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Veröffentlicht am 18.11.2016

Von der Liebe zu einem Mann und zum geschriebenen Wort

Worte in meiner Hand
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Amsterdam 1630. Die junge Helena Jans van der Storm kommt aus ärmlichen Verhältnissen, der Vater vermisst auf See, der Bruder heuert auf einem Schiff an. So bleibt sie zurück mit ihrer Mutter und muss ...

Amsterdam 1630. Die junge Helena Jans van der Storm kommt aus ärmlichen Verhältnissen, der Vater vermisst auf See, der Bruder heuert auf einem Schiff an. So bleibt sie zurück mit ihrer Mutter und muss für das gemeinsame Auskommen sorgen. Da sie immer schon wissbegierig war und auch etwas lesen und schreiben kann, bekommt sie eine Anstellung bei dem reichen Buchhändler Sergeant als Magd und in aller Heimlichkeit liest sie Bücher. Als eines Tages der bekannte Philosoph René Descartes als Gast im Hause Sergeant einzieht, verändert sich das Leben von Helena. Sie fühlt sich zu René hingezogen, aber auch Descartes erkennt in der jungen Frau Eigenschaften, die ihn erstaunen und faszinieren und ihn veranlassen, Helena zu fördern. Dabei verlieben sich die beiden und bald darauf wird Helena schwanger. Damit es kein Gerede gibt, verlässt Helena Amsterdam und bringt ihre Tochter Francine in Utrecht zur Welt, René sorgt aus der Ferne für die beiden, doch Helena fühlt sich einsam und verlassen, sie sehnt sich nach dem Mann ihres Herzens. Und dann stirbt Francine…

Guinevere Glasfurd hat mit ihrem Buch „Worte in meiner Hand“ ihr Debüt vorgestellt, einen wunderschönen, poetischen historischen Roman über die halbbiografische Beziehung zwischen Descartes und Helena Jans van der Storm. Der Schreibstil ist wunderschön zu lesen, der Leser wird regelrecht in das Buch hineingesogen, begleitet staunend das Leben von Helena und ist emotional gefangen von der Aussichtslosigkeit dieser Beziehungsgeschichte. Die Autorin hat sowohl den historischen Hintergrund akribisch recherchiert als auch das Leben der beiden Hauptcharaktere genau studiert und verpackt dies auf wundervolle Art und Weise in diesem Roman zu einer sehr anrührenden und gefühlvollen fiktiven Geschichte basierend auf wahren Begebenheiten.

Die Charaktere sind so wunderbar gezeichnet, dass man gar nicht anders kann als mit zu fiebern und zu leiden. Sie wirken so lebendig und authentisch. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Beziehung zwischen einer Magd und einem angesehenen Wissenschaftler gesellschaftlich unmöglich war, kann man als Leser gar nicht anders, als dieser Amour fou zu folgen und sich zu wünschen, es würde enden wie im Märchen. Helena ist zwar in ärmlichen Verhältnissen geboren, doch die junge Frau ist voller Tatendrang und Wissensdurst, sie hört nie auf, sich neues Wissen anzueignen und bewegt sich in Gesprächen gewandt und mutig. Sie verlässt ausgetretene Pfade, denn sie sieht die Welt mit offenen Augen, auch wenn das Schicksal es von Geburt an anders mit ihr meint. René ist zwar in einen anderen Stand geboren, allerdings ist er von Helena gleich fasziniert und erkennt in ihr seine Muse, sein passendes Gegenstück, seine Inspiration. Auch wenn er sich nicht öffentlich zu ihr bekennt, kann er doch nicht von ihr lassen.

Mit „Worte in meiner Hand“ ist Guinevere Glasfurd ein poetisches Meisterwerk gelungen, sie hat den Figuren eine Lebendigkeit verliehen, wie man sie selten in Büchern findet. Durch ihre berührende Erzählweise schleicht sie sich in das Herz des Lesers, der die bittersüße Liebe zwischen Helena und René miterlebt und noch lange in sich trägt. Ein wundervoller historischer Roman, der seinesgleichen sucht. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!

Veröffentlicht am 18.11.2016

"Schmetterlinge sind wie gute Gedanken..."

Nora und die Novemberrosen
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Die 34-jährige Gärtnerin Nora Dittbrenner ist alleinerziehende Mutter der 7-jährigen Fanny. Gemeinsam mit den drei Ü70-Senioren Udo Kienast, Margarete Segge und Ellie Wagenknecht leben sie unter einem ...

Die 34-jährige Gärtnerin Nora Dittbrenner ist alleinerziehende Mutter der 7-jährigen Fanny. Gemeinsam mit den drei Ü70-Senioren Udo Kienast, Margarete Segge und Ellie Wagenknecht leben sie unter einem Dach in einem Berliner Stadthaus und pflegen eine familiäre Nachbarschaft. Während Nora ihrem Beruf in einem Baumarkt nachgeht, wird Fanny von den drei älteren Herrschaften betreut. Doch dann verliert Nora ihren Job und es trudelt ein Brief vom Vermieter ein, der sämtliche Bewohner in Alarmbereitschaft ruft, denn es sieht fast so aus, als würden sie ihr Dach über dem Kopf verlieren. Um den Kopf frei zu kriegen, machen alle zusammen einen Ausflug aufs Land. Dabei entdecken sie eine lange verlassene Gärtnerei mit einem alten Herrenhaus. Jeder ist von dem Grundstück begeistert und träumt bereits davon, hier leben zu können und das Areal wieder herzurichten. Nachforschungen, wem das Fleckchen Erde wohl gehören mag, bringen keine Ergebnisse, so wird das Grundstück erst einmal annektiert und alle machen sich daran, die Beete und Gewächshäuser wieder instand zu setzen. Durch ihre behördlichen Nachfragen haben sie allerdings Staub aufgewirbelt, der ihnen nun Scherereien einbringt. Kurzerhand entschließen sie sich zu protestieren und ihr Anliegen öffentlich zu machen. Damit treten sie eine Lawine los, welche das Leben aller verändert…

Tania Krätschmar hat mit ihrem Buch "Nora und die Novemberrosen" einen wunderschönen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der sowohl humorvoll als auch sehr feinfühlig erzählt und dem Leser die Gefühle und Emotionen der Protagonisten auf wunderbare Art nahe bringt. Der Schreibstil ist flüssig ebenso wie fesselnd, schon der Prolog holt den Leser ab und lässt ihn während der Handlung immer wieder rätseln, wie das alles aufgeklärt wird. Die Beschreibung der ländlichen Umgebung sowie der alten Gärtnerei ist so lebhaft, dass vor dem inneren Auge ein Bild entsteht mit Blumen und Pflanzen in sämtlichen Schattierungen, Farben und Formen, an dem man sich gar nicht sattsehen kann. Auch die angeschnittenen Themen wie alleinerziehende Mutterschaft, 60er Jahre, Naziverfolgung oder Immobilienhaie finden einen angemessenen und gut verpackten Raum in dieser Geschichte. Dank des wundervollen Erzählstils ist der Leser mittendrin und hautnah dabei.

Bei der Entstehung und Entwicklung der Charaktere beweist die Autorin ein glückliches Händchen, denn die Protagonisten sind fast durchweg sehr sympathisch, dabei so verschieden in ihren Eigenarten und ihren Träumen, das es eine Freude ist, jeden einzelnen kennenzulernen und lieb zu gewinnen. Nora ist eine sympathische Frau, die einen Job hat, der sie nicht befriedigt, dafür aber Geld einbringt, um sich und ihre Tochter über Wasser zu halten. Sie träumt von einem Leben als richtige Gärtnerin, doch die Jobaussichten sind leider sehr schlecht. Tochter Fanny ist ein aufgewecktes Mädchen, die selbst viel Interesse an Blumen und Pflanzen zeigt, aber auch gern Dinge sucht und sammelt. Udo trauert noch immer um seine verstorbene Frau, doch er hat auf einmal ein Geheimnis. Ellie ist eine hervorragende Köchin, die ihre Mitbewohner kulinarisch verwöhnt, dabei mit ihrer kleinen Rente jeden Cent einzeln umdrehen muss und sehr einsam ist, denn sie vermisst ihren Sohn. Margarete ist die Resolute in der WG, sie packt an und scheut keinen Konflikt. Liam, ein englischer Gärtner, ist sehr liebenswert, gibt aber Rätsel auf. Und Frau Tschirch – ja die ist der Teufel in Person.

"Nora und die Novemberrosen" verzaubert durch eine wunderschön erzählte Handlung und lässt den Leser von einem verwunschenen Garten und Erinnerungen an die eigene Kindheit träumen. Ein Roman für alle, die Geschichten aus dem wahren Leben lieben. Absolute Leseempfehlung!!!

Veröffentlicht am 12.11.2016

Ihre Liebe war der Tanz

Die Schwester des Tänzers
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1939. Bronislawa „Bronia“ Nijinska, inzwischen bereits 48 Jahre alt, ist mit einem Schiff auf den Weg nach New York. Während der langen Reise hat sie Zeit genug und schreibt ihre Lebensgeschichte auf. ...

1939. Bronislawa „Bronia“ Nijinska, inzwischen bereits 48 Jahre alt, ist mit einem Schiff auf den Weg nach New York. Während der langen Reise hat sie Zeit genug und schreibt ihre Lebensgeschichte auf. Ihr ganzes bisheriges Leben und das ihrer Familie drehten sich in St. Petersburg nur um das Ballett. Bereits die Eltern mit polnischer Abstammung sind als Tänzer am Ballet Russes, so ist ihren Kindern das Tänzergen bereits in die Wiege gelegt worden. Bronias Bruder Waslaw Nijinsky ist der ehrgeizigste der drei Geschwister und ein absolutes Naturtalent für den Tanz. Es ist, als könne er fliegen, er lebt und atmet den Tanz mit einer ungezügelten Leidenschaft. Bronia dagegen muss hart arbeiten, nur um feststellen zu müssen, dass sie nie so gut sein wird, wie ihr Bruder. Trotzdem unterstützen sich die Geschwister gegenseitig, denn sie eint die Liebe zum Tanz, welches sie nach einer harten Schule an der kaiserlichen Ballettakademie an viele weltberühmte Bühnen der Welt bringt.

Eva Stachniak hat sich in ihrem Buch „Die Schwester des Tänzers“ mit den realen Balletkünstltern Bronia und Waslaw Nijinsky beschäftigt und gibt dem Leser einen sehr interessanten und spannenden Einblick in die harte Welt des Tanzes, der fast schon autobiographisch wirkt. Der Schreibstil ist flüssig und trägt den Leser an den Anfang des 20. Jahrhunderts nach Russland, wo die besten Tänzer der Welt durch eine harte Schule gehen müssen, bis sie Engagements auf den Bühnen der Welt bekommen und die Rolle ihres Lebens tanzen dürfen, sei es nun Schwanensee, die Giselle oder Onegin. Erzählt aus der Sicht von Bronia in Tagebuchform erlebt der Leser einen ehrgeizigen, aber auch schonungslosen Einblick in ein entbehrungsreiches und auch schmerzhaftes Arbeitsleben, alles nur für den Augenblick der Anerkennung des Publikums.

Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet, bewegen sich aber wohl durch akribische Recherche der Autorin auch hart an der Realität. Sie wirken durchweg authentisch und sehr lebendig, ebenfalls werden die Gedanken und Gefühle sehr schön übermittelt, Niederlagen schmerzen den Leser fast ebenso wie die Protagonisten und auch die Freude über den Erfolg teilt man mit ihnen. Bronia ist eine sehr ehrgeizige Frau, die ihren Bruder Vaslaw liebt, ihn aber auch um sein Talent beneidet. Doch sie versteht rechtzeitig, dass sie zwar eine gute Tänzerin ist, doch nie die Ausstrahlung und die Kraft ihres Bruders haben wird. So stellt sie selbstlos ihre eigene Karriere eher in den Hintergrund, um ihren hochbegabten Bruder zu unterstützen. Vaslaw lebt in seiner eigenen Welt des Tanzes, er schlüpft mit Leichtigkeit in die Rollen und verwandelt sich bei seinen Darbietungen immer wieder in ein neues Geschöpf.

„Die Schwester des Tänzers“ ist ein eindringlicher historischer Roman mit autobiographischen Zügen, die dem Leser eine harte und erbarmungslose Kunst näher bringen, die auf der Bühne so leicht und unbeschwert wirkt. Nie macht man sich Gedanken darüber, was Balletttänzer alles an Schmerzen und Training auf sich nehmen, weil sie ihr Leben der Bühne und dem Ausdruck des Tanzes gewidmet haben. Ein sehr schönes Porträt über einen der besten Tänzer des vergangenen Jahrhunderts und dessen Familie. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die das Ballett lieben oder sich näher damit beschäftigen möchten.

Veröffentlicht am 11.11.2016

Endlich zuhause...

Das Land der roten Sonne
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1898 Australien. Die kleine Leonora wurde von ihrem Vater mitten in der Wüste ausgesetzt, wo sie unter einem Baum von dem Wanderarbeiter Ghan in letzter Sekunde gefunden wird. Ghan bringt das schwer kranke ...

1898 Australien. Die kleine Leonora wurde von ihrem Vater mitten in der Wüste ausgesetzt, wo sie unter einem Baum von dem Wanderarbeiter Ghan in letzter Sekunde gefunden wird. Ghan bringt das schwer kranke Mädchen in die nächste Stadt zum Doktor, bei dessen Ehefrau das Kind erst einmal bleibt. Doch leider kann Leonora dort auf Dauer nicht bleiben, sie kommt in ein Waisenhaus, dass von einem Priester geleitet wird und trifft dort auf James. Schon bald sind sich die beiden Kinder eng verbunden. James lebt schon seit seiner Geburt im Waisenhaus und kennt seine irischen Eltern nicht. Als ein Brief aus Irland eintrifft und seine Verwandten nach Australien kommen, verlässt James das Waisenhaus, um bei ihnen zu leben. Dabei verliert er Leonora aus den Augen, denn die wird von einem reichen Unternehmerehepaar adoptiert und reist mit ihnen nach Amerika, wo sie fortan leben wird. Erst als verheiratete Frau betritt Leonora wieder australischen Boden und fühlt sich endlich wieder zuhause, nachdem sie sich in den USA nie heimisch gefühlt hat. Das sollte ihre eigentliche Entschädigung sein für eine Ehe mit einem Mann, den sie nicht liebt. Aber nach all den Jahren steht plötzlich James vor Leonora, denn er arbeitet für ihren Ehemann. Die alte Verbundenheit zwischen den beiden bricht sich Bahn und schon bald flackert das Feuer der Liebe zwischen ihnen. Doch sie haben Alexander vergessen, Leonoras Ehemann…

Harmony Verna hat mit ihrem Buch "Das Land der roten Sonne" einen wunderschönen und spannenden historischen Roman vor der exotischen Kulisse des australischen Kontinents vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und bildhaft, der Leser taucht mit der ersten Seite in die Handlung ein und begleitet als Schatten das Leben von Leonora von Kindheit an. Die Handlung wird aus einigen Perspektivwechseln erzählt, die die Geschichte dadurch komplexer und noch intensiver werden lassen. Der Spannungsbogen wird gleich in den ersten Seiten gut aufgebaut, steigert sich aber im Verlauf der Handlung immer weiter. Die Autorin versteht es mit ihrer bildhaften und lebendigen Sprache, dem Leser einen wunderbaren Eindruck über die Landschaft und die gesellschaftlich verschiedenen Lebensformen aufzuzeigen. Beim Lesen läuft regelrecht ein Kinofilm im Kopf ab und der Leser befindet sich in einer anderen Welt. Oftmals geht einem das Setting von "Jenseits in Afrika" durch den Kopf, was als Kompliment gemeint ist.

Die Charaktere wurden von der Autorin wunderbar in Szene gesetzt, sehr fein und liebevoll ausgestaltet. Neben ihren Ecken und Kanten stecken auch Grausamkeit, Mitleid, Missgunst und andere menschliche Eigenschaften in ihnen, so dass sie sehr lebensecht und authentisch wirken und man mit ihnen mitfühlen kann bzw. sie auch oftmals zum Teufel wünscht. Leonora ist eine sehr sympathische Frau, die schon einige schwere Schicksalsschläge in ihrem Leben hinnehmen musste. Zu Beginn wirkt sie wie ein verängstigtes kleines Mädchen, doch je älter sie wird, umso mehr gewinnt sie an Stärke. Bei einigen Situationen wächst sie sogar über sich hinaus. Leonora ist mitfühlend, zurückhaltend, empathisch und liebevoll. Sie macht keine Unterschiede zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten. James ist ein toller Mann, der zupacken kann und ein gutes Herz in sich trägt. Er behält seine Sehnsüchte für sich und geht einen Schritt nach dem anderen. Er ist eher der schweigsame Typ, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen, denn er ist stets zur Stelle, für die Menschen einzustehen, die ihm wichtig und ans Herz gewachsen sind. Alex ist ein Blender und Egoist, selbstherrlich und brutal, er denkt nur an sich selbst und dass die Menschen um ihn herum ihm zu Willen sind. Ghan ist ein alter Wanderarbeiter, der oftmals abgebrüht wirkt, allerdings ein weiches Herz hat. Auch die anderen Charaktere sind wunderschön in Szene gesetzt und tragen mit ihren kleinen Episoden zur spannenden Geschichte bei.

"Das Land der roten Sonne" ist ein opulenter, wunderschön erzählter historischer Roman, der einen tief im Inneren berührt. Alle, die zauberhaft geschriebene Liebes- und Lebensgeschichten mögen, werden mit diesem Buch ein wirkliches Highlight in den Händen halten. Absolute Leseempfehlung! Chapeau, besser geht es nicht!

Veröffentlicht am 06.11.2016

Eine Liebe gegen alle Konventionen

Zu keiner anderen Zeit
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Anfang des 20. Jh. Bei einer Reise nach Wien lernen sich die Amerikanerin Helena Schmitz und der attraktive Leutnant Graf Karl August von Greiffenwalde einen Tag vor Ausbruch des 1. Weltkrieges kennen ...

Anfang des 20. Jh. Bei einer Reise nach Wien lernen sich die Amerikanerin Helena Schmitz und der attraktive Leutnant Graf Karl August von Greiffenwalde einen Tag vor Ausbruch des 1. Weltkrieges kennen und verlieben sich ineinander. Schnell wird geheiratet und das Paar zieht nach Mähren auf das Gut Solmeritz. Während ihr Ehemann in den Krieg ziehen muss, bleibt die Verwaltung des Gutes in den Händen von Helena, die von ihrer Schwägerin Natalia dabei unterstützt wird. In der Zeit großer Entbehrungen und harter Arbeit lernen sich die beiden Frauen immer besser kennen und kommen sich auch näher, was für die herrschenden Moralverhältnisse als völlig unmöglich und verboten gilt. Als ihr vermeintlich toter Ehemann Karl August mit schweren Verletzungen aus dem Krieg zurückkommt, dauert es nicht lange, bis er das Geheimnis zwischen Helen und Natalia entdeckt. Karl August verweist Natalia vom Hof. Doch was wird nun aus Helen? Wird sie bei ihrem Ehemann bleiben und die Farce einer Ehe aufrechterhalten?

Barbara Martina Strebel hat mit ihrem Buch „Zu keiner anderen Zeit“ ihr Debüt vorgelegt, einen sehr spannenden historischen Roman vor der Kulisse des 1. Weltkrieges, dessen Handlung an interessanten Schauplätzen wie Wien und einem Gut in Mähren stattfindet. Der Schreibstil ist flüssig und fesselnd, schnell wird der Leser in die vergangene Zeit katapultiert, um den Kriegsausbruch ebenso mitzuerleben wie das Schicksal von Helen. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut, steigert sich aber innerhalb der Geschichte immer mehr, was durch die häufigen Wechsel der Perspektiven sowie durch die besondere Erzählweise der Autorin noch unterstützt wird. Der historische und politische Hintergrund sowie die gesellschaftlichen Konventionen wurde von der Autorin akribisch recherchiert und wunderbar mit der Handlung verwoben, so dass der Leser bei der Lektüre das Gefühl hat, alles hautnah mitzuerleben und wie ein unsichtbarer Beobachter zu agieren.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet mit ihren Schwächen und Eigenheiten, wodurch sie sehr authentisch und recht lebendig wirken. Helen ist eine sympathische Frau, die aus einer wohlhabenden Familie stammt und der man bisher jeden Wunsch erfüllt hat. Dabei wirkt sie keinesfalls verwöhnt, dafür intelligent und zupackend, eine starke Persönlichkeit. Das ist auch nötig, denn durch den Krieg wird sie gezwungen, sich durchzubeißen und ihrem Leben eine eigene Richtung zu geben, ihren Überzeugungen zu folgen und auf ihr Herz zu hören, auch wenn es anderen nicht gefallen sollte. Karl August ist ein Mann seiner Generation, auf Zuverlässigkeit und Verantwortung gedrillt, den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Er legt mehr Wert auf die Außenwirkung und bringt wenig Verständnis für Andersdenkende auf. Natalia ist ebenfalls eine sehr sympathische Protagonistin, die sich vor Verantwortung und harter Arbeit nicht scheut, die ihre Gefühle aber auch nicht verstecken will, selbst wenn es dem Zeitgeist von damals nicht gefällt.

„Zu keiner anderen Zeit“ ist ein wundervoller und spannungsgeladener historischer Roman über Freundschaft, Liebe, den Krieg und die Auflehnung an damalige moralische Vorstellungen. Alle Historienliebhaber, die gut recherchierte Geschichten lieben und einem ungewöhnlichen Handlungsverlauf nicht abgeneigt sind, werden mit diesem Buch wunderbar unterhalten. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Highlight!