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Veröffentlicht am 19.08.2020

Eine ganz außergewöhnliche Familiengeschichte

Vaters Wort und Mutters Liebe
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Tornedal, ein finnischer Ort an der Grenze zu Schweden. Hier leben Pentti und Siri Toimi. Ihre 12 Kinder sind hier auf dem landwirtschaftlichen Hof aufgewachsen. Einige sind schon aus dem Haus, leben ihr ...

Tornedal, ein finnischer Ort an der Grenze zu Schweden. Hier leben Pentti und Siri Toimi. Ihre 12 Kinder sind hier auf dem landwirtschaftlichen Hof aufgewachsen. Einige sind schon aus dem Haus, leben ihr Leben weit weg von zuhause. Nun weihnachtet es sehr und die meisten der Kinder kehren zu den Feiertagen nachhause zurück. Die meisten freuen sich auf ihre Geschwister, die untereinander eine starke Bindung haben, und Mutter Siri, eine sanftmütige Frau, die alles für ihre Kinder tut, was in ihrer Macht steht. Sie haben aber auch Angst vor den Launen und der Grausamkeit des despotischen Vaters Pentti.
In diesem Winter, 1981, wird der kleine Arto bei einem Unfall schwer verletzt. Dadurch wird sich das Familienleben in der Zukunft dauerhaft verändern...

„Liebe ist ein Luxus, den sich nur reiche Leute leisten können. Für arme Leute hingegen hat sie keinerlei Wert“.
Diese Sichtweise hat mich einerseits erschüttert. Andererseits beschreibt sie aber das Leben und das Miteinander in der Familie. Daraus erfolgt auch eine Einsamkeit, die ich beim Lesen immer wieder gespürt habe.

Schon die Einführung vor der Geschichte ist etwas speziell und facht die Neugier auf das, was da wohl kommen mag, tüchtig an.
Jedes Familienmitglied bekommt ein oder mehrere eigene Kapitel, in dem es dann hauptsächlich um deren Vergangenheit, seine Sichtweise und seine Stellung in der Familie geht. So lerne ich sie sehr intensiv kennen. Elina und Riiko, die beiden verstorbenen Geschwister sind davon ausgenommen. Durch die sehr verschiedenen Charakteren, bei denen man deutlich sieht, wie unterschiedlich sich Geschwister entwickeln können, fällt es nicht schwer sich unter den vielen Personen zurecht zu finden. Außerdem gibt es zu Beginn des Buches ein sehr ausführliches Personenregister, in dem man spicken kann.
Immer wieder spricht der Erzähler mich persönlich an, wodurch ich mich noch mehr dem Familiengefüge zugehörig bzw. hinein gezogen fühle. Richtig wohlgefühlt habe ich mich allerdings hier nicht.

Sehr gut gefällt mir die Beschreibung der kargen, idyllischen finnischen Landschaft. Dazu im krassen Gegensatz die Lebensmittelpunkte Helsinki und Stockholm, wohin drei der Kinder verzogen sind.

Es hat seine Zeit gedauert, bis ich in die Familie Toimi hinein gefunden habe. Aber dann habe ich mich mitreißen lassen und war von den verschiedenen Emotionen und Gefühlen, die die Geschichte bei mir auslöst, überwältigt.
Es gibt immer wieder Längen, die die Spannung, die hintergründig immer lauert, zusammenbrechen lässt. Auch die unvorhergesehenen Sprünge durch verschiedene Zeiten haben mich irritiert.

Ein Buch, das man nicht mal schnell weg lesen kann. Man sollte sich Zeit nehmen, die Menschen, denen man hier begegnet kennenzulernen und ihnen zuzuhören. Dann hat man als Leser, vielleicht genau wie ich, ein ganz besonderes Leseerlebnis, das ich gerne mit 4 von 5 Sternen bewerte.

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Veröffentlicht am 19.08.2020

Ein Ort im Umbruch

Jasmunder Geheimnisse
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Restauratorin Jette Herbusch hat es nach Hollvitz auf die wunderschöne Insel Rügen verschlagen um hier den Altar der Dorfkirche zu restaurieren. Als ihr Freund der Kunsthistoriker Professor Richard Gruben ...

Restauratorin Jette Herbusch hat es nach Hollvitz auf die wunderschöne Insel Rügen verschlagen um hier den Altar der Dorfkirche zu restaurieren. Als ihr Freund der Kunsthistoriker Professor Richard Gruben sie besuchen will, bittet Jette ihn, am Sassnitzer Bahnhof vorbei zu fahren und die Denkmalpflegerin Susanne Ortlepp mitzubringen. Am nächsten Tag, als Gruben auf der suche nach einem alten Kreidewerk ist, findet er Frau Ortlepp tot, verblutet in einer Tierfalle. War es ein unglücklicher Unfall oder doch ein heimtückischer Mord?

Das erfährt der Leser erst nachdem Richard Gruber und der sympathische Ortspolizist Bert Mulsow begonnen haben, diesen außergewöhnlichen Fall zu ermitteln. Und was dabei alles ans Tageslicht kommt, hat mich immer wieder erstaunt und auch erschreckt.

Dies ist das erste Buch von Anja Behn, dass ich gelesen habe. Ihre ausgeglichene und unaufgeregte Schreib- und Erzählweise mag ich sehr. Sie versteht es, mit immer wieder eingestreuten kleinen geheimnisvollen Anmerkungen die Spannung anzuheizen und hoch zu halten, ohne dass sie mich erdrückt.
Wie zufällig eingestreute Hinweise auf den Vorgängerband machen Lust, sich mit Jette und Richard noch näher beschäftigen zu wollen. Was ich nun, wo ich Anja Behn und ihre Protagonisten kennengelernt habe, bestimmt tun werde.
Ihre Protagonisten kann ich mir fast alle dank der ausführlichen Beschreibungen sehr gut vorstellen. Mit Jette und Richard habe ich mich sofort angefreundet. Auch die anderen Bewohner des Ortes, die ich hier kennenlerne, sind alle so menschlich und einfach normal. Ganz besonders emotional beeindruckt hat mich eine alte Dame, die hier allein in ihrem kleinen Häuschen lebt und in ihrem Leben so einiges mitgemacht hat.
Die Insel Rügen versprüht hier im Mai, wenn der Raps blüht und die Luft mit seinem Duft anreichert, einen ganz eigenen, wunderbaren Flair. Ich genieße die gelbe Blütenpracht, meine die salzige Luft der Ostsee riechen und auf der Haut spüren zu können. Da ich vor ein paar Jahren eine Zeit dort verbringen durfte, war es für mich wunderschön, zusammen mit Jette und Richard die Gegend noch einmal erkunden zu können.

Mit der Auflösung des Falles habe ich mich hier sehr schwer getan. Lange habe ich gar nicht gewusst, um was es hier in Wirklichkeit geht. Kleine Andeutungen haben mich immer in die falsche Richtung denken lassen. Am Ende wird alles sehr ausführlich und genau aufgelöst. Aber in der Zwischenzeit habe ich mich immer wieder auf neue Wendungen eingelassen und bin der Autorin brav auf falsche Fährten gefolgt.

Alles in allem eine sehr gut konstruierte Geschichte, nicht nur für Rügen Liebhaber, die sich spannend und interessant liest, bei der ich gut mit ermitteln und mit rätseln konnte.
Für mich hat sie die volle Sternenzahl von 5 absolut erreicht.

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Veröffentlicht am 16.08.2020

Der Unterschied zwischen richtig und falsch

Geburtstagskind (Ewert Grens ermittelt 1)
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Als Kriminalkommissar Ewert Grens von einem Bewohner des Hauses in der Dalagatan 74 zur Wohnung Nr. 1301 im 3. Stock gerufen wird, fällt ihm sofort dieser penetrante Geruch und lautes Kinderfernsehprogramm ...

Als Kriminalkommissar Ewert Grens von einem Bewohner des Hauses in der Dalagatan 74 zur Wohnung Nr. 1301 im 3. Stock gerufen wird, fällt ihm sofort dieser penetrante Geruch und lautes Kinderfernsehprogramm auf. Der Schock, als ein kleines Mädchen ihm die Wohnung der Familie Lilaj öffnet. Vater Mirza, Mutter Dielbza, Bruder Eliot und Schwester Julia wurden mit jeweils zwei Schüssen in den Kopf getötet. Nur die Kleine Zana hat das Massaker überlebt. Als er 17 Jahre später zu einem Einbruch in der gleichen Wohnung kommt, weiß er, dass die damals 5-jährige Zana in Lebensgefahr schwebt.
Piet Hoffmann, der eigentlich nach jahrelanger Flucht mit seiner Frau und den drei Kindern ein ruhiges Leben führen wollte, wird erpresst. Er soll durch einen Bandenkrieg das Waffengeschäft anleiern. Sonst stirbt seine Familie.

Es hat eine Weile gedauert, bis sich die beiden Erzählstränge um Ewert Grens und Piet Hoffmann zu einer Geschichte, in der die Beiden nun als „Partner“ agieren, zusammen geschlossen haben.
Zwei so unterschiedliche Typen. Zum einen Kriminalkommissar Ewert Grens dem nach über 40 Jahren im Polizeidienst in ½ Jahr der Ruhestand droht. Ihm, der fast keine Freunde hat, immer ein Einzelgänger war, mit Liedern von Siw Malmquist immer wieder in die Vergangenheit abtaucht, habe ich recht schnell vertraut. Zum anderen Piet Hoffmann, ein Mann, dem seine Familie über alles geht, der vor illegalen Mitteln nicht zurückschreckt, dessen Gerechtigkeitssinn ihm manchmal im Wege steht und bei dem es manche Überraschung gibt. Naja, ihn möchte ich nicht zum Feind haben. Als Freund allerdings auch nicht unbedingt.
Diese beiden Männer dominieren die Geschichte. Aber auch die anderen Personen sind sehr tiefgründig und gut vorstellbar beschrieben. Hier habe ich besonders Hugo, den älteren Sohn von Hoffmann direkt ins Herz geschlossen.
Genau so gut haben ich die verschiedenen Örtlichkeiten im Kopf, die gut vorstellbar beschrieben sind.

Eine super spannende Geschichte, die mich ab den ersten Seiten gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Auch wenn es zwischendrin mal etwas unspektakuläre Ereignisse gibt, hält sich die Spannung konstant sehr hoch und meine Gänsehaut hat sich immer wieder mal gemeldet.
Die Sprache empfinde ich als eher nüchtern und klar. Sie legt schonungslos Emotionen frei und springt zwischen Grems und Hoffmann hin und her. Es gibt hier viele lose Fäden und Enden, die sich aber, je weiter die Geschichte fortschreitet, immer mehr verbinden und ich kurz vor Schluss endlich durchblicke, was hier warum wie geschehen ist. Und der Schluss – der hat es so richtig in sich.

Eine Geschichte, die mich schockiert, gefesselt, berührt, aufgewühlt, beeindruckt und emotional stark gefordert hat. Die nichts für zartbesaitete Gemüter ist. Die mich immer mal wieder zweifeln lässt, was gut oder was böse bzw. was richtig oder was falsch ist.
Ein rasanter Krimi, den man einfach gelesen haben muss.

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Veröffentlicht am 15.08.2020

Einfach nur WOW

Die Totensammlerin
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Yvonne Winkler, Reisebloggerin und Journalistin, gibt Berichte z.B. über das Thema Lost Places an verschiedene Zeitschriften. Dann wacht sie schwer verletzt und ohne Gedächtnis in einem Krankenhaus auf. ...

Yvonne Winkler, Reisebloggerin und Journalistin, gibt Berichte z.B. über das Thema Lost Places an verschiedene Zeitschriften. Dann wacht sie schwer verletzt und ohne Gedächtnis in einem Krankenhaus auf. Was ist geschehen? War es ein Unfall? Hatte sie Selbstmordabsichten oder war es ein Mordversuch? Yvonne stellt sich der Gegenwart, „freundet“ sich mit ihrer Beinprothese an und versucht, die Erinnerungslücken eine nach der anderen ganz langsam zu schließen.

Und dabei durfte ich ihr über die Schulter schauen. Yvonne ist eine sehr starke, taffe Frau, die sich auch von immer neuen schlechten Nachrichten bzw. Erinnerungen, die ganz langsam wiederkommen, nicht entmutigen lässt. Aber je mehr Antworten sie zu finden hofft, desto mehr Fragen ergeben sich daraus wieder. Ich spüre ihre innere Zerrissenheit, ihre Unsicherheit, ihr nicht wissen, was passiert ist. Und ich leide mit ihr, die sich erst langsam an den Verlust ihres Beines gewöhnen muss. Trotz dieses Handicaps macht sie sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit und legt ein Puzzlestück ans nächste. Ich war mir sicher, dass ihr etwas fürchterliches angetan worden ist.
Leonie Haubrich hat eine so leichte, lockere und sehr bildhafte Erzählweise. Schnell habe ich die wenigen Personen, mit denen ich es hier zu tun habe, im Kopf. Vor allem Yvonne wächst mir schnell ans Herz. Auch die Lost Places, die eine Rolle spielen, kann ich mir gut vorstellen, wenn ich mit ihr im Moselgebiet unterwegs bin.
In Rückblicken erfahre ich immer mehr aus Yvonnes Leben. Eine Geschichte, wie aus einem Märchen, wie sie mit ihrem Mann Dominik zusammen gekommen ist, die sie liebt, auf Händen trägt, sogar ihre Tochter Christiane adoptiert. Alles einfach eitel Sonnenschein.
In der Gegenwart hatte ich ziemlich schnell das Gefühl, die Zusammenhänge durchschauen zu können. Bis immer wieder kleine Wendungen und falsche Fährten in eine andere Richtung gezeigt haben und mir, dass ich mal wieder falsch lag. Das Miträtseln hat mir diesmal besonders viel Spaß gemacht, da ich unbedingt wollte, dass Yvonne endlich wieder klar und in die Zukunft sehen kann. Naja, das kann sie nun auch. Mit jedem neuen „Ermittlungsansatz“ steigt die Spannung bis es fast nicht mehr auszuhalten ist. Dann sitze ich sprachlos da und denke, dass kann doch wohl nicht wahr sein.

Ich habe fast alle Bücher von Leonie Haubrich gelesen und war immer begeistert. Aber mit dieser Geschichte hat sie noch eine Schippe drauf gelegt. Eine super spannende Geschichte, die ich jedem Thrillerfan nur ans Herz legen kann.

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Veröffentlicht am 13.08.2020

So schwarz kann eine Seele sein

Der rote Apfel
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Endlich sitzt der Serienmörder, der Seoul monatelang in Atem gehalten hat, in der Todeszelle. Aber die Polizei glaubt, dass er mehr Morde als die bisher zugegebenen auf dem Gewissen hat. Die Einzige, mit ...

Endlich sitzt der Serienmörder, der Seoul monatelang in Atem gehalten hat, in der Todeszelle. Aber die Polizei glaubt, dass er mehr Morde als die bisher zugegebenen auf dem Gewissen hat. Die Einzige, mit der er bereit ist zu reden, ist die junge Psychologin Lee Sonkyong. Aber sie soll einen roten saftigen Apfel mitbringen. Warum will er ausgerechnet mit ihr sprechen? Woher kennt er sie? Und was hat es mit dem Apfel auf sich? Fragen, die Sonkyong hofft bei einem Gespräch mit ihm klären zu können.

Wow, was für eine Geschichte. Die ersten Gänsehautmomente hatte ich schon beim Prolog. Und bei denen ist es nicht geblieben.
„Du bist weniger Wert als eine streunende Katze“. Ein Satz von Vielen, die mich immer wieder schockiert haben.

Anfangs habe ich mich mit den ungewohnten Namen der Menschen, die ich hier kennenlerne, etwas schwer getan. Das hat sich aber nach kurzer Zeit gelegt.

Die Geschichte ist insgesamt sehr leise und langsam, baut Spannung ganz langsam auf und geht stetig auf ein Ziel hin, wo ich mir aber nicht vorstellen konnte, wo es mich hin führen würde. Es gibt keine dauernden Wendungen, keine super spannenden Cliffhanger, keine falschen Fährten, auf die ich hätte hereinfallen könnte. Trotzdem konnte ich mit dem Lesen kaum aufhören, weil ich unbedingt wissen wollte, was die Geschichte noch bringt. Es sind ganz kleine Hinweise, die mich antreiben, immer weiter kommen zu wollen.

Mi-Ae Seo kommt mit nur vier Hauptpersonen aus um einen Thriller zu schreiben, der mir richtig unter die Haut geht. Vor allem, weil auch ein Kind, die 10jährige Yun Hayong eine der Protagonisten ist. Sie lebt, nachdem ihre Großeltern, bei denen sie nach dem Tod ihrer Mutter gelebt hat, bei einem Hausbrand ums Leben gekommen sind, bei ihrem Vater Yun Chaesong und seiner neuen Frau Lee Sonkyong. Sie wiederum hat den Serienkiller Lee Byongdo mehrfach besucht und einen kleinen Einblick in sein Leben bekommen. Hier spielt z.B. ein Song der Beatles eine zentrale Rolle.
Ich bin schockiert, wie manche Menschen andere benutzen um an ihr Ziel zu kommen. Wie sie Seelen zerbrechen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was daraus entstehen kann. Ich habe, wie es der Klappentext beschreibt, in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele blicken müssen.

Ein Buch mit vielen Gänsehautmomenten, mit Geheimnissen, die verborgen bleiben sollen, das ich absolut empfehlen kann. Wenn man sich an die asiatischen Namen gewöhnt hat, einfach ein Lesegenuss.

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