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Veröffentlicht am 29.06.2025

Tödliche Berührung

Kingdom of the Black Crescent 1: Touch of Perish
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Die bekannte Spiegel- Bestsellerautorin Lexy v. Golden aka D.C. Odesza hat mit “Kingdom of the black crescent- touch of perish” den ersten Band einer Dilogie vorgelegt, der in düstere Welten entführt. ...

Die bekannte Spiegel- Bestsellerautorin Lexy v. Golden aka D.C. Odesza hat mit “Kingdom of the black crescent- touch of perish” den ersten Band einer Dilogie vorgelegt, der in düstere Welten entführt. Das Buch begeistert sofort durch seine luxuriöse Ausstattung. Ein beeindruckendes Cover, ein Schutzumschlag mit Duftsticker, ein dreiseitiger wunderschöner Motivfarbschnitt und die elegante Goldprägung machen diesen Band zum absoluten Hingucker, den man in der Buchhandlung sofort zur Hand nehmen würde. Ebenso gibt es eine Landkarte der sieben Reiche auf der Rückseite des Buchdeckels.

Hauptcharakter des Buches ist Kaythara, die alles tötet, was sie berührt. Sie lebt mit anderen Mädchen, die ebenfalls außergewöhnliche Gaben haben, abgeschottet im schwarzen Tempel, wo absolute Unterordnung und Gehorsam gefordert werden und wo sie entsetzlichen Behandlungen unterworfen wird, angeblich um ihre Gabe abzuschwächen. Doch als sie ihren Ziehvater heiraten soll, verhelfen ihr unbekannte Wächter zur Flucht.

Aber Kaythara soll nicht befreit werden, sondern einen Vampirprinzen heiraten und gemeinsam mit ihm kämpfen. Im Königreich Mordeyras, in dem ein grausamer König regiert, muss sie gegen ihren Willen ihre Gabe einsetzen. Doch schon auf der Flucht hat sich Kaythara verliebt, erst jetzt erfährt sie, wer die Vampirprinzen Danmor und Mordan wirklich sind. Unter ihrem Schutz wähnt sich Kaythara sicher, doch sie wird wieder entführt. Kann sie das überleben?

Diese in einer düsteren Welt voll Brutalität und Blut angesiedelte Geschichte besticht durch bildhafte Beschreibungen aller Schauplätze und der magischen Wesen. Auch wenn alle Charaktere vernichtende Gaben haben, sind Danmor und Mordan ernsthaft um Kaytharas Wohl besorgt und beschützen sie. Dadurch gewinnen sie sehr rasch an Sympathie, ebenso wie Kaythara, die ein mitfühlender Mensch ist und alles tut, um mit ihrer Gabe niemandem zu schaden. Im Lauf der Zeit entwickelt Kaythara ein starkes Gefühl für beide Brüder, doch wie soll sie sich entscheiden? Als auch die Herkunft Kaytharas klarer wird verbirgt sich gerade darin ein furchtbares Geheimnis.

Lexy v. Golden hat mit “Kingdom of the black crescent- touch of perish” eine düstere new adult Romantasy geschrieben, in der sich neben Grausamkeit und dunkler Szenerie immer wieder witzige Dialoge, echte Gefühle, erotische Spannung und spicy moments finden lassen. Die verborgene Identität von Mordan und Danmor, die Entwicklung von Kaythara und die immer wieder eindringlich beschriebenen Kampfszenen erhalten die Spannung. Am Schluss des Buches darf man aber keine Auflösung der Geschichte erwarten, sondern der Roman endet gerade in einem seiner spannendsten Momente.

Das Buch ist ein Page Turner, niemals langweilig, fast atemlos verfolgt man die bewegende Handlung, überrascht von unerwarteten Wendungen und fasziniert von großen Gefühlen. Jedes Kapitel ist einer Figur gewidmet, die die Geschehnisse in der Ich-Form erzählt. So taucht man beim Lesen ohne Schwierigkeit in den Charakter der jeweiligen Figur ein, um ihr Denken und Handeln nachzuvollziehen. Ebenso sind jeder Figur unterschiedliche Symbole zugeordnet. Da die erste Seite am Kapitelbeginn immer schwarz mit weißer Schrift ist, ist man schnell wieder in den magischen und dunklen Welten.

Junge Erwachsene, die sich einen Roman mit abgründiger, manchmal verstörender und geheimnisvoller Geschichte wünschen, finden hier sicher ein Buch, dass sie lieben werden. Ich kann diesen Roman daher gerne empfehlen und bewerte ihn mit fünf Sternen.

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Veröffentlicht am 27.06.2025

Aufbruch ins Leben

Der Weg der Frauen
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Mit “Der Weg der Frauen- Das Pensionat an der Mosel” schließt die bekannte Autorin und Homer Preisträgerin Marie Pierre aka Maria W. Peter ihre Trilogie über das Mädchenpensionat ab. Schon das gelungene ...

Mit “Der Weg der Frauen- Das Pensionat an der Mosel” schließt die bekannte Autorin und Homer Preisträgerin Marie Pierre aka Maria W. Peter ihre Trilogie über das Mädchenpensionat ab. Schon das gelungene Cover zeigt fröhliche Schülerinnen, die dabei sind, ihren Weg ins Leben zu gehen, auch die Skyline des Stadtchens Diedenhofen- Thionville im Jahr 1912 im Reichsland Elsass-Lothringen stimmt auf den Schauplatz des Geschehens ein. Diedenhofen ist damals eine preußisch bayrische Garnisonsstadt, die im Jahr 1871 ebenso wie Elsass- Lothringen an das deutsche Kaiserreich gefallen ist.

Doch Pauline Martin, Leiterin des Pensionats an der Mosel und Lehrerin aus Berufung, bemüht sich, ihren Schülerinnen die französische Sprache und Lebensart zu vermitteln. Ebenso ist es ihr wichtig, die Mädchen zu selbständigem Denken und eigenständigem Handeln zu erziehen. Obwohl sie aus diesem Grund den Lehrplan eher locker auslegt, ist sie doch an die Konventionen der Zeit gebunden. So werden berufstätige Frauen nicht ernst genommen und für unfähig im Wirtschaftsleben gehalten. Gesellschaftlich ist der Mann bzw. Vater das Oberhaupt der Familie, normalerweise trifft er alle Entscheidungen. Aus diesem Grund hat Pauline auch die Leitung des Pensionats dem Eheleben vorgezogen.

Doch selbst Pauline kommen Zweifel an ihrer Kompetenz und ihren Möglichkeiten, als ihre Schülerin Sophie verhaftet wird, weil sie an einer Demonstration für Frauenrechte teilgenommen hat. Sophies Vater, der die Tochter nach Luxemburg nach Hause holt, reagiert entsetzlich, das Mädchen wird geprügelt und erhält ein Medikament gegen ihre Aufsässigkeit. Noch weiß niemand, welchen Schaden diese Medizin bewirken wird. Sophies Mutter wird sich erst nach langer Zeit gegen ihren Mann auflehnen und der Tochter beistehen.

Auch im persönlichen Umgang ist Pauline bedacht, den Ruf ihres Pensionats nicht zu gefährden. Zwar fühlt sie sich zu dem preußischen Offizier Erich von Pliesnitz hingezogen, doch mehr als nur wie zufällig aussehende Treffen erlauben die Konventionen nicht. Neben dieser zarten Liebesgeschichte, die keine Aussicht auf Erfüllung zu haben scheint, macht auch Paulines ehemaliger Verlobter ihr wieder den Hof. Mittlerweile verwitwet und Vater eines kleinen Sohnes, hofft er Pauline zurück zu gewinnen.

Doch gerade jetzt scheint das Pensionat in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu stecken. Verleumdungen machen die Runde, Schülerinnen werden abgemeldet. Doch die meisten Mädchen im Pensionat stehen hinter Pauline. Wird es gelingen, diese Anschuldigungen zu entkräften?

Besonders hervorzuheben sind auch die exzellent gezeichneten Charaktere der Schülerinnen, des Hauspersonals und der Lehrkräfte, wobei Pauline erstmals einen Mann als Lehrer beschäftigt, dessen Überheblichkeit aber sehr schnell von Respekt für Paulines Leistung abgelöst wird. Natürlich wird auf soziale Probleme eingegangen, arm steht neben reich, der preußische Wunsch nach Ordnung schlägt sich manchmal mit dem savoir vivre. Das Schicksal unehelicher Kinder wird ebenso beleuchtet wie die medizinischen Verhältnisse der damaligen Zeit, die oftmals mehr Schaden als Nutzen anrichteten. Besonders ist der Autorin aber daran gelegen, das historische Schulwesen, die gesellschaftlichen Strukturen und die Lebensumstände im Jahr 1912 zu beschreiben.

Mit “Der Weg der Frauen- Das Pensionat an der Mosel” hat Marie Pierre einen angenehm zu lesenden historischen Roman geschrieben, der vor allem durch die eindringliche Schilderung der menschlichen Schicksale berührt. Dadurch wird auch die Spannung gehalten, denn natürlich möchte man wissen, wie die Protagonisten alle Herausforderungen meistern. Das im Anhang befindliche umfangreiche Quellenverzeichnis zeugt von historischer Detailgenauigkeit und profunder Recherche.

Obwohl ich die ersten beiden Bände der Reihe nicht kenne, bin ich ohne Schwierigkeiten in die Geschichte eingetaucht, zur besseren Übersicht gibt es am Anfang des Buches ein Personenverzeichnis. Auf der Innenseite des vorderen Buchumschlages findet man eine Landkarte des Bezirks Lothringen, ebenso aus 1912, und für die Lesenden, die gerne auf historischen Spuren wandeln, gibt es im Anhang Reise- und Stöbertipps. Ich empfehle diesen interessanten und gelungenen Roman gerne weiter und bewerte ihn mit verdienten fünf Sternen.

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Veröffentlicht am 26.06.2025

Wer ist der Große Calafati?

Der Totengräber und die Pratermorde (Die Totengräber-Serie 4)
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Mit “Der Totengräber und die Pratermorde” hat der Spiegel Bestseller- Autor Oliver Pötzsch den vierten Band seiner Totengräberserie um Inspektor Leopold von Herzfeldt aus dem Wiener Sicherheitsbüro und ...

Mit “Der Totengräber und die Pratermorde” hat der Spiegel Bestseller- Autor Oliver Pötzsch den vierten Band seiner Totengräberserie um Inspektor Leopold von Herzfeldt aus dem Wiener Sicherheitsbüro und den Totengräber Augustin Rothmayer vorgelegt.

Schauplatz ist diesmal Wien im Jahr 1896. Zwei Zauberer gastieren in der Stadt, der Amerikaner Banton, der im Ronacher Theater auftritt und der Grosse Bellini, der seine Kunst im Wiener Prater zeigt. Banton hat modernere Tricks, doch bei seinem spektakulärsten geht alles schief, die Jungfrau wird wirklich zersägt. Als kurz darauf sein Assistent stirbt, hat Inspektor Herzfeldt zwei Morde aufzuklären. Dabei kommt ihm immer wieder seine große und unglückliche Liebe Julia Wolf in die Quere, Journalistin beim Neuen Wiener Journal. Als Julia im Prater recherchiert, wird ihr das Gerücht zugetragen, dass immer wieder Mädchen verschwinden. Tatsächlich werden weitere Frauenleichen gefunden, es ist klar: Irgend jemand, hinter vorgehaltener Hand genannt der Große Calafati, zieht hier im Hintergrund die Fäden. Hängen die vielen Mordfälle zusammen?

Im Wien der Jahrhundertwende wird die Kriminalistik gerade zur faktenbasierten Wissenschaft, die Wiener Medizinische Schule ist weltberühmt. Leopold von Herzfeldt schwört auf die Tatortanalyse und die Daktyloskopie, der am Wiener Zentralfriedhof beschäftigte Totengräber Augustin Rothmayer experimentiert mit Fliegen und Maden, um die Liegezeit von Leichen bestimmen zu können. Dabei arbeitet er mit Professor Hofmann vom gerichtsmedizinischen Institut zusammen und schreibt mit Herzfeldt an einem Buch. Doch die seltsam verkleideten Frauenleichen geben weiterhin Rätsel auf.

Mit “Der Totengräber und die Pratermorde” zeichnet Oliver Pötzsch ein genaues Bild des historischen Wien, wobei der Wiener Prater die Hauptrolle spielt. Er ist ein Kosmos für sich und die Budenbesitzer stehen der Polizei skeptisch gegenüber. Sie machen Streitigkeiten lieber untereinander aus. Dementsprechend schwierig gestalten sich die Ermittlungen, erst als Julia unter falschem Namen eine Stellung in einem Zirkus annimmt, kommt sie an mehr Informationen. Doch weiß sie nicht schon zuviel und ist ihr Leben noch sicher?
Neben der spannenden Kriminalhandlung beschreibt der Autor sehr gut die sozialen Hintergründe und Entwicklungen der damaligen Zeit. Wien ist im Umbruch, neue technische Errungenschaften halten Einzug. Teile Wiens sind bereits elektrifiziert, bewegte Bilder auf der Leinwand faszinieren und ängstigen die Menschen gleichermaßen. Wenige Autos fahren, viele Menschen sind überzeugt, dass sich diese neumodischen Erfindungen nicht lange halten werden. Eine neue Sportart, das Fußballspiel, wird immer beliebter.

Julia, eine Frau, die ihre Unabhängigkeit und ihren Beruf schätzt, lebt mit ihrer gehörlosen Tochter Sisi in einem Untermietzimmer, Armut und Reichtum existieren nebeneinander. Inspektor Herzfeldt, der jüdische Wurzeln hat, wird mit Vorurteilen, Beleidigungen und Hass wegen seiner Religion konfrontiert, auch seitens seiner Kollegen. Antisemitismus ist allgegenwärtig. Augustin Rothmayer ist ein menschenscheuer Typ, der wissenschaftliche Erkenntnisse über die Leichen, mit denen er täglich zu tun hat, gewinnen will. Liebevoll kümmert er sich um seine Pflegetochter Anna, die bei ihm eine Lehre macht. Doch Anna ist dem Fußballspiel verfallen und Rothmayer nicht sehr geübt im Umgang mit jungen Mädchen. Auch alle weiteren Charaktere sind zeittypisch und authentisch dargestellt und ermöglichen den Einblick in eine Welt hinter dem Praterrummel.

Die Sprache des Buches, das flott und spannend zu lesen ist, ist oft sehr Wienerisch, wer Wiener Schimpfworte noch nicht kennt, wird sein Repertoire hier wirklich bereichern können, auch wenn manche Bezeichnungen heute nicht mehr geläufig sind. Zur besseren Verständlichkeit gibt es ein Glossar und ein Personenverzeichnis, das den Überblick erleichtert. Das Milieu und die historischen, baulichen und architektonischen Gegebenheiten sind lebendig und exakt geschildert. Um die Vorstellungskraft zu unterstützen, bietet das Buch auf der Rückseite des vorderen Buchumschlages eine Karte der historischen Wiener Innenstadt und des Praters. So ist “Der Totengräber und die Pratermorde” ein gelungener historischer Kriminalroman, der echtes Wiener Flair um die Jahrhundertwende bietet. Und der Große Calafati? Es ist eigentlich eine überlebensgroße Figur in der Mitte des Praters, die einen Chinesen darstellt und vor der sich die Kinder auch heute noch fürchten.

Mein Fazit:
Oliver Pötzsch hat einen lebendigen, gut lesbaren und sehr spannenden Kriminalroman geschrieben, der Wien um die Jahrhundertwende hervorragend beschreibt und es den Lesenden leicht macht, in die damalige Atmosphäre und Kultur einzutauchen. Das Verschwinden junger Mädchen war keineswegs ungewöhnlich, sehr gut gefallen hat mir, dass die eigentlichen Verbrechen nicht sensationslüstern dargestellt werden, man aber das Grauen der Situation deutlich spüren kann. Diesen actionreichen historischen Kriminalroman empfehle ich sehr gerne weiter und bewerte ihn mit verdienten fünf Sternen.

Noch ein Tipp für alle, die sich für Kriminalgeschichte interessieren: Das Kriminalmuseum im zweiten Wiener Gemeindebezirk kann ich wirklich empfehlen.

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Veröffentlicht am 22.06.2025

Schweigen und Schuld/ Trauma und Lust

Wie sehr ich dich finde
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“Wie sehr ich Dich finde” der Autorin Lea Söhner ist ein nachdenklich machender Roman, der verdient, dass sich die Lesenden Zeit zur Reflexion nehmen. Er umfasst nicht nur drei Generationen und ihre teils ...

“Wie sehr ich Dich finde” der Autorin Lea Söhner ist ein nachdenklich machender Roman, der verdient, dass sich die Lesenden Zeit zur Reflexion nehmen. Er umfasst nicht nur drei Generationen und ihre teils furchtbaren Schicksale, sondern stellt dem Glauben und dem Hadern mit Gott immer wieder das weibliche Prinzip der Mutter und Geliebten gegenüber, in deren warmen Armen die Protagonisten des Buches Zuflucht suchen.

Die Handlung wird getragen von zwei Stammelternpaaren, die beide den Krieg und die Nachkriegszeit erlebt haben, einem Elternpaar und deren Tochter, die langsam ihren Wurzeln auf den Grund gehen:

Das erste Stammelternpaar: Paul und Helene/ Sohn: Wolfgang
Das Buch beleuchtet das Schicksal von Helene, einem halbjüdischen Mädchen, das im Jahr 1942 gerade noch vor den Nazis in die Schweiz in Sicherheit gebracht werden kann. Doch die Eltern kommen nicht wie versprochen nach, die Sechsjährige, versehen mit neuer Schweizer Identität, verstummt. Ihr Schicksal wendet sich erst, als sie zu singen beginnt, ihr Traum, Opernsängerin zu werden, geht in Erfüllung. Auch ihre Ehe mit Paul, einem Arzt und dem gemeinsamen Sohn Wolfgang scheint glücklich, doch Paul kennt ihre wahre Identität nicht. Helene öffnet sich erstmals, findet Briefe der Eltern, doch das Schicksal erlaubt keine Bewältigung.
Wolfgang leidet unter dem Tod der Mutter und liebt seine Großeltern. Doch hier gibt es dunkle Verbrechen, die Paul seinen Eltern entfremden. Erst spät wird Paul Wolfgang über die Gräueltaten seines Opas aufklären,

Das zweite Stammelternpaar: Hanna und Hans/ Tochter: Bettina
Hans hat die Gräueltaten des Krieges und die Brutalität seines Vaters erlebt. Ihm ist klar geworden, dass für ihn Gewalt und Lust eng verbunden sind. Doch gibt er Gott das Versprechen, nie jemandem zu schaden. Er heiratet Hannah, die tief gläubig ihr Leben und ihre lang ersehnte Tochter Bettina Gott weiht.

Das Elternpaar: Bettina und Wolfgang/ Tochter: Sarah
Bettina, eine Mathematikerin, aber eher schüchtern und farblos, heiratet Wolfgang, den Frauenhelden und bekannten Pianisten. Ihre Ehe ist geprägt von den Seitensprüngen Wolfgangs. Die gemeinsame Tochter Sarah leidet darunter, dass sich die Mutter der Familie immer wieder entzieht. Trotz schwerer Schicksalsschläge scheint die Beziehung zwischen Wolfgang und Bettina unverbrüchlich. Tochter Sarah, angehende Dirigentin, jedoch hadert lange mit ihrem Schicksal, besonders mit der Mutter, und erkennt erst durch Yvonne, dass jeder selbst für sein Liebesleben verantwortlich ist.

Versöhnlich und als Prinzip des Weiblichen wird Yvonne beschrieben, eine ehemalige Edelprostituierte, die Wolfgang zum Mann und Paul zum Ehemann gemacht hat. Yvonnes Klugheit und Gespür für menschliche Abgründe ermöglichen langsam Heilung.

Dieser von der Kriegszeit bis in die Gegenwart reichende Roman zeichnet Lebenswege und Schicksalsschläge nach, die als Traumata in den Figuren bis in die Jetztzeit fortwirken. Der Widerstreit zwischen Glauben und Lust ist ebenso Thema wie Inzest, sexuelle und psychische Gewalt und das schnelle Entstehen von Liebe und Beziehungen. “Wie sehr ich dich finde” ist ein kluger und menschlicher Roman. Auch wenn die Schicksale der Protagonisten einander gleichen, muss jeder die Frage nach individueller Schuld stellen. Doch steht am Ende Versöhnung und Verzeihen.

Der Schreibstil von Lea Söhner ist manchmal poetisch, manchmal unerwartet und direkt, immer jedoch lebendig und gut lesbar. Dazu trägt auch das Personenverzeichnis am Buchanfang bei. Außerdem steht am Beginn jedes Kapitels, das einer Person zugeordnet ist, ein Schlagwort, das den Inhalt des Geschriebenen charakterisiert. Auch wenn das Buch menschliche Abgründe behandelt, bietet es doch einen positiven Schluss. Lesenden, die Interesse an Zeitgeschichte und dem Nachwirken des Lebens der Vorfahren in der eigenen Geschichte haben, möchte ich dieses Buch besonders empfehlen. Oft sind es, wie in der Musik, die leisen Töne, die überzeugen.

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Veröffentlicht am 06.06.2025

Hartes Leben- raue See: Ein mitreißender historischer Roman

Der Ruf des Horizonts
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Mit “Der Ruf des Horizonts” hat die Bestseller-Autorin Jaane Jansen den zweiten Band ihrer Ostfriesland Saga vorgelegt. Auf dem Cover ist Sventje abgebildet, der Hauptcharakter des Romans, die sich heimlich ...

Mit “Der Ruf des Horizonts” hat die Bestseller-Autorin Jaane Jansen den zweiten Band ihrer Ostfriesland Saga vorgelegt. Auf dem Cover ist Sventje abgebildet, der Hauptcharakter des Romans, die sich heimlich überlegt, ob ihr Leben vielleicht in anderen Bahnen und in der Ferne verlaufen könnte.

Die Geschichte beginnt in Borkum im Jahr 1780. Sventje, Mutter von vier Kindern und mit Lian, einem Walfänger, verheiratet, ist glücklich. Ihr Mann, der sonst für Jahre zur See gefahren ist, ist zu Hause, sie kann den Unterhalt der Familie als Seifensiederin bestreiten. Nur Tammo, ihr ältester Sohn, kann seine Beine nicht bewegen, ohne dass eine Ursache bekannt wäre. Trotzdem, Sventje ahnt, dass das Glück nicht ewig dauern wird. Tatsächlich nützt der Bader des Dorfes den Aberglauben der Menschen aus, denn er bezeichnet es als Teufelszeug, sich zu waschen. Was Sventje am Anfang nicht ernst nimmt, soll ihr fast zum Verhängnis werden.

Im Rückblick auf das Jahr 1749 wird der Grund offenbar, wieso Sventje, das ehemalige Findelkind, und Lian so innig verbunden sind. Lian hat als Kind Sventje gefunden, aufgezogen wurde sie von Schwester Johanna, einer Nonne. Doch in Sventjes Kindheit gab es noch einen Freund, Valentin von Halversberg, der seit Langem Sventje heimlich und hoffnungslos liebt. Auch hat er ihr und ihrer Familie schon oft geholfen, ohne dass Sventje davon wusste. Durch Schwester Johanna kommt ein lange gehütetes Familiengeheimnis ans Licht, Lian und der Gutsherr haben eine besondere Verbindung. Und Valentin wird alles tun, um Sventje weiter zu helfen.

Tatsächlich kommt das Unglück, wie es Sventje geahnt hat. Sie wird von den Dörflern verfolgt, Lian ist auf See und gerät im Laufe des inzwischen ausgebrochenen Krieges zwischen England und Holland in Kriegsgefangenschaft. Wieder gelingt es Valentin mit einer List, Lian zu befreien und Sventje und ihrer Familie Unterschlupf auf seinem Gut zu gewähren. Doch ruft in der Ferne nicht schon der Horizont?

Besonders hervorheben muss man, dass Jaane Jansen ihren Charakteren wirklich Tiefe gibt. Die Schicksale der einzelnen Figuren sind nicht nur in historische Zusammenhänge gebettet, sondern auch die Persönlichkeiten und Charakterzüge hervorragend ausgearbeitet. So ist es leicht, in die Lebenswelt der damaligen Zeit einzutauchen und sich den Menschen verbunden zu fühlen. Alle genannten Protagonisten bestechen durch Stärke und Menschlichkeit, ohne jedoch ihrem Schicksal, das viele Prüfungen bereit hält, entrinnen zu können. Sventje tut alles für ihre Familie, unterstützt wird sie dabei von ihrer Freundin Fenna, einer Hebamme. Trotzdem ist die Zeit nicht reif für neue Ideen. Lian ist ein liebender Ehemann, der in seinen Logbüchern jeden Tag einen Brief an Sventje schreibt und ihr von seinen Gedanken und Gefühlen berichtet. Valentin von Halversberg hat sich beinahe damit abgefunden, sein Leben allein und kinderlos zu verbringen, denn seine Liebe zu Sventje kann unmöglich erfüllt werden.

Mit “Der Ruf des Horizonts” hat Jaane Jansen einen beeindruckenden historischen Roman vorgelegt. Sie ist eine großartige Erzählerin, die ihre Geschichten rund um akribisch recherchierte historische Fakten baut. Das Buch ist angenehm zu lesen und schildert das Geschehen so eindrücklich, dass Kopfkino beim Lesen entsteht. Auch ohne Band eins der Ostfriesland Saga zu kennen, kann man das Buch gut lesen und kommt problemlos in die Geschichte hinein. Eine große Hilfe ist das Personenverzeichnis, das dem eigentlichen Text vorangesetzt ist. Wer jedoch die früheren Zusammenhänge und Schicksale der Protagonisten kennen lernen will, dem sei Band eins wärmstens ans Herz gelegt. Im Nachwort zu Band zwei legt die Autorin die geschichtlichen Zusammenhänge offen, mein Tipp wäre, dieses noch vor dem eigentlichen Text zu lesen. “Der Ruf des Horizonts” ist nach meiner Meinung einer der besten Romane, die das ausgehende achtzehnte Jahrhundert zum Thema haben. Daher eine absolute Leseempfehlung von mir und verdiente fünf Sterne.

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