heimisch zu werden, ihre Träume wahr werden zu lassen und ein neues Glück zu finden?

Julie Leuze hat mit ihrem Buch „Ein Garten voller Sommerkräuter“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der nicht nur ein Wohlgefühl beim Lesen vermittelt, sondern auch ein besonderes Augenmerk lenkt auf die Verwirklichung von Träumen und die Kraft, sich nicht entmutigen zu lassen. Der Schreibstil ist gefühlvoll und liebenswert, der Leser fühlt sich sofort wohl und darf mit Miriam eine Frau entdecken, die noch einmal ganz von Null anfangen muss und welche Hindernisse und Schwierigkeiten sich ihr dabei in den Weg stellen. Auch die kleinen Rückblenden in die Vergangenheit der vorherigen Hausbesitzerin lassen das Puzzle am Ende als rundes Bild erscheinen. Die Landschaftsbeschreibungen sind bildhaft und farbenfroh, schildern sie doch eindrucksvoll die zauberhafte und etwas verwunschen wirkende Landschaft mit Reethäusern und wilden Gärten, die sofort vor dem inneren Auge erscheinen und dessen Blumen- und Kräuterdüfte an der Nase vorbeiziehen. Die Autorin hat zudem recht intensiv über Kräuter recherchiert und gibt ihr Wissen innerhalb der Handlung an den Leser weiter, sind sie doch ein wichtiger Teil der Geschichte um Miriam und ihr neues Leben.

Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Sie wirken wie Personen aus der wirklichen Welt real und authentisch. Miriam ist eine sympathische Frau, die von jetzt auf gleich allein für ihr Leben verantwortlich ist. Sie ist spontan, mutig und besitzt eine Stärke, der man nur Respekt zollen kann. Trotz Rückschlägen lässt sie sich nicht unterkriegen und unternimmt alles, um ihren Traum wahr werden zu lassen. Sie wächst an ihren Aufgaben und gewinnt durch ihre freundliche Art schnell Freunde und Herzen, aber auch an Persönlichkeit. Dylan ist ein netter Mann, der an Miriam sein Herz verliert. Ex-Mann Jürgen ist ein richtiger Kotzbrocken, der nur an sich und seine Vorteile denkt. Lucian ist Miriams geheimnisvoller Nachbar. Percy ist der heimliche Star der Geschichte, er hat ein Gespür für gute Menschen und sich Miriam als Frauchen erwählt. Auch die anderen Protagonisten bereichern mit ihrem Erscheinen, ihren Episoden und kleinen Geschichten die Handlung.

„Ein Garten voller Sommerkräuter“ ist ein absolutes Wohlfühlbuch, das man mit allen Sinnen genießen kann, während man es geradezu „verschlingt“. Mutige Entscheidungen und Herzschmerz gepaart vor einer wundervollen Hintergrundkulisse laden zum Träumen ein. Absolute Leseempfehlung für ein tolles Sommerbuch!

Veröffentlicht am 29.07.2017

Berlin der goldenen Zwanziger

Das Café unter den Linden
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1925 Berlin. Nach dem Tod der Eltern und einer geplatzten Verlobung kommt die junge Fritzi aus der Provinz in die pulsierende Großstadt Berlin, denn sie hat einen Traum: sie möchte unbedingt Drehbuchautorin ...

1925 Berlin. Nach dem Tod der Eltern und einer geplatzten Verlobung kommt die junge Fritzi aus der Provinz in die pulsierende Großstadt Berlin, denn sie hat einen Traum: sie möchte unbedingt Drehbuchautorin für die UFA werden. Doch bis es so weit ist, macht sie sich in der Metropole der goldenen Zwanziger Jahre direkt auf den Weg, um eine Stelle als Tippfräulein bei dem Adligen Grafen Hans von Keller zu ergattern. Dieser lebt in einer etwas heruntergekommenen Villa, in der sich lauter skurrile Menschen treffen, die alle mehr oder weniger mit Kunst zu tun haben und wissen, wie man Partys feiert. Leider will er Fritzi weder Unterkunft noch Job gewähren, aber zwei der Villabewohner, Rosa und Wlad, mit denen Fritzi schon Bekanntschaft geschlossen hat, greifen ihr selbstlos unter die Arme. Alsbald klappt es auch mit dem Hausherrn, der sie als Tippse einstellt und immer mehr an ihrer Person interessiert zu sein scheint, denn Fritzi ist noch unverbraucht, offen und neugierig auf die Welt, vor allem aber hat sie einen scharfen Blick für ihr Umfeld und eine ebenso gefährliche Zunge. Wird es Fritzi gelingen, ihren Traum zu verwirklichen?

Joan Wenig hat mit ihrem Buch „Das Café unter den Linden“ einen sehr unterhaltsamen und gleichsam humorigen historischen Roman vorgelegt, der die goldenen Zwanziger des alten Berlins wieder aufleben lässt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, mit witzigen Charme und dem richtigen Gefühl an den passenden Stellen. Schon mit der ersten Zeile ist der Leser an der Seite von Fritzi, erlebt ihre Ankunft in der Metropole Berlin und ihre ersten unsicheren Schritte in abenteuerliches neues Leben. Die Schilderungen über das alte Berlin sind herrlich farbenfroh und lebendig, der Leser hat alles genau vor Augen und fühlt sich gleichzeitig um ein Jahrhundert zeitversetzt. Der Autorin gelingt es auf wunderschöne Weise, die bunte Vielfalt der Künstlerszene von damals wieder auferstehen und den Leser daran teilhaben zu lassen.

Die Charaktere wurden hinreißend ausgearbeitet und individuell in Szene gesetzt. Ein bunter Haufen von skurrilen und chaotischen Gestalten, die lebensecht und sehr authentisch wirken, so dass man sich gut in sie hineinversetzen kann. Fritzi ist eine sympathische junge Frau, die nach einigen Schicksalsschlägen ihr Leben in die eigene Hand nimmt und mutig einen Schritt ins Unbekannte wagt. Sie will sich ihren Traum verwirklichen und dafür so manchen in Kauf nehmen. Sie wirkt zu Beginn noch sehr naiv und weltfremd, geradezu unbedarft betritt sie das Pflaster der Großstadt. Doch je länger sie in Berlin ist und je mehr Zeit sie in der Künstlerkolonie verbringt, umso mehr blüht sie auf und traut sich etwas. Sie gewinnt das Herz des Lesers auf Anhieb, denn ihr Wortwitz ist einfach unvergleichlich. Hans ist ein griesgrämiger unfreundlicher Mann von verarmtem Adel. Allerdings muss er auch ein gutes Herz besitzen, lässt er doch alles und jeden auf seinem Grund und Boden frei wohnen, vielleicht verbirgt sich ja doch ein großer Star unter ihnen. Außerdem ist er ein Mensch, dem alte Werte wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Freundschaft noch etwas bedeuten. Rosa und Wlad fungieren schnell zu Fritzis Ersatzfamilie und trumpfen mit ihren bisweilen sehr unkonventionellen Ideen auf. Inge entpuppt sich als gute Freundin, die von einer Filmkarriere träumt und unter der etwas spröden Schale so viel Wärme besitzt. Auch die anderen schillernden Gestalten bringen mit ihren kleinen Skandalen und Geschichten Wärme und Authentizität in die Handlung und vermitteln das Gefühl, als Leser etwas von dem Lebensgefühl der damaligen Zeit mitzuerleben.

„Das Café unter den Linden“ ist ein wirklich gelungener historischer Gesellschaftsroman, der mit Humor und tollen Dialogen mitreißt und den Leser auf einer Zeitreise zum Träumen einlädt. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight dieses Jahres!

Veröffentlicht am 23.07.2017

•"The land of the free and the home of the brave"

Die Küste der Freiheit
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17. Jh. Die junge Anna Hochstetter lebt als Mennonitin mit ihrem Vater bei einer Täufergemeinde in Hessen und hilft als Hebamme und Heilkundige den Einheimischen, was nicht gern gesehen ist. Als sie eines ...

17. Jh. Die junge Anna Hochstetter lebt als Mennonitin mit ihrem Vater bei einer Täufergemeinde in Hessen und hilft als Hebamme und Heilkundige den Einheimischen, was nicht gern gesehen ist. Als sie eines Abends auf dem Heimweg von einem Deserteur überfallen wird, kann sie nur das beherzte Eingreifen des Leutnants Lorenz von Tannau, einem adligen Papisten, vor einer Schändung retten. Zwischen den beiden entsteht sofort ein unsichtbares Band, beide haben Gefallen aneinander gefunden, leben aber in völlig verschiedenen Welten. Während Lorenz mit seinem Regiment als Leihsoldat für die Engländer nach Amerika entsandt wird, gerät Anna nach dem Tod ihres Vaters in der Täufergemeinde in Ungnade und wird von ihnen verbannt. Da sie nichts besitzt, durch unglückliche Umstände ihre Überfahrt nach Amerika verpasst und in Irland gestrandet ist, muss sie sich als Schuldmagd verkaufen. Anna landet in den Südstaaten als Sklavin auf einer Tabakplantage, deren Besitzer ein Auge auf sie geworfen hat und sie sich gefügig machen will. Während Anna sich mit einigen der schwarzen Sklavengemeinde anfreundet, hat sie sich andere allerdings auch unbewusst zu Feinden gemacht, die ihr neben dem Plantagenbesitzer sehr gefährlich werden. Durch einen großen Zufall trifft sie in ihrer schwärzesten Stunde wieder auf Lorenz, der ihr erneut das Leben rettet. Doch sie werden weiterhin verfolgt und sind nie sicher vor dem nächsten Schlag mitten im Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Werden Anna und Lorenz doch noch ein glückliches und erfülltes Leben führen können und eine neue Heimat in Amerika finden?

Maria W. Peter hat mit ihrem Buch „Die Küste der Freiheit“ einen wunderschönen, opulenten und spannenden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, er lässt den Leser schnell vergessen, dass 800 Seiten vor einem liegen, so sehr nimmt die Geschichte gefangen, die sich über einen Zeitraum von 7 Jahren erstreckt und bei der man gedanklich mit den Protagonisten eine Reise von Deutschland über Irland nach Amerika angeht. Die Landschaftsbeschreibungen sind so farbenfroh, dass vor dem inneren Auge Bilder entstehen – es ist fast so, als wenn ein Film im Kopf abläuft. Der Spannungsbogen wird sehr schnell aufgebaut und steigert sich von Kapitel zu Kapitel, dem Leser werden nicht viele Atempausen gegönnt, fiebert man doch sehr mit den Protagonisten mit, die von einem Abenteuer ins nächste rauschen und manche Situation aussichtslos erscheint. Die Autorin hat hervorragende Recherchearbeit geleistet und präsentiert einen historischen Hintergrund, der interessanter nicht sein könnte. Ebenso lässt sie den Leser an einer Vielfalt von Themen teilhaben, die die Menschen damals wie heute umtreibt. So geht es um den Sklavenhandel, religiöse Unterschiede, gesellschaftliche Normen, die Stellung der Frau, Kriegshandlungen und Standesunterschiede, aber vor allem um das höchste Gut – die Freiheit eines Menschen. Alles ist hier auf qualitativ sehr hohem literarischem Niveau in der Handlung verpackt. Der Leser erlebt Geschichte hautnah mit, was nur dem Können der Autorin zu verdanken ist.

Die Charaktere sind nuanciert ausgearbeitet und punktgenau platziert. Jeder von ihnen ist einzigartig und sehr individuell, mit Ecken und Kanten, eigenem Kopf und vielen Eigenheiten, die die Vielfalt des Menschen ausmachen. Deshalb fällt es als Leser auch nicht schwer, sich gefühlsmäßig mit dem einen oder anderen zu verbinden und mitzuleiden, zu hadern oder zu freuen. Alle wirken sehr lebendig und authentisch. Anna ist eine sehr sympathische und tiefgläubige Frau, die von zuhause aus ein einfaches Leben gewöhnt ist und deren Hauptsorge ihren Mitmenschen gilt, denen sie immer wieder eine helfende Hand bietet. Auch wenn Anna oftmals ängstlich wirkt, innerlich ist sie durch ihren Glauben gefestigt und lässt sich auf keine Kompromisse ein. Sie bleibt standhaft, selbst wenn sie einiges an Leid ertragen muss und entwickelt eine Stärke und einen Mut, der einem nur Respekt abringt, wenn man die damaligen Verhältnisse mit in Erwägung zieht. Lorenz ist ein energischer Mann, der sich vor keiner Konfrontation scheut. Zu Beginn noch eher standesdenkend, entwickelt er sich immer mehr dahingehend, dass er sich für die Schwachen einsetzt und ihnen jedwede Unterstützung zuteilwerden lässt. Auch bei ihm zeigt sich während der Handlung eine Persönlichkeitsentwicklung, die erfreulich zu beobachten ist. Kurt Paul ist ein Widerling, wie man ihn sich schlimmer nicht ausdenken kann. Er lebt vom Leid anderer, betrügt, mordet und ist hinterhältig bis aufs Blut. John Huntley ist ein arroganter Großgrundbesitzer, der keinen Respekt vor dem Leben hat und gerne Menschen quält, um seinen Willen zu bekommen. Dabei bedient er sich unlauterer Methoden, die einfach nur Abscheu hervorrufen. Noah ist ein farbiger Sklave, der sich mit Tieren auskennt und sich durch seine sanfte und hilfsbereite Art Respekt verdient. Er hat das Herz am rechten Fleck und ist immer wieder ein Highlight, wenn er auf der Bildfläche erscheint. Auch die anderen Protagonisten wie Everet, Father Shean oder Abigail sind eindrucksvolle Wesen, die die Geschichte mit ihrer Anwesenheit bereichern und für die eine oder andere Überraschung sorgen.

Auch die Ausstattung des Buches muss noch erwähnt werden, denn neben zwei Karten wird auch ein ausgedehntes Nachwort und ein Glossar mitgeliefert, die viele zusätzliche nützliche Informationen zur Handlung bieten.

„Die Küste der Freiheit“ ist ein spannender, ausgezeichnet recherchierter historischer Roman, der dem Leser eine Geschichtsstunde par excellence liefert. Man ist regelrecht „live“ dabei und hat ein tolles Kopfkino dazu. Alle, die „Fackeln im Sturm“ liebten, werden hier absolut begeistert sein. Besser kann man einen Roman nicht machen. Absolute Leseempfehlung für einen tollen Schmöker, den man immer wieder lesen kann!