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Veröffentlicht am 09.12.2022

Töten um zu überleben

Die Nadel
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Unter dem Namen Henry Faber operiert in England ab 1940 ein deutscher Spion, der stets mit einem Stilett tötet und daher von der britischen Abwehr als „Die Nadel“ gesucht wird. Erbarmungslos tötet er jeden ...

Unter dem Namen Henry Faber operiert in England ab 1940 ein deutscher Spion, der stets mit einem Stilett tötet und daher von der britischen Abwehr als „Die Nadel“ gesucht wird. Erbarmungslos tötet er jeden der ihm gefährlich werden könnte, ihn beim Morsen überrascht, seine Tarnung entdeckt oder in dem er ein Mitglied des britischen Geheimdienstes vermutet. So zieht er bereits eine blutige Spur hinter sich her, als er 1944 einen kriegswichtigen Auftrag erhält. Er soll einen großen Stützpunkt der britischen Armee beobachten und fotografieren, um dessen Stärke und Gefährlichkeit einschätzen zu können. Es gelingt ihm, aber ab jetzt ist ihm der MI5 auf den Fersen. Faber möchte die Negative persönlich nach Deutschland bringen, dazu soll ihn wie geplant ein U-Boot an der Küste von Schottland abholen. Doch ein Orkan verhindert das Treffen und alles läuft plötzlich anders als geplant …

Ken Follett, geb. 1949 in Cardiff/Wales, ist ein britischer Schriftsteller. Internationale Beachtung erwarb er zunächst als Autor von Kriminalgeschichten und Thrillern. Seinen Durchbruch schaffte er 1978 mit dem Spionage-Roman „Die Nadel“. Später entdeckte er das Genre des Historien-Romans für sich und wurde zu einem der meistgelesenen Autoren. Follett ist in zweiter Ehe verheiratet und lebt in Chelsea (London) und Hertfordshire.

Dem Autor ist es ausgezeichnet gelungen, die Stimmung des II. Weltkriegs zu vermitteln. Dass er dabei nicht wertet sondern klar darstellt, dass die Engländer und die Deutschen Kriegsgegner sind und beide Seiten den Krieg gewinnen wollen, ist ihm hoch anzurechnen. Dass dabei der Protagonist, der deutsche Spion Henry Faber, trotz mehrerer brutaler Morde ein Sympathieträger ist, erstaunt doch sehr. Man hofft während der spannenden Jagd quer durch England die ganze Zeit, dass Faber seinen Verfolgern entwischt und er trotz aller Gefahren das rettende UBoot erreichen wird. Ob ihm das gelingt erfährt der Leser erst im äußerst dramatischen Finale.

Fazit: Ein extrem spannender Spionagethriller, mit dem Ken Follett international bekannt wurde und für den er 1979 den Edgar Award erhielt. Überaus lesenswert!

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Veröffentlicht am 28.11.2022

Freud und Leid liegen nah beieinander

Die Töchter des Geistbeckbauern
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Als jüngstes Kind der Hopfenbauern- und Gastwirtsfamilie Geistbeck aus der Hallertau kommt Wally in einer eiskalten, stürmischen Januarnacht 1911 zur Welt. Wie auch ihr Bruder und ihre beiden Schwestern ...

Als jüngstes Kind der Hopfenbauern- und Gastwirtsfamilie Geistbeck aus der Hallertau kommt Wally in einer eiskalten, stürmischen Januarnacht 1911 zur Welt. Wie auch ihr Bruder und ihre beiden Schwestern muss sie schon früh mithelfen, die im Hof und in der Wirtschaft anfallenden Arbeiten zu verrichten. Dennoch haben die Geschwister eine sehr schöne, behütete Kindheit, bis mit dem 1. Weltkrieg und der danach folgenden Inflation auch die Not bei den Geistbecks einzieht. Wally muss im Kloster die Hauswirtschaft erlernen, um sich danach eine Stelle als Dienstmagd in München zu suchen. So ist sie gezwungen, bereits als Vierzehnjährige ihre geliebte Heimat und ihren Freund Ludwig, dem sie seit Kindertagen zugetan ist, zu verlassen und sich alleine in der Fremde durchzuschlagen.

Antonia Brauer ist das Pseudonym einer Münchner Autorin und Journalistin, deren Familie aus der Hallertau stammt. Ihre Großmutter war die Wally, über deren Leben sie in diesem Roman schreibt – eine Reise in die Vergangenheit ihrer Familie, nach ihrer eigenen Aussage.

„Die Töchter des Geistbeckbauern“„Jahre des Säens“ist der erste Band, der in den Jahren 1911 bis 1928 spielt und hauptsächlich die Jugendjahre von Wally und ihrer beiden Schwestern Zenzi und Resi beinhaltet – ein zweiter Band mit dem Untertitel „Jahre des Erntens“ folgt. Orte der Handlung sind überwiegend das kleine Dorf Deimhausen im Landkreis Pfaffenhofen und die bayerische Landeshauptstadt München.

In einem angenehmen und mitreißenden Schreibstil schildert die Autorin das damalige Leben, nicht nur auf dem Lande, sondern auch in der Stadt. Sehr lebendig und real erlebt man die extremen Gegensätze, sowohl die harte Arbeit und das Brauchtum auf dem Land, als auch das lockere, unbeschwerte Leben in der Stadt, wobei dort die arme Bevölkerung nicht minder schwer arbeiten musste. Bemerkenswert ist auch die individuelle Charakterisierung der einzelnen Personen, was auf eine gute Recherche in der Familiengeschichte der Autorin schließen lässt. Alle Protagonisten handeln authentisch und ihr Gefühlsleben ist durchaus nachvollziehbar – Leid und Schicksalsschläge berühren sehr und lassen oftmals mitleiden.

Fazit: Die Lebensgeschichte dreier Schwestern die gleichsam begeistert und bestürzt – man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.

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Veröffentlicht am 15.11.2022

Kann der Fluch durch Liebe besiegt werden?

Die Meerjungfrau von Black Conch
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Es ist im April 1976, als der junge Fischer David sie zum ersten Mal sieht. Er ist allein in seinem Boot vor der karibischen Insel Black Conch als die Meerjungfrau, Aycayia, plötzlich neben ihm auftaucht. ...

Es ist im April 1976, als der junge Fischer David sie zum ersten Mal sieht. Er ist allein in seinem Boot vor der karibischen Insel Black Conch als die Meerjungfrau, Aycayia, plötzlich neben ihm auftaucht. Tage später wird sie bei einem Angelwettbewerb von zwei Amerikanern aus dem Wasser gezogen. Sie versprechen sich vom Verkauf der Fisch-Frau in den USA zu Reichtum zu kommen und hängen sie zunächst bis zu ihrer Abreise kopfüber im Hafen auf. Dort entdeckt sie David, rettet sie und nimmt sie mit nach Hause. Dann geschieht das Wunder. Durch Davids Liebe und Fürsorge verwandelt sich die mit einem Fluch beladene Meerjungfrau langsam wieder zurück in die bildschöne junge Frau, die Aycayia einstmals vor hunderten von Jahren war. Doch als Priscilla, eine bösartige neidische Nachbarin, Davids Geheimnis entdeckt und ein schwerer Hurrikan die Insel heimsucht, beginnt der Fluch der neidischen Frauen wieder zu wirken …

Die britische Schriftstellerin Monique Roffey wurde 1965 in Trinidad geboren, wo sie auch ihre frühe Schulzeit verbrachte. Später besuchte sie in Großbritannien das College und studierte anschließend an der University of East Anglia Englisch und Filmwissenschaft und an der Lancaster University Creative Writing. Vor „Die Meerjungfrau von Black Conch“ schrieb sie bereits einige Romane, die in Europa und den USA viel Beachtung fanden und für die sie auch einige Preise und Auszeichnungen erhielt. Die Autorin lebt abwechselnd in London und Trinidad.

Wir erfahren die Geschichte der Meerjungfrau aus drei verschiedenen Perspektiven und in drei Zeitebenen: Die Ereignisse von April 1976 bis zum verheerenden Hurrikan im August 1976 werden von einer bestens informierten, neutralen Person sehr realistisch geschildert, was mitunter den Eindruck eines Tatsachenberichts erweckt. Der zweite Erzähler ist David, der nun 2015/2016, seine damaligen Erlebnisse in Form eines Tagebuchs festhält. Dabei schweifen seine Gedanken zurück und lassen seine große Liebe zu Aycayia nochmals lebendig werden. Die dritte Erzählebene ist die Meerjungfrau selbst, die von einer längst vergangenen Zeit berichtet, als ihr Volk der Taino, die Ureinwohner der Karibik, noch existierte. Wir erfahren, wie sie wegen ihrer Schönheit von den anderen Frauen ihres Dorfes verflucht wurde und seither als Frau/Fisch-Wesen ihr Leben im Meer verbringen musste.

Gleich mehrere aktuelle Themen behandelt die Autorin in diesem Buch: Die Kolonialisierung durch Weiße, unter der die indigene Bevölkerung leiden musste, der daraus entstandene Rassismus, dass sich die weiße Minderheit privilegiert fühlt und nicht zuletzt das Schicksal der Frauen, die über Jahrhunderte hinweg als männliche Sexualobjekte betrachtet wurden. Auch Missgunst und Neid der Frauen untereinander sind bis heute noch ein Thema, was sich mit der Figur der bösen Nachbarin Priscilla zeigt. Leider wird der gute Eindruck der Geschichte durch die gewählte Sprache, die wohl den einfachen Menschen ohne Bildung entsprechen soll, stark gemildert. Auch die Ausdrucksweise der Meerjungfrau in Gedichtform konnte mich nicht überzeugen. Die fehlerhafte Sprache und die häufigen Verdoppelungen von Adjektiven führen bei mir zu Punktabzug, trotz einer Erklärung der Übersetzerin am Ende des Buches, dass sie damit den Dialekt der Inselbewohner hervorheben wollte.

Fazit: Schönes Cover, tolle Geschichte, gewöhnungsbedürftige Sprache.

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Veröffentlicht am 05.11.2022

Resignieren oder aufbegehren?

Unsre verschwundenen Herzen
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Wir befinden uns in naher Zukunft in den USA. Das Land befindet sich in einer Wirtschaftskrise, an der die asiatischen Staaten die Schuld tragen sollen. Alle Menschen mit asiatischen Wurzeln werden verfolgt, ...

Wir befinden uns in naher Zukunft in den USA. Das Land befindet sich in einer Wirtschaftskrise, an der die asiatischen Staaten die Schuld tragen sollen. Alle Menschen mit asiatischen Wurzeln werden verfolgt, ihre Kinder werden abgeholt und bei Pflegeeltern untergebracht. Der zwölfjährige Noah, der sich selbst gerne Bird nennen lässt, lebt alleine mit seinem Vater – seine Mutter Margaret Miu, die asiatische Vorfahren hat, hat die Familie zu deren Sicherheit bereits vor Jahren heimlich verlassen. Eines Tages erhält Bird einen Brief ohne Absender, der nur eine seltsame Zeichnung enthält. Bird vermutet darin eine Nachricht seiner Mutter und macht sich auf die Suche nach ihr …

Celeste Ng ist eine us-amerikanische Schriftstellerin. Sie wurde 1980 in Pittsburgh als zweite Tochter ihrer aus Hongkong eingewanderten Eltern geboren. An der Harvard University und an der University of Michigan studierte sie Englisch und Kreatives Schreiben. Vor „Unsre verschwundenen Herzen“ schrieb Celeste Ng bereits zwei Romane, die auch international viel Beachtung fanden.

Der Anfang der Geschichte lässt sich sehr gut an: ein alleinerziehender Vater, die Mutter spurlos verschwunden, der Junge mit nur vager Erinnerung an sie. Als Leser ist man sofort im Sog des Geschehens da man erfahren und verstehen möchte, warum sie ihre Familie verlassen hat. Auf der Suche nach seiner Mutter entdeckt Bird die Bibliothek als Ort des konspirativen Widerstandes und erfährt dort einige Episoden aus seiner Kindheit. Er erkennt auch, dass die verwendete Parole der Widerstandsbewegung aus einem Gedicht seiner Mutter stammt und ihn zu ihr führen könnte. Hoffnung auf eine bessere Zukunft ohne Angst keimt auf.

Die Geschichte ist aus verschiedenen Blickwinkeln geschrieben, ohne die wörtliche Rede besonders hervorzuheben. Leider entsteht dadurch etwas Verwirrung da nicht immer klar zu erkennen ist, welche Person und wessen Gedankengänge gerade zu Wort kommen. Birds Gefühle sind klar zu erfassen und nachvollziehbar, während die Gefühlswelt der Mutter für mich rätselhaft und unverständlich ist. Einige Aspekte der Geschichte, wie z.B. die Ursachen die zu der Krise im Land führten, bleiben undurchsichtig und werden nicht näher erläutert. Durch häufig eingefügte Rückblenden auf frühere Begebenheiten zieht sich die Spurensuche nach Birds Mutter sehr in die Länge. Das Ende der Geschichte von Bird und seiner Mutter ist sehr gut gelöst, unbefriedigend und zum Nachdenken anregend, aber genau passend – und vieles bleibt weiterhin ungeklärt und rätselhaft.

Fazit: Ein dystopischer Roman der eine Gegenwart beschreibt, die unsere Zukunft sein könnte. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Wenn Liebe in zerstörerischen Hass umschlägt …

Verbrenn all meine Briefe
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Als Alex Schulmann bemerkt, dass seine unvermittelten Wutanfälle seine Frau schockieren und seinen Kindern Angst bereiten, versucht er diese zu ergründen und stößt dabei auf ein Familiengeheimnis seiner ...

Als Alex Schulmann bemerkt, dass seine unvermittelten Wutanfälle seine Frau schockieren und seinen Kindern Angst bereiten, versucht er diese zu ergründen und stößt dabei auf ein Familiengeheimnis seiner Großeltern mütterlicherseits. Er erinnert sich an die Ferien, die er bei den Großeltern verbracht hat, an den ewig mürrischen und nie zufriedenen Großvater und an die Großmutter, die stets beflissen war und Angst vor seiner Wut hatte. Das begann im Sommer 1932, als das junge Ehepaar Sven und Karin Stolpe einige Tage Gäste im Hause einer Literaturstiftung waren, wo Sven, der schon damals ein bekannter Autor war, einige Lesungen hielt. Ebenfalls anwesend war auch der noch unbekannte junge Schriftsteller Olof Lagercrantz. Karin, die sich von ihrem berühmten Mann ständig überwacht und bevormundet fühlt, verliebt sich sofort in den zurückhaltenden und schüchternen Olof. Auch er entbrennt in heißer Liebe zu Karin und schreibt schwärmerische Gedichte über und für sie. Das bleibt Sven nicht lange verborgen und Karins Trennungsversuch von ihm endet in einer Katastrophe. Karin fürchtet um ihr Leben …

Alex Schulman, geb. 1976 in Hemmesdynge, ist einer der populärsten schwedischen Schriftsteller der Gegenwart. Er studierte Film-, Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität Stockholm und ist Autor, Journalist, Blogger und Fernseh- und Radiomoderator. Er schrieb einige Bühnenshows und veröffentlichte ein paar autobiografische Geschichten über seine Familie, bevor ihm 2021 mit „Die Überlebenden“ der große Durchbruch gelang. Sein ein Schweden bereits 2018 erschienener und vielbeachteter Roman „Bränn alla mina brev“ wurde jetzt, 2022, ins Deutsche übersetzt und erschien unter dem Titel „Verbrenn all meine Briefe“ bei der dtv-Verlagsgesellschaft. Alex Schulman ist ein Enkel mütterlicherseits des schwedischen Schriftstellers Sven Stolpe. Er ist seit 2010 in dritter Ehe mit Amanda Schulman verheiratet, hat zwei Töchter und mit ihr einen gemeinsamen Sohn.

Dank der intensiven und äußerst akribischen Recherche des Autors erfahren wir, wie sein tyrannischer Großvater Sven Stolpe drei Leben zerstörte, das seiner Frau Karin Stolpe, das von Olof Lagercrantz und nicht zuletzt sein eigenes. Zwar funktioniert Karin weiterhin als Ehefrau, bringt vier Kinder zur Welt, lebt aber nur in der Erinnerung an ihre große Liebe. „Verbrenn all meine Briefe“, bittet sie den Geliebten aus Furcht, sie könnten eines Tages Sven in die Hände fallen. In Olofs Gedichten von 1935 und 1937 ist diese Liebe immer noch zu spüren.

Der Roman ist kein Krimi, aber eine spannende, aufregende Geschichte, bei der diese kurze und tragische Liebesgeschichte sehr feinfühlig wieder zum Leben erweckt wird. Behutsam nimmt man Teil an deren Leben, hofft und leidet mit ihnen. Die in jedem Kapitel wechselnden Handlungsstränge, das Kennenlernen der Liebenden in den dreißiger Jahren, die Zeit in den Achtzigern, als der Autor Alex Schulman die Ferien bei seinen Großeltern Sven und Karin verbrachte und sein Leben heute als Erwachsener, Ehemann und Vater, halten die Spannung aufrecht und machen das Lesen abwechslungsreich. Zum Schluss kann man für Schulman nur hoffen, dass er sein Gemüt besänftigen kann und seine Wutausbrüche unter Kontrolle bringt, da er nun ihren Ursprung kennt.

Fazit: Einfach nur schön, sehr emotional, ein großes Lesevergnügen!

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