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Freda_Graufuss

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Veröffentlicht am 14.12.2017

Olga

Olga
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... oder was alles hätte sein können. Wäre die Armut nicht gewesen, in die sie hineingeboren wurde, wäre die Oma, die sie aufgezogen hatte, nur mit mehr Liebe zu ihr, wäre der Liebste nicht so ein Träumer ...

... oder was alles hätte sein können. Wäre die Armut nicht gewesen, in die sie hineingeboren wurde, wäre die Oma, die sie aufgezogen hatte, nur mit mehr Liebe zu ihr, wäre der Liebste nicht so ein Träumer gewesen. Wäre da der Krieg nicht gewesen.
Obwohl es die Namensgeberin des Romans selbst in ihrem langen Leben nicht so gesehen zu haben schien, blieb mir beim Lesen immer wieder dieses Gefühl. Überhaupt zog sich durch den ganzen Roman eine große Melancholie und Sehnsucht nach dem, was für immer verloren ist.

Olga wuchs während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs in Pommern bei ihrer Großmutter auf, nachdem ihre Eltern verstorben waren. Sie lebte in Armut, fand aber Freundschaft und später auch Liebe in dem Sohn des Gutsbesitzers: Herbert. Wissend, dass ihre Liebe wohl nie eine Zukunft hat, verbrachten sie viele schöne und innige Stunden miteinander. Doch es waren nicht nur die unterschiedlichen Stände, die sie trennten, sondern auch Herberts Sehnsucht nach der Ferne. Am Ende sollte diese nie zu stillende Sehnsucht auch ihr Schicksal sein.

Das erste Drittel des Buches hatte ich mich gewundert, warum die Lebensgeschichte Olgas - auf knapp 100 Seiten waren über 50 Jahre ihres sehr bewegten Lebens zusammengefasst - so distanziert geschrieben zu sein scheinen. Im zweiten Teil des Buches wird dann klar, dass der Erzähler - nach dem 2. Weltkrieg geboren - Olga eben erst da kennengelernt hatte. Sie, die in der Familie nähte, wird für ihn zu einem Omaersatz. Einer Frau, mit der er gern Zeit verbringt und die ihm immer mit Rat und Tat zur Zeite stand. Und mit der er viel und gerne sprach. Über ihr Leben, über Politik und Zeitgeschehen. Bis zu ihrem Tod.

Nach ihrem Tod nahm er weitere Recherchen auf. Und kommt zu Erkenntnissen, die alles woran er und auch der Leser geglaubt hatte, auf den Kopf stellen.

Mir hat die Lektüre große Freude gemacht. Auch wenn es mich von der ersten bis zur letzten Seite traurig und nachdenklich gestimmt hatte. Ob das Schlink wollte, weiß ich nicht, aber wie sonst will man auf ein solches Leben, dass von vielen Umbrüchen und Neuanfängen gekennzeichnet war - wie viele in dieser Zeit - auch anders beschreiben? Sollte man nicht darüber nachdenken, warum sich so viele Menschen für den jeweiligen Zeitgeist begeistern konnten? Was es mit denen, die es überlebt hatten, gemacht hat? Was sollte man auch beschönigen?

Eine großartige Lektüre, ein Buch, das sehr nachdenklich macht. Und das ich sicher noch einmal lesen werde. Auch wenn ich jetzt erstmal etwas fröhlicheres brauche!

Veröffentlicht am 07.12.2017

Schöne, solide Weihnachtsgeschichte

Das Mädchen, das Weihnachten rettete
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Ich hatte mir dieses Buch sehnlichst gewünscht. Wahrscheinlich hatte ich es mir zu sehnlichst gewünscht, denn entsprechend hoch waren meine Erwartungen, als ich es dann tatsächlich in den Händen hielt. ...

Ich hatte mir dieses Buch sehnlichst gewünscht. Wahrscheinlich hatte ich es mir zu sehnlichst gewünscht, denn entsprechend hoch waren meine Erwartungen, als ich es dann tatsächlich in den Händen hielt. Der Titel und das Cover sind aber auch ein Traum. Golden, glitzernd und dann auch noch Weihnachten im Titel. Das musste doch ein wohlig-warmes Gefühl beim Lesen verbreiten.... Tat es dann blöderweise bei mir nicht.


An sich gibt es in dem Buch zwei miteinander verwobene Geschichten, die beide in den 1840ern spielen. Da wäre die Geschichte um die 8-Jährige Amelia, die mit ihren Hoffen auf Weihnachten, die ganze Magie erst möglich gemacht hat. Ich glaube, dass ist eine Anspielung auf "Ein Junge namens Weihnacht", das Buch kenne ich aber leider noch nicht. Amelia, mittlerweile 9, wünscht sich dieses Jahr nichts sehnlicher als das ihre Mutter wieder gesund wird. Diese liegt in einem ärmlichen Zimmer in einer ärmlichen Ecke Londons im Sterben. Und ihre einzige Tochter hofft und glaubt, dass nur der Weihnachtsmann ihnen noch helfen kann.


Und hier kommen wir zur zweiten Geschichte. Diese spielt sich in Wichtelgrund im hohen Norden ab. Wo die Wichtel mit dem Weihnachtsmann leben. Das letzte Jahr war das erste (!) Weihnachten ein voller Erfolg, der dieses Jahr unbedingt wiederholt werden sollte. Aber gerade als es losgehen sollte, wird das Dorf Opfer einen großen Trollangriffs und Weihnachten (das zweite) muss leider ins Wasser fallen. Das ist absolut nicht gut für die Magie und die Hoffnung, die Weihnachten erst möglich macht. Daher muss das dritte Weihnachten unbedingt stattfinden. Aber es kommt wieder zu Schwierigkeiten. In Wichtelgrund, aber auch auf der Erde.


Vom reinen Lesen und Blättern war das Buch ein Hochgenuss. Die vielen Illustrationen, aber auch die Qualität des Papiers und die Umschlaggestaltung waren absolut top.
Mit den Geschichten habe ich mich anfangs sehr schwer getan. Ich habe einfach nicht das Gefühl bekommen, dass der Autor vermitteln wollte. Das London, das er beschrieb, ließ in mir keineswegs die Stimmung des 19. Jahrhunderts aufkommen. Dazu waren die Beschreibungen einfach nicht athmosphärisch genug. Stattdessen beschränkte er sich darauf, Queen Victoria und Charles Dickens mit einzubinden. Für meinen Geschmack nicht unbedingt gelungen. Die Geschichte Amelias erinnerte in weiten Teilen dann "zufälligerweise" auch an Oliver Twist.


Auch in Wichtelgrund habe ich mich nicht ganz weihnachtlich gefühlt. Dort störten mich dann auch die vielen Verbindungen, die zur Moderne gezogen wurden. Oder auch Wörter wie: "schnieke" (in Bezug auf den Schlitten) oder ein T-Shirt-Aufdruck "Iss keinen gelben Schnee!"... Nee, das passte nicht.


Die Sprache war sehr einfach - was für ein Kinderbuch sicher ok ist. Aber auch hier hätte ich mir mehr Magie gewünscht. Ob das nun an dem Autor oder am Übersetzer lag, weiß ich nicht, da ich das Original nicht kenne. Dankbar bin ich dem Übersetzer aber dafür, dass die dummen Trolle hessisch und nicht sächsisch gesprochen haben :)


Nun klingt es vielleicht so, als ob das Lesen eine einzige Qual war, aber das war es keineswegs. Ich bin einfach mit zu vielen Erwartungen an die Lektüre gegangen. An sich ist die Geschichte schön, kurzweilig und ließ immer mal wieder ein Schmunzeln aufkommen. Es fehlte nur eben ein bisschen der im Buch so viel beschriebenen Magie des Weihnachtsfests.

Veröffentlicht am 03.12.2017

Packend, spannend, zum Mitfiebern

His Dark Materials 0: Über den wilden Fluss
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ch kenne die Reihe "His Dark Materials", zu der auch die Verfilmung "Der Goldene Kompass" gehört, nicht. So musste ich mich nun gänzlich ohne Vorkenntnisse an diese Vorgängergeschichte wagen.
Das erste ...

ch kenne die Reihe "His Dark Materials", zu der auch die Verfilmung "Der Goldene Kompass" gehört, nicht. So musste ich mich nun gänzlich ohne Vorkenntnisse an diese Vorgängergeschichte wagen.
Das erste große Fragezeichen tauchte bei mir dann auch ziemlich schnell auf. Was um alles in der Welt ist ein Daemon? Pullman ist sicher davon ausgegangen, dass die meisten Leser das wissen - ich wusste es nicht. Im Laufe des Buches habe ich mir dann aber eine mehr oder weniger gute Erklärung zusammenreimen können.

Generell ist man schnell in der Geschichte angekommen. Der 11-Jährige Malcolm ist der Sohn eines Gastwirts und hilft daher viel in dessen Wirtschaft aus. So bekommt er allerlei interessante Menschen, aber auch interessante Dinge zu hören. Da er damit aber noch nicht ausgelastet zu sein scheint, hilft er auch den Nonnen auf der gegenüberliegenden Flussseite. Als diese ein Baby namens Lyra aufnehmen, dessen Herkunft ähnlich mysteriös ist, wie der Grund, der sie zu Interessen verschiedener Gruppierungen macht, ist er sofort von ihr verzückt. Er schwört sich, sie immer zu beschützen und immer für sie da zu sein.
Bald muss er das auch beweisen, denn Lyras Leben ist nicht nur von staatlichen Institutionen und wahnsinnigen Wissenschaftlern, sondern auch durch wild gewordene Naturgewalten bedroht.

Pullman entführt in seinem neuesten Werk in eine Welt, die der unseren nicht so fremd ist. Wir befinden uns in England - wahrscheinlich im 20. Jahrhundert. Allerdings ist der technische Fortschritt nicht ganz so entwickelt (ok, der Wetterbericht ist ähnlich schlecht, wie in unserer Welt) und die Menschen sind von einer strengen christlichen Frömmigkeit, die uns heute fremd erscheit. Wie bereits erwähnt, besitzt jeder Mensch zudem einen Daemon. Eine Wesen, das ein Teil seiner Seele ist, sich aber als ein Tier manifestiert und immer in der Nähe des Menschen ist. Bei Kindern hat er sich noch nicht festgelegt, Erwachsene haben einen Daemon, der immer die gleiche Gestalt hat.

In dieser Welt wird dem jungen Malcolm bald ziemlich übel mitgespielt. Hatte er sich erst behütet und beschützt in "seinem" Gasthaus gefunden und die Welt da draußen als ein großes Abenteuer erfasst, muss er bald erkennen, dass die Welt sehr bedrohlich ist. Pulman versteht es sehr gut, diese Bedrohungen dazustellen und die Spannung in dem Buch die ganze Zeit aufrecht zu erhalten. Allerdings war das auch für mich ein Problem beim Lesen. Ich fand die Geschichte packend, spannend und ich wollte durchaus wissen, wie es weitergeht. Nur habe ich teilweise so stark mitgefiebert, dass ich immer mal wieder eine Pause brauchte. Somit dauerte das Lesen verhältnismäßig lange. Was nicht schlimm sein muss, wenn man 24€ für ein Buch bezahlt ;)

Anfangs fand ich die Figur des Malcolm sehr naiv, doch die Entwicklung, die er im Laufe der Geschichte machte, war durchaus glaubwürdig. Generell wurden hier Charaktere mit Ecken und Kanten erschaffen, die durchweg glaubwürdig waren. Vielleicht mit ein oder zwei Ausnahmen.

Und so hat man auf über 500 Seiten einen herrlichen, fantastischen Lesegenuss, der perfekt in diese Jahreszeit passt. Einen Stern möchte ich aber dennoch für das Ende abziehen. Zum Einen war es mir auf den letzten 100 Seiten zuviel Fabelhaftes (Feen, Fluss- und andere Naturgeister), zum Anderen hat mir das mehr oder weniger offene Ende nicht gefallen. Aber das ist sicher Geschmackssache.

Veröffentlicht am 20.11.2017

Auch zum Vorlesen super

Wilma & Wilhelm - Geheim geht anders
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Jaro zieht mit seinen Eltern Eltern aus München in eine fremde Stadt. So weit so alltäglich. Dort angekommen, findet er auf seinem ersten Streifzug durch den Garten eine seltsame Sonnebrille und eine alte ...

Jaro zieht mit seinen Eltern Eltern aus München in eine fremde Stadt. So weit so alltäglich. Dort angekommen, findet er auf seinem ersten Streifzug durch den Garten eine seltsame Sonnebrille und eine alte Herrensocke. Wo Erwachsene einfach weitergehen oder vielleicht noch sich zum Müllcontainer bemühen würden, ist Jaro ganz unds gar Kind & nimmt seine neuen Schätze mit nach Hause. Sehr zum Leidwesen seiner Eltern. Diese sind nämlich weder von der stinkigen Socke begeistert, noch davon, dass Jaro plötzlich anfängt mit unsichtbaren Wesen zu sprechen.

Bei der Brille handelt es sich nämlich um eine Zauberbrille. Jaro sieht zwei kindsgroße blaue Monster, namens Wilma und Wilhelm. Und obwohl er die Beiden relativ schnell in sein Herz schließt, stellen sie sein ganzes Leben auf den Kopf. Auch in der Schule hat er es schwer neue Freunde zu finden. Wer will auch schon mit dem Irren befreundet sein, der nicht nur neu in der Klasse ist, sondern mit 9 Jahren auch noch mit imaginären Freunden spricht?

Ich habe das Buch meiner 5-Jährigen Tochter vorgelesen und wir waren beide begeistert. Mir gefiel die kindgerechte Geschichte, die eben auch für Vorschüler vollkommen verständlich ist. Einige Dinge, wie etwa die total schräge Selfiesucht des Vermieters, hat sie glücklicherweise noch nicht verstanden, aber das tat dem Gesamt-Leseerlebnis keinen Abbruch. Ganz begeistert war sie von den verschiedenen Illustrationen, die sie immer wieder - wenn Mama mal keine Lust zum Vorlesen hatte - zum durchblättern und nacherzählen angeregt hatte. Die Geschichte selbst ist spannend mit einem sehr kindgerechten und logischen Ende. Soweit kleine blaue Monster, die nur mit einer Sonnenbrille sichtbar sind, eben logisch sein können.

Neben der Geschichte um die blauen Wesen geht es auch um weitere wichtige Dinge. Das man miteinander reden muss (so vertraut Jaro sich relativ zeitig seinen Eltern an), dass man Freunde braucht, die man auch akzeptieren kann, wenn sie kleine Macken haben und das man auch verzeihen sollte. Und natürlich am wichtigsten: Das man ruhig anders sein darf und trotzdem geliebt wird.

Obwohl sich am Ende alles zum Guten wendet und eigentlich keine Fragen offen bleiben, wäre wohl dennoch Potential für eine Fortsetzung da. Familie Graufuss würde sie auf jeden Fall lesen wollen.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Erwachsen werden - und sich dabei selbst finden

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
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Die Leseprobe, die ich vorab von diesem Buch las, hat mich begeistert. Gleichzeitig hatte ich aber Bedenken, dass der doch teilweise sehr flapsige Humor auf Dauer anstrengend werden könnte. Aber diese ...

Die Leseprobe, die ich vorab von diesem Buch las, hat mich begeistert. Gleichzeitig hatte ich aber Bedenken, dass der doch teilweise sehr flapsige Humor auf Dauer anstrengend werden könnte. Aber diese Sorge war vollkommen unbegründet.

Das kleine Büchlein ist schnell ausgelesen, hinterlässt aber einen gewissen Eindruck. Walerian wird erst als Kleinkind von seiner Mutter bei den Großeltern in einem kleinen polnischen Dorf zurückgelassen und zehn Jahre später - nachdem die Mutter wieder auftauchte - nach Wien entführt. Der Eiserne Vorhang war zu dieser Zeit noch nicht gefallen, so dass er als Slawe eine gewisse Rarität war.

Was ihm das Leben aber nicht leichter machte. Mit sehr schlechten Deutschkenntnissen kam er auf eine Art Sonderschule in der "alles in Zeitlupe von sich ging." Die restlichen Seiten des Buches wird dann erzählt, wie Walerian die Schule schmeißt um dann mit Hilfe von diversen Jobs sich in ein "normales Leben" zu kämpfen.

Wie bereits geschrieben, hat mir der etwas lockerer Stil sehr gut gefallen. Das Theme Migration wird ja gerade sehr überstrapaziert, da war es geradezu erfrischend, so etwas leichtes dazwischen zu lesen. Wobei auch nachdenklichen Töne und etwas melancholische Momente anklangen - aber das lässt sich wohl nicht vermeiden.

Das Ende ist stimmig, zwischendurch gibt es was zum schmunzeln, vereinzelt etwas zum prusten und auch mal etwas zum überlegen. Ein kleines Gesamtkunstwerk, dass man durchaus gelesen haben kann.