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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.04.2025

Erstickt in Vorurteilen

Make IT Real
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Ich hatte das Buch angefordert, weil ich die Verknüpfung von MINT und Belletristik interessant finde. Leider erfüllt das Buch sämtliche Klischees, ist vorhersehbar und lässt spannende Konflikte links liegen. ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich die Verknüpfung von MINT und Belletristik interessant finde. Leider erfüllt das Buch sämtliche Klischees, ist vorhersehbar und lässt spannende Konflikte links liegen. Man bekommt, was man erwartet. Oder weniger.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Informatikerin Fallon arbeitet in einem Männer-Betrieb und wird bei Beförderungen übergangen. Gleichzeitig versucht sie, ihre Identität als Autorin von Liebesromanen zu verheimlichen. Als ein Kollege zufällig auf einer Lesung auftaucht, greift Fallon zu einer Notlüge.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Von der Informatik sieht man ein bisschen, für mich war's das richtige Maß. Die Autorin schafft es gut, die Arbeit der Entwickler an Beispielen zu erklären, und auch wenn ich nicht jedes Detail verstanden habe, war mir der Kontext klar. Trotzdem wirkt es für mich nicht "lebendig", nicht authentisch, sondern verkrampft. Ein Problem, das sich durch das ganze Buch zieht. Auch, dass der Begriff "Dev" nur kurz erklärt wird, war frustrierend. Ich habe mich das ganze Buch lange gefragt, was das bedeutet. "Dev" steht für "Developer", also jemand aus der Entwickungsabteilung.

"Spicy" wird es auch nicht, es gibt nur eine ausführliche Sexszene, die überwiegend aus Perspektive der Frau geschildert wird, bei der es aber darum geht, dass sie dem Mann Spaß bereitet. Dass Frauen einfach so Spaß haben, wird auch hier ausgeblendet.

Von Fallons Schreiberei sieht man fast gar nichts. Sie gibt eine Lesung, aber man liest weder Auszüge noch erfährt man, worüber sie genau schreibt. Alles wirkt sehr oberflächlich. Was ich schwierig finde, ist das Thema Pseudonym: Am Ende deckt Fallon das Pseudonym auf, weil sie sich nicht mehr verstecken will. Es ist ein Zeichen für ihre Befreiung. Hier wird das Vorurteil geschürt, dass sich Autor:innen nicht mutig genug sind. Es ist aber ein bewusster Schutz aus privatem Ich und Schreiberei. Weil sich Autor:innen angreifbar machen. Weil es einen Arbeitgeber nichts angeht, was man in seiner Freizeit tut. Oder weil man später aufhören will und nicht möchte, dass der eigene Name nur damit verknüpft ist.

Die Dramaturgie ist relativ klar: Frau gibt sich als ihre eigene Schwester aus, was dem Mann gar nicht auffällt, irgendwann kommt das raus, aber er verzeiht ihr. Sie ist aber so zerfressen von ihren Vorurteilen (!), dass sie ihn wegstößt. Sie wird geläutert, Happy End. Weitere Nebenhandlungsstränge sind, dass Fallon den Job wechseln will, aber ihre Ansprüche nicht aufgeben will. Und dass der Mann seine chronisch klammen Musiker-Eltern nicht mehr unterstützen will und seinen Job kündigen und ein Projekt starten will. Besonders die letzten beiden Stränge hätten Potential, werden aber nur wenig ausgeführt. Obwohl vor allem das Thema Eltern selten in Romanen vorkommt.

Auch die Nebenfiguren sind klischeehaft, vor allem die Männer: Es gibt den netten Typen, es gibt den grummligen Typen und es gibt den sexistischen Idioten. Bei Fallon gibt es eine Biologin (?) und eine Frau, die auf die Kinder ihres Bruders aufpasst, weil die Frau verstorben ist. Beide hatten trotz interessanter Ausgangslage nur wenig Raum. Ein wirkliches Kollektiv-Gefühl kam nicht auf.

Was mich am meisten gestört hat, waren Fallons Vorurteile gegenüber Männern in der IT. Sie geht davon aus, dass sie nicht geachtet wird und sich beweisen muss. Diesen Aspekt wiederum fand ich interessant. Sie gibt nicht auf und empfindet es als persönliches Versagen, wenn sie kündigen würde. Ich denke, damit können sich viele Leser:innen identifizieren. Auf mich wirkten die Vorurteile sehr klischeehaft dargestellt und das größte Ekel ist der Mensch, den sie abgewiesen hat. Auch wenn diese Zustände in manchen Branchen (leider) vorhanden sind, hätte man hier künstlerisch und handwerklich mehr machen können. Denn es hat mich emotional nicht gepackt. Mich hat nicht der Sexismus wütend gemacht, sondern die Figur, die das als Rechtfertigung nimmt, sich abzugrenzen. Andererseits ist genau das die Lektion, die die Figur lernen muss - dass sie geliebt wird. Trotzdem fand ich das langweilig.

Auch mit der Sprache hatte ich Probleme. Die Sätze sind teilweise sehr lang und manche Formulierungen waren komisch. Fallon fragt z.B. "wo bei Ada Lovelace wir hier gelandet waren." (S. 164) Die Idee ist gut, wirkt aber nicht fließend. Vor allem, weil Fallon manchmal mehr, manchmal weniger Bezug auf sie nimmt. Außerdem kommen kaum engliche Lehnwörter vor, aber dann Perlen wie "reveale" oder "gemockupten" - vor allem letztes ist nur aus dem Kontext zu entschlüsseln.

Was mir gefallen hat, waren Details, die nebenbei mitlaufen z.B. Fallons Wunsch, ihrem Vater zu gefallen und deswegen Metal Bands zu hören, obwohl sie das nicht mag. Obwohl ihr Vater sie scheinbar trotzdem liebt. Am Ende fragt der Protagonist, ob sich Fallon.exe aufgehängt hat - den Witz fand ich schön, weil er natürlich wirkte. Auch die Feststellung, dass ein Alpha-Male ein (vermeintlich) starkes Männchen ist, eine Alpha-Version aber die erste, fehlerbehaftete Version eines Programms (und einer Geschichte), fand ich witzig. Das macht den Roman sympatisch und es wäre besser gewesen, wenn es mehr davon gegeben hätte.

Fazit

Das Thema Feminismus und Geschlechter-Diskreminierung in MINT ist wichtig - aber als Aufhänger im Text wirkte es zu eindimensional, zu gewollt. Dazu die klischeehafte Liebesgeschichte, die Frauen letztlich nicht wertschätzt, sondern vorführt und das Thema damit etwas ad absurdum führt. Für mich ein Roman, der trotz guter Ausgangslage schnell aus dem Kopf verschwunden ist.

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Veröffentlicht am 23.03.2025

Viel Rilke, etwas Lou, wenig Kunst

Bis unsre Seelen Sterne sind. Rilke und Lou Andreas-Salomé
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Gekriegt hat mich das Buch mit dem Versprechen einer interessanten Frau und ihres Liebhabers, eines genialen Schriftstellers. Bekommen habe ich einen sensiblen Mann, der andere bewundern muss, aber kaum ...

Gekriegt hat mich das Buch mit dem Versprechen einer interessanten Frau und ihres Liebhabers, eines genialen Schriftstellers. Bekommen habe ich einen sensiblen Mann, der andere bewundern muss, aber kaum partnerschaftliche Beziehungen eingehen kann. Und eine Frau, die sich zu intellektuellen Männern hingezogen fühlt und ihnen als Spiegel und Muse dient. Gefehlt hat aber letztlich das künsterlerische Schaffen beider.

Worum geht es?

Das Buch erzählt überwiegend das Leben Rainer Maria Rilkes, ein Stück das Leben Lou Andreas-Salomés. Und ein kleines Stück ihrer Männer. Es ist ein belletristisches Buch, das Gespräche nachstellt und mit Briefen und Tagebucheinträgen ergänzt.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich wusste lange Zeit nur mäßig, um wen es tatsächlich geht. An manchen Stellen nimmt Salomé viel Raum ein, an anderen Rilke. Besonders, als es um Carl Andreas-Salome und Friedrich Nietzsche geht, hatte ich das Gefühl, im falschen Buch zu sein.

Es ist interessant zu lesen, wie Rilke um sich selbst kreist, sehr empfindsam ist und wie die Beziehungen zu seinen Frauen dem gleichen Schema folgen: Er himmelt sie an, aber sobald sie sich ihm nähern, verpufft die Energie und er flüchtet sich in Einsamkeit. Schreiben kann er nur durch Leiden. Die Kunst ist sein lebenslanger Partner, der er vieles unterordnet. Rilke ist ein Mensch, der in diesen (manischen?) Phasen viel Aufmerksamkeit von seinem bewundernden Objekt braucht und Energie absaugt. Salome erkennt das und hält daher nach drei intensiven Jahren nur noch brieflichen Kontakt zu Rilke. Trotzdem ist sie die einzige Frau, zu der Rilke bis zu seinem Lebensende ein vertrauensvolles Verhältnis hat.

Im Vergleich dazu wirkt Salome etwas blass. Warum sie verheiratet war, die Ehe aber nicht vollzogen hat, und Beziehungen zu mehreren Männern hatte, wird nicht aufgeklärt. Auch, warum sie sich zu geistigen Männern hingezogen fühlt, ist nicht ganz klar. Ich hätte aber vom Buch erwartet zu lesen, welchen Beitrag Salome zum Schaffen ihrer Liebhaber leistet. Sie wirkt eher als Spiegel, aber ich denke, dass sie sehr wohl auf gleicher Ebene mit den Männern gearbeitet hat. Sie hat Rilke das Schwülstige abgewöhnt, vermute ich. Aber wie die beiden an seinen Texten gefeilt habe, war kaum zu lesen.

Auch Salome als Künstlerin kommt wenig zu Wort. Sie war vielseitig interessiert, hat bei Freud Einblicke in die Psychoanalyse bekommen. Aber sie war als Figur wenig präsent.

Ich hatte auch bei Rilke das Gefühl, auf der Stelle zu treten, weil sich das Buch ständig mit seiner Einsamkeit und seinem Hadern mit neuen Situationen beschäftigt. Weniger mit ihm als Künstler.

Dass das Buch sowohl zwischen Figuren als auch Zeiten wechselt, hat mich nicht gestört. Es kann aber für Leser:innen verwirrend sein.

Gut gefallen hat mir, dass sich die Fußnoten als kleines Pop-Up öffnen, man also nicht im Buch springt, sondern an der Stelle bleibt. Mir erleichert das das Lesen.

Fazit

Die Idee ist gut, die Aufbereitung mäßig. Dass mir Rilke durch das Buch eher unsympatisch wurde, ist ein Effekt, und ich habe vieles über Lou Andreas-Salomé gelernt. Trotzdem ist es ein Buch, das man lesen KANN, aber nicht lesen MUSS.



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Veröffentlicht am 27.02.2025

Zuviele Häppchen

Leuchtende Jahre
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Dieses Buch hat mich zwiespältig zurückgelassen. Das Thema ist wichtig und sollte mehr betrachtet werden. Die Aufbereitung all des Wissens ist aber nur mäßig gelungen.

Worum geht es?

Der Text schildert ...

Dieses Buch hat mich zwiespältig zurückgelassen. Das Thema ist wichtig und sollte mehr betrachtet werden. Die Aufbereitung all des Wissens ist aber nur mäßig gelungen.

Worum geht es?

Der Text schildert die Leben der Schriftstellerinnen Vicki Baum, Gabriele Tigrit, Marieluise Fleißer, Ruth Landshoff, Irmgard Keun, Erika Mann und Mascha Koleko. Das Buch wechselt dabei zwischen den Figuren, die Abschnitte varrieren zwischen einer halben Seite und zwei Seiten.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Der Text hat mich beklommen zurück gelassen. Weil die Autorinnen, bis auf Erika Mann und Mascha Koleko, kaum bekannt sind. Und weil sie nach dem Krieg überwiegend verstummt sind. Sie haben kaum noch veröffentlicht, wurden aber teils in den 70ern wieder entdeckt und bekamen endlich Anerkennung.

Meine Vermutung ist, dass der Krieg die Frauen verändert hat, dass es ihnen schwerfiel, in ihren neuen Leben Fuß zu fassen und dass das Bedürfnis der Leser:innen nicht in Aufarbeitung bestand, sondern Ablenkung. Trotzdem macht es betroffen, dass die Frauen das, was sie angetrieben hat, nicht ausleben konnten.

Traurig hat mich auch gemacht, dass man zwangläufig auf die Katastrophe zusteuert. Denn die meisten Autorinnen mussten fliehen. Wenn man einen Text sucht, der das schillernde Leben der 20er beschreibt, dann ist es dieser eher nicht.

Das große Problem ist der Wechsel der Abschnitte. Sie sind gut beschrieben, das Ende immer stimmig. Es sind in sich geschlossene Episoden. Aber aufgrund der Kürze kann man sich nicht in eine Figur fallen lassen, es fiel mir schwer, ein Bild von den Frauen zu bekommen. Vor allem, weil sie überwiegend freigeistig sind und künstlerischen Berufen nachgehen z.B. Schauspielerin oder Journalistin. Hängengeblieben ist mir, neben Erika Mann, Marieluise Fleischer, die von einer toxisischen Beziehung in die nächste stolpert. Auczh Mascha Koleko sticht hervor, weil sie eine Lyrikerin ist (die anderen schreiben Epik), weil sie weniger Raum einnimmt und weil sie eine besonder Ausstrahlung hat.

Über Erika Mann hatte ich einiges an Vorwissen - das hat es mir leichter gemacht. Andere Leser:innen kommen damit besser klar, aber für mich hat es Wissen eher gefestigt, weniger Neues hinzugefügt.

Auch die Werke der Autorinnen kommen zu kurz. Das Buch schildet die Entstehung mancher Texte, aber es fiel mir schwer, die Personenen als Autorinnen wahrzunehmen. Von Mascha Koleko gibt es wenige Auszüge, ansonsten fast nichts. Das ist typisch für Biografien, aber zumindest eine Werksübersicht am Ende wäre schon gewesen.

Für mich bildet das Werk eher einen Startpunkt, um mich mit all den Autorinnen näher zu beschäftigen. Weniger eine "vollwertige" Biografie. Denn von den meisten der Genannten liest man auf Wikipedia eine halbe Seite, es gibt also viel Wissen zu ergründen.

Die allgemeinen Umstände in dieser Zeit werden angerissen und ich finde, dass die Menge und Tief zum Inhalt passt.

Fazit

Der Text hat ein tolles Thema, die Gestaltung mit kleinen Episoden ist aber eher unglücklich. Mir hat das Buch etwas gebracht, aber insgesamt ist es eher ein Flop.



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Veröffentlicht am 09.02.2025

Neutrale Betrachtung, aber zu ausführlich

So geht Verhütung heute
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Ich habe schon einige Bücher zum Thema gelesen, denke aber, dass man nie genug Wissen haben kann. Bei diesem Werk kann ich inhaltlich nicht meckern, aber die Aufbereitung war nicht immer stimmig.

Geschrieben ...

Ich habe schon einige Bücher zum Thema gelesen, denke aber, dass man nie genug Wissen haben kann. Bei diesem Werk kann ich inhaltlich nicht meckern, aber die Aufbereitung war nicht immer stimmig.

Geschrieben wurde das Buch von der Gynäkologin Mirjam Wagner, die als doktorin_vagina auf Instagramm aktiv ist. Sie wirkt dort sehr sympatisch, legt den Schwerpunkt vor allem auf Aufklärung und Engagement.


Worum geht es?

Im Buch werden die gängigen Verhütungsmethoden stellenweise sehr ausführlich dargestellt. Ob NFP, Kondom oder verschiedene Pillen-Arten.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Was ich sehr begrüße ist, dass mit Sternchen gegendert und von "Frauen oder als Frau geborene Menschen" oder ähnlichem gesprochen wird. Durchgängig. Ich finde das wichtig, um nicht-binäre Menschen, die schwanger werden (könnten), einzubeziehen.

Außerdem wählt die Autorin einen nahbaren Du-Stil, manchmal gibt es auch Einschübe wie "wir erinnern uns". Das macht den Text attraktiv für junge Menschen, auch wenn das dunkelblaue Cover etwas düster wirkt. Wunderschön, aber nicht so einladend, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Nicht so gut war, dass der Schreibstil nicht durchgängig angepasst ist. Manchmal scheint sich die Autorin eher an die Eltern zu wenden und an einigen Stellen waren die Sätze zu komplex. Besonders die Tabelle zum Pearl-Index war sehr überladen, weil verschiedenen Organisationen den Pearl-Index unterschiedlich angeben und weil sie sehr, sehr viele Verhütungsmöglichkeiten enthält.

Beim Thema Pille habe ich den Überblick verloren, weil es sehr viele mögliche Hormone gibt, die eingesetzt werden können. Und die Autorin versucht, manche nochmals zu erklären, wenn sie später vorkommen. Trotzdem wären mir Wiederholungen in Form von Infokästchen oder Fußnoten lieber gewesen.

Ich denke, dass das Buch versucht, möglichst vollständig zu sein, aber dabei etwas über das Ziel hinausschießt.

Ich sehe aber den Vorteil der Informatsionflut darin, dass Mentruierende ihren Gynäkologen gezielt auf bestimmt Wirkstoffe ansprechen können und gut vorbereitet sind, wenn sie darüber reden möchten.

Was mir auch gut gefallen hat, ist die fehlende Wertung für ein spezifisches Verhütungsmittel. Im Buch wird erwähnt, dass die Autorin keine Freundin der Pille ist, aber sie trotzdem darstellen will. Der Satz wäre nicht nötig gewesen, denn genau das tut sie - sie wertet kein Verhütungsmittel ab. Ganz im Gegenteil: Ob hormonell oder nicht, alles steht gleichberechtigt nebeneinander. Bei der Spirale wird sogar erklärt, wie genau sie eingesetzt wird und wann Schmerzen auftreten könnten. Bei der Sterilisation erfolgt die Erklärung, wie der Eingriff medizinisch aussieht, etwas spät.

Zu jedem Mittel gibt es außerdem eine kurze Zusammenfassung in Form einer Liste. Ich hätte das nicht gebraucht, könnte aber Leuten helfen.

Leider wird die Frage "Wie kann ich mein Verhütungsmittel wechseln?" nur wenig erklärt. Zwar gibt es einen kurzen Abschnitt über das Post-Pill-Syndrom, aber es wäre schön gewesen, wenn klar ist, was Menstruierende erwartet, wenn sie die Pille absetzen oder die Spirale entfernen lassen. Wann sich der Zyklus normalisiert, welche Möglichkeiten es gibt, da zu unterstützen. Denn etwas so langfristiges wie den Zyklus zu verändern oder zurück-ändern zu wollen, das ist ein wichtiges Thema. Es geht ja um den Körper, das Wohlbefinden.

Auch zum Thema Gewichtszunahme bei hormoneller Verhütung gibt es widersprüchliche Aussagen: Auf S. 211 ist notiert, dass lt. Studien weder bei Mikro- noch bei Gestagenpillen oder der Hormonspirale Belege für eine Gewichtszunahme zu finden sind, stattdessen wird das Alter, Wassereinlagerungen durch Östrogen und möglicherweise gesteigerter Appetit angeführt. Beim Hormonimplantat steht auf S. 135 wiederum, dass eine mögliche Gewichtszunahme eine Nebenwirkung sein kann - das ist ein Gestagenpräperat. Inhaltlich ist das korrekt unterschieden, ich fand's verwirrend.

Positiv war, dass die Autorin bei Nebenwirkungen die Schwerpunkte auf Zwischenblutungen und das Thromboserisiko legt. Ich denke, dass Zwischenblutungen vor allem junge Menschen aufwühlen können.

Sehr interessant fand ich den Abschnitt über Verhütung beim Mann. Beim Thema wird öffentlich gern über die "Pille für den Mann" gesprochen, weil man davon ausgeht, dass Männer genauso leiden müssten wie Frauen. Dass man beim Mann bei anderen Stellen ansetzen kann als bei Frauen, das wird selten diskutiert. Derzeit erprobt werden Methoden, um die Spermien bereits im Hoden unschädlich zu machen, indem man die Temperatur der Hoden leicht erhöht. Unklar ist, ob das langfristig das Risiko für Hodenkrebs erhöht und ob die Fruchtbarkeit wiederherstellbar ist, wenn man die Wärmezufuhr beendet. Ähnliches gilt für ein Gel, das die Samenleitern verstopft. Für mich ist das der Gewinn, den das Buch dem Leser oder der Leserin mitgibt.

Sexuell übertragbare Krankheiten werden fast gar nicht behandelt, obwohl bei fast jedem Verhütungsmittel steht, dass es nicht vor STDs schützt. Für mich macht das einen Aspekt von "Verhütung" aus, aber ich verstehe, dass das Thema zu umfassend gewesen wäre.

Insgesamt bemüht sich das Buch stetig, mit Vorurteilen aufzuräumen, was ich wichtig fand.

Im Buch gibt es ein paar Infografiken und -kästchen, die ich hilfreich, aber nicht notwendig fand.

Fazit

Das Buch ist eine gute Wahl für Einsteiger:innen, die Inhalte etwas ausführlicher mögen und einen möglichste neutralen Ratgeber wünschen. Es gibt viele gute Ansätze, um weiter zu recherchieren. Manchmal fand ich's etwas zu viel und ich hätte mir gewünscht, dass das Buch mehr wiederholt oder mit Verweisen arbeitet. Ich finde es als Werk wirklich gut und empfehle es gern. Trotzdem ist das wieder ein Buch, bei dem die Autorin auf Social Media besser wirkt als in Buchform.

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Veröffentlicht am 08.02.2025

Toller Esprit, aber etwas lame

So viel mehr
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Ich kenne Max Mutzke aus dem Fernsehen und er war mir sympatisch. Daher wollte ich seine Biografie lesen. Allerdings musste ich meine Erwartungen anpassen: Um seinen Sieg bei der Casting-Show und seine ...

Ich kenne Max Mutzke aus dem Fernsehen und er war mir sympatisch. Daher wollte ich seine Biografie lesen. Allerdings musste ich meine Erwartungen anpassen: Um seinen Sieg bei der Casting-Show und seine ESC-Teilnahme geht es in den letzten 12 %, es ist also ein relativ kleiner Anteil. Davor ist das Buch eine Mischung aus Biografie und Lebensansichten des Max Mutzke. Und die sind bodenständig, familienorientiert und sehr, sehr positiv. Aus dem Buch geht man mit einem guten Gefühl heraus und ich fand's schade, als es vorbei war.

Worum geht es?

Der Autor beschreibt sein Leben, beginnend mit den Eltern. Besonders prägend war die Zeit mit dem Großvater, seine Liebe zu Autors, zum Entdecken, und zum Schwarzwald. Seine komplizierte Beziehung zur Musik. Seine Wertschätzung für seine Mitmenschen. Einige Streiche. Die Wertschätzung für sein Leben.

Außerdem gibt es Songtexte zu lesen. Sie ohne Musik anzuhören, das ist komisch, aber oft sind sie sehr passend.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Das Cover ist knallig orange, die Anordnung aber eher geometrisch. Mit der Spiegeloptik weist es gut auf die zwei wesentlichen Aspekte des Autors hin: Die Heimatverbundenheit und die Liebe zu anderen. Der Blick nach innen und außen. Trotzdem wird es der Lebendigkeit Max's nicht gerecht.

Übrigens merkt man dem Buch nicht an, dass eine Co-Autorin mitgewirkt hat. Kira Brück hat bereits einige Influencer-Biografrie mit-verfasst. Bei anderen Büchern spürte ich, dass der Schreibstil nicht dem Redestil der Person entspricht, hier wirkt alles stimmig.

Was ich dem Buch hoch anrechne: Max Mutzke lässt zu private Dinge außen vor. Wer das lesen möchte, befragt ein Klatschblatt seiner Wahl. Die Mutter seiner Kinder, Nazu, wird an einigen Stellen kurz erwähnt, außerdem pendelt er für seine neue Partnerin nach Köln und mag sowohl Schwarzwald als auch die Jecken-Stadt. Besonders bewegend war, dass die Alkohol-Erkrankung der Mutter nur wenig angerissen wird. Man hätte das Thema ausschlachten können, aber Max Mutzke erspart uns Schreckensszenen. Dass er sich in einem Verein engagiert, der Kindern alkohlkranker Eltern hilft, spricht für sich.

Max Mutzke hatte das Glück eines sehr toleranten Elternhauses, das jeden seine Wege mitgetragen hat. Er kam schon früh mit Musik in Kontakt und arbeitet bis heute gern mit anderen Musiker:innen zusammen. Er war ein aufgewecktes Kind und konnte in einem sicheren, dörflichen Umfeld aufwachsen.

Was mich beeindruckt hat: Er hat ADHS, hat das aber nie als Hürde empfunden. Das macht Menschen mit ähnlicher Diagnose oder ähnlichen Eigenschaften Mut. Er konnte sich einerseits schlecht konzentrieren, hatte aber einen - aus Laiensicht - Hyperfokus für Schlagzeug-Spielen und Technik. Trotzdem hat er, mit einem Umweg, sein Abitur gemacht und das sogar, während die Casting-Show lief. Max Mutzke hat sein Leben so gestaltet, dass es für ihn aufregend bleibt z.B. indem er in wechselnden Kombinationen auftritt. Auch das Pendeln bereitet ihm Freude. Ich denke, auch für seine Kinder ist es gut, weil er es schafft, sie zu unterhalten und z.B. handy-freie Zeiten aufregend zu gestalten.

Das Buch hat mich mit seinem Esprit beeindruckt. Auch wenn es eher episodenhaft ist - überwiegend chronologisch, aber nicht komplett. Trotzdem waren es für mich manchmal zuviele Lebensweisheiten, zuviele Erklärungen seiner Ansichten. Er macht das sympatisch, aber ich hätte mich manchmal über mehr aufregende Geschichten gefreut. Es hat mich nicht immer mitgezogen. Deswegen musste ich zwischendurch eine Pause machen.

Fazit

Ich empfehle das Buch gern Leuten, die in schlechter Stimmung sind, auch wenn sie von Max noch nie gehört haben. Mit seinen Leidenschaften können sich viele identifizieren und er ist ein Vorbild für Leute, die ähnlich Herausforderungen bewältigt haben. Es hätte etwas vielseitiger, spannender sein können. Trotzdem ein Buch, das heraussticht. Denn im Gegensatz zu vielen Biografien wirkt es nahbar und sympatisch.

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