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Veröffentlicht am 27.01.2017

Orphan Trains - Vergessene Geschichte wird lebendig

Der Zug der Waisen
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Ein Zug voller Waisenkinder rollt im Jahr 1929 von New York Richtung Mittlerer Westen. Auch die neunjährige irische Immigrantin Vivian hofft darauf, ein neues Zuhause zu finden. Bis es so weit ist, muss ...

Ein Zug voller Waisenkinder rollt im Jahr 1929 von New York Richtung Mittlerer Westen. Auch die neunjährige irische Immigrantin Vivian hofft darauf, ein neues Zuhause zu finden. Bis es so weit ist, muss sie einen schweren Weg gehen. Erst mit 91 Jahren vertraut sie sich der jungen Halbwaisen Molly an, mit der sie sich verbunden fühlt.

Christina Baker Kline hat ein trauriges und vergessenes Kapitel amerikanischer Geschichte zum Leben erweckt. Im Nachwort findet man von der Autorin zusammengestellte geschichtliche Details. Die Orphan Trains fuhren zwischen 1854 und 1929 in den Mittleren Westen, um unglaubliche 200.000 Kinder adoptionswilligen Paaren zuzuführen. Die von der „Children’s Aid Society“ vermittelten Kinder wurden allerdings häufig als billige Arbeitskräfte wie Sklaven gehalten. Hauptprotagonistin Vivian Daly ist eines dieser Kinder und steht für eine Generation ohne Liebe und Geborgenheit. Der zweite Handlungsstrang führt in die Gegenwart zu Molly, einer aufmüpfigen 17-jährigen Halbwaisen, die von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht wird. Sie steht kurz davor, wieder aus einer Familie zu fliegen. Ihre letzte Chance sind Sozialstunden, die sie bei Vivian auf dem Dachboden mit Entrümpelungsarbeiten ableisten soll.

Das Schicksal einer alten Dame und die Selbstfindung eines Teenagers werden von der Autorin gekonnt miteinander verwoben. Einfühlsam, leise und gefühlvoll entwickelt sich eine Freundschaft, mit der niemand gerechnet hat. Eigentlich soll Molly nur den Dachboden für Vivian entrümpeln. Doch je länger die beiden Frauen die alten Dinge betrachten, desto näher kommen sie sich. Mit jedem Fundstück kehren mehr Erinnerungen zurück und Vivian beginnt, Molly von ihrem Leben zu erzählen. Die Handlungsstränge werden durch Kapitel und Jahreszahlen getrennt erzählt, sodass man der Geschichte gut folgen kann.

Besonders Vivian wirkt sehr authentisch und lebendig. Zusammen mit ihr durchlebt man all die schrecklichen Dinge, die ihr widerfahren sind.

"Keine Erwartungen zu haben macht das Ganze leichter zu ertragen. Ich bin überzeugt, dass ich am Ende wieder im Zug landen werde, um an der nächsten Station wieder ausgeladen, mit den anderen verbleibenden Kindern vorgeführt und dann wieder zurück in den Zug verfrachtet zu werden."

Tief getroffen hat mich, wie dieses kleine Mädchen sich selbst eine Gefühllosigkeit auferlegt, um überleben zu können. Als erwachsene Frau trifft sie ein weiterer Schicksalsschlag, von dem sie sich nie ganz erholen wird und ihre Gefühle endgültig für sich behält.

Mich hat dieser Roman sehr berührt. Im Anschluss habe ich noch viel über die Orphan Trains gelesen und bin froh, durch diese Geschichte mehr darüber erfahren zu haben.

Veröffentlicht am 14.01.2017

Die Geschichte des Fahrrades - Vom Drahtesel zum Hightech-Produkt

Das Fahrrad
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Was ist ein Fahrrad und warum wurde es für die Menschen auf der ganzen Welt so wichtig? Diese Frage stellt sich heute fast niemand mehr, so selbstverständlich sind die Fahrräder auf unseren Straßen geworden. ...

Was ist ein Fahrrad und warum wurde es für die Menschen auf der ganzen Welt so wichtig? Diese Frage stellt sich heute fast niemand mehr, so selbstverständlich sind die Fahrräder auf unseren Straßen geworden.

Dieses hochwertige Sachbilderbuch von Haseop Jeong empfohlen für die Altergruppe 10 - 12 Jahren beginnt mit dem Laufrad und endet mit modernen E-Bikes. Wunderschöne - an alte Skizzen erinnernde - Illustrationen von Cho Seunyeon zeigen den vielseitigen Einsatz von Fahrrädern. Über ein altes Feuerwehr-Fahrrad mit aufgerolltem Schlauch mag man heute schmunzeln, damals war es vielleicht die schnelle Rettung, bevor ein Haus abbrannte. Man erfährt, wie mutig Frauen und Männer schon Anfang des 19. Jahrhunderts sich allein auf ihrem Fahrrad auf Weltreisen begeben haben. Auch im Sport finden sich heute noch Rennräder, die viele Menschen begeistern.

Am Ende wird auf die Verkehrssicherheit mit den wichtigsten Vekehrszeichen hingewiesen und Tipps fürs Radfahren gegeben. Adressen von Museen, Fahrradclubs, Radreisen und anderen interessanten Dingen rund ums Rad runden die Informationen ab.

Meinen Söhnen hat besonders der Bericht über die heutigen Fahrradhauptstädte und über den Hovenring in den Niederlanden gefallen. Die Zeichnung veranschaulicht, dass in der Zukunft vielleicht bald den Radfahrern mehr Platz auf den Straßen eingeräumt wird.

Dieser tolle Sachbuch-Schatz ist nicht nur für kleine Fahrrad-Fans zu empfehlen.

Veröffentlicht am 06.01.2017

Fulminantes Abenteuer voller Rätsel und Spannung

Der Blackthorn-Code - Das Vermächtnis des Alchemisten
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Für den Waisenjungen Christopher Rowe in London des 17. Jahrhunderts ist es ein Glücksfall, dass er als Lehrling beim Apotheker und Alchemisten Benedict Blackthorn aufgenommen wurde. Er lernt nicht nur ...

Für den Waisenjungen Christopher Rowe in London des 17. Jahrhunderts ist es ein Glücksfall, dass er als Lehrling beim Apotheker und Alchemisten Benedict Blackthorn aufgenommen wurde. Er lernt nicht nur Heilmittel herzustellen, sondern wird auch mit der Wissenschaft vertraut gemacht. Bis zum Abschluss seiner Lehre wäre er hier gut aufgehoben, doch unheimliche Morde passieren in der Stadt und sein Meister wird bedroht. Zusammen mit seinem Freund Tom will Christopher dem Geheimnis der Mörder auf die Schliche kommen.

Kevin Sands ist mit seinem Debüt-Roman ein sehr spannender historischer Jugendbuchroman gelungen. Die Geschichte begeistert nicht nur die Altersgruppe ab 11 Jahren, für die das Buch empfohlen wird. Durch den Ich-Erzähler Christopher Rowe erlebt man London im Jahre 1665 sehr bildhaft und lebendig. Es stinkt, ist schmutzig, laut und voller Gefahren. Wer hier überleben will, muss sich an die Regeln halten. Fasziniert folgt man Christopher in die Welt der Alchemisten und staunt über ungewöhnliche Rezepturen, die nicht nur als Heilmittel eingesetzt werden. Es qualmt, knallt und explodiert, wenn Christopher wieder einmal unerlaubt die Mixturen seines Meister für Experimente nutzt.

"Der Knall riss mir beinahe beide Ohren ab. Ich sah eine Flammenzunge und dann eine Rauchwolke, und dann schlug die Röhre nach hinten wie der Huf eines aufgebrachten Ochsen."

Meister Benect Blackthorn ist ein gutmütiger Meister, der über manche Dummheit Christophers hinwegsieht, denn er erkennt in ihm einen schlauen und gelehrigen Schüler. Deshalb weist er ihn auch in geheime Verschlüsselungs-Codes für seine Rezepturen ein und gibt ihm schwierige Rätsel zu lösen, die den Jungen unbewusst auf eine große Aufgabe vorbereiten. Besonders diese Rätsel machen einen besonderen Reiz aus, denn als Leser knobelt man ein ums andere Mal mit, wie sich denn wohl ein geheimnisvoller Würfel oder eine Tür öffnen lassen.

Die Mischung aus Geschichte, geheimnisvoller Alchemie und spannender Mörderjagd fesselt und lässt einen in die Handlung eintauchen. Auf die Fortsetzung bin ich schon sehr gespannt.

Veröffentlicht am 31.12.2016

Faszination Animox - magische Tierwesen mitten unter uns

Animox 1. Das Heulen der Wölfe
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Als Außenseiter, der mit Tieren spricht, hat es der 12-jährige Simon in New York eigentlich schon schwer genug. Doch als ihn ein alter Adler vor Gefahr warnt und eine Ratteninvasion Jagd auf ihn macht, ...

Als Außenseiter, der mit Tieren spricht, hat es der 12-jährige Simon in New York eigentlich schon schwer genug. Doch als ihn ein alter Adler vor Gefahr warnt und eine Ratteninvasion Jagd auf ihn macht, beginnt ein spektakuläres Abenteuer für den Jungen. Auf der Flucht verlieren sich Onkel, Mutter und Simon aus den Augen und es bleibt keine Zeit für Erklärungen. Um so überraschter ist Simon, als er erfährt, dass er ein Animox ist, ein Mensch, der sich in ein Tier verwandeln kann.

Aimée Carter hat eine Kinderbuch-Reihe für die Lesegruppe ab 10 Jahren geschrieben. Um so überraschter war ich, als ich meinem Sohn zuliebe, das Buch las und nicht mehr aufhören konnte. Eigentlich sage ich nichts zu Covern. Doch hier muss ich eine Ausnahme machen. Der Wolf zieht einen magisch und und haptisch ist es ein Erlebnis, das Cover zu streicheln. Sehr gelungen.
Magisch, spannend und fesselnd geht es in der Welt der Animox zu. Eigentlich gehören alle Tierreiche zusammen: die Säuger, Reptilien, Insekten, Vögel und Wassertiere. Doch ein alter Kampf zwischen Gut und Böse hat sie entzweit.

Simon ahnte von all dem nichts, denn seine Mutter hat ihn bewusst fern der Animox bei seinem Onkel aufwachsen lassen. Zusammen mit Simon entdeckt der Leser die Welt der Gestaltwandler mitten in New York. Ein wenig erinnert die Szenerie an Harry Potter auf tierische Art. Es gibt eine Schule, die die zukünftigen Herrscher der Tierreiche auf ihre Rolle vorbereitet. Gespannt verfolgt man Kämpfe, in denen sich Jungen und Mädchen in ihren Tierrollen messen. Die Charaktere sind lebendig und bildhaft beschrieben, bergen aber auch Geheimnisse, die erst am Ende offenbart werden.

Plötzlich hat Simon eine große Familie, deren Mitglieder nicht alle von seinem Erscheinen begeistert sind. Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, wer auf Simons Seite steht. Das Geheimnis seiner Familie wird erst nach und nach gelüftet und nur durch Hilfe neuer Freunde findet Simon seinen Weg. Man fiebert mit ihm mit und bangt ein ums andere Mal, ob er der Gefahr die ihm droht, entkommen kann.

Bis zum Ende bleibt es spannend und abwechslungsreich. Denn erst der letzte Satz birgt eine der größten Überraschungen.

Ein gelungener Auftakt für eine magische Kinderbuch-Reihe, die sicherlich viele Leser in ihren Bann ziehen wird. Unsere Familie wartet schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 29.12.2016

Hoffnung überwindet Ängste

Lautlose Nacht
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Arktische Kälte, die tödlich sein kann, ewige Nacht und Einsamkeit, umgeben Mutter und Tochter. Auf der Suche nach dem todgesagten Vater und Mann fahren Yasmin und ihre zehnjährige Tochter Ruby in einem ...

Arktische Kälte, die tödlich sein kann, ewige Nacht und Einsamkeit, umgeben Mutter und Tochter. Auf der Suche nach dem todgesagten Vater und Mann fahren Yasmin und ihre zehnjährige Tochter Ruby in einem Truck ins Nirgendwo Alaskas. Ein gewaltiger Sturm zieht auf, der erfahrene Trucker vom Fahren abhält, doch Yasmin fährt weiter. Lebensgefährlich ist diese Fahrt schon jetzt, doch dann taucht auch noch ein geheimnisvoller Verfolger auf.

Rosamund Lupton ist es gelungen einen hochdramatischen, atmosphärischen und authentischen Alaska-Roman zu schreiben. Die unbeschreibliche Schönheit und gleichzeitig tödliche Naturgewalt Alaskas wird hier so spürbar beschrieben, dass man während des Lesens tatsächlich meint, die Kälte zu spüren.

"Es hatte aufgehört zu schneien. Die Luft war gleißend hell, kristallin und unfassbar durchsichtig. Noch einen Tick klarer, und man hätte jedes einzelne Luftmolekül sehen können. Als wäre die ganze Szene zu rein und zu scharf, um wahr zu sein."

Durch wechselnde Erzählperspektiven aus Sicht von Mutter und Tochter kommt man den Charakteren sehr nah. Sympathie empfindet man sofort für die kleine Ruby, die trotz ihrer Gehörlosigkeit sehr selbstbewusst und überzeugend handelt, über sich hinauswächst. Yasmin muss man erst kennenlernen, um sie wirklich einschätzen zu können.

Physikerin Yasmin hat sich mit der Zeit von ihrem Ehemann Matt, dem Dokumentarfilmer, entfernt. Seine immer längeren Abwesenheiten und die Begeisterung für Alaska kann sie nicht teilen. Für die gehörlose Ruby ist ihr Vater dagegen eine wichtige Bezugsperson, mit der sie ihre Gedanken und Ideen austauscht. Mutter und Tochter wollen Matt in Alaska besuchen, um die Familie wieder zusammenzuführen, doch ein schreckliches Unglück scheint für Matt den Tod bedeutet zu haben.

Obwohl die meiste Zeit der Handlung in einem Truck spielt, erhöht sich der Spannungsbogen kontinuierlich. Die Autorin versteht es mit kleinen, aber kraftvollen Details immer wieder für unvorhersehbare Momente zu sorgen. Man spürt die Angst der beiden Menschen, die nicht nur der Willkür des Wetters, sondern auch ihren persönlichen Ängsten ausgesetzt sind.

Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und man verfolgt atemlos das überraschende Geschehen.

Dieser Roman fesselt nicht nur durch Spannung, sondern auch durch Emotionalität und Information. Man bekommt ein Gefühl für die Unberührtheit dieser Landschaft, die so schützenswert und wertvoll ist.