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Veröffentlicht am 30.07.2017

Kein Opfer mehr

Die Überlebende
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Als Collegestudentin wurde Flora Dane entführt und 472 Tage festgehalten, eingesperrt, ausgehungert, misshandelt und missbraucht, bis sie ihren Peiniger töten und sich befreien konnte. Als einige Jahre ...

Als Collegestudentin wurde Flora Dane entführt und 472 Tage festgehalten, eingesperrt, ausgehungert, misshandelt und missbraucht, bis sie ihren Peiniger töten und sich befreien konnte. Als einige Jahre junge Frauen verschwinden, macht Flora Jagd auf die Entführer, denn inzwischen ist sie freiwillig durch eine harte Schule von Selbstverteidigung gegangen und will diesen Männern das Handwerk legen. Sie lässt sich selbst entführen und rächt sich tödlich an dem Mann. Als Detective D.D. Warren am Tatort eintrifft und Flora sieht, vermutet sie bereits, dass Flora hier ihre Finger irgendwie im Spiel hat. Doch bevor sie Flora zu der Tat verhören kann, gibt es bereits die nächste Frauenleiche zu beklagen und Flora ist spurlos verschwunden. Es sieht so aus, als wäre sie schon wieder Opfer einer Entführung. Wer will sich an Flora rächen?

Lisa Gardner hat mit ihrem Buch „Die Überlebende“ einen neuen spannenden Psychothriller um die Ermittlerin D.D. Warren vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und lebendig, durch die plastische Schilderung und das psychologische Talent der Autorin werden dem Leser Gänsehautfeeling und durch die Düsternis ständig wachsende Spannung vermittelt. Der Spannungsbogen wird schnell aufgebaut und steigert sich immer mehr Richtung Finale. Durch die Aufteilung der Handlungsstränge in Gegenwart und Rückblenden vermittelt die Autorin dem Leser auch einen guten Einblick über Floras aussichtlos erscheinende Lage in ihrem Entführungsmärtyrium und deren persönliche Entwicklung während dieser Zeit und darüber hinaus. Sie spielt mit den Gefühlen des Lesers, lässt ihn mit Flora leiden, schürt die Wut, die Angst und die Hoffnungslosigkeit, aber auch die Gedanken an Rache, die sich ganz automatisch einstellen, wenn man über das Horrorszenario liest.

Die Charaktere sind interessant ausgestaltet und rufen beim Leser die verschiedensten Gefühle hervor. Dabei wirken sie lebendig und real. Flora ist eine selbstbewusste Frau, vielleicht nicht unbedingt die sympathischste Protagonistin, doch sie hat allen Grund, misstrauisch gegenüber allem und jedem zu sein und einen „Sicherheitszaun“ um sich herum aufzubauen. Die alte Flora aus jungen Jahren kann es nicht mehr geben nach allem, was sie durchgemacht hat. Allerdings ist sie leichtsinnig und auch gefährlich, eine brisante Mischung, die zum Verhängnis werden kann. D.D. Warren ist eine intelligente Frau, die sich nicht manipulieren lässt und sich wie ein Pitbull in ihre Arbeit verbeißt. Sie durchschaut viele Dinge recht schnell, was für ihren Job recht hilfreich ist. Auch die Nebenprotagonisten steigern durch ihr Erscheinen und ihr Handeln die Spannung und sollen wohl auch etwas Verwirrung stiften.

„Die Überlebende“ ist ein Psychothriller der härteren Sorte und nichts für zarte Seelen. Auch, wenn er mittendrin einige Längen hat und sich manche Handlung etwas unglaubwürdig anfühlt, ist es doch ein sehr spannendes Buch, dass beim Lesen kribbelig macht und einen nachts nicht schlafen lässt. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung für diesen Nervenkitzel!

Veröffentlicht am 29.07.2017

Liebe(s)Kräuter

Ein Garten voller Sommerkräuter
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Miriam muss mit knapp über Vierzig allein wieder ganz von vorn anfangen. Ihr Mann Jürgen hat sich eine Jüngere angelacht und sich nach 20 Jahren Ehe scheiden lassen, wobei auch ihr gemeinsames Haus unter ...

Miriam muss mit knapp über Vierzig allein wieder ganz von vorn anfangen. Ihr Mann Jürgen hat sich eine Jüngere angelacht und sich nach 20 Jahren Ehe scheiden lassen, wobei auch ihr gemeinsames Haus unter den Hammer kam, und auch die gemeinsame Tochter ist inzwischen erwachsen. Sie fasst sich ein Herz und reist für einen Urlaub nach Südengland, wo sie in Devon im malerischen Ort Reedcombe ihr Traumhaus mit einem wunderschönen Garten entdeckt und kurzerhand für sich kauft. Mutig beginnt sie ihren Neustart, trifft auf einen charmanten Mann, dem sie den Kopf verdreht und einen geheimnisvollen Nachbarn, aber auch Ex-Mann Jürgen bringt ihr Leben erneut durcheinander. Ob es Miriam wohl gelingt, in Reedcombe heimisch zu werden, ihre Träume wahr werden zu lassen und ein neues Glück zu finden?

Julie Leuze hat mit ihrem Buch „Ein Garten voller Sommerkräuter“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der nicht nur ein Wohlgefühl beim Lesen vermittelt, sondern auch ein besonderes Augenmerk lenkt auf die Verwirklichung von Träumen und die Kraft, sich nicht entmutigen zu lassen. Der Schreibstil ist gefühlvoll und liebenswert, der Leser fühlt sich sofort wohl und darf mit Miriam eine Frau entdecken, die noch einmal ganz von Null anfangen muss und welche Hindernisse und Schwierigkeiten sich ihr dabei in den Weg stellen. Auch die kleinen Rückblenden in die Vergangenheit der vorherigen Hausbesitzerin lassen das Puzzle am Ende als rundes Bild erscheinen. Die Landschaftsbeschreibungen sind bildhaft und farbenfroh, schildern sie doch eindrucksvoll die zauberhafte und etwas verwunschen wirkende Landschaft mit Reethäusern und wilden Gärten, die sofort vor dem inneren Auge erscheinen und dessen Blumen- und Kräuterdüfte an der Nase vorbeiziehen. Die Autorin hat zudem recht intensiv über Kräuter recherchiert und gibt ihr Wissen innerhalb der Handlung an den Leser weiter, sind sie doch ein wichtiger Teil der Geschichte um Miriam und ihr neues Leben.

Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Sie wirken wie Personen aus der wirklichen Welt real und authentisch. Miriam ist eine sympathische Frau, die von jetzt auf gleich allein für ihr Leben verantwortlich ist. Sie ist spontan, mutig und besitzt eine Stärke, der man nur Respekt zollen kann. Trotz Rückschlägen lässt sie sich nicht unterkriegen und unternimmt alles, um ihren Traum wahr werden zu lassen. Sie wächst an ihren Aufgaben und gewinnt durch ihre freundliche Art schnell Freunde und Herzen, aber auch an Persönlichkeit. Dylan ist ein netter Mann, der an Miriam sein Herz verliert. Ex-Mann Jürgen ist ein richtiger Kotzbrocken, der nur an sich und seine Vorteile denkt. Lucian ist Miriams geheimnisvoller Nachbar. Percy ist der heimliche Star der Geschichte, er hat ein Gespür für gute Menschen und sich Miriam als Frauchen erwählt. Auch die anderen Protagonisten bereichern mit ihrem Erscheinen, ihren Episoden und kleinen Geschichten die Handlung.

„Ein Garten voller Sommerkräuter“ ist ein absolutes Wohlfühlbuch, das man mit allen Sinnen genießen kann, während man es geradezu „verschlingt“. Mutige Entscheidungen und Herzschmerz gepaart vor einer wundervollen Hintergrundkulisse laden zum Träumen ein. Absolute Leseempfehlung für ein tolles Sommerbuch!

Veröffentlicht am 29.07.2017

Berlin der goldenen Zwanziger

Das Café unter den Linden
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1925 Berlin. Nach dem Tod der Eltern und einer geplatzten Verlobung kommt die junge Fritzi aus der Provinz in die pulsierende Großstadt Berlin, denn sie hat einen Traum: sie möchte unbedingt Drehbuchautorin ...

1925 Berlin. Nach dem Tod der Eltern und einer geplatzten Verlobung kommt die junge Fritzi aus der Provinz in die pulsierende Großstadt Berlin, denn sie hat einen Traum: sie möchte unbedingt Drehbuchautorin für die UFA werden. Doch bis es so weit ist, macht sie sich in der Metropole der goldenen Zwanziger Jahre direkt auf den Weg, um eine Stelle als Tippfräulein bei dem Adligen Grafen Hans von Keller zu ergattern. Dieser lebt in einer etwas heruntergekommenen Villa, in der sich lauter skurrile Menschen treffen, die alle mehr oder weniger mit Kunst zu tun haben und wissen, wie man Partys feiert. Leider will er Fritzi weder Unterkunft noch Job gewähren, aber zwei der Villabewohner, Rosa und Wlad, mit denen Fritzi schon Bekanntschaft geschlossen hat, greifen ihr selbstlos unter die Arme. Alsbald klappt es auch mit dem Hausherrn, der sie als Tippse einstellt und immer mehr an ihrer Person interessiert zu sein scheint, denn Fritzi ist noch unverbraucht, offen und neugierig auf die Welt, vor allem aber hat sie einen scharfen Blick für ihr Umfeld und eine ebenso gefährliche Zunge. Wird es Fritzi gelingen, ihren Traum zu verwirklichen?

Joan Wenig hat mit ihrem Buch „Das Café unter den Linden“ einen sehr unterhaltsamen und gleichsam humorigen historischen Roman vorgelegt, der die goldenen Zwanziger des alten Berlins wieder aufleben lässt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, mit witzigen Charme und dem richtigen Gefühl an den passenden Stellen. Schon mit der ersten Zeile ist der Leser an der Seite von Fritzi, erlebt ihre Ankunft in der Metropole Berlin und ihre ersten unsicheren Schritte in abenteuerliches neues Leben. Die Schilderungen über das alte Berlin sind herrlich farbenfroh und lebendig, der Leser hat alles genau vor Augen und fühlt sich gleichzeitig um ein Jahrhundert zeitversetzt. Der Autorin gelingt es auf wunderschöne Weise, die bunte Vielfalt der Künstlerszene von damals wieder auferstehen und den Leser daran teilhaben zu lassen.

Die Charaktere wurden hinreißend ausgearbeitet und individuell in Szene gesetzt. Ein bunter Haufen von skurrilen und chaotischen Gestalten, die lebensecht und sehr authentisch wirken, so dass man sich gut in sie hineinversetzen kann. Fritzi ist eine sympathische junge Frau, die nach einigen Schicksalsschlägen ihr Leben in die eigene Hand nimmt und mutig einen Schritt ins Unbekannte wagt. Sie will sich ihren Traum verwirklichen und dafür so manchen in Kauf nehmen. Sie wirkt zu Beginn noch sehr naiv und weltfremd, geradezu unbedarft betritt sie das Pflaster der Großstadt. Doch je länger sie in Berlin ist und je mehr Zeit sie in der Künstlerkolonie verbringt, umso mehr blüht sie auf und traut sich etwas. Sie gewinnt das Herz des Lesers auf Anhieb, denn ihr Wortwitz ist einfach unvergleichlich. Hans ist ein griesgrämiger unfreundlicher Mann von verarmtem Adel. Allerdings muss er auch ein gutes Herz besitzen, lässt er doch alles und jeden auf seinem Grund und Boden frei wohnen, vielleicht verbirgt sich ja doch ein großer Star unter ihnen. Außerdem ist er ein Mensch, dem alte Werte wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Freundschaft noch etwas bedeuten. Rosa und Wlad fungieren schnell zu Fritzis Ersatzfamilie und trumpfen mit ihren bisweilen sehr unkonventionellen Ideen auf. Inge entpuppt sich als gute Freundin, die von einer Filmkarriere träumt und unter der etwas spröden Schale so viel Wärme besitzt. Auch die anderen schillernden Gestalten bringen mit ihren kleinen Skandalen und Geschichten Wärme und Authentizität in die Handlung und vermitteln das Gefühl, als Leser etwas von dem Lebensgefühl der damaligen Zeit mitzuerleben.

„Das Café unter den Linden“ ist ein wirklich gelungener historischer Gesellschaftsroman, der mit Humor und tollen Dialogen mitreißt und den Leser auf einer Zeitreise zum Träumen einlädt. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight dieses Jahres!

Veröffentlicht am 29.07.2017

Muss nicht sein...

Der Anruf kam nach Mitternacht
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Sarah Fontaine ist mit ihrem Ehemann Geoffrey gerade mal zwei Monate verheiratet, als sie mitten in der Nacht einen Anruf vom Botschafter Nick O‘Hara erhält, ihr Mann wäre bei einem Brand in Berlin ums ...

Sarah Fontaine ist mit ihrem Ehemann Geoffrey gerade mal zwei Monate verheiratet, als sie mitten in der Nacht einen Anruf vom Botschafter Nick O‘Hara erhält, ihr Mann wäre bei einem Brand in Berlin ums Leben gekommen. Sarah ist erst völlig aufgelöst, doch dann realisiert sie die Nachricht und wird misstrauisch. Ihr Mann weilte doch in London und nicht in Berlin, also kann er auch nicht tot sein. Sarah hofft darauf, dass alles ein Missverständnis ist und versucht, die Dinge aufzuklären. Kurz nach der Beerdigung reist sie mit Nick O’Hara durch Europa, nachdem sie erfahren hat, dass es Geoffrey Fontaine bis vor einigen Jahren gar nicht gegeben hat, und ist ständig auf der Flucht, denn es gibt anscheinend Menschen, die sie töten wollen. Wird Sarah die Wahrheit über Geoffrey herausfinden und kann sie Nick trauen?

Tess Gerritsen hat mit „Der Anruf kam nach Mitternacht“ 1987 ihren Debütroman vorgelegt. Inzwischen ist sie als Thrillerautorin weltbekannt und ihre Rizzoli & Isles-Romane sind sogar verfilmt worden. Der Schreibstil ist in diesem Roman noch nicht so fein geschliffen wie in ihren neuen Büchern, wirkt fast schon ein wenig einfältig und wenig spannungsgeladen. Die Geschichte ist recht vorhersehbar und ohne geschickte Winkelzüge. Sie lässt nicht viel Spielraum für eigene Gedanken und Vorstellungen, was wohl als nächstes passieren wird. Auch wirkt das Buch nicht wie ein Thriller, sondern eher wie ein romantisch angehauchter Kriminalroman, dem es neben der Spannung am gewissen Biss fehlt.

Die Charaktere sind hier auch nicht sehr differenziert ausgestaltet, wirken eher simpel, naiv und 08/15. Sie sind in ihren Reaktionen regelrecht vorhersehbar, bleiben dabei blass und wenig interessant. Die merkwürdige On-Off-Beziehung zwischen den beiden Hauptprotagonisten und die ständig wechselnden Gefühle wirken nicht sehr glaubwürdig.

Wie gut, dass Tess Gerritsen inzwischen ihren Stil weiterentwickelt hat und zu einer festen Größe in meinem Bücherregal wurde. Diesen ersten Roman kannte ich noch nicht, werde ihn aber auch nicht wirklich im Gedächtnis behalten, dafür sind die Folgeromane einfach zu genial ausgetüftelt. Als Fan sollte man das Buch vielleicht gelesen haben, als Thrilleranhänger aber die Hände davon lassen.

Veröffentlicht am 23.07.2017

•"The land of the free and the home of the brave"

Die Küste der Freiheit
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17. Jh. Die junge Anna Hochstetter lebt als Mennonitin mit ihrem Vater bei einer Täufergemeinde in Hessen und hilft als Hebamme und Heilkundige den Einheimischen, was nicht gern gesehen ist. Als sie eines ...

17. Jh. Die junge Anna Hochstetter lebt als Mennonitin mit ihrem Vater bei einer Täufergemeinde in Hessen und hilft als Hebamme und Heilkundige den Einheimischen, was nicht gern gesehen ist. Als sie eines Abends auf dem Heimweg von einem Deserteur überfallen wird, kann sie nur das beherzte Eingreifen des Leutnants Lorenz von Tannau, einem adligen Papisten, vor einer Schändung retten. Zwischen den beiden entsteht sofort ein unsichtbares Band, beide haben Gefallen aneinander gefunden, leben aber in völlig verschiedenen Welten. Während Lorenz mit seinem Regiment als Leihsoldat für die Engländer nach Amerika entsandt wird, gerät Anna nach dem Tod ihres Vaters in der Täufergemeinde in Ungnade und wird von ihnen verbannt. Da sie nichts besitzt, durch unglückliche Umstände ihre Überfahrt nach Amerika verpasst und in Irland gestrandet ist, muss sie sich als Schuldmagd verkaufen. Anna landet in den Südstaaten als Sklavin auf einer Tabakplantage, deren Besitzer ein Auge auf sie geworfen hat und sie sich gefügig machen will. Während Anna sich mit einigen der schwarzen Sklavengemeinde anfreundet, hat sie sich andere allerdings auch unbewusst zu Feinden gemacht, die ihr neben dem Plantagenbesitzer sehr gefährlich werden. Durch einen großen Zufall trifft sie in ihrer schwärzesten Stunde wieder auf Lorenz, der ihr erneut das Leben rettet. Doch sie werden weiterhin verfolgt und sind nie sicher vor dem nächsten Schlag mitten im Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Werden Anna und Lorenz doch noch ein glückliches und erfülltes Leben führen können und eine neue Heimat in Amerika finden?

Maria W. Peter hat mit ihrem Buch „Die Küste der Freiheit“ einen wunderschönen, opulenten und spannenden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, er lässt den Leser schnell vergessen, dass 800 Seiten vor einem liegen, so sehr nimmt die Geschichte gefangen, die sich über einen Zeitraum von 7 Jahren erstreckt und bei der man gedanklich mit den Protagonisten eine Reise von Deutschland über Irland nach Amerika angeht. Die Landschaftsbeschreibungen sind so farbenfroh, dass vor dem inneren Auge Bilder entstehen – es ist fast so, als wenn ein Film im Kopf abläuft. Der Spannungsbogen wird sehr schnell aufgebaut und steigert sich von Kapitel zu Kapitel, dem Leser werden nicht viele Atempausen gegönnt, fiebert man doch sehr mit den Protagonisten mit, die von einem Abenteuer ins nächste rauschen und manche Situation aussichtslos erscheint. Die Autorin hat hervorragende Recherchearbeit geleistet und präsentiert einen historischen Hintergrund, der interessanter nicht sein könnte. Ebenso lässt sie den Leser an einer Vielfalt von Themen teilhaben, die die Menschen damals wie heute umtreibt. So geht es um den Sklavenhandel, religiöse Unterschiede, gesellschaftliche Normen, die Stellung der Frau, Kriegshandlungen und Standesunterschiede, aber vor allem um das höchste Gut – die Freiheit eines Menschen. Alles ist hier auf qualitativ sehr hohem literarischem Niveau in der Handlung verpackt. Der Leser erlebt Geschichte hautnah mit, was nur dem Können der Autorin zu verdanken ist.

Die Charaktere sind nuanciert ausgearbeitet und punktgenau platziert. Jeder von ihnen ist einzigartig und sehr individuell, mit Ecken und Kanten, eigenem Kopf und vielen Eigenheiten, die die Vielfalt des Menschen ausmachen. Deshalb fällt es als Leser auch nicht schwer, sich gefühlsmäßig mit dem einen oder anderen zu verbinden und mitzuleiden, zu hadern oder zu freuen. Alle wirken sehr lebendig und authentisch. Anna ist eine sehr sympathische und tiefgläubige Frau, die von zuhause aus ein einfaches Leben gewöhnt ist und deren Hauptsorge ihren Mitmenschen gilt, denen sie immer wieder eine helfende Hand bietet. Auch wenn Anna oftmals ängstlich wirkt, innerlich ist sie durch ihren Glauben gefestigt und lässt sich auf keine Kompromisse ein. Sie bleibt standhaft, selbst wenn sie einiges an Leid ertragen muss und entwickelt eine Stärke und einen Mut, der einem nur Respekt abringt, wenn man die damaligen Verhältnisse mit in Erwägung zieht. Lorenz ist ein energischer Mann, der sich vor keiner Konfrontation scheut. Zu Beginn noch eher standesdenkend, entwickelt er sich immer mehr dahingehend, dass er sich für die Schwachen einsetzt und ihnen jedwede Unterstützung zuteilwerden lässt. Auch bei ihm zeigt sich während der Handlung eine Persönlichkeitsentwicklung, die erfreulich zu beobachten ist. Kurt Paul ist ein Widerling, wie man ihn sich schlimmer nicht ausdenken kann. Er lebt vom Leid anderer, betrügt, mordet und ist hinterhältig bis aufs Blut. John Huntley ist ein arroganter Großgrundbesitzer, der keinen Respekt vor dem Leben hat und gerne Menschen quält, um seinen Willen zu bekommen. Dabei bedient er sich unlauterer Methoden, die einfach nur Abscheu hervorrufen. Noah ist ein farbiger Sklave, der sich mit Tieren auskennt und sich durch seine sanfte und hilfsbereite Art Respekt verdient. Er hat das Herz am rechten Fleck und ist immer wieder ein Highlight, wenn er auf der Bildfläche erscheint. Auch die anderen Protagonisten wie Everet, Father Shean oder Abigail sind eindrucksvolle Wesen, die die Geschichte mit ihrer Anwesenheit bereichern und für die eine oder andere Überraschung sorgen.

Auch die Ausstattung des Buches muss noch erwähnt werden, denn neben zwei Karten wird auch ein ausgedehntes Nachwort und ein Glossar mitgeliefert, die viele zusätzliche nützliche Informationen zur Handlung bieten.

„Die Küste der Freiheit“ ist ein spannender, ausgezeichnet recherchierter historischer Roman, der dem Leser eine Geschichtsstunde par excellence liefert. Man ist regelrecht „live“ dabei und hat ein tolles Kopfkino dazu. Alle, die „Fackeln im Sturm“ liebten, werden hier absolut begeistert sein. Besser kann man einen Roman nicht machen. Absolute Leseempfehlung für einen tollen Schmöker, den man immer wieder lesen kann!