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Veröffentlicht am 15.11.2022

Ein spannendes Märchen für jüngere LeserInnen

Luzies Märchen
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Inhalt:


Als das neueste Thema der Schreibwerkstatt, „Märchenhafte Geschichten“, verkündet wird, ist Luzie begeistert. Sie liebt orientalische Märchen und möchte unbedingt eines davon auf Papier bringen. ...

Inhalt:


Als das neueste Thema der Schreibwerkstatt, „Märchenhafte Geschichten“, verkündet wird, ist Luzie begeistert. Sie liebt orientalische Märchen und möchte unbedingt eines davon auf Papier bringen. Frieda, Luzies Freundin, hingegen schreibt eher ungern. Ihre Leidenschaft gilt dem Zeichnen. So überlegen sich die beiden Mädchen, dass Frieda ja auch Luzies Geschichte illustrieren könnte.

Eine gute Geschichte braucht auch ein gutes Schreibheft. Und so kommt es, dass Luzie und Frieda an diesem Nachmittag dem kleinen Lädchen „Geschenke und Schreibwaren“ einen Besuch abstatten. Hier arbeitet die Mutter von Friedas Schulpatenkind Elias, Jasmina. Sie wird bestimmt bei der Auswahl helfen können.

Im Laden findet Frieda auch bald, was sie sucht. Darüber hinaus entdecken die beiden Mädchen aber auch noch eine Vitrine mit Schmuckstücken. Und mitten darin liegt ein großer Anhänger mit einem bunt leuchtendem Skarabäusanhänger.

Amir, Jasminas zweiter Sohn, zögert nicht lange. Er holt den Anhänger aus dem Glaskasten und legt ihm Frieda um. Gerade, als sich Frieda im Spiegel bewundert, kommt Jasmina mit selbstgebackenen Keksen daher. Die Kinder bekommen natürlich welche angeboten. Kaum hat Luzie einen Biss genommen, wird ihr plötzlich schwindelig und dann geht alles ganz schnell. Der Teppich, auf dem Amir, Elias, Luzie, Frieda und die Katze Samira gerade stehen, beginnt zu vibrieren und wenig später hebt er sogar vom Boden ab!

Die Kinder nebst Katze befinden sich bald darauf auf dem Weg in das größte Abenteuer ihres Lebens. Es scheint, als würde sich Luzies und Friedas Geschichte wie von selbst schreiben, denn wenig später befinden sie sich ganz weit über der Stadt. Die Radwege, die es hier geben sollte, sind nicht mehr zu sehen. Stattdessen entdecken die Kinder ein Schiff auf einem Fluss, das von Arbeitern mit Tauen flussaufwärts gezogen wird. Auf den Straßen fahren Pferdekutschen anstatt Autos. Sind sie gerade mitten in der Vergangenheit gelandet?

Der Teppich landet erst einige Zeit später. Sein Ziel ist ein Marktplatz, in einer Welt mit orientalischem Flair. Ein Junge namens Mo empfängt Luzie, Frieda und ihre Freunde. Mo ist ganz aufgeregt. Denn vor Kurzem ist etwas ganz Schreckliches passiert. Die Kinder des Sultans sind mitten in der Märchenstunde des Geschichtenerzählers verschwunden. Eine Prophezeihung besagt, dass Kinder kommen würden, die in der Lage sind, das Wasser zu finden und alles zum Guten zu wenden.

Luzie, Frieda und ihre Freunde zögern nicht lange. Sie machen sich auf den Weg in den Palast, um das Rätsel zu lösen.

Wird es ihnen gelingen das Wasser zu finden und die beiden Kinder des Sultans zurück in den Palast zu bringen?



Meinung:


Anna Reiz schreibt mit „Luzies Märchen – von den ungeschriebenen Seiten“ den ersten Band einer fantastischen und abenteuerlichen Reise auf einem fliegenden Teppich. Im Mittelpunkt ihrer Geschichte stehen die beiden Mädchen Luzie und Frieda, die eigentlich nur auf der Suche nach einem Heft für ein Schreibprojekt waren und von einem Moment auf den anderen mitten im größten Abenteuer ihres Lebens stecken.

Dieses kleine Büchlein für Kinder ab acht umfasst lediglich 136 Seiten. Anna Reiz gelingt es ohne Hektik ein Märchen zu erzählen, das einen für kurze Zeit aus dem Alltag und mitten hinein in eine orientalische Welt katapultiert.

Jede Seite dieses Buchs ist ein kleines Abenteuer. Denn kaum sind die Kinder auf dem Marktplatz gelandet, werden sie vor eine große Aufgabe gestellt. Sie machen sich auf den Weg zum Palast, um das Rätsel rund um die verschwundenen Kinder des Sultans und das Wasser zu lösen und stoßen schon bald auf weitere offene Fragen. Denn der Palast sieht irgendwie genauso aus, wie auf Friedas zuletzt gezeichnetem Bild. Zudem gibt es auch eine Geschichte rund um den Skarabäusanhänger und natürlich wollen Luzie, Frieda, Elias und Amir auch dem Geschichtenerzähler helfen, der für seine Tat ins Verlies gewandert ist.

Nicht selten frage ich mich beim Lesen von Kinderbüchern, ob manche Szenen nicht zu brutal für die Zielgruppe sein könnten. Bei „Luzies Märchen“ stellte ich mir diese Frage nicht einmal. Anna Reiss Markenzeichen ist ein gut lesbarer Stil, der gekonnt eine überschaubare Handlungen in Szene setzt und immer wieder skurrile Figuren, wie sprechende Mäuse, Feen oder Dschinn, zuführt.
Diese werden aber allesamt sympathisch und nie gruselig dargestellt.

Untermalt wird die Geschichte von Anna Reiss mit fantasievollen Schwarz-weiß-Zeichnungen von Sabine Marie Körfgen, die vom Stil her dem Bild auf dem Cover ähneln.



Fazit:


„Luzies Märchen – von den ungeschriebenen Seiten“ von Anna Reiss richtet sich an ein überwiegend junges Publikum. Dieses wird von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten. Anna Reiss ist eine kunstfertige Erzählerin. Nie brutal, schadenfroh oder reißerisch. Sie führt ihre Rätsel auf eine nachvollziehbar rationale Art vor. Diese werden zu einem Puzzlespiel und führen immer tiefer in ihre interessante, lebendige Welt.

Begleitet wird dieses 136 Seiten umfassende Büchlein von Schwarz-Weiß-Bildern der Illustratorin Sabine Marie Körfgen, die die Geschichte lebendig werden lassen.

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Veröffentlicht am 18.10.2022

Verspricht eine Menge Spaß

Dein verrücktes Zeichenbuch – Draw me ... fruity, slimy, shiny, planty – Von YouTuberin Foxy Draws
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Inhalt:

Wer kennt das nicht: Man würde ja so gerne mal wieder ein wenig kreativ werden. Doch irgendwie fehlen die Ideen für ein passendes Projekt. Und damit sinkt die Motivation zu Stift und Papier zu ...

Inhalt:

Wer kennt das nicht: Man würde ja so gerne mal wieder ein wenig kreativ werden. Doch irgendwie fehlen die Ideen für ein passendes Projekt. Und damit sinkt die Motivation zu Stift und Papier zu greifen doch gleich wieder schlagartig.

Foxy Draws wurde schon oft von ihren Followern gefragt, woher sie die Inspirationen für ihre Zeichnungen nimmt. Die Autorin hat dafür ein Geheimrezept, dass sie in ihrem Buch, „Dein verrücktes Zeichenbuch – Draw me ... fruity, slimy, shiny, planty“, gerne weitergibt. Und das lautet: Addiere deine kreativen Ideen.

Was genau hinter diesem Satz steckt und wie die Umsetzung dieser Kreativformel spielend leicht gelingt, das erfährt der Leser bereits auf den ersten zwei Seiten des Buches. Nimm dir eine Malvorlage, kombiniere sie mit einem Begriff und heraus kommt eine kreative Malidee.

Damit ein niedrigschwelliger Einstieg ins Projekt gelingt, hat Foxy Draws gleich zu Anfang ihres Buches eine große Auswahl an Begriffen zusammengestellt. Im Buch selbst finden sich allerhand Malvorlagen, die man kopieren, abzeichnen oder auch direkt im Buch verwenden kann.

Bevor es losgeht, verrät die Autorin auf einer Seite ein paar Tipps für Schattierungen, die einem Bild mehr Tiefe verleihen und es somit lebendiger wirken lassen können.

Und dann heißt es auch schon zu Stift und Buch bzw. Papier greifen. Kombiniere z.B. die Vorlage „Ahornblatt“ mit dem Begriff „fruity“. Hier kann man kreativ werden oder sich an die Anleitung der Autorin halten. Heraus könnte, wie bei Foxy Draws Beispiel ein Ahornblatt mit Kiwimusterung kommen.

Eigene Meinung:

Bereits das Cover des Buches gibt dem Leser schon einen kleinen Einblick in die Projekte, die den Leser des Buches auf den folgenden Seiten erwarten. Das Prinzip von Foxy Draws zwei Elemente, nämlich eine Malvorlage mit einem willkürlich ausgewähltem Begriff zu kombinieren, und dadurch die Kreativität in Gang zu setzen und ziemlich verrückte Bilder zu erschaffen, hat mir vom ersten Moment an sehr gefallen.

Wer schon einmal kreativ tätig war, der weiß, dass eines besonders wichtig ist, um Projekte umzusetzen, die zu begeistern wissen: Spaß an der Sache. Und den bekommt der Leser von der ersten Seite an gleich mitgeliefert. Denn die Autorin lässt dem Leser immer genügend Spielraum für die Umsetzung eigener Ideen.

Die Begriffe im Buch kann man ausschneiden. Die Autorin empfiehlt, sich sodann ein Glas zu nehmen und die Zettelchen hineinzugeben. So kann man für jedes Projekt einen Zufallsbegriff ziehen und bekommt immer wieder neue Ideen für neue Projekte geliefert.

Näheres zu den Begriffen und Malvorlagen:

Die Begriffe sind hier in zwei Sprachen abgebildet. Auf der einen Seite in englisch. Dreht man den Zettel um, findet man die deutsche Übersetzung. Beispiele: Checkerty, festively, dreamy, fruity, icy, birdly ... (kariert, festlich, verträumt, fruchtig, eisig, wie ein Vogel …)

Die Malvorlagen enthalten viele einfache Buchstabenformen und darüber hinaus interessante Motive wie eine Torte, ein Haus, einen Kürbis, einen Fotoapparat, einen Globus, einen Stuhl, eine Kaffeekanne u.v.m..

Zwar gibt es hier eine reichliche Auswahl an Motiven, doch hätte ich mir dennoch gewünscht, dass weniger Buchstaben und dafür noch mehr Motive abgebildet worden wären. Zumal die Form der Buchstaben sehr simpel gehalten und auch einfach über ein Schreibprogramm am PC abrufbar gewesen wären.

Was mir sehr gefallen hat, ist, dass die Autorin hier nicht vorgibt, mit welchen Materialien und auf welchem Papier man zeichnen muss. Der kreative Leser ist, was die Umsetzung betrifft, in vielerlei Hinsicht frei. So kann er direkt ins Buch zeichnen, Filz-, Bunt-, Aquarellstifte oder einen Farbkasten benutzen. Sollte er sich dafür entscheiden direkt ins Buch zu zeichnen, so findet er am Ende auch noch drei Seiten, auf denen er testen kann, ob die Farben bzw. Stifte durch das Papier durchdrücken.

Die Projekte sind so aufgebaut, dass der Leser als erstes das fertige Motiv sieht. Danach folgt eine sehr kurz gehaltene, bebilderte Schritt-für-Schritt-Anleitung. Und dann kommt auch schon die Malvorlage für den Selbstversuch. Anschließend findet der Leser immer noch einige weitere Vorlagen, die er – ganz nach Belieben – mit dem Begriff des aktuellen Projekts oder mit einem neuen Begriff aus dem Zufallsglas kombinieren kann.

Fazit:

„Dein verrücktes Zeichenbuch – Draw me ... fruity, slimy, shiny, planty“ von Foxy Draws ist nicht nur ein Buch über Kreativitätstechniken und Braintools, sondern verspricht von der ersten Seite an eine Menge Spaß und Ideen für verrückte, kreative Projekte.

Das Buch rät dazu, Projekte verspielt und zunächst mit ungehemmter Kreativität zu beginnen. Zeit, Ideen auf ihre Tauglichkeit zu prüfen, in eine Bewertungsphase einzutreten sowie berechtigte Selbstkritik anzubringen, bleibt in der Folge noch genug. Stets gilt es aber Ideenkiller zu vermeiden.

Was die Umsetzung betrifft, so variieren die Projekte im Schwierigkeitsgrad. Zum entsprechenden Schwierigkeitsgrad gibt es vorweg keine Hinweise der Autorin. Das muss man schon selbst herausfinden. Etwas schade fand ich, dass die fertigen Bilder computergeneriert aussehen. Die sind schön anzusehen, aber schwer nachzumachen. Eine hohe Erwartungshaltung birgt aber bekanntlich das Risiko der Enttäuschung.

Das Buch ist ein Impulsgeber, der unvorhergesehene Lösungen aus den Köpfen der Kreativen herauskitzelt und sie auf neue Wege führt.

Das Werk eignet sich meines Erachtens auch hervorragend als Geschenk für Jugendliche und junggebliebene Erwachsene.

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Veröffentlicht am 13.09.2022

Buchreihe für SciFi-Fans

Aurora erleuchtet
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Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler zu den Vorbänden

Inhalt:


Scarlett, Finian und Zila sind verwirrt. Befanden sie sich eben nicht noch in einer großen Schlacht? Merkwürdig ist auch, dass die Planeten ...

Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler zu den Vorbänden

Inhalt:


Scarlett, Finian und Zila sind verwirrt. Befanden sie sich eben nicht noch in einer großen Schlacht? Merkwürdig ist auch, dass die Planeten des Sonnensystems plötzlich verschwunden sind. Nirgendwo kann man auch nur noch einen einzigen Stern erkennen. Es herrscht vollkommene Dunkelheit.

Kaum sind sich die Freunde darüber bewusst geworden, dass sie dem Tod nochmal von der Schippe gesprungen sind, da sehen sie auch schon eine Rakete auf sich zukommen. Haben die drei überlebt, um jetzt sterben zu müssen?

Während Scarlett, Finian und Zila also dem Tod erneut ins Auge blicken müssen, befindet sich Tyler an einem ganz anderen Ort (und in einer ganz anderen Zeit). Vage erinnert sich der Anführer des Squad 312 an einen Kampf und daran, dass der „Sternentöter“ (Saediis und Kals Vater) vom Erdboden verschluckt schien und mit ihm die Waffe, die Aurora hätte helfen können, das Ra'haam zu besiegen. Nachdem Tyler wieder voll bei Sinnen ist, muss er feststellen, dass er sich auf einem fremden Schiff in der Gefangenschaft der Ungebrochenen befindet. Deren Anführerin ist keine andere andere als Saedii und die genießt es doch ein wenig zu sehr, das Kommando zu haben …

Aurora und Kal vagabundieren derweil durch Raum und Zeit. Sie müssen feststellen, dass sie irgendwie in die Zukunft gelangt sind. Hier gibt es eine ältere Version von Tyler – was erst mal stark gewöhnungsbedürftig ist - und irgendwie hat es das Ra'haam hier geschafft, die Herrschaft zu übernehmen.



Meinung:


Dieser Band, das sind die Leser von Jay Kristoff und Amie Kaufman vermutlich längst gewohnt, setzt die geheimnisvolle Geschichte um die Protagonisten nicht nur unterhaltsam und spannend fort, sondern weckt auch Interesse für die Philosophie hinter der Geschichte, ohne belehrend zu sein.

Nach der großen Schlacht am Ende des zweiten Bandes bestand nur noch wenig Hoffnung für das Squad 312. Im dritten Band müssen die Freunde feststellen, dass die hoffnungslose Situation, in der sie sich befanden, nicht besser geworden ist. Verbunden mit dem ungläubigen Staunen über das Phänomen, noch am Leben zu sein.

Denn nur einer der Gruppe ist – zumindest mit einer Version seiner selbst – in der Gegenwart verblieben. Nämlich Tyler. Er befindet sich jedoch in Gefangenschaft einer Gruppe Syldrathi, die unter der Führung der Tochter des Sternentöters, Saedii, stehen. Und die ist, das wissen Leser der Reihe, herrschsüchtig, brutal und autoritär. Ein falsches Wort, ja, eigentlich nur ein falscher Blick genügen, damit sie ihre Aggressionen auslebt.
Und wäre das nicht alles schon schwierig genug, so muss Tyler der Tatsache ins Auge blicken, dass seine geliebte Aurora Academy kurz davor ist, dem Ra'haam zum Opfer zu fallen.

Der Rest des Squads wurde in der Zeit verstreut. So befinden sich Scarlett, Finian und Zila in der Zukunft. Der verkleinerte Trupp muss schon bald feststellen, dass er mitten in einer Zeitschleife gefangen ist. Eine Zeitschleife, an deren Ende stets der Tod steht. Ihre Aufgabe besteht also zum einen darin zu überleben und gleichzeitig nicht die Wirklichkeit zu verändern, um keine neue Realität herzustellen.

Aurora und Kal haben es derweil mit einer dystopischen Zukunft zu tun. Nicht nur, dass die Waffe, die das Ra'haam hätte besiegen können, verschollen ist. Auch bekommen sie es bald schon mit dem verschollen geglaubten Despoten Caersan (dem Sternentöter) zu tun.

Der Anfang des Buches focussiert auf Zila, Scarlett und Finian. Die sich hierbei wiederholende Zeitschleife zeigt den Weg zur Meisterschaft schwarzhumoriger Erzählkunst.



Fazit:


Wer das Team des Squad 312 in den Vorbänden ins Herz geschlossen hat, weiß spannende, unterhaltsame und interessante Charaktere zu schätzen. Hinzu kommen im jüngsten Band vor allem die Schauwerte des Romans: Imposante Zerstörungsorgien, komplexe Helden und ein unüberschaubares Katastrophenszenario. Geschickt und routiniert baut das Autorenduo auch im dritten Band die Spannung auf und entwickelt mit großem Gespür für die Psychodynamik der Figuren das Tableau einer extrem komplexen Welt.

„Aurora erleuchtet“ reiht sich in den Kontext einer außergewöhnlichen Buchreihe ein, die ich jedem ans Herz legen kann.




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Veröffentlicht am 23.08.2022

Eine Geschichte über ein Tabuthema

Point of View
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Inhalt:

Als Lucas eines Morgens nach dem Aufwachen zum Handy greift und dieses nicht mehr funktioniert, gerät er in Panik. Der Laptop zeigt nur noch ein blinkendes Fragezeichen an. Beide Geräte sind, ...

Inhalt:

Als Lucas eines Morgens nach dem Aufwachen zum Handy greift und dieses nicht mehr funktioniert, gerät er in Panik. Der Laptop zeigt nur noch ein blinkendes Fragezeichen an. Beide Geräte sind, das wird Lucas schnell klar, von einem Virus befallen. Warum, das kann er sich erklären.

Als Lucas Vater von den funktionsunfähigen Geräten erfährt, lässt er nicht lange mit sich handeln. Handy und Laptop soll sich sein Kollege Jérôme anschauen. Sébastien arbeitet in einer Computerfirma, dort hat man Ahnung. Das Problem wird vermutlich schnell gelöst sein.

Durch das,was Sébastien jedoch kurze Zeit später erfährt, droht er vollends den Boden unter den Füßen zu verlieren. Jérôme zeigt ihm ein Foto seines Sohnes, das diesen vollkommen rasiert, mit Öl eingerieben abbildet. Ob Lucas Opfer eines Pädophilen geworden ist? Sébastien wird schnell von seinem Kollegen und langjährigem Freund beruhigt. Denn der zwar sorgfältig gelöschte, aber für Jérôme noch zugängliche Browserverlauf zeigt, dass Lucas alleine in einer Nacht über 140 Pornos angeschaut hat. Lucas ist pornosüchtig.

Lucas Zensuren sind unterdessen immer schlechter geworden. Die Lehrer berichten davon, dass er mitten im Unterricht einschläft. Er isst ungesund und zu viel, hat stark zugenommen und interessiert sich kaum noch für seine Körperhygiene. Er hat keine Freunde, sitzt nur noch zu Hause in seinem Zimmer und schläft zu wenig. Ist all dies seiner Pornosucht geschuldet? Sébastien scheut das Gespräch mit dem Sohn. Aber es scheint wohl unvermeidbar.



Meinung:

Patrick Bard spricht mit seinem Roman, „Point of View – Wenn du nicht wegschauen kannst“, kein leichtes Thema an, soviel steht fest. Völlig unverblümt, offen und unverstellt nähert sie sich Themen, die für die meisten mit Tabus behaftet sind. Lucas ist pornosüchtig. Mit elf Jahren hat er sich illegal Filme und Serien auf den PC geladen und ist dabei durch ein Pop-Up auf seinen ersten Pornofilm aufmerksam geworden. Vielleicht war es die Neugierde, die ihn weitergeführt hat. Mit vierzehn Jahren zeigt er bereits signifikantes Suchtverhalten.

Immer auf der Suche nach dem einen Mädchen mit dem bestimmten Merkmal, klickt er sich von einem Video zum nächsten. Er hat bereits tausende Pornos gesehen. Er kennt mittlerweile Praktiken, die er in seinem Alter nicht kennen sollte. Es gibt Filme zum Thema Cosplay, die ihn aktuell sehr beschäftigen. Da sieht man Wonder Woman, Vampire, Zombies oder Androide beim Akt. Es fallen Worte, die Lucas anfangs vielleicht noch nichts sagten. Also klickt er auf den Link.
Das zentrale eskalierende Moment in seiner Sucht. Das Buch nimmt sich das Recht, dabei auf Triggerwarnungen zu verzichten. Hier fragte ich mich, ob die Altersempfehlung, ab 14 Jahren, angemessen ist. Denn natürlich ist man auch als Leser/in neugierig. Wie schnell ist so ein Wort gegoogelt?

Jugendbücher sollen den Erfahrungshorizont der Gegenwart abbilden. Das tut Patrick Bard mit seinem Buch, das steht fest. Denn Lucas durchlebt seinen persönlichen Albtraum. Durch das Schauen von Pornofilmen findet er eine innere Sicherheit, eine Routine. Er kommt zur Ruhe. Ohne diese Filme findet er nicht mehr in den Schlaf. Ihm fehlt etwas. Er fühlt sich leer, einsam und unsicher. Der Autor stellt hier sehr gut dar, was eine Sucht bewirken kann. Daraus auszubrechen ist nicht einfach. Für Lucas ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

Lucas benötigt die Hilfe seiner Eltern. Doch die Mutter leidet unter Depressionen und findet kaum Kraft den eigenen Alltag zu bewältigen. Der Vater ist resolut, er kämpft sich für seine Familie durch den Alltag. Das zusätzliche Problem ist eine Last für Sébastien. Ein Gespräch mit dem Sohn ist für ihn keine einfache Sache. Stellenweise greift Patrick Bard die Perspektive von Lucas Vater auf, was hilft, sich auch in dessen Perspektive zu versetzen. Sicher macht Sébastien auch Fehler, doch diese bleiben für den Leser nachvollziehbar.

Die Pornos prägen Lucas sexuelles Wissen, seine sexuelle Praxis und vor allem seine sexuelle Imagination. Sein erster Kontakt zu einem Mädchen verläuft nach dem game plan, den er durch die Videos vermittelt bekommen hat. Das mag auf den Leser schockierend und vielleicht auch kurzzeitig amüsant wirken. Lucas jedoch versteht die Welt nicht mehr. Er wird abgewiesen, ausgelacht und noch weiter ausgegrenzt. Und das ist vermutlich noch ein relativ harmloser Verlauf der Dinge, im Vergleich zu dem, was wohl passiert wäre, hätte das Mädchen, dem er ein Nacktfoto von sich schickt, dieses vielleicht noch im Internet geteilt.

Patrick Bard erzählt aber nicht nur von Lucas Sucht und den Auswirkungen dieser auf sein gesamtes Leben. Der Autor setzt zu dem Zeitpunkt an, in dem Lucas Suchtverhalten von seinen Eltern entdeckt wird. Psychologisch akkurat wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei Zeitsprünge und Perspektivwechsel die Spannung erhöhen.

Gelegentlich werden kurze Blicke in die Zukunft eingeworfen. Beispielsweise wie sich Sébastien vor einem Richter wiederfindet, der ihn damit konfrontiert, dass er nicht gleich einen Therapeuten aufgesucht hat. Das macht neugierig.

Patrick Bard berichtet bis zu dem Zeitpunkt, als Lucas Sucht ein Ende findet. Und das in einem Buch, das lediglich 224 Seiten umfasst. Die Erzähl-Dynamik ist also hoch. Manchmal ging es mir persönlich aber ein wenig zu schnell.



Fazit:

Patrick Bards Romane wurden mehrfach ausgezeichnet. Bereits auf den ersten Seiten von Point of View ahnt man warum. In diesem Buch geht es um einen Jungen, der auf einen Link klickt und nach und nach in die Pornosucht abgleitet. Es erzählt von der Erotisierung einer Kindheit. Von Gewalt- und Pornographie-Darstellungen, die Ängste auslösen und mittelfristig zu Abstumpfung und Empathieverlust führen.

Dass der Leser, auch wenn es sich um einen Roman handelt, viel über extreme Pornografie lernen kann, wird schnell klar. Es ist sicherlich immer ein Balanceakt bei solchen Büchern. Eine kleine Triggerwarnung wäre aber sicherlich angezeigt gewesen.

Dennoch ist dieses Buch eine Bereicherung im Bereich Jugendbuch, zumal Pornosucht noch immer zu den absoluten Tabuthemen gehört.

Das Buch ist sicherlich ein Instrument der Reflektion und der Erkenntnis. Junge Menschen sollten dabei aber begleitet werden.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Eine sehr bewegende Geschichte

Mein letzter Livestream – und alle schauen zu
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Inhalt:

Butter war schon immer übergewichtig. Mittlerweile wiegt er 423 Pfund. In der Schule ist sein Gewicht der sprichwörtliche rosa Elefant im Raum. Butter spürt die Blicke, wenn er einen falschen ...

Inhalt:

Butter war schon immer übergewichtig. Mittlerweile wiegt er 423 Pfund. In der Schule ist sein Gewicht der sprichwörtliche rosa Elefant im Raum. Butter spürt die Blicke, wenn er einen falschen Schritt macht, wenn er nur den Mund öffnet, um irgendwas zu sagen. Ein kleiner Fehler und er steht im Mittelpunkt. Etwas, was Butter unbedingt vermeiden möchte. In der Mensa hat er seinen eigenen Tisch und seine eigene Bank, da die übrigen Stühle sein Körpergewicht nicht tragen. Hier sitzt er alleine. Ein Behindertenparkplatz soll ihm den Weg zur Schule möglichst angenehm machen. Denn längere Strecken zu laufen, stellt eine große körperliche Herausforderung für ihn da.

Nach der Schule ist Butters Leben ebenso trostlos. Seine Mutter gibt zwar ihr Bestes, um die Situation irgendwie im Griff zu behalten. Doch viel zu oft scheint sie überfordert. Schlimmer ist Butters Vater, der seinen Sohn aufgegeben hat und ihn mit Schweigen und missbilligenden Blicken straft. Und dann gibt es noch Butters Arzt, der mit Enthusiasmus an ihn glaubt, aber nicht in der Lage ist, dem Jungen Mut zu machen, da es scheinbar keinerlei Fortschritte auf der Waage zu geben scheint.

Es gibt nur eine Person, die Butter Trost spendet. Und das ist Anna. Das Mädchen aus der Schule, mit dem er Abends gerne chattet. Doch Anna weiß nicht, wer Butter wirklich ist. Sie hofft auf ein erstes Treffen mit dem Jungen ihrer Träume. Butter hingegen tut alles, um dieses zu vermeiden. Denn er weiß, wenn Anna wüsste, wer hinter seinem Pseudonym steckt, dann würde er die einzige Person verlieren, die ihm wirklich wichtig ist.

Das Leben ist für Butter ein wahrer Hindernislauf. Sein Alltag ist deprimierend, ja demütigend.

So geschieht es an einem Abend, mitten in der Nacht, als Butter einen folgenschweren Entschluss fasst. Nicht einmal eine Viertelstunde dauert es, bis er am Computer eine Website erstellt hat. Und diese trägt den Titel „ButtersLastMeal.com“. Butters Finger huschen über die Tastatur, während er die ersten Worte tippt. Er kündigt an, dass er am 31. Dezember auf dieser Seite einen Livestream zeigen wird. Einen Livestream, in dem er sich zu Tode essen wird.

Am nächsten Morgen, als Butter erwacht, erhofft er sich eine Veränderung. Diese beginnt auch schon am Frühstückstisch. Denn seit langem hat er keinen wirklichen Hunger.

Erst in der Schule wird klar, dass die E-Mail eine Wasserscheide war. Denn plötzlich wird er von den Mitschülern angesprochen. Sie gratulieren ihm, schenken ihm ihre Aufmerksamkeit. Plötzlich stehen sie ihm scheinbar positiv gegenüber. Sogar die Freunde von Butters ärgstem Feind wollen ihn plötzlich an ihrem Tisch sitzen haben und laden ihn zu einer gemeinsamen Veranstaltung ein.

Butter stellt fest, dass er über Nacht siebenundzwanzig Kommentare auf seiner Website erhalten hat. All diese Kommentare fordern ihn auf, sein Projekt fortzusetzen.

Allmählich merkt Butter, dass es nur einen Weg für ihn gibt: Sein Projekt durchzuziehen. Bis zum point of no return möchte er die neu gewonnene Aufmerksamkeit in vollen Zügen genießen.



Meinung:

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist die Neuauflage des Buches „Butter“, das auch verfilmt wurde. Ich habe zuvor weder das Buch gelesen, noch den Film gesehen.

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist kein leichtes Buch, das verrät bereits der Klappentext. Die Autorin Erin Jade Lange greift hier schwere Themen wie Binge Eating, Mobbing, Suizidgedanken, Bodyshaming und Sensationsgier auf. Auch, wenn das Buch nicht mit leicht zugänglichen Typisierungen zur Identifikation auffordert, so ging mir diese Geschichte nahe. Wer in seinem Leben Bezug zu den obengenannten Themen sieht, sollte sich überlegen, ob er zu dem Buch greift.

Erin Jade Lange erzählt in ihrem Buch von einem Jungen namens Butter, der Zeit seines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen hatte. Butter hat mittlerweile die Hoffnung aufgegeben, jemals ein „normales“ Leben führen zu können. Zwar gibt es einige Menschen, die ihm positiv zugetan sind, jedoch hilft ihm das nicht über die Einsamkeit und über den Frust hinweg, dem er tagtäglich ausgesetzt ist.

Es gibt z.B. Tucker, diesen Jungen, der ebenfalls übergewichtig war und der mittlerweile durch harte Disziplin und Besuche in einem speziellen Camp für Übergewichtige abgenommen hat. Tucker spricht Butter gut zu. Er versucht ihn zu motivieren. Doch die Ziele, die Tucker erreicht hat, liegen für Butter einfach viel zu weit weg, um sie anzusteuern. Dann gibt es den Professor an der Schule, der Butters Leidenschaft fürs Saxophonspielen unterstützen und ihn fördern möchte. Doch Butter hat einfach zu viel Angst, dass seine Leidenschaft eine Konfrontation mit Publikum nicht überstehen würde. Und es gibt Anna, das Mädchen, mit dem Butter nächtelang chattet. Doch auch diese Beziehung ist mehr als fragil. Wüsste Anna, wer er wirklich ist, dann wäre, seiner Meinung nach, Schluss. Denn in der Schule würdigt sie ihn nicht eines Blickes.

An der Schule gibt es dann noch diese Gruppe von Jungs. Einer davon ist Butters größter Widersacher. Jeremy, der ihm einst seinen Spitznamen verpasst hat. Jeder von ihnen ist stets gewillt, sich über Butter lustig zu machen. Jeder von ihnen hofft darauf, dass etwas passiert, was ihr Leben aufregender machen würde. Kein Wunder, dass Butter ab dem Zeitpunkt, an dem er seine Website erstellt, ihre volle Aufmerksamkeit erhält.

Es ist schockierend zu beobachten, wie fragil Butters Leben doch ist. Der Junge, der eigentlich von seiner Statur her furchteinflößend wirken könnte, trägt ein sehr weiches und gutes Herz in der Brust. Butter weiß, dass zu hohes Gewicht nicht nur optische, sondern auch gesundheitliche Probleme mit sich bringt. So leidet er z.B. unter Diabetes. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist sehr hoch. Hinzu kommt, dass seine Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Eine kleine Drehung, eine längere Wegstrecke zurücklegen - all das ist für Butter ein großes Problem. Und als wäre das nicht alles schon schlimm genug, ist er fest davon überzeugt, den Status als Paria der Schule übergewichtig nicht verlassen zu können.

Erin Jade Lange realistisches Werk offenbart das manchmal misanthropische Wesen junger Menschen. Denn ab dem Moment, in dem Butter einen folgenschweren Entschluss fasst, nämlich sein Leben zu beenden, erhält er endlich Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, nach der er sich lange gesehnt hat. Seine Mitschüler sehen ihn. Sie sind „nett“ zu ihm. Doch sie zeigen ihm auch bald, dass diese Nettigkeit eben auch ein Preisschild trägt. Denn Butter soll ihr Leben interessanter machen. Er soll ihnen die Langeweile nehmen, die sie im Leben empfinden und ihre Sensationsgier befriedigen.



Fazit:

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ eröffnet einen freien Blick auf die düstere Seele von manch jungem Menschen. Es ist die unglaublich bewegende Geschichte eines übergewichtigen Jungen, der, anstatt diesem Leben zu entkommen, eigentlich nur dazugehören will.

Erin Jade Lange bringt anrührend und unglaublich eindringlich menschliche Abgründe zum Ausdruck. Mobbing beginnt hier bereits im Elternhaus und geht in der Schule weiter. Wie ein Mensch einen sozialen Stempel verpasst bekommt, In-Group-Out-Group-Verhalten, psychische Gewalt und krankhafte Persönlichkeiten werden schonungslos analysiert.

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist als Schullektüre zu empfehlen.

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