Eine Ode an Lyrik und Sehnsucht.
Wie Worte auf beschlagenen Scheiben„Wie Worte auf beschlagenen Scheiben“ ist der poetische, nachtschwarze Weg hin zu einer tröstenden Umarmung. Ist die Zeit, die es braucht, um Wunden zu sehen, anzunehmen, zu versorgen. Das Finden zu sich ...
„Wie Worte auf beschlagenen Scheiben“ ist der poetische, nachtschwarze Weg hin zu einer tröstenden Umarmung. Ist die Zeit, die es braucht, um Wunden zu sehen, anzunehmen, zu versorgen. Das Finden zu sich selbst.
Ella Bergmanns einstiger Traum ist zum Greifen nah: Für ihren Debütroman hat sie mit ihren Gänsehaut-Texten nicht nur eine berüchtigte Marketingfirma gewonnen, sondern auch den perfekten Verlag gefunden! Nur dass Ella über die Monate immer mehr zu Lalott wurde, aufhörte, dieses Projekt, das ihr aus den Händen gerissen wird, als IHRE Herzensangelegenheit zu fühlen. Genau wie der Social-Media-Account, auf dem zwar Tausende ihre bewegenden, lyrischen Zeilen lesen, kommentieren, teilen, jedoch nie die echte, reine Autorin sehen, ist das geplante Buch nur noch ein Anker. Der einzige Halt, der Ella blieb, seit sie vor einem halben Jahr so vieles, einen Teil ihrer selbst, verloren hat. …
Dass Poesie stets Raum zur Interpretation schafft, ist unvermeidlich, aber stillschweigend ignoriert Lalott Probleme, verletzt an Stellen, die doch endlich heilen sollten.
Jonah Reed ist der angesehenste Lektor des edaVerlags und genauso begeistert wie das gesamte Team, als dieser einen zukunftsträchtigen Auftrag an Land zieht. Doch als Jonah das Exposé der gefeierten Lyrikerin in Händen hält, ihr zum ersten Mal gegenübersteht, überkommen ihn Zweifel. Denn statt strahlender Leidenschaft findet er nur ein blasses Abbild, eine junge Frau, die von Resignation und einer unsichtbaren Schwere niedergedrückt zu werden scheint. Gefangen in einem Pseudonym, gezeichnet von unsagbarer Trauer.
Dass LitA Bromberg ihrer Klientin rege über den Mund fährt, selbst Luft abfängt, bestärkt seinen niederschmetternden Eindruck. Dabei sind Lalotts deepe Lyrics für viele Menschen Trost und Halt. Fragmente, die Welten füllen. Herzen brechen.
Jonah will Ella, ihre Wahrheit, kennenlernen, will das Bestmögliche für ihr Debüt, und riskiert bei diesem Versuch so viel mehr als nur seinen Ruf und das Sprungbrett, welches diese Veröffentlichung für den edaVerlag sein könnte.
Jennifer Ebbinghaus und Marie Döling haben mit „Wie Worte auf beschlagenen Scheiben“ ein ganz besonderes, eindringliches Werk erschaffen, das mit Wortgewalt, poetischer Sprache und einer Fülle von Emotionen tief trifft, laut nachklingt. Ausdrucksstark, echt, angefüllt mit verschiedenen Nuancen aus Schmerz und Trauer, beängstigenden Abgründen und zarter, leiser Hoffnung.
Die LeserInnen bekommen ausreichend Raum und Gelegenheit, in die Protagonisten einzudringen, sie kennenzulernen und ihre Reaktionen, die Zweifel und Gefühlsstürme zu verstehen. Sowohl Ellas unbewusst selbst erschaffenes Gefängnis, das durch Erwartungen, Druck und Bevormundung stetig enger wird, ihr die Stimme raubt, sie verblendet und als Zuschauerin zurücklässt. Wie auch Jonah, dem es von Treffen zu Treffen schwerer fällt, Professionalität und Grenzen zu wahren, der sich nicht von Lalotts Farce blenden, sich aber von Ellas Zerbrechlichkeit gefangen nehmen, von ihrer Poesie faszinieren lässt.
Diese wortverliebten Menschen wurden mit zahlreichen Facetten und Eigenheiten bestückt, mit Hintergründen und Wünschen, mit Leben.
JedeR für sich und beide gemeinsam schleichen sich ins Herz. Unauskratzbar.
Die Liebesgeschichte ist zärtlich, intensiv, slow burn – nichts anderes würde passen –, hält Konflikte, Uneinigkeiten und Kribbeln, Reflexion und Erkenntnisse, Loslassen und Abschied bereit. Zusätzlich treffen wir in diesem dichten, Mitgefühl auslösenden New Adult Roman auf unterschiedliche Nebenfiguren, die ausreichend Raum bekamen, sich entfalten und wirken konnten. Neben Jonahs speziellem, dynamischen Freundeskreis sorgen das Verlagsteam – in dessen Arbeit und die (Tücken der) Buchbranche wir hier und da Einblick bekommen – für Abwechslung und Found-Family-Vibes.
Als Thüringerin war es außerdem ein Fest für mich, dass die Story im kulturellen Weimar spielt – die Literaturstadt wurde mit so viel Liebe zum Detail und Gemütlichkeit gezeichnet, dass ich es kaum erwarten kann, bewusst auf den Spuren von Ella & Jonah zu wandeln.
Worte nehmen eine gewichtige Rolle ein – nicht nur die sorgfältig gewählten, mit denen uns die Autorinnen diese gewichtige, bedeutsame Geschichte erleben lassen, nicht nur jene, mit denen Ella ihr Innerstes nach außen kehrt, oder mit denen sich Jonas einen Safe Place schafft, sondern auch die des Dichters Goethe. Das ganze Buch war eine Ode an die Lyrik. An Verlust und Sehnsucht.
Obgleich der Verlauf hauptsächlich von Melancholie und Wehmut durchtränkt ist, von Tragik, gab es auch Liebe. Freundschaft. Veränderung. Den Glauben an Neuanfänge und Licht, selbst wenn es regnet. Gab es auch Spaß – die Leipziger Buchmesse, die Leidenschaft um Cosplaying, um Welten erschaffen, fügte sich perfekt in diesen Plot. Dass wir auf den letzten Seiten mit Spannung und Intrigen, mit endlich Aufstehen, für sich Einstehen, konfrontiert werden; mit sich selbst finden, ungeahnten (Weiter)Entwicklungen und mit gezielt getroffenen Entscheidungen lässt mich meine Einleitung, dass es sich hierbei um ein außergewöhnliches Buch handelt, nur wiederholen.
Jennifer Ebbinghaus und Marie Döling beendeten ihren poetisch-modernen Roman so, wie es nicht besser hätte sein können – nasse Wangen, Herzschmerz-Augenblicke, Luft anhalten. Einfach fühlen.