Platzhalter für Profilbild

Fever

Lesejury Star
offline

Fever ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Fever über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.04.2024

Bedrückendes Porträt einer ungesunden Beziehung

Geordnete Verhältnisse
0

Mit „Geordnete Verhältnisse“ gewährt Lana Lux eindringliche Einblicke in die Beziehung zweier Menschen, die sich womöglich bei der Bewältigung ihrer jeweils belastenden Vergangenheit hätten stützen können, ...

Mit „Geordnete Verhältnisse“ gewährt Lana Lux eindringliche Einblicke in die Beziehung zweier Menschen, die sich womöglich bei der Bewältigung ihrer jeweils belastenden Vergangenheit hätten stützen können, jedoch in ihre jeweils eigenen Abgründe stürzen. Mit schonungsloser Ehrlichkeit und subtilem Humor seziert sie eine toxische Beziehung, deren Gefährlichkeit erst viel zu spät in ihrem ganzen Ausmaß zutage tritt.

Philipp ist seit Kindertagen ein Außenseiter. Seine problematische Familiengeschichte und Lebenssituation haben ihn verbittert gemacht, und er sucht die Schuld für sein Unglück in seiner Umgebung: bei den Einwanderern, die das Sozialsystem ausnutzen. Bei den Frauen, die Männer wie ihn verschmähen. Bei der Gesellschaft mit ihrer ihm unverständlichen Sexbesessenheit. Sein einziger Anschluss ist – ebenfalls seit Kindertagen – die ukrainischstämmige Faina. In ihr glaubt er seine Seelenverwandte gefunden zu haben und tut alles, um sie an sich zu binden. Von außen betrachtet wirkt seine vermeintliche Hilfe von Anfang an alarmierend: Er korrigiert ihr Deutsch und ihr Verhalten, stets in dem Bemühen, ihre Integration zu beschleunigen. Was zu Beginn jedoch noch halbwegs harmlos und aus kindlicher Perspektive verständlich scheint, entwickelt sich über die Jahre hinweg zu einer ungesunden Fixierung.

Lana Lux erzählt aus beiden Perspektiven, Philipps und Fainas, was dem Roman eine außergewöhnliche Tiefe verleiht. Denn Philipp, der Kontrollierende, ist aus seiner Sicht kein Monster. Seine Motive und Gedankengänge nachvollziehen zu können, macht den Text noch beklemmender. Fainas Sicht auf die Dinge ist ebenso wenig objektiv. Beim Lesen kommt immer wieder Verzweiflung auf, weil sie Philipps Verhalten nicht so verurteilt, wie eine außenstehende Person es tun würde. Diesen beiden Figuren kommt man im Laufe des Buchs so nahe, dass man sie am liebsten schütteln und anschreien, von ihrem jeweils unverständlichen Verhalten abbringen möchte. So intensiv die langsame Entwicklung dieser Beziehung und von Philipps Kontrollzwang geschildert wird, so abrupt und hektisch endet allerdings der Roman. Somit ist die einzige Schwäche des Buchs sein Ende, das überhastet wirkt und der zuvor entstandenen Tiefe nicht gerecht werden kann.

Trotz des überhasteten Endes ist „Geordnete Verhältnisse“ jedoch ein absolut lohnenswerter Roman, der so tiefgründig wie selten ergründet, welche Wege in eine toxische Beziehung mit all ihren Konsequenzen führen. Klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.04.2024

Ein leichtfüßiger und humorvoller Roman

König von Albanien
0

In „König von Albanien“ macht uns Autor Andreas Izquierdo mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit bekannt: Otto Witte, der sich im frühen 20. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat, König von Albanien zu ...

In „König von Albanien“ macht uns Autor Andreas Izquierdo mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit bekannt: Otto Witte, der sich im frühen 20. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat, König von Albanien zu werden. Wie ihm das gelingt, schildert der Roman voll Witz und Charme sowie unter Einbeziehung einer etwas schleppenden Rahmenhandlung.

Mit viel Humor und Fingerspitzengefühl sowie einer beachtlichen Fülle an historischer Hintergrundrecherche erzählt Andreas Izquierdo die schier unglaubliche Geschichte, wie ein mittelloser Gaukler, der nicht einmal lesen und schreiben kann, sich kurzfristig an die Spitze eines kleinen Staats mogeln konnte. Ottos Ressourcen sind seine Dreistigkeit und sein schier unerschöpfliches Charisma, mit dem er eine ganze Reihe von Menschen in hohen Positionen derart um den Finger wickelt, dass sie zum Gelingen seines irrwitzigen Plans beitragen.

Otto Wittes Weg zum König von Albanien ist gepflastert mit amüsanten Anekdoten und haarsträubenden Lügengeschichten, die uns Lesende immer wieder aufs Neue zum Staunen und Lachen bringen. Mehr als einmal denkt man sich beim Lesen: Damit kann er doch nicht durchkommen – und doch tut er es. Ebenso mitgerissen von Ottos Geschichte ist der Psychiater Alois Schilchegger, der Otto nach seinem Coup in einer Psychiatrie in Salzburg behandelt. Diese Rahmenhandlung mit Schilcheggers individueller Entwicklung und den ganz eigenen Problemen des Psychiatriealltags nimmt unerwartet viel Raum im Roman ein und durchbricht die eigentliche Haupthandlung stark. Mehr als einmal sehnt man sich danach, dass es mit Ottos Geschichte endlich weitergehen möge, anstatt sich mit dieser Nebenhandlung zu befassen.

Trotz des bremsenden Elements der Rahmenhandlung ist „König von Albanien“ jedoch ein gelungener Roman, der vor Witz und Charme nur so strotzt. Auch Menschen, die für historische Romane üblicherweise nichts übrig haben, werden sich von Ottos gewieftem Gaunerstück sicherlich in seinen Bahn ziehen lassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.04.2024

Unheimlich zäh

Der rechte Pfad
0

„Der rechte Pfad“ von Astrid Sozio klingt vom Klappentext her wie ein kraftvolles Buch mit einem starken Thema, viel psychologischer Spannung und einer intensiven Figurenentwicklung. Hinter diesen Erwartungen ...

„Der rechte Pfad“ von Astrid Sozio klingt vom Klappentext her wie ein kraftvolles Buch mit einem starken Thema, viel psychologischer Spannung und einer intensiven Figurenentwicklung. Hinter diesen Erwartungen bleibt der Roman mit seinen vielen Längen und seiner teils monotonen, wiederholenden Erzählweise jedoch leider deutlich zurück.

Die Handlung von „Der rechte Pfad“ ist dabei durchaus vielversprechend: Auf zwei Zeitebenen erzählt der Roman die Geschichte von Benni, den ein traumatisches Ereignis zurück in das Dorf geführt hat, in dem er als Kind die Schulferien verbracht hat. Als Kind verstand er noch nicht, dass er sich in einer sektenartigen, politisch deutlich nach rechts lehnenden Umgebung bewegte, und wusste die tragischen Ereignisse dieser Zeit nicht recht einzuordnen. Als Erwachsener zieht ihn etwas zurück an diesen Ort, und er muss mit der rückblickenden Einordnung dieser Erlebnisse zurechtkommen und zugleich seinen teils nostalgisch verklärten Blick in der Gegenwart geraderücken.

Was der Stoff für ein spannendes und intensives Buch hätte sein können, zieht sich leider in diesem Roman enorm in die Länge. Auf Handlungsebene passiert kaum etwas, und das, was geschieht, wird unter so vielen Wiederholungen, verklausulierten Gefühlsschilderungen und Alltagsbeschreibungen versteckt, dass weder auf Handlungs- noch auf psychologischer Ebene eine Spannungskurve entsteht. Als es irgendwann doch zur Eskalation kommt, ist es zu spät, um als Leser*in noch einmal einzusteigen, nachdem man sich geistig eigentlich bereits von dem Text verabschiedet hat. Ganz offensichtlich möchte „Der rechte Pfad“ kein reißerisches Buch sein, was bei dem brisanten Thema durchaus ein ehrenwertes und nachvollziehbares Anliegen ist. Der Text verliert sich jedoch in so viel Subtilität, dass für Lesende kaum noch etwas übrig bleibt, an dem sie sich orientieren können.

Trotz der hochinteressanten Grundidee kann dieser Roman leider nicht überzeugen und verliert sich vor allem in enormen Längen und einer sehr zähen Erzählweise.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.04.2024

Unterhaltsam, aber nicht Fabers stärkste Leistung

Gestehe
0

Wie man es von Henri Faber gewohnt ist, wartet „Gestehe“ mit einem schaurigen Mord, Mindgames und zahlreichen überraschenden Wendungen auf. Im Vergleich zu seinen anderen Thrillern fällt „Gestehe“ jedoch ...

Wie man es von Henri Faber gewohnt ist, wartet „Gestehe“ mit einem schaurigen Mord, Mindgames und zahlreichen überraschenden Wendungen auf. Im Vergleich zu seinen anderen Thrillern fällt „Gestehe“ jedoch deutlich zurück.

Ein grausiger Leichenfund in Wien ruft Inspektor Jacket auf den Plan, Publikumsliebling und Polizeiheld. Die Öffentlichkeit ist begeistert, als der Star-Ermittler, der in Wahrheit seit Jahren keinen Fall gelöst hat, das Heft in die Hand nimmt. Weniger begeistert ist der unerfahrene, aber blitzgescheite Polizist Mo, der ihm dabei zur Seite gestellt wird. Für Mo ist offensichtlich, dass bei Jacket etwas nicht stimmt. Während er also fleißig Beweise zusammenträgt und Indizien sammelt, versucht Jacket seinerseits, die Wahrheit über den Mord herauszufinden, der mehr mit ihm zu tun zu haben scheint, als ihm lieb ist. Immer wieder muss er dabei seine eigenen Erinnerungen hinterfragen.

Der Mordfall, der den Plot von „Gestehe“ ins Rollen bringt, ist, wie man es vom Autor kennt, ausgesprochen rätselhaft und regt ab den ersten Seiten zum Spekulieren an. Immer neue Details über diesen Fall und Jackets Vergangenheit kommen ans Licht und eröffnen die verwegensten Lösungsmöglichkeiten. Spannung ist also garantiert. Allerdings wirkt das Wechselspiel aus falschen Fährten und echtem Fortschritt hier längst nicht so raffiniert wie in Fabers früheren Thrillern. Manch eine Enthüllung ließe sich gar als plump charakterisieren. Für Thriller-Fans, die gern eine Chance haben, mitzuermitteln und der Lösung früher auf die Spur zu kommen als die Ermittler, ist das eine Enttäuschung. Das Feuerwerk an überraschenden Wendungen, das bis auf die letzten Seiten nie abbrennt, unterhält trotzdem.

Nicht Fabers raffiniertester Thriller, aber trotzdem ein Buch, das Spannung aufkommen lässt und Spaß macht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.03.2024

Starker Start, enttäuschende Auflösung

Der heimliche Beobachter
3

In „Der heimliche Beobachter“ stellt Lisa Unger zwar unter Beweis, dass sie (sehr spannend!) schreiben kann, und bietet gute Unterhaltung, kann jedoch mit dem Gesamtverlauf der Handlung nicht überzeugen.

Das ...

In „Der heimliche Beobachter“ stellt Lisa Unger zwar unter Beweis, dass sie (sehr spannend!) schreiben kann, und bietet gute Unterhaltung, kann jedoch mit dem Gesamtverlauf der Handlung nicht überzeugen.

Das Setting von „Der heimliche Beobachter“ ist denkbar spannend: Eine kleine, eng verzahnte Gruppe von Menschen zieht sich für ein ungestörtes Wochenende in ein einsam gelegenes Cottage zurück. Jede und jeder von ihnen bringt eigene Altlasten mit, die nach und nach aufgedeckt werden, während zugleich eine Bedrohung von außen die ohnehin schon angespannte Stimmung aufheizt. Das Buch startet mit einer starken Exposition, die die verschiedenen Figuren plastisch hervortreten lässt und unzählige Geheimnisse, Lügen und Verstrickungen anreißt, die uns Lesende dem Ende entgegenfiebern lassen. Ohne zu viel verraten zu wollen, erweist sich leider mehr als ein Handlungsstrang als nahezu überflüssig für die Auflösung.

Lisa Unger gelingt es zu Anfang, ohne Action oder Blut, sondern allein aufgrund der Charakterisierung ihrer Figuren eine angespannte Atmosphäre heraufzubeschwören, die dafür sorgt, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Die Frage, wie die Hintergründe der Figuren mit dem Geschehen in der Gegenwart zusammenhängen, bleibt über weite Teile des Romans bestehen und weckt Vorfreude auf eine clevere Auflösung, die alle Fäden zusammenführt. Darauf wartet man jedoch vergeblich. Das ist vor allem deshalb so schade, weil gerade das erste Drittel des Romans so besonders vielversprechend daherkommt. In Bezug auf Stil und Erzähltempo trifft Lisa Unger genau den Nerv, den ein guter Psychothriller treffen muss. Mithilfe mehrerer Perspektiven gibt sie nach und nach neue Informationshäppchen, die neue Möglichkeiten von Zusammenhängen eröffnen und immer neue Theorien entstehen lassen. Über lange Strecken hinweg bleibt die Spannung hoch – und fällt dann rapide ab.

„Der heimliche Beobachter“ kann trotz starker Anlagen und viel psychologischer Spannung aufgrund der enttäuschenden Auflösung nicht auf voller Länge überzeugen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung