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Veröffentlicht am 28.08.2019

Alles, was ich schon immer über den Alltag eines Buchhändlers wissen wollte

Tagebuch eines Buchhändlers
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„Wenn ich ein Haus betrete, um dort Bücher zu sichten, empfinde ich eine Vorfreude wie bei nichts sonst. Es fühlt sich an, als würde ich ein Netz auswerfen und nie wissen, was sich darin verfangen hat, ...

„Wenn ich ein Haus betrete, um dort Bücher zu sichten, empfinde ich eine Vorfreude wie bei nichts sonst. Es fühlt sich an, als würde ich ein Netz auswerfen und nie wissen, was sich darin verfangen hat, wenn ich es wieder einziehe. […] Bei einer Verhandlung um den Preis einer Privatsammlung mit dem Verkäufer werden die Bücher, um die es geht, zu einer schillernden Beute. Ab dem Moment jedoch, in dem man sich auf einen Preis geeinigt hat, Hände geschüttelt wurden und der Scheck meine Hand verlässt, verwandeln sich die Bücher in eine schwere Last, die ich in Kisten packen, ins Auto einladen, zu Hause ausladen, später durchsehen, online auflisten, auspreisen und in die Regale räumen muss, ehe ich auch nur einen Penny meiner Investition wiedersehe.“

Shaun Bythell ist seit 2001 Besitzer einer Buchhandlung – dem bekannten „The Book Shop“ in Wigtown, Schottland. Am 5. Februar 2014 beginnt er mit seinen Aufzeichnungen zu dem „Tagebuch eines Buchhändlers“ und beendet es am 4. Februar 2015 – es umfasst somit genau ein Jahr seines Lebens. Jedem neuangefangenen Monat setzt er einen Auszug aus George Orwells „Erinnerungen an eine Buchhandlung“ voran und setzt sich mit diesem auseinander.

Der Autor, von seiner damaligen Teilzeitkraft Nicky als „großes, rothaariges Rätsel“ betitelt, erzählt uns in seinem Tagebuch von seinem Arbeitstag als Buchhändler, von seinen Freunden, Familienangehörigen, Bekannten und – last but not least – seinen Kunden. Er erzählt von den Herausforderungen seines Berufs, von ganz besonderen Funden, von Veranstaltungen, die Farbe in den Alltag bringen, aber auch von enttäuschenden und tristen Tagen. Als Experte in seinem Gebiet klärt Shaun Bythell uns über die Auswirkungen von Amazon und dem Internet im Allgemeinen auf physische Buchhandlungen wie seine auf. Auch von seinen Lektüren erzählt er uns, sodass man sich die ein oder andere Inspiration holen kann.

Mit herrlich britischem Humor kommentiert er seine Kunden, Mitarbeiter und sich selbst, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sehr selten passiert mir, dass ich beim Lesen eines Buches laut lachen muss – bei Bythells „Tagebuch eines Buchhändlers“ war das dauernd der Fall. Ich habe es wirklich sehr genossen und kann es jedem nur wärmstens ans Herz legen. Und die zweite Botschaft an euch, wie „The Indepentent“ bereits richtig bemerkt hat: Unterstützt euren Buchhändler vor Ort! Ich werde es ganz bestimmt tun. Was ich mir nun aber ganz besonders wünsche: Ich möchte sobald wie möglich nach Schottland reisen, um „The Book Shop“ einen Besuch abzustatten!

Veröffentlicht am 19.08.2019

Alles Wissenswerte über den Schlaf

Warum wir schlafen
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Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht, aber ich interessiere mich brennend für das Thema „Schlaf“ – was während dieses Vorgangs tatsächlich passiert und warum er so wichtig ist. Auf Albrecht Vorsters ...

Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht, aber ich interessiere mich brennend für das Thema „Schlaf“ – was während dieses Vorgangs tatsächlich passiert und warum er so wichtig ist. Auf Albrecht Vorsters Sachbuch „Warum wir schlafen“ habe ich mich somit direkt gestürzt und konnte es kaum aus der Hand legen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein dermaßen interessantes, humorvolles und zugleich für den Laien leicht verständliches Buch zu einem wissenschaftlichen Thema gelesen zu haben.

Albrecht Vorster beschäftigt sich mit Meeresschnecken, anhand derer er den Schlaf erforscht. Warum gerade mit Schnecken mögen Sie sich fragen. Das liegt daran, dass Schnecken von allen Lebewesen die wenigsten Nervenzellen besitzen und deshalb leicht zu untersuchen sind. Im ersten Kapitel erfahren wir somit unter anderem wie der Autor mit Dunkelkammerbeleuchtung und Radio die Nacht mit den Schnecken durchmacht und welche Schlüsse er aus seinen Beobachtungen am darauffolgenden Tag in Bezug auf den Menschen zieht.

Der Autor erklärt äußerst anschaulich, was während des Schlafes alles passiert. Wie und wo die Wahrnehmungen des Tages während der Nacht verarbeitet werden und wie Gelerntes während des Schlafzustandes verarbeitet wird. Er erklärt die wesentlichen Unterschiede der Arbeit des Immunsystems während des Tages und der Nacht. Und weshalb es in diesem Zusammenhang ratsam ist, während einer Krankheit oder nach einer Impfung unbedingt viel zu schlafen. Vorster stellt uns vor Augen, welche Auswirkungen künstliches Licht auf die Schlafqualität haben und warum Schichtarbeit auf Dauer krank macht. Warum die alljährliche Zeitumstellung in Sommer- und Winterzeit eine Schnapsidee ist und weshalb eine Festsetzung auf die Winterzeit die bessere Wahl gegenüber ständiger Sommerzeit wäre. Dass es sich bei Träumen nicht um abstrakte Gedanken, sondern um „echte“ Wahrnehmungen in einer imaginären Traumwelt handelt. Welche Rolle der Schlaf in einer Beziehung spielt. Was es mit dem Symptom „Restless legs“ auf sich hat und was bei einem Jetleg wirklich hilft.

Dies sind nur einige der Themen, die Albrecht Vorster in seinem Sachbuch zum Thema Schlaf behandelt. In verschiedener Gewichtung sind alle Informationen, die der Autor uns liefert, für jeden relevant, in machen Fällen können sie geradezu lebensverändernd sein. Albrecht Vorster versteht es den Leser für das Thema Schlaf zu begeistern. Wer vielleicht früher der Ansicht war, Schlaf wäre nur Zeitverschwendung, der wird nach der Lektüre von „Warum wir schlafen“ diametral entgegengesetzter Meinung sein. Ich kann nur eins sagen: Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 19.08.2019

Inspirierend

Leben wird aus Mut gemacht
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Anika Landsteiner ist Journalistin. Bekanntheit erlangte sie durch ihren literarischen Reiseblog "anidenkt" sowie die Moderation des Podcasts "ÜberFrauen". Auch ihre bisher erschienenen Bücher "Gehen, ...

Anika Landsteiner ist Journalistin. Bekanntheit erlangte sie durch ihren literarischen Reiseblog "anidenkt" sowie die Moderation des Podcasts "ÜberFrauen". Auch ihre bisher erschienenen Bücher "Gehen, um zu bleiben" sowie "Mein italienischer Vater" erfreuen sich großer Beliebtheit. Nun ist ein drittes Buch aus ihrer Feder hinzugekommen: "Leben wird aus Mut gemacht". Darin erzählt sie von sieben Herausforderungen, die sie in Angriff genommen und gemeistert hat - inspiriert wurde sie dabei von der 84-jährigen Emma, die Anika etappenweise ihre ungewöhnliche Lebensgeschichte erzählt - und genauso gibt die Autorin diese auch an den Leser weiter.

Während man einige von Anikas persönlichen Herausforderungen mit Interesse und Anerkennung verfolgt, wie ihr Eintauchen in die Genealogie, den gelungenen Versuch eine Zeitlang fernab von Social Media zu leben, ihre Auseinandersetzung mit dem eigenen 18-jährigen Ich sowie ihre Reise mit dem emotional entfernt geglaubten Vater, lösen andere wahre Bewunderung aus: Eine Woche lang lernt Anika in einem indischen Ashram zu schweigen, setzt sich profund mit dem Thema Tod sowie der eigenen Angst um den Verlust geliebter Menschen auseinander und führt - was mich persönlich am meisten beeindruckt hat - eine Brieffreundschaft mit einem zum Tode verurteilten Häftling in Texas.

Was Emma bei Anika bewirkt hat, das gibt Anika an den Leser weiter - nämlich ganz viel Inspiration, Mut und Weisheit. In ihrer sehr authentischen, ehrlichen und tiefgründigen Art zeigt sie uns, wie wichtig es ist, sich seinen Ängsten zu stellen, im Hier und Jetzt zu leben sowie sich anderen gegenüber zu öffnen. "Leben wird aus Mut gemacht" ist ein äußerst inspirierendes Buch, das von Leben und Mut erzählt - und zwar auf eine sehr inspirierende Art und Weise. Eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.08.2019

Die faszinierende Welt der Karten

Verrückt nach Karten
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„Verlieren Sie sich in einem guten Buch. Wir haben immer die Karte, die Sie brauchen.“ Dies wird dem Leser zu Beginn des Sammelbandes „Verrückt nach Karten“ versprochen – und genauso ist es auch. Man ...

„Verlieren Sie sich in einem guten Buch. Wir haben immer die Karte, die Sie brauchen.“ Dies wird dem Leser zu Beginn des Sammelbandes „Verrückt nach Karten“ versprochen – und genauso ist es auch. Man verliert sich buchstäblich in der hin- und mitreißenden Welt der Karten. Ob Sie schon immer die Welt von Narnia, Tolkins Mittelerde-Fiktion, Stevensons Schatzinsel, Peter Pans Nimmerland, das Mumintal oder Winnie Pooh‘s Hundert-Morgen-Wald geliebt haben – in diesem Band finden Sie wirklich jede Karte, die Ihnen am Herzen liegt. Viele weitere Karten bieten Inspiration für Literaturentdeckungen, die Ihnen möglicherweise bisher nicht geläufig waren.

Das Buch ist grob in drei Teile gegliedert: „Literarische Karten“, „Karten erstellen“ und „Karten lesen“ – je nach Fokus variiert die Gewichtung. So ist im ersten Teil von Karten die Rede, die seit jeher eine große Faszination auf die Leserschaft ausgeübt haben. Im zweiten Teil berichten Künstler und Autoren darüber wie Karten entstehen. Im dritten Teil kann man sich als Leser im Kartenverständnis üben. „Wenn du selbst eine Karte anfertigst, kannst du sie so gestalten, dass sie zu dem Abenteuer passt, in das du entfliehen willst.“

Das gesamte Buch, einem Leitfaden gleich, durchzieht die Frage danach, warum Karten eigentlich eine so große Faszination auf uns Menschen ausüben. Der Herausgeber und Co-Autor von „Verrückt nach Karten“ Huw Lewis-Jones sowie viele weitere Autoren und Künstler suchen und liefern viele Antworten auf diese Frage. „Karten sind mitreißend, voller Wunder und Abenteuer.“ sagt Lewis-Jones. „Dasselbe gilt für ein gutes Buch. Sie geben uns die Freiheit, an jeden anderen Ort zu fliehen, wann immer wir wollen oder müssen. Bücher wie Karten sind voller Magie.“ „Die Faszination entsteht, wenn wir auf eine Karte blicken und feststellen, dass wir darin aufgehen, die Antworten auf Fragen zu entdecken, die zu stellen wir nie gedacht hätten“, sagt ein anderer. „Menschen werden geboren, um zu forschen. Es liegt in unserer Natur, zu reisen, zu entdecken, zu benennen und zur Benennung gehört es auch, die Welt, in der wir uns befinden, zu kartieren.“

Ich will aber auch nicht zu viel vorwegnehmen. Begeben Sie sich doch selbst mithilfe von dem wunderschön gestalteten Sachbuch auf die Suche nach Ihrer eigenen Wahrheit für Ihre Kartenfaszination. Ich verspreche Ihnen, Sie werden die Antwort auf diese Frage in diesem Buch finden!

Veröffentlicht am 28.07.2019

Ein brillantes Debüt

Gespräche mit Freunden
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Bobbi und Frances sind zwei blutjunge Studentinnen in Dublin. Während Bobbi Geschichte und Politik studiert, widmet sich Frances ganz der Literatur, wobei sie sich ebenfalls selbst als Schriftstellerin ...

Bobbi und Frances sind zwei blutjunge Studentinnen in Dublin. Während Bobbi Geschichte und Politik studiert, widmet sich Frances ganz der Literatur, wobei sie sich ebenfalls selbst als Schriftstellerin versucht. Beide treten oft zusammen bei Spoken-Word-Events und Open-Mic-Veranstaltungen auf. Während einer dieser Veranstaltungen lernen sie die Fotografin Melissa kennen, die die jungen Artistinnen derartig faszinierend findet, dass sie ein Portait über die beiden verfassen möchte. Spontan nimmt sie diese mit nach Hause, wo sie mit ihrem Ehemann Nick, der Schauspieler ist, wohnt. Frances fühlt sich vom ersten Augenblick an zu Nick hingezogen und es entwickelt sich mit der Zeit eine Affäre zwischen den beiden.

Frances, die als Ich-Erzählerin auftritt, unterzieht ihre beiden Liebesbeziehungen – diejenige zu Nick als auch diejenige zu Bobbi – sowie ihr eigenes Innenleben einer tiefgehenden und bewegenden Analyse. In ihren Worten und Handlungen gibt sie sich kühl, beobachtend, rational und sarkastisch, um bloß nicht zu zeigen wie verletzlich sie tatsächlich ist. Geprägt ist die Erzählhaltung von einem äußerst analytischen und selbstreflexiven Schreibstil. „Angst war nur ein chemisches Phänomen, das schlechte Gefühle hervorrief. Gefühle waren nur Gefühle, sie hatten keinen materiellen Bestand.“ Gleichzeitig ist der Schreibstil jedoch auch sehr emotional und lässt den Leser fast distanzlos am Erleben der Ich-Erzählerin teilnehmen. „Man durchlebt bestimmte Dinge, bevor man sie versteht. Man kann nicht immer die analytische Position einnehmen.“

Da von der Autorin selbstverständlich nicht nur die Protagonistin, sondern auch Bobbi, Nick und Melissa äußerst komplex angelegt worden sind, wird der Leser regelrecht in ein Geflecht an Verstrickungen mit sich schrittweise offenbarenden persönlichen Tragiken hineingezogen. Der ständige Diskurswechsel, die etappenweise erfolgenden neuen Erkenntnisse sowie die Methoden der Täuschung und Verhüllung lassen den Leser wahrlich nicht zu Atem kommen. Man wird in einen Sog wechselhafter Gefühle und unerwarteter Bekenntnisse hineingezogen, dem man sich nicht entziehen kann. Äußerst passend finde ich den aus der Times stammenden Vergleich zu Françoise Sagans „Bonjour Tristesse“, denn in beiden Werken bestimmt die alles übergreifende reflektierende Melancholie und nachdenkliche Schwermut das Timbre der Erzählung.

„Gespräche mit Freunden“ ist ein in jedweder Hinsicht modernes Literaturdebüt voller Virtuosität und Dynamik, das es unbedingt zu lesen gilt.