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Veröffentlicht am 30.11.2019

Wie Vater Mick das Gruseln lernt

Die Nordseedetektive. Das Gespensterhotel
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Die Nordseedetektive - Vater Mick, ein erfolgloser Schriftsteller, auf liebenswerte Weise stets etwas ungeschickt in den alltäglichen Dingen des Lebens, und seine beiden cleveren und einfallsreichen Sprösslinge ...

Die Nordseedetektive - Vater Mick, ein erfolgloser Schriftsteller, auf liebenswerte Weise stets etwas ungeschickt in den alltäglichen Dingen des Lebens, und seine beiden cleveren und einfallsreichen Sprösslinge Lukas und Emma - haben sich in diesem zweiten Band der amüsanten und gleichzeitig spannenden Krimireihe für Kinder einigermaßen eingelebt in der von Onkel Janssen geerbten Villa, die diesen Namen nicht verdient, denn, bei näherem Hinsehen, ist sie eine rechte Bruchbude!

Da es sich bei den rothaarigen Janssens mit den abstehenden Ohren aber um eine sehr unkomplizierte Familie handelt, die sich mit den Unwägbarkeiten des Lebens bestens zu arrangieren weiß, stellen weder der Zustand des Hauses noch die ewige Geldknappheit ein Problem dar. Zumal sie mit der Villa auch noch die Detektei ihres Onkels geerbt haben - und welches phantasiebegabte Kind mit kriminalistischer Ader würde nicht begeistert sein von der Aussicht, zu berühmten Detektiven zu werden? Lukas und Emma jedenfalls stürzen sich mit Enthusiasmus in ihren zweiten Fall. Doch halt - eigentlich ist der Vater Mick, der Unbeholfene, der Nachfolger des Onkels, oder etwa nicht? Der sympathische Rotschopf fungiert zumindest vordergründig als Chef des Detektivbüros, doch da seine ermittlerischen Fähigkeiten begrenzt und seine Nerven nicht die stärksten sind, sind es auch in dem zweiten Band seine mutigen Kinder, die den ihnen von ihrer Freundin, Frau von Hellershausen anvertrauten Fall mit Witz und Kombinationstalent lösen.

Diesmal geht es um den vermeintlichen Spuk im Hotel, das Frau von Hellershausen auf der Insel Norderney besitzt und das kurz vor der Schließung steht, weil die Gäste wegen der Gerüchte, dass dort Geister ihr Unwesen treiben, wegbleiben. Mick Janssen macht sich also mit dem als fahrendes Detektivbüro ausgestatteten Kleinbus des verstorbenen Onkels auf den Weg zum Hotel "Zur Krabbe", überzeugt, den Fall im Nu lösen zu können, denn natürlich glaubt er nicht an Gespenster. Doch was er dann erlebt, bringt ihn an den Rand des Nervenzusammenbruchs - und wären ihm seine Kinder nicht unerlaubterweise, denn eigentlich müssen sie ja zur Schule und das Jugendamt hat auch schon ein Auge auf den scheinbar überforderten alleinerziehenden Vater geworfen, nachgereist und hätten ihn gerettet, um die Angelegenheit in ihre eigenen Hände zu nehmen, wäre das Ende des Hotels gewiss besiegelt gewesen....

War schon die Lektüre des ersten Bandes um die Nordseedetektive ein Vergnügen für die jungen Leser samt Eltern und Großeltern, so legt der zweite Band noch einmal zu, denn es geht wirklich spannend zur Sache, gleichzeitig aber so vergnüglich, dass man vor Lachen keine Zeit zum Gruseln hat, etwas, das dem armen Mick Janssen, der im übrigen noch immer ohne seine Frau Sarah ist, auf die die Leser inzwischen schon neugierig warten, nicht erspart bleibt.

Die beiden Autoren haben mit ihren Detektiven vom Nordseestrand eine in der Tat sehr gelungene Kinderkrimireihe begonnen, die sich durch Witz, Situationskomik und natürlich durch seine ganz reizenden Charaktere auszeichnet, von denen man sich nach Beendigung der Lektüre nur sehr ungern trennt. Da auch ihre Erzählweise angenehm ist, verständlich und vollkommen zugeschnitten auf die Zielgruppe, man sich zudem nicht seitenlang durch ausufernde und unnötige Beschreibungen a la Enid Blyton quälen muss, kommen nie Längen auf. Die Handlung schreitet stattdessen flott und munter voran, reißt mit und hält bis zum Ende der Geschichte, die nicht ganz 150 Seiten lang ist, die Spannung. So sollten gute Kinderbücher sein! Und es spielt dabei keine Rolle, dass auch der zweite Band der Nordseedetektive keinerlei Ambitionen auf literarisch anspruchsvolle Literatur stellt. Stattdessen hat er vielmehr das Zeug, auch erklärte Nichtleser an- und in seinen Bann zu ziehen. Und das ist schon etwas besonderes in einer an vielfältigen Abwechslungen viel zu reichen Zeit, nicht wahr?

Veröffentlicht am 30.11.2019

Das Rätsel des kleinsten Seemanns

Abenteuer auf Norderney - Lilly, Nikolas und die Flaschenpost
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Wer die Feriengeschichten, in denen die Geschwister Lilly und Nikolas die Hauptpersonen sind, bereits kennt, weiß, dass die Geschwister auch auf ihrer Urlaubsreise auf die ostfriesische Insel Norderney ...

Wer die Feriengeschichten, in denen die Geschwister Lilly und Nikolas die Hauptpersonen sind, bereits kennt, weiß, dass die Geschwister auch auf ihrer Urlaubsreise auf die ostfriesische Insel Norderney nicht nur eine Menge zu sehen bekommen, sondern ebenso wieder ein kleines Rätsel lösen dürfen, an dem sie während ihres gesamten Aufenthalts zu knabbern haben! Diesmal finden die beiden kurz nach der Ankunft eine Flaschenpost mit einer kleinen Matrosenfigur darin nebst einem Zettel mit einer Botschaft, die eigentlich ein Gedicht ist und sie auffordert, den kleinsten Seemann zu finden. Am Ende würden sie dann eine Belohnung bekommen.... Dass das Rätsel verzwickt ist, wird ihnen schnell klar und sie sind sich gar nicht sicher, ob sie es je werden lösen können, bleiben aber während der abwechslungsreichen Zeit auf der sehens- und erlebenswerten Insel am Ball, halten Augen und Ohren offen.

Ihre patenten Eltern, die, wie immer, nichts von dem Geheimnis ihrer Kinder ahnen, haben sich wieder einmal mehr bemüht, Lillys und Nikolas Ferien so spannend und vergnüglich wie möglich zu gestalten, haben sich für sie Ausflugsziele und Aktivitäten ausgesucht, die auch das Herz der jungen Leser höher schlagen lassen und richtig Lust darauf machen, die eigenen Ferien einmal auf der langgestreckten Insel zu verbringen, gerüstet mit allerhand Vorwissen, das auf sehr angenehme und altersgerechte, alles andere als oberlehrerhafte Weise vermittelt wird.

So haben die Geschwister nicht nur jede Menge Spaß beim Sandburgenbauen und Muschelsammeln, beim Drachensteigen, im Wellenbad mit der roten Wattwurmrutsche, auf dem Spielplatz am Weststrand, auf dem sie auf einem Piratenschiff herumturnen können, sondern sie erfahren eine Menge auch über die Insel selbst und ihre Geschichte, machen die obligatorische Wattwanderung, besuchen das Fischerhausmuseum, die Sternwarte, die ein Insulaner in den 60er Jahren in seinem eigenen Garten erbaute und von der aus sie in stockdunkler Nacht die unendlich vielen Sterne anschauen können, klettern auf einen Leuchtturm und machen zudem Schifffahrten zu den nicht minder interessanten Nachbarinseln Juist und Langeoog.

Und klar, sie dürfen auch eine der Spezialitäten der Ostfriesen, den nach ihnen benannten Friesentee, zubereiten, Krabben pulen, hören die alten Geschichten, Sagen und Legenden, die sich die Ostfriesen seit Jahrhunderten erzählen, und gruseln sich so richtig schön dabei. Auch der Vater erfindet Geschichten, mit denen er vor allem Lilly erfreut, denn das Mädchen Mine, das die Hauptperson seiner Erzählungen ist, ist natürlich der Tochter nachempfunden. Mit einem Wort, die Geschwister erleben großartige Ferien, um die man sie beinahe beneiden könnte...

Doch ist da der Wermuthstropfen - das Rätsel um den kleinsten Matrosen, dessen Auflösung sie in der ganzen Zeit noch keinen Zentimeter näher gekommen sind und die sogar noch behindert wird durch den Feriengast Damian, einem verwöhnten und hinterlistigen Jungen, der den Geschwistern das Leben schwer macht und die Belohnung selber kassieren möchte! Fast scheint es so, als würde ihm das auch gelingen.... Doch wird die Autorin Lilly und ihren Bruder wirklich unverrichteter Dinge nach Hause schicken und Damian das Feld überlassen? Schauen wir mal....

Fazit: der kleine Ein-Frau Verlag "Biber & Butzemann" hält auch weiterhin den Standard, den er mit dem ersten Band um die in deutschen Landen umherreisenden Geschwister, "Abenteuer auf Rügen", gesetzt hat! Nie sind die Ferienreisen überfrachtet, immer halten sich Kurzweil, Abenteuer und Informationen die Waage - was kann man sich mehr wünschen? Auch für diesen Band der Kinderreiseführer - Reihe ist - selbstverständlich! - eine herzliche Leseempfehlung auszusprechen!

Veröffentlicht am 24.11.2019

Ereignisreiche Ferientage auf Rügen

Abenteuer auf Rügen
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Mit dem Rügen-Abenteuer der beiden Geschwister Lilly und Nikolas fing alles an! Steffi Bieber-Geske befand sich auf einer Mutter-Kind Kur auf der schönen Ostseeinsel und war auf der Suche nach einem Kinderbuch ...

Mit dem Rügen-Abenteuer der beiden Geschwister Lilly und Nikolas fing alles an! Steffi Bieber-Geske befand sich auf einer Mutter-Kind Kur auf der schönen Ostseeinsel und war auf der Suche nach einem Kinderbuch über Rügen für ihren Sohn. Als sie keines fand, schrieb sie kurzerhand selber eines, das sie im Eigenverlag veröffentlichte - um bald festzustellen, dass sie eine Marktlücke entdeckt hatte. Und so wurde ihr Buch zum Grundstein für den qualitätvollen kleinen Verlag "Biber & Butzemann", der darauf spezialisiert ist, spannende Ferienabenteuer herauszugeben, die inzwischen, mit wechselnden Hauptfiguren, an den unterschiedlichsten Orten Deutschlands spielen und auf sehr kindgerechte Weise interessantes Wissen vermitteln über die jeweilige Region und darüberhinaus tolle Tipps zu Ausflugszielen geben, die sich für Familien wirklich lohnen.

Doch kommen wir zum ersten Band der Reihe, die inzwischen rund sechzig Bücher umfasst, - reisen wir mit Lilly, Nikolas und deren Eltern auf die Insel Rügen und verleben wir eine so vergnügliche wie informative Zeit, während der wir einige interessante Orte besuchen und zum krönenden Abschluss einer der alljährlich stattfindenden Aufführungen der Klaus Störtebeker - Festspiele beiwohnen, des legendären Piraten, den wir zusammen mit den Geschwistern besser kennenlernen!

Ein wenig enttäuscht sind Nikolas und seine Schwester zu Anfang schon, als ihnen klar wird, dass die Ostsee im Juni noch nicht zum Baden einläd. Aber es gibt so viel zu sehen und zu erleben, dass sie sehr bald schon ihren anfänglichen Kummer vergessen. Sandburgen kann man trotzdem bauen, und Ausflüge machen auch! Und wofür gibt es denn das schöne Hallenbad! Überhaupt haben sich die Eltern der beiden Kinder gut überlegt, was ihnen gefällt und an welchen Ausflügen Lilly und Nikolas Freude haben können. Sei es nun der bestens ausgestattete Hallenspielplatz "Pirateninsel", die Tauchgondel im Ostseebad Sellin, von der aus man das Treiben unter Wasser beobachten kann, die Fahrt mit dem mehr als hundert Jahre alten Rasenden Roland, der Besuch im Jagdschloss Granitz, dessen fast vierzig Meter hohen Aussichtsturm die Kinder begeistert, doch auch mit wackligen Knien erklimmen, oder die Mahlzeit im Restaurant "Nautilus", in dessen Gastraum es aussieht wie in einem U-Boot. Das so etwas Kindern gefällt, kann man sich gut vorstellen - und ganz nebenbei lernen sie Spannendes über den französischen Schriftsteller Jules Verne, dessen Tauchschiff "Nautilus" das Lokal seinen Namen verdankt.

Der Höhepunkt aber ist natürlich die Aufführung des Störtebeker-Abenteuers, das die Kinder hautnah miterleben dürfen, ganz fasziniert nicht nur von der Flugshow mit den Greifvögeln, die sie hernach sogar - vorsichtig! - berühren dürfen, sondern vor allem vom Leben und Wirken des berühmt-berüchtigten Piraten, der im späten 14. Jahrhundert die Ostsee unsicher gemacht hatte und um den sich eine ganze Reihe Legenden ranken, denen Lilly und ihr Bruder gebannt lauschen. Als die Ferientage schließlich mit einem Spaziergang zum Schloss Ralswiek, einem beliebten Ort für Eheschließungen, und, schon auf dem Heimweg, mit einem Besuch des Meeresmuseums in Stralsund zu Ende gehen, sind alle ein wenig traurig. Doch da ist die Aussicht, spätestens im nächsten Jahr wiederzukommen - und außerdem wartet zu Hause noch eine tolle Überraschung auf die Geschwister, die sich ihre Eltern für sie ausgedacht haben....

Damit geht ein kurzweiliges, fröhlich erzähltes und nett illustriertes Buch zu Ende, das Kinder und deren Eltern nebst Großeltern gleichermaßen erfreut und neugierig macht nicht nur auf einen eigenen Rügen-Urlaub sondern auf weitere Ferienbücher aus dem unterstützens- und ganz sicher empfehlenswerten Verlag mit dem lustigen Namen Biber & Butzemann!

Veröffentlicht am 24.11.2019

Wer erbt schon ein Detektivbüro?

Die Nordseedetektive. Das geheimnisvolle Haus am Deich
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Seit Erich Kästners bemerkenswertem Klassiker der Kinderliteratur "Emil und die Detektive", aber spätestens seit den wenige Jahre später erschienenen spannenden Romanen der Vielschreiberin Enid Blyton ...

Seit Erich Kästners bemerkenswertem Klassiker der Kinderliteratur "Emil und die Detektive", aber spätestens seit den wenige Jahre später erschienenen spannenden Romanen der Vielschreiberin Enid Blyton erfreuen sich Kriminalromane für Kinder ungebrochener Beliebtheit! Längst ist der Dschungel der Kinderkrimis undurchdringlich geworden und man muss schon Glück haben, auf solche zu stoßen, die ein wenig herausragen aus dem Überangebot. Die Reihe um die Nordseedetektive ist schon wegen seiner erfrischenden Charaktere eine solche erfreuliche Vertreterin ihrer Gattung!

Die Kinderliedermacherin Bettina Göschl und der allseits bekannte Autor der Ostfriesenkrimis Klaus-Peter Wolf haben sich vor nicht langer Zeit zusammengetan, um Kinderkrimis zu schreiben - eine gute Idee, wie man nach der Lektüre des ersten Bandes um die selbsternannten Nordseedetektive Lukas, Emma und Vater Mick - auch gibt es noch Mutter Sarah, die allerdings hier nicht auftaucht, weil sie als Schauspielerin und Sängerin durch die Lande tourt - feststellen kann! Die Krimis haben eine für die Zielgruppe angenehme Länge, erfreuen mit nicht zu kleiner Schrift und durchgängigen, sehr ansprechenden Illustrationen, für die Franziska Harvey verantwortlich zeichnet.

Vorliegender erster Band erzählt so witzig wie aufregend und ohne unnötig zu verkomplizieren, wie alles begann mit den unkonventionellen Nordseedetektiven, wie nämlich unsre Protagonisten, die Janssens, quasi über Nacht nicht nur zu Besitzern einer alten und ziemlich heruntergekommenen Villa werden, sondern mit dem Haus auch die Profession des verstorbenen Onkels geerbt haben. Letzterer war ein cleverer Privatdetektiv, wie die Janssens bald herausfinden, bei dem das Geld aber offensichtlich knapp war, denn das Erbstück, die Villa, ist dringend reparaturbedürftig, es gibt keinen Strom und die Heiztanks sind auch leer! Nun, von derartigen Lappalien lassen sich Vater Mick, der rothaarige Lebenskünstler mit den beiden linken Händen und dem unpraktischen Kopf und seine beiden ebenso rothaarigen Kinder, die voller nützlicher Ideen stecken und sich mit Improvisationen aller Art auskennen - Kunststück, mussten sie sich doch, wie vermutet werden darf, ihr ganzes Leben lang irgendwie behelfen! - nicht entmutigen. Was kostet die Welt, das kriegen wir schon hin - scheint das Motto der Familie zu sein. Und recht haben sie, zumal das Glück auf der Seite der fröhlichen Janssens ist - und alsbald schon der erste Klient vor der Tür steht, eine reichlich seltsame Dame, die auf der Suche nach ihrem verschwundenen Ehemann ist. Zuversichtlich, den Gatten zu finden und zudem mit einer tüchtigen Anzahlung verlockt, die sie dringend brauchen können, denn der Magen knurrt schon ganz gehörig, nehmen Mick, Lukas und Emma den Auftrag an! Bewaffnet mit dem Handbuch für Detektive, das der Onkel zum Glück ebenso hinterlassen hat wie einen Koffer voller Werkzeuge, gehen sie systematisch zu Werke - und geraten alsbald in eine spannende und nicht ungefährliche Geschichte, und gleichzeitig von einem Missgeschick ins nächste, woran der bislang erfolglose Schriftsteller Mick nicht ganz unschuldig ist! Doch obwohl sie blutige Anfänger im Detektivgeschäft sind, lösen sie am Ende auf ihre eigene pfiffige Weise den Fall, bei dem nichts so ist, wie es zunächst den Anschein hatte....

Fazit: ein erheiternder und etwas anderer Kriminalroman für Kinder, bei denen Spaß und Kriminalfall gleichwertig nebeneinanderstehen, der sicherlich keinen großen Anspruch auf Kinderliteratur a la Kästner stellt, was aber der Spannung und dem Vergnügen keineswegs Abbruch tut. Im Gegenteil wartet man, längst gut Freund mit der rothaarigen Familie, schon neugierig auf den nächsten Fall....

Veröffentlicht am 18.11.2019

Austerndiebe, Austernbarone, Klimawandel - und zwei Morde!

Winteraustern
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"Im Herzen Franzose", so bezeichnet sich der 1982 in Ost-Berlin geborene Autor Alexander Oetker selbst, und so ist es nur folgerichtig, dass sein Commissaire Luc Verlaine, der dem Leser in vorliegendem ...

"Im Herzen Franzose", so bezeichnet sich der 1982 in Ost-Berlin geborene Autor Alexander Oetker selbst, und so ist es nur folgerichtig, dass sein Commissaire Luc Verlaine, der dem Leser in vorliegendem Kriminalroman bereits zum dritten Mal begegnet, genau das ist: ein echter Franzose! Ein Bonvivant, der gerne isst, trinkt, die Frauen und das Leben liebt und dazu noch ein sehr erfolgreicher Kriminalist ist. Eine willkommene Abwechslung nach so düsteren und gescheiterten, oft dem Trunk hingegebenen Ermittlern der Krimiwelt, wie sie vor allem die Skandinavier mit Vorliebe zu erschaffen pflegen.
Als Schauplatz der Reihe um den gelassenen Genießer Luc Verlaine, der nach erfolgreichen Berufsjahren in Paris aus familiären Gründen zurückkehrt zu seinen Ursprüngen, nämlich dem Aquitaine, hat der Autor eine der wohl schönsten Regionen Frankreichs gewählt, denn nicht nur ist das Aquitaine der Inbegriff des "Savoir Vivre", sondern zeichnet sich auch aus durch kilometerlange Traumstrände, die es zum Paradies für Surfer und Meeresliebhaber machen, und durch grandiose Farben, denn alles im Aquitaine ist intensiv und wunderschön - ein Fest für alle Sinne! Zudem liegt nur zwanzig Kilometer von der Küste entfernt mit dem Medoc, Saint Emilion und Pomerol die traditionsreichste Weinregion Frankreichs und man kann wohl sagen der ganzen Welt.
Aber noch etwas befindet sich im Aquitaine - das Bassin d'Archachon nämlich, eine riesige Bucht des Atlantiks und Zentrum der französischen Austernzucht!
Genau hier, unter den Austernfischern, lässt Alexander Oetker diesmal seinen Commissaire ermitteln. Die Austern sind nicht nur die Spezialität schlechthin dieser Gegend und nehmen einen Sonderplatz in der französischen Küche ein, dürfen gerade an Weihnachten auf keiner Tafel fehlen, sondern sind dazu noch ganz offiziell französisches Kulturgut!

Winterzeit ist Austernzeit! Dann sind sie reif, die glibbrigen und doch festen Meeresfrüchte, werden zu Tausenden von Tonnen geerntet, können ganz frisch in den kleinen Häfen der Region verkostet werden oder landen auf Millionen von Tellern in ganz Frankreich.
Luc Verlaine ist nicht nur leidenschaftlicher Austernesser, wie man leicht vermuten kann, sondern darüber hinaus der Sohn eines Austernfischers, verfügt also über profunde Kenntnisse dieses Metiers, die ihm bei seinen Ermittlungen nützlich sind. Der rechte Mann am rechten Ort also! Doch gerne hätte er darauf verzichtet, die an Pfählen festgebundenen Leichen von zwei jungen Männern finden zu müssen, als er eines frühen Morgens mit seinem Vater Alain auf einem Gendarmerieboot unterwegs ist, das allnächtlich im Bassin patrouilliert, um die kostbaren Meeresfrüchte vor den zahlreichen Austerndieben zu schützen, die den Züchtern erhebliche finanzielle Einbußen bescheren.
Die Väter der jungen Männer sind Austernzüchter wie Vater Alain, und letzterer begreift vielleicht als einziger wirklich die Tragweite ihres Todes für die hinterbliebenen Familien, denn gemäß der Tradition führen die Söhne das Geschäft der Austernzucht weiter - eigentlich, denn auch hier hat natürlich ein Bruch stattgefunden, wollen die Söhne sich nicht zwingenderweise mit der harten und nur für die Austernzüchter mit großen Pfründen wirklich einträglichen Profession ein Leben lang auseinandersetzen. Und ein solcher, der "Austernbaron" der Gegend nämlich, gerät sehr bald schon ins Visier der Kommissare, zu denen neben Verlaine auch sein komplizierter baskischer Kollege Etxeberria und die attraktive Anouk, die gleichzeitig die Frau ist, die Luc liebt, gehören. Jener reiche Mann, Chevalier mit Namen, hat, nachdem sein Vorschlag, mit Überwachungskameras das nächtliche Treiben im Bassin zu kontrollieren, abgelehnt wurde, nämlich höchstselbst dafür gesorgt, dass seine Austern nicht gestohlen werden, indem er einfach ein privates Sicherheitsteam des Nachts zu den Austerbänken schickt. War der Tod der beiden Jungen also eine Art Kollateralschaden?
Die Ermittlungen, im Zuge derer der Leser nicht nur gemeinsam mit Luc und seinen Kollegen die Hintergründe der Morde aufzudecken versucht, sondern während derer er auch so einiges erfährt über die wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen der Austernzucht, auf die der Klimawandel gravierende Auswirkungen hat, gestalten sich kompliziert und es dauert, bis Verlaine auf Umwegen endlich auf der richtigen Spur ist und zur Lösung des Rätsels findet, die allseits für Überraschung sorgen dürfte....

Noch ein Frankreichkrimi? Das mögen sich viele potentielle Leser des vorliegenden Romans fragen - denn in der Tat gibt es kaum ein Land, dessen Regionen so gründlich auf Kriminalebene durchforstet sind wie Frankreich. Und dann ist es auch schwer, etwas wirklich Neues zu schreiben oder aus altbekanntem Stoff etwas ganz Eigenes zu machen. Doch genau das ist Alexander Oetker mit seiner Reihe um den Bilderbuchfranzosen Luc gelungen! Nicht nur sind die drei Bände typische Länderkrimis, geben also immer wieder Informationen zu Land, Leuten und den vielfältigsten Genüssen, die deren Leben bietet, sind also im besten Sinne ein wenig wie Urlaub, sondern sind immer auch, so sagt der Autor selbst, als Reiseempfehlung zu verstehen.
Und richtig - denn wer hätte nach den durchaus etwas düsteren, vor allem aber - was ungewöhnlich für Bordeaux und Umgebung ist - verschneiten "Winteraustern" nicht Lust, sich unverzüglich auf den Weg ins Aquitaine zu machen, pflückfrische Austern mit dunklem Brot, gesalzener Butter und einem Glas Muscadet zu genießen, durch das geschichtsträchtige, kulturell wie kulinarisch spannende und ganz bezaubernde Bordeaux zu streifen oder die Dune du Pilat zu erklimmen?
Und dann sind es natürlich die Charaktere, die für sich einnehmen, ihr Agieren untereinander und der herzliche Umgang miteinander, das Zwischenmenschliche, dem Alexander Oetker viel Raum gewährt und das gleichwertig neben dem zu lösenden Kriminalfall steht.
Es ist dieser eine Art von Krimi, die ich mag, einer, von dem trotz des tragischen Hintergrundes eine Leichtigkeit ausgeht, die eben auch über einer in Frankreich spielenden Geschichte, gleich welchem Genre man sie zuordnet, schweben muss. Ja, der Autor, der dazu auch noch ein begabter Schreiber und Erzähler ist, was man längst nicht als selbstverständlich voraussetzen darf heutzutage, hat alles richtig gemacht! Seinen Roman zu lesen war buchstäblich ein Genuss für alle Sinne, von dem man gar nicht genug bekommen kann.
Einem weiteren Fall des Franzosen Luc Verlaine, des Bonvivant und Liebhaber alles Schönen, all dessen, das das Leben lebenswert macht, darf man hoffentlich mit Vergnügen und Vorfreude entgegenblicken!