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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.02.2025

Recht und Gerechtigkeit

Dunkle Momente
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Neun hoch interessante Rechtsfälle läßt uns die Autorin gemeinsam mit ihrer Protagonistin, der Strafverteidigerin Eva Herbergen, verfolgen. In fast jedem Fall geht es um den Tod eines oder mehrerer Menschen. ...

Neun hoch interessante Rechtsfälle läßt uns die Autorin gemeinsam mit ihrer Protagonistin, der Strafverteidigerin Eva Herbergen, verfolgen. In fast jedem Fall geht es um den Tod eines oder mehrerer Menschen. Zunächst scheint der Sachverhalt einfach und klar, doch jedes Mal dreht sich die Geschichte so, dass sie unerwartet oder überraschend endet. Das ist trotz aller Tragik unheimlich unterhaltsam. Geschickt sind die Rechtsfälle in das Leben der Strafverteidigerin verflochten, so dass die chronologische Abfolge absolut Sinn macht.

Geprägt sind die einzelnen Fälle durch die menschlichen Schicksale, die hinter den Taten stehen - sei es beim Opfer oder beim Täter. Zu Recht ist man immer wieder hin und her gerissen zwischen Recht und Gerechtigkeit und der Frage nach der Moral. Welche Handlungen sind Verstöße gegen unsere Regeln, gegen unsere Gesetze? Lösen sie Schuldgefühle aus oder halten wir diese Verstöße für gerechtfertigt nach unserem ganz persönlichen Rechtsempfinden?

In einem eher nüchternen Ton nimmt uns Eva Herbergen mit in ihre Welt, in der jede zur Mörderin und jeder zum Mörder werden kann, dazu braucht es nur einen kleinen dunklen Moment.

Ich habe den Roman wahnsinnig gern und schnell gelesen. Da möchte man fast nochmal Jura studieren. Viele haben das Buch mit den Romanen von Ferdinand von Schirach verglichen. Von ihm habe ich leider noch nichts gelesen, das wird sich aber bald ändern. Wie von Schirach ist auch die Autorin Elisa Hoven selbst Juristin. Als Professorin für Strafrecht und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof weiß sie definitiv, von was sie schreibt und das macht sie sehr leserfreundlich. Große Empfehlung.

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Veröffentlicht am 22.02.2025

Das Schweigen der Schwarzen Löcher

Portrait meiner Mutter mit Geistern
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Vier Frauengenerationen (am Ende kommt sogar noch eine weitere dazu), die wir durch das letzte Jahrhundert bis in die Gegenwart begleiten. Schicksalhaftes wird von einer Generation in die nächsten getragen, ...

Vier Frauengenerationen (am Ende kommt sogar noch eine weitere dazu), die wir durch das letzte Jahrhundert bis in die Gegenwart begleiten. Schicksalhaftes wird von einer Generation in die nächsten getragen, ohne die Fähigkeit, Worte dafür zu finden. Das (Ver-)Schweigen zieht sich als Motiv durch den ganzen Roman.

Raisa hat abenteuerliche Reisejahre hinter sich, als sich ihre Mutter Martha entschließt, in ihren kleinen Heimatort in Norddeutschland zurückzukehren, damit Raisa dort zur Schule gehen kann, Ende der 1980er Jahre. Aber Martha ist nicht glücklich. Sie ist ängstlich, verschlossen und ausweichend, wenn Raisa sie befragt. Sie hat eine Vergangenheit, die sie vergessen möchte.

Mit Martha und Raisa beginnt der Roman, um dann in zahlreichen Rückblenden, die nicht chronologisch angelegt sind, die Lebensgeschichten der Vorfahren hinzuzufügen. Die Frauen und ihre Schicksale stehen im Zentrum. Nur langsam erschließen sich die Zusammenhänge, vieles bleibt bis zum Schluss im Dunkeln oder wird nur angedeutet. Das wiederholt auftretende Motiv der Schwarzen Löcher greift hier besonders gut: Sie schlucken alles Licht und lassen nichts, was einmal in sie hineingefallen ist, wieder heraus. Es bleibt verschlossen, eingeschlossen, so wie die Traumata.

Das Buch ist ohne Frage eine Herausforderung, formal und inhaltlich. Ohne den beigefügten Stammbaum ist es gelegentlich schwer, den Überblick zu behalten. Wer hat nochmal was mit wem und wann erlebt? Es wiederholen sich Dinge, manchmal verschwimmen Teile, die man falsch zugeordnet hatte. Briefe werden geschrieben, Teile davon wieder durchgestrichen. Zettel werden in einer Steinmauer versteckt, die der Versuch sind, der Sprachlosigkeit zu entkommen. Die Autorin läßt bewusst einiges in der Schwebe. Das ist sehr kunstvoll gemacht, ebenso wie die verschiedenen Stimmen, die sie für die unterschiedlichen Figuren findet.

Die zahlreichen Figuren, unterschiedlichen Zeitebenen und -spünge, das nicht Auserzählte verhindern aber auch ein geschmeidiges Lesen. Ein eigenständiger und eigenwilliger Roman mit Ecken und Kanten, für den man sich Zeit nehmen muss.

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Veröffentlicht am 18.02.2025

Tod eines Politikers

Freunderlwirtschaft
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Der Titel verrät, um was es in diesem Krimi aus Österreich geht: Vetternwirtschaft in der Politik. Zunächst beginnt die Geschichte recht spannend mit dem Verschwinden der 17jährigen Maria. Zurück bleibt ...

Der Titel verrät, um was es in diesem Krimi aus Österreich geht: Vetternwirtschaft in der Politik. Zunächst beginnt die Geschichte recht spannend mit dem Verschwinden der 17jährigen Maria. Zurück bleibt ihre jüngere Schwester Alma, die sich Jahre später entscheidet, Polizistin zu werden. Und Alma Oberkofler von der Wiener Mordkommission ist es dann, die den Tod des jungdynamischen Ministers für Landwirtschaft und Tourismus aufklären muss.

In vielen kurzen Kapiteln wird die Geschichte des Ministers Max Langwieser und seiner Verlobten Jessica, der Hauptverdächtigen, erzählt. Wir erfahren in Rückblenden, wie sie es beide aus einem kleinen Dorf nach Wien und die Politik geschafft haben und begleiten Jessica, die sich vor der Polizei versteckt.

Mir fehlte hier vor allem Spannung. Die Handlung plätschert vor sich hin und auch die Figuren fand ich nicht besonders interessant. Vielleicht wirkt das Buch ganz anders, wenn man Parallelen zur wirklich Politiklandschaft in Österreich ziehen kann. Vermisst habe ich die Fortsetzung des Prologs, das war fesselnder als der Politikermord und seine Aufklärung.

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Veröffentlicht am 20.01.2025

Die Rückwärtsgewandte

Maman
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Die Autorin versucht eine Annäherung an ihre Mutter, die ihr oft unzugänglich erschien, die sie aber unbedingt lieben wollte. Die unklare Herkunft der Großmutter belastet die Autorin bis heute, war oft ...

Die Autorin versucht eine Annäherung an ihre Mutter, die ihr oft unzugänglich erschien, die sie aber unbedingt lieben wollte. Die unklare Herkunft der Großmutter belastet die Autorin bis heute, war oft Anlass für bösartige Bemerkungen in der Familie.

Die Großmutter starb 1916 bei der Geburt von Schenks Mutter Renée. Die Waise wird mit sieben Monaten an ein Bauernehepaar vermittelt, das auf das Geld der Fürsorge für die kleine Renée angewiesen ist. Aus wenigen Akteneinträgen muss sich Sylvie Schenk ein Bild über die frühen Jahre ihrer Mutter machen. Das Kind wird lieblos, mehr schlecht als recht erzogen und schließlich von der Fürsorge an eine wohlhabende Adoptivfamilie vermittelt; da ist Renée sechs Jahre alt. Die frühen Jahre haben das Kind geprägt, es hat Schwierigkeiten in der Schule, bleibt eher verschlossen und still. Renée heiratet einen Zahnarzt und wird sechsmal schwanger. Nun kann Sylvie Schenk auf eigene Erinnerungen und die ihrer Geschwister und Verwandten zurückgreifen, aber die Erinnerungen sind nicht bei allen gleich. Die jüngere Schwester beschreibt die Mutter als liebevoll und aufmerksam, sogar fröhlich. Ihr Verhalten hat sich bei den jüngeren Kindern geändert.

Sylvie Schenk sitzt ihr Mutter, Großmutter und anderen Personen im Nacken, schaut über ihre Schultern, überlegt, wie könnte es gewesen sein und versucht sich ein Bild zu machen, schlüpft in die Haut ihrer Mutter. Intensiv setzt sie sich mit den Gefühlen auseinander, versucht nachzuempfinden, Antworten zu finden. Das kann nicht immer gelingen. In vielen kurzen Kapiteln, eher Textabschnitten, begleiten wir diese oft schmerzhafte Suche.

Ich habe das schmale Büchlein (173 Seiten) sehr gerne und voller Anteilnahme gelesen. Es wird deutlich, wie sehr die Autorin von der Herkunft ihrer Mutter umgetrieben wird, die auch ihre eigene Herkunft ist.

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Veröffentlicht am 20.01.2025

Mut zur Hässlichkeit

Spitzweg
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Diese Bemerkungen der Kunstlehrerin zum Selbstporträt ihrer Schülerin Kirsten sorgt dafür, dass das Mädchen aus dem Klassenraum flieht. Es ist der Beginn der Handlung gleichzeitig einer Idee, die der Ich-Erzähler ...

Diese Bemerkungen der Kunstlehrerin zum Selbstporträt ihrer Schülerin Kirsten sorgt dafür, dass das Mädchen aus dem Klassenraum flieht. Es ist der Beginn der Handlung gleichzeitig einer Idee, die der Ich-Erzähler und sein neuer Mitschüler Carl aushecken, um der Lehrerin ihr Fehlverhalten vor Augen zu führen.

Dieser Roman ist weniger die Geschichte dieser Idee und ihrer Umsetzung, die an sich schon ganz putzig ist, es ist vielmehr ein Gesamtkunstwerk. Vor allem die Sprache hat es mir angetan, sie ist herrlich und man kann sie nicht treffender beschreiben, als der Ich-Erzähler, der uns seinen Namen nie verrät, seinen neuen Freund Carl beschreibt: "Er war wirklich jemand, der im vorteilhaftesten Sinn aus der Zeit gefallen war und sich in fast allem völlig von der unheldenhaften Gegenwart abhob, die er, so war ich mir sicher, genauso verachtet wie ich." (S. 158) Dieser gekonnte Mix aus Archaismen und moderner Sprache, einer gelegentlich für mich etwas märchenhaft anmutenden, jedoch liebevoll - buchstäblich - in die Kunstwelt hineininszenierten Handlung, hat mich total gefangengenommen. Es gibt mehrer Bildbeschreibungen, die Carl höchst kompetent vorträgt und die absolute Lust machen, sich mit Spitzweg eingehender zu beschäftigen. "Denn das konnte Carl wie keiner sonst: diesen Ton treffen, der ein Kunstwerk immer erst einmal gegen seine vermeintlichen Gegner, die Betrachter, zu verteidigen versucht, als stünde es vor Gericht. Aber dann die Bildbeschreibung wie ein Plädoyer verlautbaren, das eine angewidert dreinblickende Bank von Geschmacksgeschworenen von der zweifelsfreien Unschuld des grundlos angeklagten Mandanten zu überzeugen vermag." (S. 244)

Ein Roman, der mir wirklich Spaß gemacht hat und den ich gerne weiterempfehle an alle, die Freude an Sprache haben. Wer sich dann noch für Kunst interessiert, kann mit diesem Buch nichts falsch machen.

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