Profilbild von Haberleitner

Haberleitner

Lesejury Star
offline

Haberleitner ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Haberleitner über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.10.2025

Pass auf Junge, sie frisst dich auf … (aus dem Song „Maneater“, übersetzt)

Ein kleines Lied über das Sterben
0

„Ein kleines Lied über das Sterben“ von Timo Blunck zu lesen, hat sich letztlich als Herausforderung für mich herausgestellt, obwohl das Cover „eine grandiose Zumutung voll abgründigem Humor“ ankündigt. ...

„Ein kleines Lied über das Sterben“ von Timo Blunck zu lesen, hat sich letztlich als Herausforderung für mich herausgestellt, obwohl das Cover „eine grandiose Zumutung voll abgründigem Humor“ ankündigt. Der Klappentext klang für mich zwar nicht total harmlos, immerhin ist von brutalem Mord und zerstörerischen Leidenschaften die Rede, aber all das ließ nicht erahnen, was mich erwarten würde.

Abgesehen von den Splatter-Passagen bot der Roman ein vielseitiges aktuelles Gesellschaftsbild, inklusive Nazi- und LGBTIQ+-Szene. Der Schreibstil liest sich locker und flott, ist schwarz-humorig, unterhaltsam durch schräge Situationskomik, sowie witzige Dialoge. Es sind die Kontraste, die Perspektivenwechsel zwischen Grauen und scheinbarer Normalität (denn die Protagonisten sind alle irgendwie speziell), die eine Achterbahn der Gefühle verursachen. Auch wenn man mit den Opfern nicht unbedingt sympathisiert, bangt und leidet man mit ihnen mit. Spannung und Action dominieren, meine Lieblingsszenen waren jedoch jene aus Sicht der Hündin Knef, die für mich sowieso die Heldin des Romans darstellt.

Alle Protagonisten sind eigenwillige bis eigenartige Personen und entsprechend markant gezeichnet. Als Mordermittler agiert Tom, ein Ex-Kommissar, mittlerweile abgesackt und kokainsüchtig, der sich aber als ein Mensch mit Charakter entpuppt, das zeigt allein schon, wie fürsorglich er die Hündin Knef behandelt. Mit der Schutzpolizistin Maja bildet er ein effizientes Team, das in einem dramatischen Finale der Täterin das Handwerk legen kann.

Es war zwar kein ungetrübtes Lesevergnügen für mich, aber trotzdem hat mich die Lektüre insoweit gefesselt, dass ich auch nicht aufhören wollte zu lesen. Somit möchte ich das Buch zwar empfehlen, aber nur Menschen, die mit abstoßenden, blutrünstigen und extremen Gewaltszenen kein Problem haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.09.2025

Mord in einer „reizenden“ Familie

Giraffenmord
0

„Giraffenmord“ von J.P. Conrad, das sind 100 Seiten geballter Spaß.

Schon der Titel, das Foto und der Klappentext versprechen Situationskomik, und ich wurde nicht enttäuscht. Ich habe mich königlich amüsiert. ...

„Giraffenmord“ von J.P. Conrad, das sind 100 Seiten geballter Spaß.

Schon der Titel, das Foto und der Klappentext versprechen Situationskomik, und ich wurde nicht enttäuscht. Ich habe mich königlich amüsiert. Über die Ereignisse, den Schreibstil, die Protagonisten.

Der Tag ihrer Urlaubsrückkehr steht unter keinem guten Stern. Martin und Evelyn sind an diesem Tag vom Pech verfolgt. Das Gepäck ging verloren. Den Haustorschlüssel haben sie vergessen. Glücklicherweise gibt es eine Putzfrau, die zu Hilfe eilt. Endlich im Haus, finden sie im Wohnzimmer einen Unbekannten. Tot auf dem nunmehr blutig besudelten Teppich. Und die größte Sorge von Evelyn: „Wie soll ich denn jemals diesen Fleck aus dem Teppich bekommen?“

Sätze wie diesen gibt es wie Sand am Meer, herrlich witzige Dialoge, auch böse, bissige Gedanken. Zum Beispiel schaut Martin seiner Frau nach, mit Blick auf den Hintern, und denkt, dass früher alles besser war. In dieser Tonart läuft es weiter. Ich bin aus dem Schmunzeln und Lachen gar nicht mehr rausgekommen. Alle kriegen ihr Fett ab, nicht nur Martins Kommentare und Gedanken sind ätzend und spöttisch.

Denn so nach und nach trudeln die diversen Familienmitglieder ein – Bruder, Mutter, Sohn und Schwiegertochter -, eine Person origineller gezeichnet als die andere. Dazu die Deutsch radebrechende Haushaltshilfe, zwei mehr oder weniger überforderte Polizisten. Mit jeder dazu kommenden Person wächst die Konfusion. Es werden Tatmotive und Tatabläufe diskutiert, Streitgespräche geführt und es wird zusehends chaotischer. Am amüsantesten sind die Dialoge, wie die Menschen auf den Ermordeten reagieren, wie wenig schockiert sie sind, ihnen das familieninterne Hick-Hack wichtiger ist. Und die Leiche - die verkommt zur Nebensache. Diese „liebe“ Familie attackiert sich kreuz und quer verbal, bissig, boshaft, lieblos. Sympathiepunkte erzielen sie alle miteinander nicht. Aber sie haben mich bestens unterhalten. Die Lösung überrascht, ist aber nachvollziehbar und, für mich jedenfalls, sehr zufriedenstellend.

Ich habe das Büchlein in einem Sitz ausgelesen und bedauert, wie schnell ich am Ende angelangt war. Gerne möchte ich mehr von diesem Autor lesen. Eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Punkte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.09.2025

Gruselig-spaßige Situationskomik par excellence

Mumien morden mittwochs nie
0

Tatjana Kruse ist wieder einmal eine köstliche Geschichte eingefallen, die unheimlichen Spaß macht und gleichzeitig auch gruselig und spannend ist.

Bereits das Cover und der Titel „Mumien morden mittwochs ...

Tatjana Kruse ist wieder einmal eine köstliche Geschichte eingefallen, die unheimlichen Spaß macht und gleichzeitig auch gruselig und spannend ist.

Bereits das Cover und der Titel „Mumien morden mittwochs nie“ wecken die Neugier auf das 2025 erschienene Buch. Die Handlung umfasst den Zeitraum eines Tages, vor allem der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag.

Dabei beginnt es so seriös mit der Eröffnung einer Museums-Ausstellung mit sensationellen ägyptischen Artefakten. Doch die Pressekonferenz endet mit einem Fiasko und einer übel zugerichteten Leiche. Für Dr. Apollonia Obermoser, kurz Polly, Expertin für Ägyptologie, ist es ein verhängnisvoller Unfall, doch schnell verbreitet sich das Gerücht, dass auf den Museumsstücken ein Fluch der Mumie haftet. Dabei gibt es nur einen leeren Sarkophag und gar keine Mumie, wie Polly immer wieder betont. Die Polizei wird eingeschaltet, ermittelt, schließlich verlassen alle das Museum bis auf eine Handvoll Personen.

Ab nun geht es Schlag auf Schlag. Es bleibt nicht bei einem Ermordeten. Das Sicherheitssystem des Museums bricht zusammen, der Lockdown-Modus aktiviert sich - sie sind eingeschlossen, kein Kontakt zur Außenwelt ist mehr möglich. Als auch noch der Strom ausfällt, wird es richtig schaurig. Und gefährlich. Denn einer unter ihnen ist ein Mörder, weiß Polly, die natürlich nicht an die Mumien-Theorie glaubt. Gemeinsam mit Daphne, der Tochter der Museumsbesitzerin, macht sich Polly so ihre Gedanken, wer der Mörder sein könnte. Wunderbar zum Miträtseln. Die Art und Weise, wie alles beschrieben ist, angefangen von den speziellen Figuren, erzeugt lebhaftes Kopfkino: die Stimmung und Atmosphäre, die seltsamen Ereignisse, rätselhaften Wahrnehmungen, vieles wirkt total abstrakt, schaurig, all die aberwitziger Szenen, und dann noch Cliffhanger, die schockieren, den Atem stocken lassen. Man hat das Gefühl, sich selbst durch die grünschimmernde Dunkelheit zu tasten. Fürchtet sich mit, bangt um Polly und Daphne. Will das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Das Ende – spektakulär und total überraschend!

Ich habe diese Lesestunden genossen, den Ideenreichtum, die Fantasie und die Wortschöpfungen und Wortspiele, wurde einfach bestens unterhalten. Morden kann so lustig sein! Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits mit 5 Sternen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.09.2025

Ein Leben voller Briefe

Die Briefeschreiberin
0

Virginia Evans‘ 2025 erschienener Debutroman „Die Briefeschreiberin“ (Originaltitel: The Correspondent) beinhaltet eine berührende Lebensgeschichte in Briefform.

Die Handlung entwickelt sich prinzipiell ...

Virginia Evans‘ 2025 erschienener Debutroman „Die Briefeschreiberin“ (Originaltitel: The Correspondent) beinhaltet eine berührende Lebensgeschichte in Briefform.

Die Handlung entwickelt sich prinzipiell chronologisch, beginnend mit einem Brief vom Juni 2012 bis zur letzten Nachricht vom Jänner 2022. Die Briefschreiberin Sybil van Antwerp, 73, eine Juristin im Ruhestand, geschieden und allein lebend, hat seit frühester Jugend Briefe verfasst. An Freundinnen, Verwandte, aber auch an Prominente, wie Autoren, wenn ihr z.B. ein Buch gut gefiel. Was auch immer ihr am Herzen liegt, was sie zu erledigen hat, sie greift lieber zur Füllfeder und Briefpapier als zum Telefonhörer. E-Mails schreibt sie nur, wenn es nicht anders geht. Schreiben ist ihr ein Bedürfnis. Sie behauptet von sich selbst: „Die Briefe sind das, was mich ausmacht.“

Es ist zwar ein chronologischer Schriftwechsel, aber kein kontinuierlicher. Es ist quasi eine Auswahl der aussagekräftigsten Briefe, jener Briefe, die Sybils Charakter, ihr Umfeld und ihr Leben wiedergeben. Es sind Briefe sowohl an und von Personen, die ihr nahestehen, als auch an und von Menschen, die sie persönlich nicht kennt, denen sie aber etwas mitteilen will oder von denen sie etwas braucht oder die sie kontaktieren. Der Schreibstil liest sich angenehm, doch thematisch etwas sprunghaft. Die Vielzahl der Korrespondenzpartner verwirrt anfangs etwas. Da ist das Personenverzeichnis hilfreich bzw. habe ich eben öfters zurückgeblättert. Doch Seite um Seite versank ich mehr in Sybils abwechslungsreichem Leben, das ihr trotz des hohen Alters noch so einiges an Überraschungen zu bieten hat.

Brief um Brief erfährt man immer mehr über Sybil – über die Facetten ihres Charakters, der einerseits davon geprägt ist, dass sie als Kind adoptiert wurde, andererseits von einem schwerwiegenden Schicksalsschlag, einer Schuld, die sie jahrzehntelang tief in sich verborgen hatte, die sich auch auf ihre familiären Beziehungen auswirkte. In Rückblicken erzählt sie von ihrer Kindheit, Berufstätigkeit und Ehe. Man lernt ihre Kinder kennen und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Obwohl man auch ein charakterliches Bild ihres Umfelds gewinnt, so steht dennoch eindeutig Sybil im Mittelpunkt, die Tiefe ihrer Gefühle, ihr Wesen, ihre Entwicklung im Laufe des Romans. Sybil ist eine Frau, die sich durchzusetzen vermag, die hartnäckig ihre Ziele verfolgt, die Selbstständigkeit schätzt und der die nahende Erblindung Angst macht. Sie sagt bzw. schreibt stets offen, was sie denkt, dabei aber manchmal andere verletzt. Nachdenklicher geworden, erkennt sie letztlich in der Vergangenheit begangene Fehler, strebt Vergebung und Versöhnung an.

Der Autorin ist ein bemerkenswerter Roman gelungen, zweifelsfrei empfehlenswert. Abgesehen vom berührenden Inhalt, denkt man sich wehmütig, wie schade es eigentlich ist, dass es aus der Mode gekommen ist, handschriftliche Briefe zu verfassen. Nichts ist persönlicher, ein besonderer Schatz voller Gefühle, und sie strahlen einen ganz besonderen Zauber aus.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.09.2025

Eine albtraumhafte Zukunftsvision

Vogelstimmen
0

„Vogelstimmen“ von Günter Neuwirth, ist ein niveauvoller politischer Roman, spannend, philosophisch, aufrüttelnd.

Als begeisterte Leserin von Günter Neuwirths historischen Triest-Krimis hat es mich brennend ...

„Vogelstimmen“ von Günter Neuwirth, ist ein niveauvoller politischer Roman, spannend, philosophisch, aufrüttelnd.

Als begeisterte Leserin von Günter Neuwirths historischen Triest-Krimis hat es mich brennend interessiert, ein anderes Genre aus seiner Feder zu lesen. Und es wurde eine interessante Erfahrung. Denn dieses Buch, das 2024 erschien, ist ausgesprochen vielseitig, punkto Thematik und Sprache sehr anspruchsvoll und herausfordernd, u.a. wenn es um philosophische Gespräche zwischen Wissenschaftlern geht, wo zwangsläufig auch Fachausdrücke fallen. Der Roman ist mit weitreichendem Fachwissen verfasst, sprachlich nuanciert. Andererseits gestaltet sich die riskante Reise der Protagonisten entlang der Westküste Afrikas als äußerst spannend. Der gesamten Handlung liegt zudem eine brisante politische Lage zugrunde. In Europa brodelt es, Länder schotten sich ab, Umweltschützer werden wie Terroristen behandelt. All die Themen, die uns tagtäglich bereits heutzutage unter den Nägeln brennen, wie Klimaveränderung, Überbevölkerung, Völkerwanderung, Raubbau an der Natur und Rohstoffen, Ausländerfeindlichkeit, gefährdete Demokratie, Gewaltherrschaft, Krieg und Frieden, u.v.a.m. bilden den Hintergrund für den Roman.

Im Hinblick auf das Szenario, das im Übrigen in der nicht allzu fernen Zukunft angesiedelt ist, mutet das Cover seltsam lieblich an und der Titel befremdlich. Doch Rémy, einer der Hauptprotagonisten, ist Ornithologe, der seit frühester Jugend die Gesänge der Vögel erforscht. Gewissermaßen ziehen sich seine Erkenntnisse und Fähigkeiten, über die nicht so mit der Natur verbundene Menschen nicht mehr verfügen, als roter Faden durch den Roman. Die zweite Hauptperson ist Verena, Mathematikerin und Informatikerin, im wissenschaftlichen Umweltschutz aktiv. Sie wurde beauftragt, wichtige, in einer Forschungsstation am Südpol gesammelte Daten nach Europa zu bringen. Sie strandet wie Rémy in Senegal. Er folgt Zugvögeln zurück nach Europa, den Gartengrasmücken, sie muss die Daten retten. Gemeinsam mit zwei anderen Mitgliedern der Umweltschutzorganisation Blue Marble haben sie eine entbehrungsreiche und gefahrvolle ca. 3.000 km lange Autofahrt an Afrikas Westküste zu bewältigen.

Der stetige Perspektivenwechsel, auch zu Protagonisten, die sich in Europa befinden – den Gitarristen Alwin und die australische Straßenmusikerin Karlene, die sich in Spanien kennenlernen, sowie Harald und Katja, die in London am eigenen Leib gewaltsamen Aktionen ausgesetzt sind – gestalten die Handlung tempo- und abwechslungsreich, und steigern die Spannung. Man fiebert mit den Figuren mit. Eine Zukunftsvision, beklemmend, inklusive verstörender Denk- bzw. Lösungsansätze, doch mit der hoffnungsvollen Ansage am Ende des Buches: „Selbst wenn die halbe Welt da draußen verrücktspielt … wir kämpfen mit den Mitteln der Vernunft und der Empathie …“

Die Charaktere wirken lebendig und authentisch, weisen Stärken und Schwächen auf und zeigen Emotionen. Vor allem machen sie im Laufe der Reise eine Entwicklung durch. Sowohl Rémy, der mit der Natur Verbundene, als auch die kühle, von Vernunft geprägte Verena, sind Einzelgänger und haben Probleme, zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen. Doch letztlich finden sie nicht nur in Liebe zueinander, sondern erkennen auch den Wert von Freundschaften.

Mich hat die Lektüre jedenfalls gepackt, nicht nur die spannenden Erlebnisse der Protagonisten, sondern generell die zugrundeliegende Thematik, die nachdenklich stimmt und zu Diskussionen anregt. Von mir gibt es eine eindeutige Leseempfehlung! 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere