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Veröffentlicht am 15.06.2021

Die slowakische Geschichte wird in »Tahiti Utopia« einmal umgekrempelt.

Tahiti Utopia
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Meine Meinung

Wie bereits der Buchtitel verrät, handelt es sich bei dem Roman »Tahiti Utopia« des slowakischen Schriftstellers Michal Hvorecky um eine Utopie, in welcher die europäische Geschichte einmal ...

Meine Meinung

Wie bereits der Buchtitel verrät, handelt es sich bei dem Roman »Tahiti Utopia« des slowakischen Schriftstellers Michal Hvorecky um eine Utopie, in welcher die europäische Geschichte einmal auf den Kopf gestellt wird. In seiner Geschichte gestaltet der Autor die Landkarte nach dem Ersten Weltkrieg etwas anders, Großungarn gibt es noch und die Slowaken sind auf die pazifische Insel Tahiti ausgewandert, um der Unterdrückung zu entkommen und an diesem exotischen Ort einen neuen Staat zu gründen.

Der Klappentext klang so vielversprechend, amüsant und unterhaltsam, dass ich die Geschichte einfach lesen musste, allerdings rutscht die Erzählung nach einem vielversprechenden Einstieg in eine staubtrockene Angelegenheit ab, die für mich jeglichen Humor und Dynamik vermissen ließ.

Erzählt wird aus der Warte eines der Gründungsväter Slowakiens, Milan Rastislav Štefánik, der in dieser Utopie seine Landsleute nach Tahiti führt und zu Beginn im Jahre 1923 bei den Nationalfeierlichkeiten auf Neu-Slowakien bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. 2020 ranken sich viele Mythen um den gefeierten Nationalhelden Štefánik und es gibt diverse Spekulationen, wie es der slowakisch-französische Staat auf der pazifischen Insel zustande gekommen ist, unter anderem befasst sich eine seiner Nachfahrinnen mit dieser Aufarbeitung.

In einem Rückblick, der fast den kompletten Roman umfasst, begleiten wir Štefánik beginnend bei den Verhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg über die Flucht aus Großungarn bis zum traumhaften Archipel Französisch-Polynesiens. Leider habe ich keinerlei Zugang zu dem Protagonisten gefunden, was wohl auch daran liegen mag, dass sich der Text eher wie eine geschichtliche Abhandlung lesen lässt und nicht wie ein unterhaltsamer Roman. Außerdem empfand ich die politische und gesellschaftliche Einstellungen Štefániks einfach anstrengend zu lesen und hätte vielmehr eine gewagtere Vision mit Wow-Faktor erwartet.

»Tahiti Utopia« mag vielleicht für Leserinnen die der slowakischen Geschichtsschreibung bewanderter sind als ich seinen Witz offenbaren, doch mir enthielt dieser Roman seine unterhaltsame Seite, die wohl auf den wenigen Seiten liegen soll, die die slowakische Bevölkerung mit den exotischen Inselbewohnerinnen und deren Traditionen aufeinanderprallen lässt – dies bot für mich einfach etwas wenig Substanz!

Fazit

Die slowakische Geschichte wird in »Tahiti Utopia« einmal umgekrempelt. Meinen Nerv hat Hvoreckys Darstellung, die eher einem Bericht als einem Unterhaltungsroman gleicht, nicht getroffen.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 30.04.2021

Veröffentlicht am 15.06.2021

Eine fabelhafte Reise durch den Orient, die zu den eigenen Wünschen und zum Grunde des Herzens führt.

Der Alchimist
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Beschreibung

Der junge Schafhirte Santiago träumt mehrfach davon, bei den Pyramiden in Ägypten einen Schatz zu finden. Als er eine Wahrsagerin um Rat bittet und schließlich einem weißen König begegnet, ...

Beschreibung

Der junge Schafhirte Santiago träumt mehrfach davon, bei den Pyramiden in Ägypten einen Schatz zu finden. Als er eine Wahrsagerin um Rat bittet und schließlich einem weißen König begegnet, steht sein Entschluss fest. Santiago verlässt seine Heimat Andalusien und begibt sich auf eine Reise, die ihn von der marokkanischen Hafenstadt Tanger durch die stille Wüste bis nach Ägypten führt. Am Ziel und bei sich selbst angekommen, erkennt er den Schatz seines Lebens.

Meine Meinung

Der international bekannte Roman »Der Alchimist« des brasilianischen Schriftstellers Paulo Coelho erschien 1991 zum ersten Mal in deutscher Übersetzung. Nun dreißig Jahre und einige Auflagen später wurde die erfolgreiche Geschichte über den andalusischen Schafhirten Santiago und seinen Lebensweg in einer Leinenausgabe mit einer neuen Covergestaltung im Diogenes Verlag herausgebracht. Zeit für mich, sich endlich mit diesem philosophischen Werk voller Weisheiten zu befassen.

Die Geschichte des Andalusiers, der seinen Träumen folgte, auf die Zeichen und sein Herz achtete und schließlich seinen persönlichen Lebensweg beschreitet und mit einem Schatz belohnt wird, liest sich wie eine Fabel, aus der jede*r etwas (anderes) für sich selbst mitnehmen kann. Zudem bestärkt die Erzählung darin, den eigenen Träumen zu folgen und auf das Schicksal und sich selbst zu vertrauen.

Zwischen den Zeilen kann man Warnungen und Ratschläge entdecken, die sicherlich ein guter Wegweiser durch alle Lebenslagen sind und einen innehalten lassen, um sich selbst auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu besinnen.

Zusätzlich zur philosophischen Ader der Geschichte vermag Paulo Coelho mit einem orientalischen Flair zu bestechen, dass mich von kalten und sternenklaren Wüstennächten, dem berauschenden Gewürzduft der Souks und schattigen Plätzen unter Palmen in der afrikanischen Hitze träumen ließ.

Der Poesie von Coelhos Erzählstil kann man sich einfach nicht entziehen und doch gab es Stellen an denen mir die Spiritualität etwas überhandnahm. Abgesehen von diesem minimalen Kritikpunkt, der sehr von meinem persönlichen Geschmack abhängig ist, hat mir »Der Alchimist« lehrreiche und bezaubernde Lesestunden geschenkt und ist zugleich ein Roman, aus dem sich sicherlich bei nochmaliger Lektüre noch weitere Erkenntnisse gewinnen lassen.

Fazit

Eine fabelhafte Reise durch den Orient, die zu den eigenen Wünschen und zum Grunde des Herzens führt.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 26.04.2021

Veröffentlicht am 15.06.2021

Eine unheimliche Geschichtensammlung über bizarre und absonderliche Begebenheiten, denen ein unterschwelliger Horror innewohnt

Mögliche Geschichten
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Meine Meinung

Im Comic »Mögliche Geschichten« verbergen sich gleich vier schaurig-schöne Gruselgeschichten, die durch eine lose Rahmenhandlung miteinander verbunden sind.

Das atmosphärische Setting ist ...

Meine Meinung

Im Comic »Mögliche Geschichten« verbergen sich gleich vier schaurig-schöne Gruselgeschichten, die durch eine lose Rahmenhandlung miteinander verbunden sind.

Das atmosphärische Setting ist der Londoner Diogenes Club, der seine Tore auch dann noch geöffnet hat, wenn sie an anderen Orten schon längst geschlossen sind (zumindest manchmal) und zumeist von Männern aufgesucht werden die ein eher ungeregeltes Leben führen.

Der Diogenes Club ist ein Ort, an dem sich im schummerigen Licht und zu später Stunde skurrile Geschichten erzählt werden – ganz im Stile traditioneller Schauergeschichten, bei denen man sich nie so genau sicher sein kann, ob nicht doch etwas Wahres daran ist.

Die Vorlage zu den mysteriösen Geschichten mit ihrem leicht gruseligen Touch stammen von Neil Gaiman und wurden bereits 2016 in einer Miniserie verfilmt, bevor diese von Mark Buckingham im Comic »Mögliche Geschichten« adaptiert wurden. In den Kurzgeschichten geht es um eine wundersame Geschlechtskrankheit, die ganz ohne Liebesakt entsteht, eine kannibalistische alte Dame, ein bezauberndes und zeitloses Fotomodell, welches nie zu altern scheint und ein unheimliches altes Spukhaus.

Die klaren Illustrationen von Mark Buckingham und seine klassische Anordnung der Panels machen diese Kurzgeschichten zu einem wunderbaren Comic für Einsteiger, auch wenn die Bilder mit viel Text beladen sind. Außerdem gibt es Dank des großartigen Glossars von Jens R. Nielsen eine detaillierte Aufschlüsselung zu Hintergründen und Anspielungen in Buckinghams Bildern und Texten.

Nach »Eine Studie in Smaragdgrün« ist diese Comic-Ausgabe der zweite Band aus der ›Neil Gaiman Bibliothek‹, die schon bald mit »Nur wieder das Ende der Welt« geschrieben von Neil Gaiman und P. Craig Russell und illustriert von Troy Nixey und Matthew Hollingsworth erweitert wird.

Fazit

Eine unheimliche Geschichtensammlung über bizarre und absonderliche Begebenheiten, denen ein unterschwelliger Horror innewohnt – eingefangen von den ausdrucksstarken Bildern Buckinghams. Ein mystisch-gruseliges Leseerlebnis à la Neil Gaiman mit einer bestechend übersinnlichen Note.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 25.04.2021

Veröffentlicht am 15.06.2021

Ein mitreißender Familienroman der unter die Haut geht.

Die Anderen
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Beschreibung

In einer Nacht wird Driss Guerraoui vor seinem Diner in der kalifornischen Wüste angefahren und verstirbt noch am Unfallort. Der marokkanische Einwanderer lebt schon seit 1981 mit seiner ...

Beschreibung

In einer Nacht wird Driss Guerraoui vor seinem Diner in der kalifornischen Wüste angefahren und verstirbt noch am Unfallort. Der marokkanische Einwanderer lebt schon seit 1981 mit seiner Familie in der kleinen Wüstenortschaft und seine Tochter Nora glaubt nicht an einen Unfall. Als Nora versucht die wahren Hintergründe der Unfallnacht ans Licht zu bringen, stößt sie dabei auf Zusammenhänge, die den Vorfall neu beleuchten aber auch auf Dinge, die ihren Vater von einer ganz anderen Seite zeigen…

Meine Meinung

In ihrem Roman »Die Anderen« erzählt Laila Lalami eine berührende Familiengeschichte, eine Liebesgeschichte und auch ein klein wenig eine Kriminalgeschichte. Dabei zeichnet die Schriftstellerin ein gesellschaftliches Porträt einer Kleinstadt in der kalifornischen Wüste und dem Rassismus in der westlichen Welt.

Für mich ist Laila Lalamis Buch in erster Linie ein Familienroman, denn auch wenn Nora und ihr alter Schulfreund Jeremy den meisten Raum in der Geschichte erhalten, kommen auch die restlichen Familienmitglieder und weitere involvierte Protagonisten zu Wort.

Es entsteht ein umfassendes Bild der Einwandererfamilie, die sich im Kern mit ihren Problemen, Sorgen, Ängsten, Streitigkeiten aber auch in ihrer Liebe, Verbundenheit und Zusammenhalt nicht von einer einheimischen amerikanischen Familie unterscheiden lässt – und doch sind sie ›Die Anderen‹.

Die Perspektivwechsel sind geschickt gewählt und tragen den größten Anteil an der subtilen Spannung der Geschichte. Das gesellschaftliche Porträt ist gespickt mit diversen Szenen, die gekonnt zeigen, wie sehr Rassismus in der westlichen Welt verankert ist und welche Auswirkungen Intoleranz, Missgunst und Neid hinterlassen.

Ich habe es sehr genossen, mich von Laila Lalami auf eine emotionale und fesselnde Reise in die Wüste mitnehmen zu lassen und die interessanten Protagonist*innen haben mich fasziniert. Einen kleinen Kritikpunkt habe ich allerdings noch, denn für meinen Geschmack wurde es an mancher Stelle etwas übertrieben, indem noch weitere gesellschaftliche Themen (wie z. B. Patchworkfamilie, Homosexualität, posttraumatische Belastungsstörungen bei einem ehemaligen Marine) angeschnitten werden – das hätte die Geschichte in meinen Augen nicht nötig gehabt, trägt allerdings auch zu einem komplexeren Gesamtbild bei.

Fazit

Ein mitreißender Familienroman der unter die Haut geht.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 23.04.2021

Veröffentlicht am 15.06.2021

»Mädchen, Frau etc.« ist ein bewegender und augenöffnender Roman über die wichtigen Themen unserer Zeit. Unbedingt lesen!

Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
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Meine Meinung

Bernadine Evaristo gewann mit ihrem Roman »Mädchen, Frau etc.« 2019 als erste schwarze Autorin den Booker Prize und erhielt auch hierzulande mit der deutschen Erstveröffentlichung im Tropen ...

Meine Meinung

Bernadine Evaristo gewann mit ihrem Roman »Mädchen, Frau etc.« 2019 als erste schwarze Autorin den Booker Prize und erhielt auch hierzulande mit der deutschen Erstveröffentlichung im Tropen Verlag große Aufmerksamkeit, die ihre Geschichte über zwölf schwarze Frauen auch mehr als verdient.

In fünf Kapiteln taucht man in die Lebensgeschichte von den Protagonistinnen ein, die alle lose miteinander verknüpft sind, durch Verwandtschaft, Freundschaft und Liebe. Die Rahmenhandlung stellt die Premiere von Ammas Theaterstück am National Theatre dar, bei der die meisten der Frauen anwesend sind und die losen Fäden zusammengefasst werden.

Bernardine Evaristo setzt bei ihren Erzählungen auf ein ungewöhnliches Stilmittel, indem sie fast vollkommen auf Interpunktion verzichtet und ihrem Text damit einen eigenwilligen Rhythmus aufdrückt. Im Lesefluss hat mich das nur zu Beginn etwas gestört und stolpern lassen, einmal daran gewöhnt entfaltet sich die soghafte Wirkung der Geschichte allerdings ungehindert und brilliert vor allen Dingen durch die wechselnde Sprache, die sich immer der jeweiligen Frau anpasst, über die gerade erzählt wird, sodass man das Gefühl hat, diese spricht einen direkt an.

Die Frauen über die Bernardine Evaristo berichtet befinden sich in den unterschiedlichsten Lebensabschnitten, von der neunzehnjährigen Yazz bis hin zur dreiundneunzigjährigen Grace, und so spiegelt sich die Veränderungen durch die Jahrzehnte aber auch die Parallelen in den Schicksalen dieser schwarzen Frauen wider. Eine Präsenz, die sich durch alle Lebensläufe zieht, sind Themen wie Rassismus, Feminismus, sexuelle Orientierung und Identität.

Aber auch die Betrachtung von Gewalt, patriarchale Unterdrückung, Migration, Integration, familiäre Gefüge und althergebrachte Regelungen und Traditionen, die junge Menschen in ihrer Entfaltung hemmen und sie in ein Korsett stecken, werden verpackt in bewegenden Erzählungen aufgetischt. Besonders spannend zu lesen war für mich die Geschichte über Megan, die sich gegen alle Versuche ihrer Mutter sie in ihr Modell einer femininen Tochter zu zwängen behauptet und schließlich in einer nicht-binären Rolle als Morgen aufblüht und eine glückliche Beziehung zu einer Transfrau eingeht.

Durch Evaristos abwechslungsreiche und diverse Darstellerinnenauswahl kann man seinen eigenen Horizont ungemein erweitern. Bisher hatte ich zwar schon Bücher über lesbische, schwule oder transsexuelle Protagonistinnen in der Hand, mit der nicht-binären Geschlechtsidentität, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Spektrum zuordnen lässt, allerdings nur durch Tillie Waldens Comic »Auf einem Sonnenstrahl« kurzen Kontakt.

Fazit

»Mädchen, Frau etc.« ist ein bewegender und augenöffnender Roman über die wichtigen Themen unserer Zeit. Unbedingt lesen!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 20.04.2021