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Veröffentlicht am 22.11.2018

Märchenhafte Erzählung mit wunderschönen Illustrationen

Der magische Adventskalender
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Auf dem Cover des Buchs „Der magische Adventskalender“ von Jan Brandt schaut aus luftiger Höhe eine Krähe auf den Jungen hinab, der einen Kasten unter dem Arm trägt und zügig seines Weges geht. In den ...

Auf dem Cover des Buchs „Der magische Adventskalender“ von Jan Brandt schaut aus luftiger Höhe eine Krähe auf den Jungen hinab, der einen Kasten unter dem Arm trägt und zügig seines Weges geht. In den 24 Kapiteln, bei denen jedes für einen Tag der Adventszeit steht, und einem Epilog erfuhr ich beim Lesen, wohin der kleine Protagonist unterwegs ist.

Noch erkennt man von dieser Stelle aus nicht die Magie des Kalenders, denn sie zeigt sich erst abschnittsweise.
Jonas heißt der kleine Protagonist der Geschichte. Er geht in die vierte Klasse und wohnt in Ravenhagen. Sein Vater ist Tischler. Seine Oma, die ihn und seine Schwester großgezogen hat, ist vor etwa einem Jahr gestorben. Am ersten Tag des Dezembers ist er morgens in betrübter Stimmung und denkt mit Schrecken daran, dass er gleich zur Schule gehen muss, denn dort hat er wenig Freunde und träumt gerne vor sich hin. Direkt vor dem Haus findet er an diesem Morgen einen hölzernen Adventskalender im Rinnstein. Die Türen sind mit Zahlen und Symbolen versehen, lassen sich aber nicht öffnen. Erst nachdem er die Zeichen zugeordnet hat, gelingt es ihm, mit Hilfe der Bewohner der Ortschaft, das jeweilige Türchen des Tages aufzumachen. Dahinter wartet eine Süßigkeit, die einen Teil eines weiteren Rätsels mit sich bringt, das Jonas über alle Tage hinweg lösen muss.

Jonas erinnert sich ungern an das vergangene Jahr als seine Großmutter gestorben ist. Ihr Zimmer im Haus steht seitdem leer und hat nicht nur räumlich eine Lücke hinterlassen. Sie war immer für ihn da, hat ihm Grenzen aufgezeigt, ihn aber auch angeleitet. Auf das bald anstehende Weihnachten hat er gar keine Lust wie eigentlich auf fast alles. Lieber bleibt er allein in seinem Zimmer. Nach außen hin wird er immer unleidlicher und alles was einmal in seinen Besitz gelangt ist gibt er nicht mehr her. Teilen ist für ihn zum Fremdwort geworden. Ganz intuitiv begreift er schnell, dass er Hilfe benötigt, um hinter das Geheimnis des Kalenders zu kommen. Diese Hilfe verlangt ihm allerdings ab, dass er nicht nur sein Zimmer verlassen, sondern dazu auch mit anderen, teils bisher von ihm gemiedenen Personen Kontakt aufnehmen muss. Die verschiedenen Situationen erfordern immer wieder auch spontane Entscheidungen von ihm, bei denen er sein Herz sprechen lässt. Unmerklich verändert sich im Laufe der Tage seine Einstellung zu vielen Dingen.

Jan Brandt schafft rund um Jonas einmalige, manchmal amüsante oder auch mal mysteriöse Figuren. Die märchenhafte Erzählung zur Adventszeit wird begleitet durch wunderschöne Illustrationen im Seitenformat von Daniel Faller zu den einzelnen Kapiteln. Durch das ganze Buch zieht sich eine unterschwellige Spannung, denn ich wollte von Beginn an wissen, ob es Jonas gelingen wird, das Rätsel des Kalenders zu lösen. Die Geschichte ist leicht und flüssig zu lesen und für jedes Alter geeignet, zum Vorlesen oder selber lesen, faszinierend und verzaubernd.

Veröffentlicht am 17.11.2018

Realität, die oft unerwarteter ist als Fiktion

Der Stammhalter
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Im Buch „Der Stammhalter“ erzählt Alexander Münninghoff die Geschichte seiner eigenen Familie, die mit seinem Großvater Joan Münninghoff beginnt, der im Jahr 1917 im lettischen Riga die zukünftige Großmutter ...

Im Buch „Der Stammhalter“ erzählt Alexander Münninghoff die Geschichte seiner eigenen Familie, die mit seinem Großvater Joan Münninghoff beginnt, der im Jahr 1917 im lettischen Riga die zukünftige Großmutter des Autors kennenlernt. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschlossen aus der vier Kinder hervorgingen.

Der Niederländer Joan Münninghoff gründete während des ersten Weltkriegs eine Exportfirma in Dänemark und ließ sich später in Lettland nieder. Durch seine erfolgreichen Geschäfte war er wohlhabend und gelangte dadurch zu einigem Einfluss. Permanent vergrößerte er sein Unternehmen. Um die vier Kinder des Ehepaars Joan und Erica Münninghoff kümmerte sich hauptsächlich eine Gouvernante. Frans, der Erstgeborene und Vater des Autors, sollte als Stammhalter später die Geschäfte weiterführen. Mit elf Jahren wurde er auf ein Internat in die Niederlande geschickt. Doch Zeit seines Lebens hat Frans sich nie als Niederländer gesehen.

Der zweite Weltkrieg ließ Joan und seine Familie im Jahr 1940 aus Lettland in das niederländische Voorburg in der Nähe von Den Haag flüchten. Sobald es ihm möglich war, schloss Frans sich der deutschen Waffen-SS an. Arbeitete er zunächst als Dolmetscher so kämpfte er später an der vordersten Front. Für seinen Vater ist und bleibt er ein Querulant, was sich in vielen geschilderten Ereignissen zeigt. Die Geburt von Alexander im Jahr 1943 nahm das Familienoberhaupt wohlwollend zur Kenntnis und setzte kurz nach dem Krieg alles daran, das Sorgerecht für den Enkel auf die Seite seines Sohns zu bekommen als dieser sich von seiner Frau trennte.

Die wahre Geschichte der Familie Münninghoff liest sich stellenweise spannender als mancher Roman mit fiktiven Charakteren. Der Autor gibt sich zunächst als neutraler Erzähler. Anhand von Gesprächen und Schriftgut hat er das Leben seines Großvaters und Vaters gekonnt rekonstruiert und schildert sowohl bedeutende Ereignisse als auch unbedeutend erscheinende Begebenheiten, die aber ungeahnte Auswirkungen haben. Er lässt das unbeschwerte, manchmal ausgelassene Leben in Riga wiederaufleben genauso wie die schwierigen Kriegsjahre, in denen vor allem Joan manche Beziehung zum Erhalt der Normalität spielen ließ. Alexander Münninghoff erklärt Zusammenhänge soweit sie sich ihm erschließen, räumt aber eine dunkle ungeklärte Seite im Leben seines Großvaters ein, durch die er seinen Willen umsetzen konnte.

Überrascht hat mich vor allem ein Teil der Geschichte, in dem das rigorose Eingreifen des Großvaters es verhindert hat, dass der Autor vielleicht so wie ich im Kreis Heinsberg aufgewachsen wäre. Besonders hier zeigt sich die Stellung Joans als Großvater, Vater und Ehemann, der von seinen Angehörigen Treue und Ergebenheit erwartet, nichts darf den Ruf der Familienehre trüben. Ab einem bestimmten Zeitpunkt stellt Alexander Münninghoff seine Wahrnehmung der Dinge auf den Prüfstand. Er beginnt gewisse Ereignisse zu hinterfragen. Aus dem inzwischen zeitlichen Abstand heraus sieht er sein Verhältnis zu Vater und Mutter zunehmend differenzierter. Sein persönliches Schicksal lehrt die Bereitschaft zur Vergebung und der Akzeptanz der gegebenen Umstände.

Im Roman „Der Stammhalter“ hat Alexander Münninghoff sich mit seiner familiären Vergangenheit auseinandergesetzt und sie in den historischen Kontext eingebunden. Manches reale Ereignis ist dabei unerwarteter als eine Fiktion. Insgesamt eine faszinierende Geschichte, die ich gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 13.11.2018

Fesselnder Thriller

Mein ist die Macht
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„Mein ist die Macht“ ist der zweite Thriller von Leon Sachs bei dem der französische Geschichtsprofessor Alex Kauffmann mit seiner Verlobten, der französischen Architektin Natalie Villeneuve, und deren ...

„Mein ist die Macht“ ist der zweite Thriller von Leon Sachs bei dem der französische Geschichtsprofessor Alex Kauffmann mit seiner Verlobten, der französischen Architektin Natalie Villeneuve, und deren Onkel, dem in Bordeaux lebenden Rabbiner Fabrice Mannarino, in Tatermittlungen einbezogen werden. Der Terror im vorliegenden Krimi bezweckt den Kampf um die Macht zur Führung mit deren Hilfe sich ein Machtinhaber die Möglichkeit erhofft, die Glaubensrichtung bestimmen zu können. Doch zuerst gilt es, die Zustimmung der Mehrheit in der Bevölkerung Deutschlands zu bekommen. Mit dem dadurch erhaltenen Vertrauen lässt sich die Macht ausbauen. Dementsprechend deutet auch der Titel bereits darauf hin, dass die im Thriller verübten Anschläge allein dem Zweck dienen, die Führung an sich zu reißen. Auf dem Cover ist ein funkensprühender Regen wie nach einer Explosion zu sehen. Furios beginnt der Krimi mit einem Bombenanschlag auf die Zentralmoschee in Köln bei der eine solche Wolke sicher gesehen worden wäre.

Der Anschlag erschüttert die Politik und die Glaubenswelt. Deren Vertreter treffen sich daraufhin innerhalb von zwei Wochen zum Abschluss eines Friedensvertrags, der einen Rat der Religionen begründen soll, auf dem Petersberg in der Nähe von Bonn. Als Rabbiner ist der über 70 Jahre alte Fabrice zwar kein hoher Würdenträger, doch er gehört zu den anwesenden jüdischen Vertretern. Ebenfalls vor Ort ist die erfolgreiche Lobbyistin Cara Allegri aus Berlin. In einem vertraulichen Gespräch teilt sie Fabrice mit, dass sie die Information darüber hat, dass am nächsten Tag ein Anschlag auf die an der Versammlung teilnehmende Tochter des US-Präsidenten geplant sein soll und sie deshalb seine Hilfe benötigt. Am nächsten Tag beobachten die beiden im Hotel einen verdächtigen Mann. Doch statt ihn stellen zu können, wird Fabrice anscheinend gelinkt und gerät selbst unter Tatverdacht. Natalie und Alex eilen ihm zu Hilfe, die sich jedoch als schwierig zu erbringen erweist. Immer tiefer dringen die beiden und Cara zu einer undurchsichtigen Verschwörung vor, die sie zunehmend selbst ins Fadenkreuz der Machtgierigen bringt.

Natürlich macht es mehr Spaß, wenn man auch die ersten Ermittlungen aus „Falsche Haut“ kennt, in die Alex, Natalie und Fabrice einbezogen waren, doch das Lesen von „Mein ist die Macht“ ist unabhängig davon möglich. Mir hat der vorliegende Thriller sogar noch etwas besser gefallen. Leon Sachs ist eine äußerst gute Konstruktion gelungen, die den Leser kaum oder keinen Vorsprung vor den Erkenntnissen der Protagonisten gibt. Erst nach und nach deckt er neue Fakten auf und gibt die Drahtzieher preis. Die Spannung ist von Beginn an vorhanden, die Spannungskurve hält sich bis zum Schluss. Leon Sachs spielt mit der Wahrheit und täuscht die Leser. Mit geschickt gesetzten Cliffhangern verließ er einige Szenen, was sie Spannung weiter steigerte. Aufgrund der mir dann fehlenden Information des weiteren Handlungsablaufs kam ich ins Grübeln darüber, ob Fabrice oder eine andere bis dahin unschuldig erscheinende Person nicht doch Täter oder Mithelfer sein könnte. Ganz nebenbei baut der Autor noch in die Beziehung von Alex und Natalie eine geheimnisvolle Problemvariante ein.

Dank der Kenntnisse von Leon Sachs über Konflikte zwischen Religionen und Politik und seiner sehr guten Recherche konnte ich einiges aus der Welt verschiedener Glaubensrichtungen erfahren, auch zur Symbolik. Der Thriller greift ein heute hochbrisantes Thema auf und führt es äußerst fesselnd aus. Gerne empfehle ich das Buch an Leser des Genres Krimi und Thriller weiter.

Veröffentlicht am 10.11.2018

Unterhaltsame leichte Lektüre

Träume der Provence
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Anne, die Mutter der Protagonistin des Romans „Träume der Provence“ von Anja Saskia Beyer, war in den 1960ern einige Zeit als Au-Pair-Mädchen in Südfrankreich, doch darauf angesprochen, verschließt sie ...

Anne, die Mutter der Protagonistin des Romans „Träume der Provence“ von Anja Saskia Beyer, war in den 1960ern einige Zeit als Au-Pair-Mädchen in Südfrankreich, doch darauf angesprochen, verschließt sie sich. Doch mit einer Aprikosentarte, wie sie auch auf dem Cover zu sehen ist, verwöhnt sie ihre Tochter Marie und ihren Enkel Robin immer wieder gern.

Mehrere Jahre nach dem Tod von Anne verliert Marie ihre Anstellung und ist gezwungen das Haus in Berlin, in dem sie mit dem inzwischen fünfzehnjährigen Robin wohnt, aufzugeben. Bei Aufräumarbeiten findet ihr Sohn auf dem Dachboden Fotos, die seiner Großmutter gehört haben. Auf einem davon ist ein Gemälde abgelichtet und auf der Rückseite der Vermerk, dass es von einem gewissen Vincent Soleil an Anne gegeben wurde. Bennett, ein mit Marie befreundeter Galerist, bestätigt den eventuellen Wert des Bilds. Eine Reise in die Provence auf der Suche nach Vincent Soleil käme Bennet gerade recht, um neue Kontakte zu Künstlern zu knüpfen, die die Umsätze seiner maroden Galerie wieder ankurbeln sollen. So reist er gemeinsam mit Marie und Robin in den Sommerferien nach Saint-Paul-de-Vence, einem kleinen Künstlerdorf in der Nähe von Nizza. Für Marie wird es eine Suche nach der Vergangenheit und dem Geheimnis ihrer Mutter.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. In der Gegenwart suchen Marie, Robin und Bennet in der nach dem Gemälde, im Jahr 1966 konnte ich Anne mit ihrer Au-Pair-Familie nach Südfrankreich begleiten. Während Marie und ihre Familie eine Erfindung der Autor sind, existiert das Künstlerdorf in der Provence tatsächlich. Anja Saskia Beyer beschreibt das quirlige Leben im Dorf authentisch und vorstellbar. Ihre Protagonisten sind gut ausformuliert und haben Ecken und Kanten. Deren Probleme versucht die Autorin aus unterschiedlichen Ansichten zu sehen, was ihr der allwissende Erzählstil ermöglicht. Obwohl ihre Charaktere einige Sorgen im Alltag haben, gibt gerade die Figur der Marie ein Vorbild, denn sie verliert auch in schwierigen Situationen nicht ihren. Einige Male handelt sie allerdings allzu spontan und unüberlegt. Ganz nebenher entwickelt sich eine Liebe, die im Laufe der Zeit reift.

„Träume der Provence“ ist eine leichte Lektüre die man vor allem gerne zur Unterhaltung liest und sich von der Geschichte mit in die Provence nehmen lassen kann. Ich habe den Roman gerne gelesen und empfehle ihn daher weite

Veröffentlicht am 06.11.2018

Mitreißender Auftakt einer fünfteiligen Serie

Die Fotografin - Am Anfang des Weges
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„Die Fotografin – Am Anfang des Weges“ ist der erste Teil der großen Saga mit voraussichtlich fünf Bänden von Petra Durst-Benning, in der sie das Leben der Fotografin Minna Reventlow schildert. Minna, ...

„Die Fotografin – Am Anfang des Weges“ ist der erste Teil der großen Saga mit voraussichtlich fünf Bänden von Petra Durst-Benning, in der sie das Leben der Fotografin Minna Reventlow schildert. Minna, genannt Mimi, ist eine fiktive Figur, die 1879 geboren wurde und in Esslingen als Tochter eines Pfarrers und seiner Frau aufgewachsen ist. Die Haupthandlung des ersten Teils spielt im Jahr 1911. Bereits das Cover vermittelt mit seiner Aufmachung ein gewisses Flair der damaligen Zeit und so wie die junge Frau auf dem Umschlag stellte ich mir beim Lesen Mimi vor.

Josef, der Bruder von Mimis Mutter, ist Wanderfotograf und Mimis großes Vorbild. Nach einigen Jahren als Angestellte in ihrem erlernten Beruf der Fotografin entscheidet Mimi sich mit Mitte 20 dazu, ihre eigenen Ideen zur Gestaltung von Fotos umzusetzen und sich selbständig zu machen. Daher beschließt sie, sich bei verschiedenen Fotografen in ganz Deutschland zu verdingen. Der Beginn ist schwierig, aber mit der Zeit erwirbt sie sich einen guten Ruf. Eines Tages erhält sie während eines Aufenthalts in Isny die Nachricht von der Erkrankung ihres Onkels, der inzwischen seine Wanderschaft aufgegeben und sich in Laichingen auf der Schwäbischen Alb niedergelassen hat. Mimi reist vor ihrem nächsten Auftrag zu ihm. Aufgrund des Fortschritts der Krankheit ihres Onkels entscheidet sie sich, noch eine Weile länger zu bleiben um ihn zu pflegen und sein Geschäft fortzuführen. Aber die Ortsbewohner sind ihr gegenüber misstrauisch und verärgert stellt sie fest, dass die meisten sich nach der Meinung eines örtlichen Fabrikanten richten der vielen von ihnen Arbeit gibt. Mimi steht nicht in seiner Gunst. Wird sie trotzdem in Laichingen bleiben?

Der erste Band der Serie erzählt die ersten Jahre Mimis in dem für eine Frau zur damaligen Zeit eher ungewöhnlichen Beruf als Fotografin. Ihre Mutter hatte bei einem Schlüsselerlebnis, bei dem Mimi sieben Jahre alt war, geschworen, dass es Mimi nie an etwas sollte. Daran hält sie sich und lässt ihrer Tochter bei der Berufsentscheidung freie Wahl. Beim Lesen war ich dabei in meine Wohlfühlzone gerückt. Doch Petra Durst-Benning macht es ihrer Protagonistin nicht leicht. Durch ihre reisende Tätigkeit reift Mimi als Persönlichkeit. In Laichingen, einem Ort der weltweit für seine Leinenweberei bekannt ist, hat sie mit vielen Gefühlen zu kämpfen. Die Sorge um ihren Onkel bringt sie dazu, zu seinem Wohl umzudenken. Aber sie lässt sich in ihren grundsätzlichen Ansichten nicht verbiegen und nicht einschüchtern. Ihr wird deutlich, dass eine finanzielle Absicherung die Freiheit mit sich bringt, eine eigene Meinung vertreten zu können.

Die Autorin hat in ihrem Roman nicht nur liebenswerte Figuren, sondern auch unfreundliche beschrieben. Ihre Charaktere haben Ecken und Kanten, sind wandlungs- und entwicklungsfähig. Mimi wurde mir schnell sympathisch. Sie verfügt über ausreichend Selbstbewusstsein, ist aber nicht überheblich, sondern geerdet, hat Herz und Verstand. Ich bin mir sicher, dass einigen Nebenfiguren wie beispielsweise Eveline und ihrem ältesten Sohn in den weiteren Bänden noch eine größere Rolle zukommen wird.

Das Thema der Historischen Fotografie ist sehr gut recherchiert und aufbereitet. Man spürt beim Lesen die jahrelange Leidenschaft der Autorin für dieses Sachgebiet. Zur bildhaften Untermalung gibt es im Anhang einige Beispiele der Atelierfotografie und Postkartengestaltung aus dem Bestand von Petra Durst-Benning. Obwohl Figuren und Handlung fiktiv sind wirken sie überaus authentisch.

Mit „Die Fotografin – Am Anfang des Weges“ hat Petra Durst-Benning einen Roman geschrieben, der mich vom Thema her von Beginn an fasziniert hat. Obwohl im weiteren Verlauf einige spannende und berührende Ereignisse zu lesen sind, bleiben am Schluss manche Handlungsstränge offen. Daher freue ich mich schon auf die Fortsetzung. Gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.