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Veröffentlicht am 02.09.2018

Historischer Zeitabschnitt aus neuer Sicht mit heldenhafter Protagonistin

Manhattan Beach
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Titel und Cover des Romans „Manhattan Beach“ von Jennifer Egan verrieten mir als Leser schon den Ort, an dem die Geschichte mich hinführen würde, als ich das Buch zum ersten Mal in die Hand nahm. Im Hintergrund ...

Titel und Cover des Romans „Manhattan Beach“ von Jennifer Egan verrieten mir als Leser schon den Ort, an dem die Geschichte mich hinführen würde, als ich das Buch zum ersten Mal in die Hand nahm. Im Hintergrund des Umschlagfotos ist die Skyline von Manhattan zu sehen, Manhattan Beach jedoch befindet sich am südlichen Ende von Brooklyn. Es ist der Schauplatz des ersten Kapitels mit einem Treffen der drei Protagonisten in den 1930er Jahren, welches das Leben von jedem von ihnen nachhaltig verändern wird. Ein Interview mit Jennifer Egan, das dem Roman vorweg gestellt wird, lieferte mir nicht nur Informationen zur Entstehung des Buch, sondern auch Fotos, die die Fakten im Buch ergänzten.

Im Mittelpunkt des Romans stehen Anna Kerrigan, ihr Vater Eddie und dessen neuer Arbeitgeber Dexter Styles, dem Chef mehrerer Nachtclubs. Als Jugendliche begleitet Anna ihren Vater häufig bei seinen Lieferungen von Umschlägen mit wichtigem Inhalt. Nur sehr knapp kommt die Familie mit dem Lohn zurecht, die Mutter verdient als Näherin einiges dazu. Anna hat eine jüngere schwer behinderte Schwester, die viel Aufmerksamkeit benötigt. Als sie fast dreizehn Jahre alt ist verschwindet Eddie spurlos. Ihr Studium bricht sie ab, um ihren Beitrag zum Kriegsdienst des Zweiten Weltkriegs zu leisten. Sie arbeitet bei der Brooklyner Marinewerft und überprüft dort kleine Maschinenteile. Doch ihr großer Traum ist es, sich den Tauchern der Marine anzuschließen, die sie in ihren Pausen bei Reparaturen an Schiffen beobachten kann. Eigentlich ist der Beruf nur Männern vorbehalten, doch viele von ihnen sind im Krieg, darin sieht sie ihre Chance. Mit einer Freundin besucht sie abends einen Club, in dem sie Dexter auffällt. Zwischen beiden entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung.

Jennifer Egan hat mit Anna eine starke Frauenfigur geschaffen, die mutig und unbeirrt ihren Weg geht und sich dabei den Widrigkeiten ihrer Zeit stellt. Bei ihren Recherchen war es der Autorin möglich, selbst einmal einen der damaligen Tauchanzüge anzuziehen, so dass ihre Beschreibungen rund um den Tauchvorgang authentisch wirken. Anna verfolgt aber nicht nur entschlossen ihren Traum, sondern zeigt im Umgang mit ihrer schwer behinderten Schwester auch ihre mitfühlende Seite. Einen weiteren Kontrast hierzu zeigt die Autorin indem sie ihre Protagonistin am Nachtleben von New York teilnehmen lässt. Hier trifft sie auf zwielichtige Gestalten. Schon durch Eddie und Dexter wurde ich in die Welt der Schwarzmarktgeschäfte, der Kleinkriminellen und des organisierten Verbrechens mitgenommen.

Das Geschehen geht einher mit der Geschichte New Yorks vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Einiges beschreibt die Autorin sehr detailreich. Es gelingt ihr trefflich, ein vorstellbares Bild der Ereignisse zu schaffen. Bald standen die beiden Fragen im Raum, warum Eddie verschwunden ist und ob Anna ihren Traum verwirklichen kann, die nach raschen Antworten verlangten. Dennoch konnte mich die Erzählung nicht mitreißen, was vielleicht daran lag, dass die Handlung zwischen den Protagonisten immer wieder wechselt, auch auf unterschiedlichen Zeitebenen. Der Schluss war für mich nicht wirklich stimmig.

„Manhattan Beach“ erzählt einen historischen Zeitabschnitt aus einer neuen Sicht mit einer heldenhaften Protagonistin. Die Autorin überzeugt mit bewegenden Hintergrundgeschichten und einer unvoreingenommenen Sicht auf die Ereignisse, die sie in ihrer klaren Sprache einfängt. Gerne empfehle ich den Roman daher weiter.

Veröffentlicht am 31.08.2018

Leichtgängig mit kleinen Umwegen, psychologisch durchdacht und humorvoll

Ich war Diener im Hause Hobbs
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Der Roman „Ich war Diener im Hause Hobbs“ von Verena Roßbacher beginnt im Prolog mit einem aufgefundenen Toten. Christian Kauffmann, der Diener der Familie und Protagonist der Geschichte findet ihn in ...

Der Roman „Ich war Diener im Hause Hobbs“ von Verena Roßbacher beginnt im Prolog mit einem aufgefundenen Toten. Christian Kauffmann, der Diener der Familie und Protagonist der Geschichte findet ihn in seinen Räumlichkeiten im Gartenhaus der Familie Hobbs. Passend zu seinem Beruf, über den Christian in diesem Buch spricht, sind auf dem Cover im oberen Teil Straußenfederstaubwedel abgebildet, im unteren Bereich sind es Zweige einer palmenähnlichen Pflanze, hinter er sich leicht beim Abstauben verbergen kann, um dann Gesprächen zu lauschen, die eigentlich nicht für ihn bestimmt sind. Die Abbildungen sind kunstvoll bunt gestaltet, sie zeigen an, dass Kunst im Roman eine Rolle spielen wird.

Christian Kauffmann ist in Feldkirch an der westlichen Grenze Österreichs zu Hause. Nach seiner Matura beschließt er, eine Ausbildung als Diener an einer Fachschule in den Niederlanden zu absolvieren. Über eine gute alte Bekannte bekommt er die Empfehlung für seine erste Stellung, die er bei der Familie Hobbs in Zürich antritt. Christian erzählt seine Geschichte in der Ich-Form im Rückblick auf die vergangenen Jahre. Er versucht zu verstehen, wie es zu dem Unglück und Skandal im Haushalt der Hobbs kommen konnte. Seine Gedanken treiben zurück bis in seine Jugend im Kreis von vier Freunden, die auch später noch eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen. Nach Betrachten der Ereignisse von vielen Seiten stößt er schließlich auf lange verborgene Familiengeheimnisse in Zürich und in Feldkirch.

Der Titel des Romans verweist gleich auf die Tatsache, dass der Protagonist seinen Job im Hause Hobbs beendet hat. Im Raum steht also schon zu Beginn die Frage nach dem Warum. Der Prolog wirft mehr und weitere Fragen auf als das er Antworten liefert. Verena Roßbacher, die selbst einige Zeit als Hausmädchen in der Schweiz gearbeitet hat, wählt für ihre Hauptfigur einen heute eher ungewöhnlichen Beruf. Zunächst dachte ich daher durch den Buchtitel an eine historische Geschichte, doch das Buch ist ein Coming-of-Age-Roman. Das was die Autorin hier ihren Protagonisten über die Ausbildung und das Ausüben seines Jobs berichten lässt, fand ich faszinierend und real geschildert. Im verschreckten Plauderton wendet Christian sich an den Leser und verzettelt sich im Laufe der Seiten mit scheinbaren Nebensächlichkeiten, die er auch bemerkt. Er spricht dabei einige seiner Vermutungen an, doch bis alle Puzzlesteine an seinen Platz gefallen sind, dauert es bis zum Ende des Buchs.

Der Protagonist wirkt auf mich ein wenig naiv und dem Klischee des Dieners entsprechend unterwürfig aber versnobt. Es lässt ihn immer noch nicht los was ihm bei den Hobbs passiert ist und in seiner Erzählung verteidigt er seine Unwissenheit über Zusammenhänge, die er bei genauerem Hinsehen, wie es in seinem Job zur Unterstützung seiner Arbeitgeber eigentlich verlangt wird, hätte erkennen müssen. So kommt es auch zu den prägnanten Eingangssätzen des Romans von denen einer lautet „Es war ein schlampiger Tag“, der damit seine eigene Unzulänglichkeit und seine mögliche Schuld zum Ausdruck bringt. Sein langjähriger Partner, der als Hommage an den tatsächlich existierenden Autor John Wray benannt ist, hat die Zusammenhänge wahrscheinlich schon früher erkannt aber nichts gesagt. „Dies ist eine einfache Geschichte“ ist der zweite Satz. Er stellt sich aus Sicht von Christian in Bezug auf das alte Sprichwort „Je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall“ als unausweichlich für die Familie Hobbs dar, war also voraussehbar. Daher ist er unverkennbar unzufrieden mit sich, dass er Verbindungen nicht sofort gedeutet hat.

Lange weicht die Autorin der Aufdeckung der Hintergründe aus. Stattdessen führte sie mich als Leserin in eine beschauliche Kleinstadtidylle mit vier Jungen, die sich im jugendlichen Alter von Gleichaltrigen abgrenzen wollten und nichts vom Erwachsenwerden hielten. Was zunächst ohne Zusammenhang mit dem Skandal und dem Toten in der Schweiz wirkt findet im Laufe der Geschichte immer näher zueinander.

Verena Roßacher hat mit „Ich war Diener im Hause Hobbs“ einen Roman geschrieben, der mit der Geduld des Lesers spielt. So angespannt der Protagonist das Geschehen auch schildert, um sich selbst von einer angenommenen Mitschuld zu befreien, so leichtgängig mit kleinen Umwegen, psychologisch durchdacht und humorvoll liest sich der Roman. Mich hat er sehr gut unterhalten und darum empfehle ich ihn gerne weiter.

Veröffentlicht am 29.08.2018

Unerwartete Wendungen, überraschende Handlungsfolgen, die Spannung wächst exponentiell

Der Abgrund in dir
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Das Buch „Der Abgrund in dir“ von Dennis Lehane beginnt mit einer verstörenden Szene. Die Protagonistin Rachel, Mitte 30 Jahre alt, erschießt ihren Ehemann an Bord eines Boots. Natürlich wurde bei mir ...

Das Buch „Der Abgrund in dir“ von Dennis Lehane beginnt mit einer verstörenden Szene. Die Protagonistin Rachel, Mitte 30 Jahre alt, erschießt ihren Ehemann an Bord eines Boots. Natürlich wurde bei mir als Leserin dadurch sofort die Frage aufgeworfen, wie es zu dieser Tat kam. Im Prolog erfuhr ich, dass sowohl Täterin wie auch Opfer in dem Moment erstaunt über diesen Schritt sind. Rachel erinnert sich danach an eine Begebenheit, bei der ihre Mutter, die eine erfolgreiche Autorin von Beziehungsratgebern war, sie vor den Lügen von Männern warnte. In der vor ihren Augen ablaufenden Szene erkennt sie das Entsetzen ihres Manns und die wortlose Übermittlung seiner Liebe zu ihr, die sie bis zum Schluss erwiderte. Ich konnte es kaum erwarten mehr zu den Hintergründen zu erfahren. Doch der Autor entwickelte seine Erzählung eher langsam und steigerte so die Spannung.

Der Roman ist in drei Teilen geschrieben. Im ersten Teil dreht sich alles um Rachel, beginnend mit ihrer Kindheit. Sie war keine drei Jahre alt als ihr Vater die kleine Familie verließ. Ihre Mutter Elizabeth kam bei einem Unfall ums Leben und hat ihrer Tochter den Namen des Vaters nie genannt. Mit wenigen Informationen findet sie über zwanzig Jahre später den Mann wieder, der ihr als Vater in Erinnerung ist und zu einem guten Freund wird. Inzwischen ist sie eine erfolgreiche Reporterin bei einem TV-Sender und heiratet einen Kollegen vom Fernsehen. Doch immer häufiger kommt es bei ihr in stressigen Situationen zu Panikattacken. Schließlich ist sie kaum noch in der Lage, ihr zu Hause zu verlassen.

Am Tag ihrer Scheidung trifft sie in einer Kneipe erneut auf den Unternehmenssohn Brian, den sie vor Jahren auf der Suche nach ihrem Vater als Privatdetektiv kennengelernt hat und der damals ihren Auftrag ablehnte. Der zweite Teil des Buchs ist nach ihm benannt und dementsprechend steht Brian in diesem Teil im Fokus. Allein die Länge des Teils im Vergleich zu den anderen beiden lässt auf die besondere Bedeutung der Person schließen. Der letzte Teil beschreibt erneut eine Suche von Rachel. Diesmal ist es eine nach der Wahrheit und dem Vertrauen.

Dennis Lehanes Charaktere in diesem Roman sind komplex. Seine Figur Rachel baut er bedachtsam auf und ließ mich als Leser auf ihre Kindheit an der Seite ihrer permanent unzufriedenen Mutter schauen. Ich konnte ihre Entwicklung raus aus deren Schatten hin zu einer erfolgreichen Journalistin verfolgen. Doch die erlernten Werte und ihr Sinn für Recht und Anstand sind übermächtig. Vielleicht ist daher der Drang, ihren Vater zu finden, auch die Suche nach einer Person, die ihr Halt geben soll im Leben. Ihre erste Ehe hat keinen Bestand weil sie bei ihrem Mann nicht genügend Unterstützung zum Aufbau und Erhalt ihres Selbstwerts findet.

Am Ende des ersten Teils erlebte ich Rachel als zerbrechliche Persönlichkeit, nervlich auf das Äußerste angespannt, am Ende ihrer Kräfte. Doch dann wurde Brian, bis dahin nur eine Randfigur, für sie immer wichtiger. Er kümmert sich liebevoll um sie, ist besorgt und spricht ihr gleichzeitig Mut zu. Insgesamt gesehen fällt es mir schwer von Sympathien zu den Protagonisten zu sprechen, zu zerrissen ist die Persönlichkeit Rachel, zu undurchschaubar die Figur Brian. Und doch haben beide ausreichend gute Eigenschaften, die sie zu interessanten Charakteren macht.

„Der Abgrund in dir“ wartet mit zahlreiche unerwarteten Wendungen und überraschenden Handlungsfolgen auf. Zwar beansprucht er ein wenig die Geduld des Lesers bis er sein Potential voll entfaltet. Die Spannung wächst exponentiell zum Ende hin an. Mir gefiel die Geschichte sehr gut, eine Verfilmung halte ich für denkbar. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

Veröffentlicht am 27.08.2018

Ruhig erzählt mit eindringlicher Botschaft

Der Duft des Waldes
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„Der Duft des Waldes“ ist der erste Roman der Französin Hélène Gestern, der in Deutsch erscheint. Ein verblassendes Foto auf dem Cover lässt vermuten, dass die Geschichte in der Vergangenheit spielt. Doch ...

„Der Duft des Waldes“ ist der erste Roman der Französin Hélène Gestern, der in Deutsch erscheint. Ein verblassendes Foto auf dem Cover lässt vermuten, dass die Geschichte in der Vergangenheit spielt. Doch es ist nur ein Teil davon, der mich als Leser bis zur Zeit des Ersten Weltkriegs zurückführte. Der Duft des Waldes ist nicht nur in angenehmen Situationen wahrzunehmen, er ist auch präsent während der Trauer auf einem Waldfriedhof und hört auch in einem Schützengraben im bewaldeten Gebiet nicht auf.

Elisabeth Bathori ist Historikerin und arbeitet für das Institut für Fotogeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts in Paris. Vor zwei Jahren ist ihr geliebter Partner verstorben, ohne dass sie von ihm persönlich Abschied nehmen konnte. Seitdem fehlen ihr Antrieb und Motivation. Zu ihrem Beruf gehört es, dass sie Fotoarchive begutachtet. Als ihr die 89-jährige Alix de Chalendar das Album ihres im ersten Weltkrieg verstorbenen Onkels Alban de Willecot vorlegt ist sie sofort von dessen Wert überzeugt. Der Soldat hat Postkarten und Briefe an der Front geschrieben und sie unter anderem an den bekannten Dichter Anatole Massis verschickt.

Als wenig später die Klientin stirbt hinterlässt sie ihr überraschenderweise ein Landhaus. Durch ihre neue Aufgabe und durch das geerbte Haus bedingt, beginnt Elisabeth langsam ins Leben zurückzufinden. Immer tiefer dringt sie über den Inhalt des Albums in die Geschichte des Soldaten ein, in der so manches Geheimnis verborgen liegt. Bei ihrer Suche nach Antworten findet sie immer mehr Widersprüche, die ihren Ehrgeiz anspornen, sie zu entwirren und die Wahrheit zu erfahren.

Hélène Gestern unterrichtet Literatur an einer französischen Universität. Vor allem ist sie von der Geschichte der Fotografie und deren Auswirkung auf das Verständnis der Historie sowie vom autobiographischen Schreiben begeistert. Beide Themen glänzen in ihrem Roman. Sie lässt ihre Protagonistin in der Ich-Form erzählen. Die Worte von Elisabeth richten sich immer wieder direkt an ihren verstorbenen Geliebten. Auf diese Weise konnte ich all ihren Schmerz und die Trauer über seinen Tod erfahren, aber auch ihre Neugier auf die Geschichte von Alban und seinen Freunden, die Freude über jeden kleinen Fortschritt, ihre Begeisterung im Umgang mit dem geerbten Haus und ihrer neuen Nachbarin sowie das zögerliche Aufkeimen einer neuen Liebe. Die Autorin schreibt so überzeugend, dass ich manchmal dachte, dass Elisabeth eine reale Figur ist.

Zwar sind auch Alban und seine Freunde nur fiktiv, aber anhand der Postkarten, Briefe und Tagebücher, die sie geschrieben haben, lässt Hélène Gestern die Zeit wieder lebendig werden. Schon auf Seite 2 konnte ich in einem Brief von Alban de Willecot an Anatole Massis über die Gräuel des Dienstes an der Front lesen. Doch dies ist erst ein kleiner Einblick. Selbst so weit von zu Hause entfernt sind doch die Erinnerungen an die Heimat stets präsent. Bald ist die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Kriegs getrübt und Alban hält sich zunehmend nur noch an die vorgeschriebene Disziplin durch den Glauben daran, dass seine Fotos und Texte den Daheimgebliebenen das wahre Gesicht der Zerstörung und der Leiden zeigen. Solche Fotografien sind für uns bis heute wertvolle Dokumente.

Bei ihrer Recherche begegnet Elisabeth Samuel, einem Nachkommen einer mit Alban befreundeten Familie, zu dem sie bald mehr empfindet wie nur Freundschaft. Ausgerechnet das alte Tagebuch der 18-jährigen Diane, einer Freundin von Alban, hilft ihr bei ihren Beziehungsproblemen. Weitere Nachforschungen in der Familie von Diane brachten mich als Leser im Verlauf des Romans in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zu Judenverfolgung und Résistance. Um die Figuren den verschiedenen Zeiten und Familienzweigen besser zuordnen zu können, wäre ein Personenverzeichnis nützlich gewesen.

Ist die Erzählung in einer ruhigen Sprache geschrieben, so dringen die fiktiven Briefe und Tagebucheinträge umso eindringlicher in das Bewusstsein des Lesers. Hélène Gestern hat mit „Der Duft des Waldes“ ein Buch geschrieben, das trotz der umfassenden Seiten nicht langweilt, weil es immer wieder neue Geheimnisse aufzudecken gibt. Mit unerwarteten Wendungen bleibt die Geschichte bis zum Ende hin faszinierend. Der Roman im Gesamtbild hat mich überrascht und wird mir in Erinnerung bleiben. Gerne empfehle ich ihn weiter.

Veröffentlicht am 21.08.2018

Die Schattenseiten des Erfolgs (Maierhofen-Serie Band 4)

Spätsommerliebe
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Das Buch „Spätsommerliebe“ von Petra Durst-Benning ist der vierte und vorläufig letzte Band der „Maierhofen-Serie“. Als Leser der Reihe traf ich wieder auf die inzwischen lieb gewonnenen bekannten Einwohner ...

Das Buch „Spätsommerliebe“ von Petra Durst-Benning ist der vierte und vorläufig letzte Band der „Maierhofen-Serie“. Als Leser der Reihe traf ich wieder auf die inzwischen lieb gewonnenen bekannten Einwohner des Genießerdorfes. Doch die Kenntnis der ersten drei Bände ist für das Verständnis nicht notwendig. Der Prolog spielt unmittelbar im Anschluss an den dritten Teil, aber die Haupthandlung setzt etwa ein Jahr nach diesen Geschehnissen ein. In Bezug auf die Liebe kann der Spätsommer im übertragenen Sinne als eine Zeit angesehen werden, in der sich offenbart, ob eine Beziehung Bestand hat. Die Liebe ist gereift und nur wer die Partnerschaft gepflegt hat, kann die Frucht ernten und sich auf weiteren Ertrag freuen.

In einem alten Sprichwort heißt es „Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, so ist es leider und realistisch auch in Maierhofen. Das Engagement jedes Einzelnen ist verantwortlich für den Erfolg des Dorfs. Um jedoch weiterhin daran anzuknüpfen, darf die Arbeit nicht ruhen. Einige Bewohner blühen in ihrer Aufgabe auf, andere bürden sich allerdings zu viel zu, darunter leidet auch die frisch erwachte Liebe.

Doch Petra Durst-Benning zeigt in „Spätsommerliebe“ nicht nur mögliche Auswirkungen erfolgreichen Handelns auf, sondern bringt mit einem besonderen Gast auch ein neues Gesicht in den Ort. Michelle ist Autorin und gestresst von ihrem Job in einer Eisdiele und ihrer Beziehung. Sie nimmt sich eine Auszeit um ihren Traum, einen Roman zu schreiben, zu verwirklichen. Auf Empfehlung einer Freundin hin sucht sie daher Unterkunft in Maierhofen.

Die Autorin verschweigt weder die Schattenseiten des Erfolgs noch die Krisen, die sich in einer Beziehung einstellen können. Ihre Charaktere haben Ecken und Kanten. Sie handeln mal überlegt, mal spontan ohne an die Folgen zu denken. Sie sind verliebt, engagiert, herzlich, aber auch mal wütend und traurig. Gerade weil Maierhofen ein kleines Dorf ist, erhält die Geschichte Schwung durch neue Figuren und durch einige Wendungen ergeben sich für die Bewohner vor Ort unerwartete Ereignisse. Im Stil eines allwisssenden Erzählers blickt Petra Durst-Benning in die Köpfe ihrer Charaktere und lässt den Leser am Denkprozess teilnehmen. Auf diese Weise hatte ich Verständnis für beide Seiten im Konfliktfall, genauso wie ich am Glück teilnehmen durfte oder von persönlichen Krisen bewegt war. Anhand der Mehrschichtigkeit der Figuren zeigt die Autorin auf, dass Meinungen verschieden sein können.

Wie in jedem Roman der Maierhofen-Serie sind auch in diesem wieder Rezepte enthalten. Neben Anleitungen zu heimischen sommerlichen Gerichten finden sich vor allem solche, an der griechischen Küche orientierte, was zum Inhalt des Buchs hervorragend passt ohne dass ich darüber zu viel verraten möchte. Auch der vierte und wohl vorläufig letzte Band der Reihe hat mich sehr gut unterhalten und daher empfehle ich ihn gerne weiter.